03.01.1042 - Tag des Affen - Mittag"Ein Vergleich," grummelte die Stimme dunkel und brüchig, wie brechendes Granit,
"Mhm. Interessant. Ich habe nie einen Vergleich zwischen diesen Aussagen, welche Männer und Frauen dieser Kultur für Weisheiten halten, angestellt. Sie nur als zwei Bedingungen des Lebens hier gesehen, deren einzige Verbindung die Notwendigkeit ist, damit dieses Chuang, wie ihr Menschen es nennt, bestehen kann." Die Stimme sprach mit einer großen und ausgiebigen Langatmigkeit, als müsste das ganze Erdreich sich wallen, damit dieses Wesen zu Stimme finden konnte.
Es schien, als müsste das Wesen, was auch immer es sein mochte, erst einmal alleine Antworten ordnen und sich selbst zu weiteren Antworten entschließen. Eine plötzliche Stille folgte, welche fast fünf Minuten nicht durchbrochen wurde.
"Lu Chieng und Mako Jinsei, ihr seid Kinder dieser Kultur.", ist die kurze Antwort des Wesens auf Lus und Makos Aussagen.
"Und ihr seid es gerne. Unverrückbar wie eine Gebirgsspitze, welche den Himmel zu küssen gedenkt." Das Wesen atmete schwer, als würde ihm jedes Wort schwerer fallen.
"Hong gil-Dong, ihr kennt mehr als das, was man in Chuang Wahrheit nennt, das imponiert mir."Das Wesen schien nur in kurzen, abhackten Sätzen sprechen zu wollen, ohne dass es seinen Worten Erklärungen anhängen wollte. Ein ganz anderer Gast als Chuang Wang, der sich noch um jede noch seine kleine Erklärung bemühte, geradezu von einem Rechtfertigungswahn zerfressen schien, zumindest im Vergleich zu dieser Stimme. Und vielleicht musste es sich auch gar nicht rechtfertigen, denn dieses Wesen hatte etwas Ehrfurchtsgebietendes an sich, etwas, was einen in kleidsame Furcht warf, ohne unheilvoll zu sein. Das Gefühl von Größe, das strahlte dieses Wesen aus. Größe und Alter. Wahr es tatsächlich Long
[1] oder ein anderes Wesen der Natur selbst, welches nun zu den Denunzianten sprach?
"Xū Dǎnshí, euch kann ich nicht einschätzen. Ihr seid durchwühlt von Zweifeln, wie Regenboden von Würmern. Diese Zweifel lassen euch zwischen Himmel und Erde schwanken. Ihr seid ein Mensch in seiner rohesten Form."Dieses Wesen schien ohne Zweifel viele Worte, die Erläuterung bedurften, für Selbstverständlichkeiten zu erachten und obgleich es deutlich war, dass es auch in Metaphern sprach, waren diese Worte mehr als Metaphern allein. Es holte tief Luft und kam dann Makos Bitte nach, ohne vorher auf die Drachenfrage einzugehen.
"Ich bin Tŭ[2] in eurer Sprache, in anderen Sprachen nennt man mich Cae[3] oder Ard[4], aber nur in meiner Sprache kann man ausdrücken, was ich bin. Dort heiße ich Eskja, Fjorgyn, Fjorn, Flag, Fold, Frøn, Grund, Gyma, Hauðr, Hjarl, Hrø, Jorð, Jormungrund, Laut, Mold, Rofa und Saurr[5].
Doch auch eure Gemeinsprache hat nur einen Namen für mich, sie nennt mich Erde. Obwohl dieser Begriff so grob ist, dass er mich in diesem Moment nicht beschreiben kann, dürft ihr mich so nennen."Erde verstummte abrupt und schwieg wieder eine ganze Weile.
"Ich mag eure Antworten. Keiner, der die Welt erklären kann. Keiner, der sie alleine erklären will. Das zeigt, dass ihr noch Menschen seid. Ihr dürft Fragen stellen.", sagte die Erde schließlich nach einer ganzen Weile und klingt dabei etwas zufriedener als zuvor, wenn man sich solches bei sprechender Erde vorstellen vermag. Ihre Stimme bleibt dennoch behäbig und das überwältige Gefühl von Größe drückt das kleine steinerne Gefängnis zusammen.