Da auch dieser Raum sich als Sackgasse entpuppte, ergab sich für die Gemeinschaft nur ein weiterer Weg, den sie bisher noch nicht beschritten hatte. Nach sorgfältiger Sicherung der Tür, wurde sie von Modsognir aufgestoßen. Die Türe gab den Blick auf großen Raum frei, dessen Zentrum von einer riesenhaften Statue eingenommen wurde. Sie stellte einen Krieger in voller Rüstung dar, der mit einem gewaltigen Schwert bewaffnet war. Schräg gegenüber führte ein von Statuen engelsgleicher Wasserträgerinnen flankierter breiter Gang zu einer Tür, während im Osten des Raumes zwei mannsgroße Drachenstatuen aufgestellt waren.
"Na, hier haben sie sich aber künstlerisch verausgabt." meinte Ramar trocken.
„Ist das nicht eine Klappe da am Sockel der Kriegerstatue?“ bemerkte Modsognir, und stiefelte sogleich darauf zu. Er kam keine drei Schritt weit, bevor die Statue plötzlich zu magischem Leben erwachte und ihm krachend einen Schwinger mit dem Schwert versetzte.
„Aargh!“ machte Modsognir, und betrachtete die breite Scharte in seinem Schild. Dann rannte er weiter vor, und rief Dastan zu sich, um den Mechanismus zu entschärfen.
„Geht doch einfach an der Wand entlang!“ rief Ramar, der heraus gefunden hatte, dass die Statue erst ab einer gewissen Entfernung zuschlug. Lexi folgte ihm zur westlichen Wand, und bemerkte dabei die magischen Runen auf den Drachenstatuen, deren Sinn ihr sofort offensichtlich war.
„Vorsicht, die Drachen spucken wahrscheinlich Feuer“, warnte sie die anderen. Zusammen mit Leoril drückte sie sich an Ramar vorbei, der zurück blieb um Dastan und Modsognir zu heilen, die sich noch um die Entwaffnung der Statuenfalle bemühten und dabei kräftig einsteckten.
Leoril schüttelte verständnislos den Kopf.
„Was für ein Unfug, sich mit dieser Statue herum zu schlagen, wenn man sie doch so einfach umgehen kann. Männer!“ Lexi kicherte.
„Ja stimmt, aber diese Damen dort sehen mir verdächtig aus: Wenn der Krieger zuschlägt und die Drachen Feuer speien, was werden dann wohl die Wasserträger anstellen? Säure auskippen? Offensichtlich auch eine Falle – lasst uns sie beseitigen!“ Mit diesen Worten fing sie an zu zaubern, und sofort wurden die Wasserkrüge, die die Statuen auf dem Kopf trugen, mit magischen Kraftsplittern traktiert. Leoril schoss ihr dunkles Feuer ab, hatte aber aus ihrer Position Schwierigkeiten zu treffen.
Kurze Zeit später lagen die vier Wassekrüge in Scherben, und Dastan und Modsognir war es gelungen den Krieger zu deaktivieren. Nachdem Ramar die beiden wieder zusammen geflickt hatte, ging das Full House geschlossen zwischen den Wasserträgerinnen hindurch.
Der Gang endete in einer leicht verschmierten doppelflügeligen Türe, hinter der die Abenteurer wieder einmal das Stöhnen von Zombies erlauschten. Sie kamen überein nicht in den Raum zu stürmen, sondern in der Türe zunächst eine Verteidigungslinie aufzubauen. Modsognir riss die Tür auf, und sofort schlug ihnen Verwesungsgestank entgegen und Untote Köpfe wandten sich ihnen zu.
Kurioserweise war auch ein fliegendes kleines Männchen unter den Untoten, das Lexi sofort als Homunkulus identifizierte.
Die Untoten stürmten an doch prallten sie an Modsognirs Rüstung ab. Dann sah Lexi ihre Chance und stellte sich vor ihn, um möglichst viele mit dem Lichtkegel ihres Sonnenspruches zu beleuchten. Die schwächeren Zombies zerfielen sofort in rauchenden Staub, während der Homunkulus und die anderen Untoten - darunter auch ein Ghul - angesengt wurden und danach desorientiert wirkten. Leoril sprengte einen weiteren Zombie mit einem direkten Treffer ihrer schwarzen Flammen, dann hackten sich die Nahkämpfer unbarmherzig durch den Wall aus verfaultem Fleisch, und den Kampf war binnen weniger Augenblicke zu Ende.
So folgten die Helden der einzigen Treppe, die aus dem Raum führte und betraten etwas, das ihnen Schauer über die Rücken laufen ließ.
“Eine Kathedrale der Dunkelheit und Schatten” entfleuchte es Ramar als er sich umblickte.
Ströme aus rotem Blut flossen am Boden entlang und liefen durch ein Gitter nach unten. Hinter zwei Erhebungen an der östlichen Wand schien die Quelle des Blutes zu sein, doch gab es keine sichtbare Möglichkeit den Blutfluss zu stoppen. Unaufhörlich quoll es aus der Erhöhung und floss die Ketten, die an dem Gitter befestigt waren, hinab ins Unbekannte.
Ein Mensch in dunklen Roben stand vor einer Wand, auf der ein gehörnter Dämon als Relief abgebildet war. Der Mann hielt einen Dolch in seinen Händen und sang Lobpreisungen auf den Dämonenlord Orcus. Das Gesicht des Menschen wurde von einer Tätowierung eines Totenkopfes verunstaltet.
In der Kathedrale standen drei quadratische Säulen, die bläulichgrünes Licht abgaben und der Szenerie eine beklemmende Stimmung bescherten. Zwischen diesen Säulen befanden sich zwei weitere Menschen, die ebenso beteten wie der andere, doch waren diese mit schweren Äxten und einer Lederrüstung ausgestattet.
Noch bevor überhaupt jemand reagieren konnte, machte sich bei Lexi, Modsognir und Ramar ein merkwürdiges Gefühl breit, dass in den Schatten noch weitere Überraschungen auf sie lauerten.
“Kord wird uns in diesem Kampf nicht hängen lassen, meine Freunde!” Würdevoll hob der Zwerg beide Arme und sprach ein Gebet an seinen Herren, er bat um Schutz und Stärke. Und als sein Gebet verebbt war ertönte ein lauter Trommelschlag und um jeden Streiter hüllte sich ein rötlicher Schimmer, der mit der Rüstung verschmolz und sie leicht glühen lies. Mut und Zuversicht machte sich in den Herzen der Gefährten breit.
Ein erbitterter Kampf brach aus. Besonders die beiden Axtträger setzten Modsognir schwer zu da sie in ihrer Wut zu wahren Berserkern wurden und die Verteidigung des Zwergen durchbrachen. Doch zu allem Übel tauchten noch mehrere von einem Vampir erschaffene Humanoide auf und ein der Dunkelheit verschriebenes Wesen, kaum grösser als ein Halbling und von Hinterlistigkeit durchtrieben.
Mit vereinten Kräften beseitigte das
Full House zunächst die größte Gefahr, die Axtträger. Als diese besiegt waren fielen die restlichen Gegner geschwind.
Nachdem die Gegner ausgeschaltet waren, lief die Gruppe zu dem Senkrechten Schacht, in den die Blutströme flossen, da dies der einzige offensichtliche Ausgang zu sein schien. Und tatsächlich waren schon beim Näherkommen beschwörende Gesänge zu hören. Mehrere Ketten hingen in den Schacht, und endeten 50 Fuß tiefer in einem Blutsee.
“Da ist der Schuft!” zischte Leoril den anderen zu, als sie Karalel auf einer Seite des Sees auf einer erhöhten Platform stehen sah. Um den See herum hatten eine Reihe mit Bögen bewaffnete Skelette Aufstellung genommen, die den Eingangsschacht bewachten. “Wie kommen wir runter?” raunte Modsognir “Ich habe keine Lust die glitschigen Ketten herunter zu klettern. Und was ist das für ein Ding?” er deutete auf eine riesige, kreisrunde Öffnung an einer der Wände, aus der sich lange schwarze Tentakel ringelten.
Lexi sog die Luft ein. “Das ist offenbar unser Portal. Sieht aus als wäre es schon halb offen, und Karalel in den letzten Zügen seiner Beschwörung. Wir kommen gerade noch rechtzeitig!”
“Wenn es schnell gehen soll wird uns vielleicht nichts anderes übrig bleiben als die Ketten zu nehmen.” meinte Dastan. “Aber vielleicht sollten wir erst einmal die Skelette ausschalten, die haben uns offenbar ohnehin schon gesehen!”
Die Gruppe zog ihre Fernwaffen und –sprüche, und fing an zu feuern. Einige Skelette gingen sofort zu Boden, woraufhin Dastan sich in halsbrecherischem Tempo eine Kette hinunter gleiten ließ.
“Mehr Seelen für den Prinzen!” Eine grauenvoll unheimliche knarrende Stimme flüstere diese schrecklichen Worte. Ein Gruftschrecken hatte Dastan als Ziel ausgemacht und ein knisterneder funkelnder schwarz-violetter Strahl traf den Südländer als er in den Ketten hing. Geschockt verkrampften sich Dastans Hände und Füße um die Kette und er konnte sich keinen Meter mehr weiter bewegen.
Auch Modsognir konnte seinen Respekt vor der Höhe überwinden und kletterte hinunter. Doch konnte er sich an den glitschigen Ketten nicht besonders gut halten und stürzte auf halber Höhe ab. “Aaaaaah” und mit einem lauten Platschen landete er in dem Blutteich. Besorgt blickten die Gefährten dem abgestürzten Zwerg hinterher. Ramar umklammerte sein Amulett, sprach ein Stoßgebet an Kord und rauschte die Kettenglieder hinunter. Auf halber Strecke löste er sich von den Ketten und sprang nach unten. Mit einem eleganten Nachfedern gelang es dem Zwerg seinen Sturz zu mildern und gut zu überstehen. Leoril lie- nur ein verächtliches Schnauben hören, schoss ein weiteres Skelett ab und nutzte den magischen Schwung um sich nach unten zu teleportieren. Lexi schlüpfte durch das Feywild, kam aber nicht ganz nach unten und kletterte den Rest der Kette behände hinab.
Unten angekommen stellten sie fest, dass sie sich nun in einem Alptraum befanden. Vor dem Portal war ein Kreis aus magischen Runen in den Boden eingeritzt worden und die pulsierende magische Energie, die von ihnen ausging war wie das Schlagen eines Herzens im eigenen Körper zu spüren.
Gegenüber von dem Portal dominierte eine massive Statue des Orcus den Raum, deren Arm direkt auf die von Dunkelheit angefüllte Wand zeigte. Im Osten führten einige Stufen zu einem weiteren Altar, der von zwei kleineren Orcusstatuen flankiert wurde.
“Verdammt, er ist fast fertig!” zischte Lexi “Wir müssen sobald es geht gegenzaubern. Ramar, Modsognir, ihr müsst mir helfen die dämonischen Aspekte von Karalels Ritual zu kompensieren. Der Riss muss buchstäblich geheilt werden.”
“Komm zu mir - komm näher!” ein heißeres Krächzen ertönte in Ramars Kopf. Und so sehr sich der Kordpriester auch wand und schüttelte - er konnte die befehlende und lockende Stimme nicht ignorieren. Mit schreckensgeweiteten Augen musste die Gefährten mit ansehen wie Ramar mit mechanischen Schritten immer näher an das todbringende Portal und die Tentakel heranging. Schon streiften die ersten Tentakel an seiner Hüfte entlang und versuchten ihn noch schneller ins Verderben zu ziehen. Immer lauter wurden das Geflüster und die Rufe seiner Kameraden wurden immer leiser, als sich Ramar mit einer gewaltigen Geistesanstrengung an seine Aufgabe erinnerte und den Kampf um seinen Körper mit neuer Kraft aufnahm. Hartnäckig und verbissen konnte er alle mentalen Schlingen, die sich um seinen Verstand wickelten abstreifen und als ihm gewahr wurde wie nah er dem Verderben gekommen war, nahm er seine Beine in die Hand und sprintete Richtung Kalarel zu dem düsteren Altar.
Modsognir, der sich inzwischen aus dem Blutteich befreit hatte ging zielstrebig auf Karalel zu.
”Hier werden wir die Entscheidung herbeiführen Karalel!” fauchte der Zwerg dem Priester des Orcus entgegen und beschwor einen Schutzkreis. Doch Karalel lachte den Paladin nur aus während seine Konturen verschwommen und er wenige Augenblicke später vor dem Portal auftauchte.
Dastan, der immernoch unbeweglich an den Ketten hing hörte nun die Stimme in seinem Kopf die vor Kurzem noch Ramar zugesetzt hatte.
”Komm zu mir, ich helfe dir dich von den Ketten zu lösen!” Dastan konnte die Hände plötzlich von den Ketten lösen und schwebte auf das Portal zu. Doch als er den Boden erreichte und sich wünschte in den schwarzen Nebel zu treten stand Modsognir neben ihm. Der Paladin legte dem Menschen die Hand auf die Schulter und sprach in ruhigem Ton:
”Verbanne die Stimmen mein Freund - unser Feind ist nah, gemeinsam werden wir ihn besiegen!” Dastan erwachte wie aus einen Traum. Er wusste was er zu tun hatte, oft hatten der Zwerg und er die Kampfmanöver angewendet denen kein Gegner lange stand halten konnte und so machten sich die zwei auf Karalel zu vernichten.
Kaum hatten die beiden den Priester des Dämonenprinzen in die Zange genommen versetzte Dastan dem Mann einen schmerzenden Schlag der diesen einige Schritte taumeln ließ - weg von dem Portal und in die Reichweite der restlichen Helden.
Während des ganzen Kampfes war immer ein Teil der Aufmerksamkeit von Lexi und den Zwergen auf den Gegenzauber gerichtet. Lexi gelang es, mehrere magische Barrieren niederzureißen, die das Portal vor dem heilenden Einfluss göttlicher Magie schützten. Aber Karalel war gerissen und hatte eine Falle gestellt. Gerade als Modsognir dachte mit einem letzten Stoß von Tyrs Essenz den Spalt schließen zu können, flammte eine Schutzrune über dem Portal auf, die die göttliche Energie verdarb und umkehrte. Plötzlich war das Portal noch viel stärker abgeschirmt als zuvor, und Karalel lachte wie ein Verrückter.
“Hier endet Dein Weg, Kalarel! Spüre den Zorn tausender Seelen, die gelitten haben, die geschändet wurden. Sie brennen vor Rachsucht. Werde Zeuge ihres Zorn und verende!” Bei den Worten des Klerikers, der den Zorn tausender Seelen beschwor. Tausend zornige Stimmen erfüllten die Luft und brachte die Axtklinge in blauem Feuer zu erglühen. Mit einem gewaltigen Hieb trieb der Kordpriester die blauen Flammen in den Brustkorb des Orcuspriesters. Die blauen Flammen fraßen sich durch den klaffenden Schnitt und hüllten den ganzen Körper des Orcuspriesters in blaues Feuer. Kalarel taumelte einige Schritte und drehte sich der gewaltigen Orcusstatue zu.
“NEIN!”-ein Schrei der Verzweiflung. Mit starrem Blick zu seinen Herrn, brach Kalarel in die Knie, die Kräfte verließen ihn und schlussendlich fiel auch der Körper zusammen, getrocknet und ausgezehrt von den Flammen. So hauchte Kalarel, Herr der Feste über dem Schattenriss sein Leben aus.
Besorgt wandten sich die Gesichter sofort dem Portal zu. Die Tentakel zogen sich in das Portal zurück, aber es schloss sich nicht. Seine Oberfläche glich nun einer schwärzlich-nebeligen Wasserfläche, die unruhig vor sich hin blubberte.
“Der letzte Schutzzauber hat die Existenz des Portals von Karalels Leben abgekoppelt.” meinte Lexi zerknirscht. “Aber immerhin konnte er es nicht ganz vollenden. Ich fürchte jedoch es entgültig zu schließen übersteigt unsere Macht.”
Modsognir klopfte ihr auf die Schulter. “Grämt euch nicht, ich glaube ich weiss schon wer uns damit helfen kann.”
“Hoffen wir nur dass bis dahin nichts Schlimmes hindurchkommt.” murmelte Leoril mehr zu sich selbst.
So kam denn auch nach dem grandiosen Sieg über den Hohepriester keine rechte Freude auf, und Full House machte sich schweigend und nachdenklich an den Aufstieg.
Irgendwann schloss Ramar zu Modsognir auf. “Sagt, Freund, soll ich bei der Anfertigung meiner Karte des Schlosses die unterirdischen Kultstätten lieber weglassen? Fördert solches Wissen nicht gerade irgendwelche Aktivitäten um den Riss wieder zu öffnen, wenn es in die falschen Hände gelangt? Was meint ihr dazu?”
Modsognir überlegte kurz. “Ja, ihr habt wahrscheinlich recht. Man könnte auch interpretieren, diese Ebenen gehörten sicher nicht zur ursprünglichen Burganlage, von daher besteht kein Grund sie zu kartographieren. Zusammen mit ein paar Hinweisen auf Schleimwesen und Untote in den Ebenen darüber sollte das hoffentlich die Neugierigen ausreichend abschrecken.”