05.01.1042 - Tag des Pandas - Früher Morgen
Während Hong Gil-dong und Xū Dǎnshí ein Wortgefecht austrugen, welches ernster nicht sein konnte, führte Bu Cao weiter den Kampf gegen sich selbst. Hoffnung und Zerschmetterung jener wechselten sich in einer für ihn furchtbaren Regelmäßigkeit ab, doch er behielt Shǎzi unter Kontrolle. Der Narr gewann nicht die Oberhand, auch wenn die süße Erlösung ihm nur eine flüchtige Berührung schenkte, als Hong in Aussicht stellte, den Narren zu töten. Er wurde hellhöriger, aufgeregter in dem Moment, schien sogar die Schwere des Geistes
[1] abwerfen zu können, doch als klar wurde, dass er nur den Kaisersohn würde holen können, fielen Bu Caos Schulter und sein Oberkörper in sich zusammen. Er ließ sich ermattet auf den Teppich sinken und verharrte dort einen Moment in Stille, blickte auf den Boden vor sich, während seine Schultern ein wenig bebten.
"Ich werde Chuang Diyan holen. Doch werde ich ihn in Stille holen müssen, da seine Brüder sicher nicht zuließen, dass er ohne ihren Willen kommt. Sie könnten fürchten, dass in diesem Spiel etwas geschieht, was sie nicht überwachen können. Sie trauen Shǎzi nicht, und sie trauen dem Flüstern der Nacht nicht.", stellt Bu Cao in Aussicht, dass er Chuang Diyan alleine holen wird, und mühte sich dann auf. Der findige, aber gebrochene und alkoholisierte Mann, zauberte ein Fläschchen auf und im Raum verbreitete sich der scharfe, kräftige Geruch von Báijiǔ
[2]. Bu Cao stürzte das Fläschchen runter und wischte sich die Tränen aus dem Gesicht. Er ging in den Waschraum der Denunzianten und wusch sich das Gesicht flüchtig und trocknete es in seiner Kleidung. Dann eilte er aus dem Zimmer, um den Kaisersohn zu holen, den Hong Gil-dong forderte.
05.01.1042 - Tag des Pandas - Mittag
Die Denunzianten, angespannt, aufgewühlt und vielleicht sogar aufgeschreckt, hatten jegliches Zeitgefühl verloren. Obwohl vielleicht eine Stunde vergangen sein mochte, kam es ihnen doch wie ein halber Tag vor. Nichts tat sich, selbst die sonst hin und wieder erklingenden Rüstungen der Wachleute, wenn sich einer von ihnen ruckartig bewegte, wenn er fast eingeschlafen war, schienen verschluckt und nicht mehr wahrnehmbar. Der Marmorboden blieb kalt, undurchdringlich. Der merkwürdige, ammoniakhaltige Schwefelgeruch war auch wie verschwunden. Manch einer mochte anfangen durch die enger werdenden Räume seine Runden zu drehen. Jeder Schritt eine Sekunde, um sowas wie ein Zeitgefühl zurückzugewinnen. Die Wände wurden mit dem Geschmack der Freiheit auf der Zunge wahrhaftig enger, rückten auf einen ein. War es nur eine Hoffnung, wie jene Bu Caos, dass man ihn von seinem Leid sofort erlösen würde? Würde es den Shǎzi in Bu Cao dazu anstiften, auch diese Hoffnung der Denunzianten wieder zu zerstören? War das alles nur ein Teil seines perfiden Spiels, in dem er ihnen Hoffnung machte, um sie nochmal heiß zu machen, um sie aus der Reserve zu locken, um sie zu Fehlern zu zwingen? Würde er überhaupt wiederkommen?
Ein unterdrückter Schrei, dann sprangen beide Türen auf. Bu Cao stolperte durch die eine, wobei die Tür, welche von Boss schon so stark traktiert wurde, zersplitterte. Durch die zahlreichen Splitter blutend, aber bei Bewusstsein kam Bu Cao auf einem Teppich zum Liegen, während Chuang Diyan durch die Tür gehumpelt kam. Seine Beine waren immer noch wund, jetzt nach der kurzen Pause war der Schmerz noch unerträglicher geworden, weil er nur halb ausgeruht war. Müdigkeit lag in seinem Blick, tiefe Augenringe unterstrichen das Bild eines erschöpften Heerführers. Er trug wieder die volle Rüstung, sie war inzwischen gesäubert von Staub und Schmutz
[3].
Chuang Diyan führte diesmal keine Waffe mit sich, dennoch blickte er mit erzürntem Gesicht auf das Flüstern der Nacht herunter.
"Ich werde dich nicht anrühren, Säufer. So sehr du durch Türen springst, trampelst oder deinen Kopf gegen den Marmor schlägst. Nicht solange du mir nicht alles erzählt hast." Bu Cao brüllte auf und fügte sich am Marmorboden tatsächlich eine grässliche Platzwunde über dem rechten Augen zu, welches sofort zuschwoll.
"WAS MUSS ICH NOCH TUN, DAMIT IHR MICH ERLÖST? WAS NOCH?" Bu Cao fing wieder an zu weinen und klammerte sich an den Teppich, während Chuang Diyan die nicht zerstörte Tür wieder schloss. Er strich sich durch den Schnurrbart und zeigte durch die offene Tür. Die Denunzianten sahen, dass die beiden Wachen bewusstlos geschlagen oder getötet wurden und still an den Wänden kurz vor der Treppe lehnten. Noch bevor Chuang Diyan etwas sagen konnte, warf Bu Cao ein.
"Sie hätten es euren Brüdern gesagt! Sie hätten es euren Brüder gesagt! Das konnte ich nicht zulassen!"Chuang Diyan ließ den eben noch ausgestreckten Arm locker hängen und seufzte.
"Überall im Reich brennt es, Menschen fallen übereinander her wie wilde Tiere, klauben Silber und Juwelen zusammen wie Schurken und massakrieren Kinder und Frauen. Und jemand, der dem Kaiser geschworen hat, sowas zu verhindern, beteiligt sich daran, in dem er jene, die das Reich schützen, einfach angreift? Wie tief seid ihr gefallen, Bu Cao. Ein Barbar seid ihr und kein Mann Chuangs. Ein Barbar.""Bringt mich um!", schrie Bu Cao nur.
"Bringt mich um, bevor er mich wieder gewinnt!"Chuang Diyan grummelte und blickte die Denunzianten an.
"Er hat mich geweckt und mich hierhin geschleift. Hat nur davon gesprochen, dass ich ihn töten solle. Warum? Was geht ihr vor, dass es zu solchen Ausbrüchen kommt?", fragte er für seine Verhältnisse ungewöhnlich hart, was aber durchaus der undurchsichtigen Situation und seiner Müdigkeit anzulasten war.
"Was ist passiert?", fragte er nochmal, sanfter und doch ratlos, während Bu Cao seine stark blutende Platzwunde betastete und sein eigenes Blut probierte.