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Shiji

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Menthir:
"Ich leitete die Bibliothek des Provinzverwalters Li Ruyin. Hier fand sich die umfassenste Sammlung über die Provinz Gangxi. Dort fand keiner trockene Texte von verblendeten Männern, denen die Literatur keinen Kupferling galt, die keine Liebe zu den Gedichten fanden. Dort fand jeder das wahre Leben meiner alten Provinz. Mit allen Höhen und Tiefen. Keine Schönung war notwendig, denn Li Ruyin und ich, sein Schreiber, waren nur dem Kaiser und Vecor Rechenschaft schuldig. Niemanden sonst. In diesem Sinne sahen wir das Motto meines Reiches verkörpert: Gutes wird mit Gutem vergolten, Böses mit Bösem. Nichts wird vergessen, die Zeit der Vergeltung wird kommen." - Aus den Memoiren des kaiserlichen Historikers und Gelehrten Sima Guang

Schriftrolle Verfasser Prolog - Des Galgen Strick ist loseSima GuangVom Gejagten zum Jäger zum Gejagten. Ewige Winde des Wechsels wehen in ChuangSima GuangVerfall der Sitten, Hitzschlag und andere Querelen - Teil 1Li RuyinVerfall der Sitten, Hitzschlag und andere Querelen - Teil 2Lu FushuDie Steckbriefe der GejagtenQinglong JinDas mysteriöse Dorf und der geheimnisvolle Tempel der Vier Winde - Teil ISima GuangDas mysteriöse Dorf und der geheimnisvolle Tempel der Vier Winde - Teil IISima GuangEine kleine Vorbemerkung (Anzeigen)Da ein grundsätzliches Interesse daran zu bestehen scheint, was mit euren Charakteren vor der Zeit unter meiner autokratischen Herrschaft am heimischen Spieltisch passiert, habe ich mir überlegt, dass ich die Spielabende in kleinen Zusammenfassungen hier präsentiere. Das Lesen ist natürlich keine Pflicht, das Bewerten und dergleichen auch nicht. Wer aber ein sonstwie geartetes Interesse haben sollte, dabei auch noch weitere Informationen über die Geschichte Chuangs zu erlangen und über Land und Leute zu erfahren, kann das sicherlich hier tun. Es dient, wie auch eure Runde, nicht nur der reinen Spiellust, sondern auch dem Versuch, solch eine fremde Kultur in eine Fantasywelt zu implementieren. Da ich weder Chinese, noch sonstwie Asiate bin, sehe ich das als besondere Herausforderung an.

Ich werde gleich den ersten Spielabend präsentieren. Die Runde findet nur unregelmäßig statt und wird dementsprechend nicht in schöner Regelmäßigkeit wachsen.
Am ersten Spielabend sind eure Charaktere noch nicht vorgekommen, allerdings wird am zweiten Spielabend bereits der erste Charakter auftauchen.

Solltet ihr trotzdem Lust haben, es zu bewerten, positiv oder negativ zu kritisieren, dann steht es euch natürlich frei.

Menthir:
Prolog - 212. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache ist es  22. Tag des Gauren im Jahr des gläsernen Drachen (Anzeigen)
Es war ein heißer, unbarmherziger Tag gewesen, welcher Vecor dem Hochsommer in der Steppe schenkte. Trocken und spröde wurden die Lippen und wer nicht das Glück hatte, genügend Bronze für schützende Kleidung zu haben, verbrannte sich die Haut oder verstarb an Dehydration und Hitzschlag. Es war heiß, die Luft hatte die Hitze, die man in kalten Nächten einem warmen Bad gibt und ausgerechnet in der heißen Mittagssonne, als Vecor im Zenit stand, sollten zehn Verbrecher in Gangxi sterben.
Fünf Männer, welche dem Räuberhauptmann Li Lung und seiner Bewegung „Roter Sand“ angehörten, wurden an den Galgen gebracht und für Wegelagerei, Raub und Mord gehängt. Gleichwohl beobachteten fünf Gestalten den langsamen und schrecklichen Tod, welcher die Räuber ereilte. Billy, ein Halbling mit einem sehr ungewöhnlichen Namen für Chuang, erkannte die ganze Hinterhältigkeit des Henkers, welcher in der Art des Landes keine Maske trug und sehr androgyne Züge zeigte, als sei er ein Frühkastrat. Er hatte die Hinrichtung unzureichend vorbereitet und somit waren die Verbrecher nicht mit einem Genickbruch relativ schnell verstorben, es dauerte Minuten, bis sie endlich erstickt waren. Die zweihundert Hinrichtungsgäste, die vor dem Galgenpodest mitten auf dem Marktplatz standen, welcher voller rotem Sand gewesen war, wie es in der Provinz Gangxi üblich war, blickten weg und erschraken über die Grausamkeit der Hinrichtung. Wie sich langsam die Gesichter der Verurteilten rot und dann blau anliefen. Ihre abgepellte, sonnenverbrannte Haut ließ es noch widerlicher wirken. Selbst der kaiserliche Beamte und Provinzvorsteher, der dicke und pfeifend sprechende Eunuch Li Ruyin legte die Hand auf das Gesicht, so schwer fiel es ihm mit anzuschauen, wie die Verbrecher in ihrem Strick pendelten und minutenlang mit dem grausamen Erstickungstod rangen, bis er nach einer furchtbar langen Zeit über sie kam.
Während die anderen vier Denunzianten, darunter ein junger Mann namens Mujavi und eine gestandene Leibwächterin und Dienern namens Canxah, fürchten mochten und mit tiefster Sorge auf ihren bevorstehenden Tod blicken mochten, lächelte der Halbling milde. Er hatte sich einen guten Handelspartner gesucht.

Während der Henker, in einem schwarzen Hanfu mit silbernen Akzenten gekleidet, von Li Ruyin in aller Ruhe gesagt bekam, dass er die nächsten fünf Verbrecher sauberer hängen sollte, blickte der Halbling in Seelenruhe auf die vier Pferde und den Reitkojoten, welche samt ihres gesamten Hab- und Gutes in dreihundert Metern Entfernung warteten. Sie waren just jetzt dort locker angebunden wurden. Gute Kunden des Büchsenmachers hatten dies möglich gemacht. Während der Henker die Fesseln um die Hände kontrollierte, und sie, wie vereinbart, unauffällig dabei löste, bemerkte der Halbling, dass auch der junge Mann zu den Reittieren blickte und auch relativ schnell bemerkte, dass seine Fesselung nicht mehr fest war. Er hatte das aufwendig verzierte Katana, sein Katana, auch auf die Entfernung erkannt. Er war jung, aber hatte schon tüchtige Augen. Er verzog das Gesicht zu einem grimmigen Lächeln. Der Mann mit der kräftigen Figur blickte Li Ruyin an, der sich mit einfachen Leinensäcken vor die Verurteilten stellte und in widerwärtig greller Stimme, einem Ritus gleichend, fragte, ob die Verbrecher den Mut hätten, das geschädigte Volk anzuschauen, während sie starben oder ob sie in ihrer Furcht einen Leinensack aufsetzen wollten. Es wurde, wie es in den Landen Art war, kein letzter Wunsch gewährt und lediglich der junge Mann, der erst grimmig gelächelt hatte, wollte einen Leinensack. Li Ruyin wankte auf seinen schweren Beinen, er mochte bei gerade einmal fünfeinhalb Fuß Größe vierhundert Pfund wiegen, zu diesem Mann.

Plötzlich und ohne Vorwarnung gab der junge Mann dem Distriktverwalter einen Kopfstoß und begann in der aufkommenden Verwirrung die Fesseln abzustreifen. Das war nicht das Zeichen, welches der Halbling vereinbart hatte, aber auch er musste handeln, denn eine zweite Chance würde er nicht bekommen. Nach und nach wurden sich alle Verurteilten der Chance gewahr und begannen sich zu befreien. Schnell rannten sie in die Menge und versuchten unterzutauchen. Eine Menge, welche nur aufschrie und in Chaos geriet. Männer und Frauen schlugen um sich, denn manche hatten Furcht vor den Verurteilten und versuchten aus dem Weg zu kommen, andere Mutige wollten sie aufhalten und sterben sehen, aber auch die Wachmänner wurden durch das Chaos der Menge aufgehalten und so gelang es den Denunzianten, sich durchzukämpfen.

Nur eine Handvoll Wächter gelang es, die Verfolgung aufrecht zu erhalten. Der Halbling erkannte die Situation und floh durch kleine Seitengassen zu seinem treuen Kojoten, während die anderen über die Hauptstraße gerade auf ihre Pferde zuliefen. Die Frau war am schnellsten an den Pferden und entkam ihrem Verfolger, welcher auf der holprigen Straße bei hohem Lauftempo das Gleichgewicht verlor und übel zu Boden stürzte. Dem jungen Mann, welcher die Flucht mit seiner mangelnden Geduld eröffnet hatte, war weniger Glück beschieden. Einer der Wächter zog sein Dao und stach es zweimal nach der Niere des jungen Mannes, der sich Mujavi nannte und verletzte ihn. Seine Schritte waren zu behäbig, er hatte zu viel Kraft und Finesse verwenden müssen, um durch die Menschenmasse zu stürmen, seine Lunge brannte bereits und seine Muskeln verkrampften. Doch bekam er Hilfe von einem der Männer, welcher aufschloss. Er war zuerst in eine andere Richtung gelaufen und hatte sich dann doch für den Durchbruch durch die Menge entschieden, jetzt hatte er aufgeholt. Er stieß von der Seite in den Wächter und rammte ihn an eine Hauswand und zwischen Holzkisten, wo der Wächter benommen liegen blieb. Seinen eigenen Wächter hatte er abgeschüttelt.
Endlich waren alle bei den Pferden gewesen. Alle vier Männer und der Halbling hatten ihre Reittiere erreicht, banden sie los und begannen die Flucht.

Kleine Anmerkung (Anzeigen)Ihr dürftet sicherlich bemerkt haben, dass ich auch hier das Denunziantentum als Grundlage genommen hab. Hier ist die Grundlage aber eher auf Kampf ausgelegt und ich habe Gefängnis gegen Strick ausgetauscht. Die Geschichte an sich ist aber natürlich eine andere, die jetzt noch nicht zu erkennen ist und ich noch nicht verraten werde. :)
Zwölf Reiter hatten sich aufgemacht, die Flüchtenden einzuholen und zu stellen und schnell kam die Idee der Verurteilten, dass sie sich trennen mussten. Wortlos preschten sie in unterschiedliche Richtungen los. Der Halbling hatte das wendigste und kleinste Reittier, weshalb er die schmalen Pfade der Stadt bevorzugte, während die anderen nach Süden durchbrachen. Während der Halbling leicht entfliehen konnte, und ein weiterer Mann aus dem Blickfeld verschwand, wurden die anderen drei von noch sechs Reitern verfolgt, aber die notwendigen Reitkenntnisse des jungen Mannes, der in der Kriegskunst entweder geschult war oder in seinem rücksichtslosen Vorgehen viel Glück hatte, sorgten dafür, dass die Pferde den notwendigen Vorsprung rausreiten konnten. Lediglich ein Reiter blieb auf ihren Fersen und kam näher und näher, während der andere Mann sich von der Gruppe trennte und davonritt. Die rothaarige Canxah erwachte zuerst aus der Lethargie und schlug mit ihrer Waffe, einer dornenbespickten Stachelkette, nach dem Pferd, doch das Pferd, schon so geschunden, dass es bald der Anstrengung erliegen musste, spürte diesen Schmerz gar nicht mehr. Mujavi, ein Mann von schnellen und festen Taten, der harte und gezielte Schläge gelernt hatte in seiner erlebnisreichen Jugend, ließ sich auf die Höhe des anderen Pferdes zurückfallen und ehe der Wachmann reagieren konnte, ritt er sein Pferd nur noch mit den Schenken und mit einem mächtigen Hieb schlug er nach dem Kopf des Pferdes. Der wütende Schlag, voller Inbrunst Raivas, trennte den gesamten Hals des Pferdes, welches augenblicklich zu Boden stürzte. Der Wachmann, der sich schon die ganze Verfolgung als herausragender Reiter gezeigt hatte, konnte seinen Sturz abfangen und blieb weitgehend unverletzt. Jetzt jeder Chance einer Verfolgung beraubt, ergriff er seinen Speer und warf ihn nach dem Mann, der sein Pferd erlegt hatte. Ein fast unmöglicher Wurf, der dennoch sein Ziel erreichte und abermals die rechte Nierengegend des jungen Mannes malträtierte. Roter Schleier lag vor dessen Augen, der junge Mann war kaum noch in der Lage, sich im Sattel zu halten. Ihre Flucht wäre soweit geglückt, der Mann besaß nur noch sein Dao. Canxah blickte zufrieden drein, sie konnten nicht mehr eingeholt werden und doch schien der junge Mann vom Wahnsinn befallen. Nicht nur, dass das Gerücht umging, er habe den Vecorhohepriester des Distrikts getötet und sei in dessen Blut badend gefunden worden, jetzt drehte er um, und wollte den Mann niederreiten. Verzweifelt nahm der Mann sein Dao in beide Hände, bereit Mujavi vom Pferd zu schlagen und sich dessen Pferd und Leben zu nehmen. Doch er schätzte die Geschwindigkeit des Pferdes falsch ein und wurde niedergeritten, vom Pferd einfach zu Tode getrampelt.

Während die beiden Verbrecher ihre Wunden leckten, bewies Mujavi wieder seinen Wahnsinn, in dem er den getöteten Wächter, nachdem er ihn geplündert hatte, und das Pferd in kleine Teile schnitt und aus ihnen ein Standbild, welches einen Reiter darstellte, drapierte, welches der Abschreckung dienen sollte. Anschließend schleppten sie sich, nach kleiner Diskussion, ob sie sich in ein Dorf, welches offen damit umging, dass sie sich zuletzt dem Räuberhauptmann angeschlossen hatten, wenden sollten oder eher nach Gua Ya, ein inzwischen weitgehend wüst gefallenes Dorf, welches sein größten Wachstum zu Zeiten des Kohleabbaus erlebt hatte. Sie beschlossen, in das ruhigere Dorf zu ziehen, weil Mujavi fürchtete, dass sie in ihrem Zustand keinen Eindruck in einem Banditendorf schinden konnten. So ersannen sie eine Geschichte, dass sie wandernde Gaukler waren, welche von Wegelagerer attackiert wurden und brachen nach Gua Ya auf. Die Ortschaft zwischen den beiden „Seen“, so genannt weil die leeren Kohlebecken das Aussehen ausgetrockneter Seen hatten, entpuppte sich tatsächlich sehr ruhig. An den Außenrändern des Dorfes erkannte man abgetragene und verfallene Häuser, welche bereits geplündert und abgebrochen wurden, doch keine Gefahr fand man dort. Man reiste in das Dorf ein und erkannte, obwohl es an der Hauptstraße in den Süden lag, dass die Einflüsse des feindlichen Xians groß waren, denn so gab es in der Stadt eine Sakeschenke und Männer mit fremdartig anmutenden Namen. Männer aus Xian lebten hier im Grenzgebiet zwischen Wildnis und Chuang. Vielleicht alte Söldner, vielleicht Flüchtlinge. Zwischen ihnen schienen vom Aussehen auch ein paar Männer der Wildnis selbst zu leben. Doch die Ortschaft war ruhig und die Sakeschenke gemütlich. Man konnte dort Sake, Tee und Wasserpfeife genießen, und am willkommensten war man, wenn man Xiangqi spielen konnte. Doch Canxah und Mujavi suchten für den Moment nur Ruhe. Man wurde informiert, dass die Schenke keine Zimmer mehr vermiete, weil alle Zimmer des Dorfes vermietet sein an die Dorfbewohner und die wenigen Gebäude gerade genug Platz böten, um die Dorfbevölkerung aufzunehmen. Dennoch stellte man ihnen kostenfrei den Heuboden der Stallungen zur Verfügung und sie konnten sogar noch ihre Pferde dort versorgen. Das merkwürdige Wegdorf gab aber noch ein paar Rätsel auf, welchen die beiden nach ihrer Genesung nachgehen konnten.  Im Westen des Dorfes stand am Rand des Kohlekraters ein merkwürdiger Tempel, der zur Hälfte bereits in die Kohlegrube abgestürzt war und über und über mit Darstellungen von Elefanten übersät war, während im Osten das größte Gebäude stand. Eine Pagode, welche angeblich dem Vorsteher des Kohleabbauunternehmens gehört. Und dann war doch noch die Frage der Zugehörigkeit des Dorfes. Es war spürbar, dass unter der Stille und Bescheidenheit des Dorfes etwas anderes lauerte, doch zuerst mussten die Wunden der Flucht heilen. Zudem wusste man nicht, ob die Wachmänner Gangxis noch immer folgten,  aber selbst wenn sie es nicht mehr taten, die Flucht würde definitiv ein Fall für Qinglong Jin werden…

Menthir:
Ich präsentiere den zweiten Teil und die öffentliche Eröffnung der Spielrunde.

Kapitel I - Tag 213 bis Tag 229 des Jahres 1037 - Vom Gejagten zum Jäger zum Gejagten. Ewige Winde des Wechsels wehen in Chuang (Anzeigen)
213. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 22. Tag des Affen im Jahr des gläsernen Drachen

Muvaji und Canxah hatten Gua Ya erreicht und gerade die Sakeschenke des Mannes Chieng verlassen, um sich gegenüber in einem alten Heuboden zur Ruhe begeben. Muvaji schlief trotz seiner  Verwundungen schnell ein, zu groß war die Erschöpfung von der kopflosen Flucht und die Schmerzen waren nur noch ein dumpfes Trommeln in der Tiefe des Körpers. Es wurde ein einschläfernder Rhythmus, der alsbald die Überhand gewonnen hatte. Canxah hingegen war unruhig, besorgt und aufgewühlt durch die Flucht. Aber auch die Zukunft, die da in das sommerliche Chuang zog, sah mehr düster aus als dass sie Hoffnung zu versprechen schien. Canxah hatte ein ungutes Gefühl, die Zukunft versprach viel persönliches Leid und jede Menge Schweiß.

Ein lauter Knall, eine zugeschlagene Tür, ließ Canxah die Augen wieder öffnen. Es war die Schenkentür. Waren die Häscher schon in Gua Ya? Ein Blick auf den Mondstand verriet, es waren erst drei Stunden vergangen? War Qinglong Jin so schnell? Lag es in seiner Macht?
Panik machte sich in der jungen Frau breit, sie war kurz davor, Muvaji zu wecken und hielt nach möglichen Fluchtwegen Ausschau.  Aber dann fiel ihr das Pferd auf, welches vor einem kruden Wagen gespannt war, voll beladen mit Fässern und anderen Krimskrams. Jemand war in die Schenke gegangen, aber es war keine berittene Truppe. Canxah atmete erleichtert auf und beschloss nachzuschauen, wer solch einen Lärm veranstaltete.

Sie öffnete die Tür zur Schenke und betrat diese ein zweites Mal an diesem Abend. Der Verursacher schien leicht zu identifizieren. Ein acht Fuß großes Ungetüm von Mann stand vor einem Tisch, an dem ein Halbling und eine Frau saßen. Das große Ungetüm versuchte sich an den viel zu kleinen Teetisch zu setzen, auf dem ein verwaistes Xiangqibrett lag. Canxah hatte das Gefühl, sie würde einen Moment blass werden. Nicht nur, waren sie die anderen entflohenen Verbrecher, die durch die vom Halbling fingierte Hinrichtung ihr Leben behalten hatten, sonder sie war nicht die einzige Frau unter den zu Hängenden, sie war in den Minuten ihrer Hinrichtung nicht aufmerksam genug gewesen und hatte die andere Frau leichtsinnig für einen Mann gehalten. Canxah schüttelte unauffällig den Kopf und rieb sich die Augen. Es war wirklich eine Frau.

Die gemeinsame Flucht stellte sich als gute Ausgangslage für ein Gespräch dar, die unmittelbare Gefahr, welche vor dem Dorf lauern mochte und die argwöhnischen Blick der letzten, alten Besucher der Schenke, welche nach süßem Schweiß rochen und Anzeichen eines harten Leben eines Bergmannes zeigten, ließen sie näher zusammenrücken und in konspirativer Art verhandeln. Doch eines war klar, ein grundsätzliches Vertrauen unter ihnen konnte es nicht geben. Worte, Floskeln, Metaphern wurden ausgetauscht, das Ergebnis blieb dasselbe wie am Galgen. Sie alle waren verurteilt, ob schuldig oder unschuldig war völlig gleich, und sie alle hatten momentan größere Chancen zu überleben, wenn sie sich zusammentaten. Die Wildnis war unbarmherzig, die Steppe mit ihrer Hitze und dem Mangel an Wasser gnadenlos, wenn man sich in ihr verlief. Auch ließ sich weiterhin kein Zimmer in der Schenke finden.

Während sich die andere Frau noch fragte, warum die Schenke alles kostenlos zur Verfügung stellte außer Wasser, hatte der merkwürdige, halb abgerutschte Tempel die Aufmerksamkeit der Verurteilten auf sich gezogen. Das acht Fuß große Ungetüm, welches mit seiner schwarzen Haut tief in die Nacht eintauchte und wie ein Stein aus Schatten wirkte und sich als Mitglied des steinernen Volkes der Goliath entpuppte, ließ dieser elefantenverzierte Tempel einfach nicht los und so brachen alle auf, bis auf Muvaji, der sich langsam auf seinem Krankenbett zu winden begann. Der leichte Schlaf verlor sich in der Schwere der Verwundung.
Die anderen kamen derweil an dem Tempel an und tauschten scheinbare Belanglosigkeiten aus, verhandelten noch immer über den Grad von Vertrauen, den man sich schenken konnte, gleichwohl nicht wissend, wer von ihnen wirklich ein Mörder, ein Betrüger oder ein Unschuldsengel war.

Der Tempel präsentierte sich als Steinquader, der deutlich älter sein musste als das ganze Dorf. Die Spuren von Verwitterung waren zu sehen, ein paar Stellen der Verzierungen waren schon längst von Wind, Staub und Sand abgeschliffen worden. Elefanten waren in unterschiedlichen Darstellungen zu sehen, sie waren stehend, aufrecht, liegend, mit einem Howdah ausgestattet oder mal als Angreifer, mal als Angegriffener. Doch nur ganz eben waren noch alte Schriftzeichen zu erkennen, von Wind und Wetter fast unkenntlich gemacht. Canxah war als einzige des betreffenden Alphabetes mächtig, und obgleich sie sich auch der Sprache der Drachenartigen mächtig wähnte, waren ihr die Wortbedeutungen derartig fremd, dass sie es nicht einzuordnen wusste. Siebenundzwanzig dieser Schriftzeichen ließen sich auf den übrig gebliebenen Außenwänden des Steinquaders finden. Es führte kein Fenster, keine Tür mehr in das Gebäude, nur über einen schmalen Sims, die Reste des zum Teil in die Tiefe gerutschten Fundaments, konnte man in das Gebäude gelangen. Es entschlossen sich alle zu diesem Ausflug. Es war allemal ein sicherer Schlafplatz.

Nachdem der Goliath den Anfang gemacht hatte und der Sims nur mit einem Ächzen dessen enormes Gewicht von fast 400 Pfund ertrug, brachte er an einer alten allein stehenden Säule ein Halteseil an. Die anderen Gruppenmitglieder wollten folgen und der Halbling machte den Anfang. Danach kam Canxah. Vorsichtig setzte sie einen Fuß vor dem anderen, der scheinbar angebrochene Sims, der dem Goliath dessen Gewicht nicht dankte, machte ihr ausreichend sorgen, weshalb sie sich zusätzlich im Seil sicherte. Mit einem lauten Krachen gab der Sims nach und Canxahs Befürchtungen bestätigten sich. Sie rauschte in die Tiefe, über einen steilen Abhang ging es bis in die Tiefe von vierzig Metern, wo die zerklüfteten, abgestürzten Teile des Tempels lebenslüstern auf sie warteten. Mit einem Knacken brach eine ihrer Rippen, das Seil hielt ihren Sturz nach nur sechs Metern auf. Mit Wucht drückte ihr der Aufprall alle Luft aus der Lunge. Das um den Brustkorb gewickelte Seil hätte sie bei einem tieferen Sturz einfach zerrissen. Sie keuchte, der Goliath zog sie am Seil in den Tempel. Während Canxah sich vom Trauma des Sturzes zu erholen gedachte, zeigte sich der Grad des Vertrauens. Der Goliath, mit tiefer Schieferstimme sprechend, verkündete, dass die Frau nun in der Schuld des Goliaths stand. Sein Seil hatte ihr das Leben gerettet und seine Kraft ihr Verhungern auf dem Abhang verhindert. Während Canxah zur Antwort nur vor Schmerz husten konnte, schwang sich die andere Frau behände rüber auf den Abhang und kletterte das Seil hoch, nachdem man es ihr vorher wieder zugeworfen hatte.

Drei Räume fand man in dem alten Tempel, allesamt mit Schutt gefüllt. Von Interesse war nur der mittlere Raum, der durch kleine Holzplanken als Riegel gegen ein Eindringen geschützt wurde von den beiden anderen Räumen. Der Goliath rammte die Tür einfach auf. Seine urwüchsige Kraft wurde schnell deutlich, vor allem auch beim Anblick des Zehn-Fuß-Hammers, den er mit sich führte und der alleine so viel wog wie der Halbling. An den tragenden Wänden des Steinquaders fand man siebenundzwanzig weitere Schriftzeichen, die noch immer keinen Sinn machen wollten. Doch die andere Frau, deren Name immer noch unbekannt war, fand einen Schlüssel zur Entschlüsselung der Runen: Mehr oder weniger einleuchtende Piktogramme, die auf einem halb abgerutschten Steintisch in der ehemaligen Mitte des Raumes eingeätzt waren, gaben Aufschluss darüber, dass es eine alte Zauberformel sein musste, die den ganzen Tempel zierte. Nur leider war die Formel nicht mehr komplett, die andere Hälfte musste im Schutt auf dem Grund des leeren Kohlesees liegen. Aber auch neben den Schriftzeichen ließ sich in diesem mittleren Raum, der sich keiner ursprünglichen Funktion mehr zuordnen ließ, etwas finden. Auf dem restlichen Tisch waren noch Silberteller eingelassen, welche scheinbar vier unterschiedliche Mythenwesen wesen darstellten, welche man aus den Märchen, Sagen und Legenden der frühesten Kindertagen kannte. Drachen.
Doch auch einen Besucher hatte der Tempel einst, eine zum größten Teil verwitterte Strohmatte ließ sich entdecken und abgenagte Menschenknochen. Doch die Knochen wären über fünfzig Jahre alt, meinte die Frau, die zuerst für einen Mann gehalten wurde.
Trotz eines mulmigen Gefühls beschlossen die vier, dass sie die Nacht im Tempel verbringen würden. Nicht nur, war es unwahrscheinlich, dass man dort nach ihnen suchte, auch wenn er direkt in Dorfnähe stand, sie wussten auch nicht, wie sie den Tempel jetzt verlassen sollten. Der einzige Sims, der Freiheit versprach, war abgebrochen. Es würde Kraft und Mut brauchen, um heil über den Abhang zu kommen.

Schreie, Gebrüll und Befehle weckten sie, nur Canxah schlief weiter. Chuangshé wurde gesprochen, doch auf einmal verkörperte die Sprache nicht mehr die Schönheit, für welche sie bekannt war. Die Befehle waren bellend, angestrengt konnte man hören, dass es Männer des Kopfgeldjägers waren, die nach den Flüchtigen suchten. Wahrheitsgemäß mussten die Dorfbewohner antworten, dass sie nicht wüssten, wo die Denunzianten seien, aber dass sie gestern noch im Ort gewesen wären. Die Verbrecher wähnten sich im tür- und fensterlosen Tempel sicher…bis ihnen einfiel, dass ihre Reittiere samt ihres gesamten Hab- und Guts im Dorf standen und Muvaji noch verwundet auf dem Heuboden war.
Nachdem die Luft wieder rein war, wussten sie, dass der Zeitpunkt gekommen war, dem Dorf den Rücken zuzukehren. Mit viel Mühe, aber ohne Schaden, kreuchten sie mit der Hilfe des Goliaths über den Abhang und rettenden sich auf festen Boden. Und sie sahen, dass Muvaji ihre Reittiere und sich zeitig in Sicherheit gebracht hatte und er bereits alles zum Aufbruch vorbereitet hatte. Sie sahen auch, dass Muvaji keine Kraft mehr hatte und furchtbar blass war. Fieberglanz stand auf seiner Stirn. Bevor die Verbrecher auf ihre Pferde beziehungsweise auf ihren Kojoten aufgesessen hatten, brach der junge rotblonde Mann zusammen.

220. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 22. Tag des Drachen im Jahr des gläsernen Drachen

Muvaji stöhnte ein wenig, die unruhige Fahrt nahm ihm fast jedwede Kraft, noch immer lag er im Fieber, trotz des Umsorgens und Wundverpflegung, welche die mannsähnliche Frau, die stets wie eine einfache Bäuerin gekleidet war, ihm zukommen ließ. Sechs Tage waren sie schon unterwegs und die Sonne brannte wirklich unerbittlich. Schneller als es sein dürfte, ging der dürftige Proviant der Verbrecher aus, die Pferde waren einfach nicht für dieses Wetter gemacht und verbrauchten zu viel Wasser und schafften zu wenig Strecke. Prunktiere allemal, das waren die Pferde aus Chuang, aber nicht auf die Witterung und das Wetter angepasst, schlecht gezüchtet. Und so langsam kam die erste Verzweiflung auf, Gespräche zwischen den Denunzianten gab es keine von Belang in den Tagen. Hatten sie sich verlaufen? Sie wollten zur Handelsstraße nach Norden gelangen, nach Gangshin reisen und dort den Proviant auffrischen, vielleicht in die kühleren Gebirgskämme fliehen und im Gebiet der nomadischen Goliath vorübergehend ins Exil gehen. Die Straße hätte am gestrigen Abend ihren Weg kreuzen sollen. Unruhe machte sich breit. Die Sonne stand hoch, der Schweiß auf den Flanken der Pferde. Lediglich der exotische Kojote ertrug die Hitze stoisch. Gestern hatte sich noch ein Gewitter angekündigt, doch außer schwüler Luft hatte es nichts hinterlassen, kein Wasser, nur ein wenig Grummeln und ein Wetterleuchten in der Entfernung, irgendwo in den Bergen.

Mit müden und vom fliegenden Sand geröteten Augen sah der Halbling Billy eine Staubwolke auf sie zurasen. Waren die Häscher ihnen jetzt auf der Spur? War noch einer der Männer im Dorf gewesen und hatte ihren überstürzten Aufbruch mitbekommen? Oder war das eine Karawane auf der Handelsstraße? Würden sie die einzige Straße in der Provinz doch endlich gefunden haben? Der Goliath und der Halbling schauten nochmal hin und mit einem Mal waren ihre Sinne hellwach. Es war eine Herde Oryxantilopen. Und sie waren auf der Flucht vor irgendetwas. Blitzschnell schafften sie Muvaji samt Wagen aus dem Pfad der Herde und warteten ab. Eine ausgezehrte Löwin samt drei Jungtieren hatte die Verfolgung der Herde aufgenommen. Ihr Pirschversuch war fehlgeschlagen, die Tiere waren hungrig. Es wurde eine kurze Hetzjagd, welche die Löwen zu verlieren schienen.

Der Goliath wollte sich erproben, er wollte ein symbolisches Zeichen setzen. Er nahm den übergroßen Langbogen vom Rücken, für den es zwei kräftiger Menschen brauchte, um ihn überhaupt zu spannen. Er legte einen der Pfeile auf, die so lang waren, wie der Arm einer menschlichen Frau. Ein ließ ihn von der Sehne schnellen, doch der Pfeil war zu kraftvoll und zu hoch zu gezielt, er schoss über Herde und Löwen hinweg. Es wurde klar, dass der schwarzhäutige Riese keine Antilope schießen wollte. Die anderen machten sie kampfbereit, bereit Löwen zu erlegen.
Der Halbling nahm seine Waffe hervor, welche wie eine beschädigte Armbrust aussah, bei welcher der Spannbogen fehlte. Mit einem Höllenkrach blitze die Mündung der Waffe auf und der Halbling musste viel Disziplin walten lassen, dass sie ihm nicht das Handgelenk brach. Über den Rücken des Löwen schrammte eine metallene Kugel und schlug eine Wunde. Die Löwin brüllte. Sie glaube langsamere Beute ausgemacht zu haben und war wild vor Hunger und vor Schmerz. Sie stürmte los auf die Verbrecher. Der zweite Pfeil des Goliaths durchschlug die linke Flanke der Löwin. Doch die Freude darüber wehrte nicht lange, denn die Löwin sprang den Goliath an und die zweihundert Kilo Gewicht drückten den Steinmann einfach nieder, die Löwin verbiss sich in das linke Schlüsselbein des Goliaths, nur das Kettenhemd verhinderte, dass er zerfetzt wurde.

Auch die kleinen Löwenjungen liefen nicht davon, je mehr Schmerzen ihrer Mutter zugefügt wurden, desto furioser kämpften sie um ihr Überleben. Der Kampf drohte ein Desaster zu werden. Zwar verfügte die mannsähnliche Bauersfrau über faszinierende Fähigkeiten, denn sie konnte scheinbar mit puren Gedanken anderen Wesen Schmerzen zufügen und der Halbling konnte einen Löwenjungen mit einem Kopfschuss töten. Doch der Goliath wurde endgültig unter dem Löwen begraben und ging bewusstlos zu Boden, nachdem er sich einmal unter dem Löwen hervorgekämpft hatte und doch wieder fiel, bevor er zu seinem Hammer greifen konnte. Eine der kleinen Löwen hatte sich in Canxah verbissen und die Wunde im Bein raubte ihr nicht nur fast das Bewusstsein, sondern auch die Kontrolle über den Körper. Das letzte Junge begann sich in der psionisch begabten Frau zu verbeißen. Ein letztes Aufbäumen der Verbrecher. Der Halbling erlegte den Löwenjungen bei der Psionikerin mit einem Schuss in den Kopf. Canxah schüttelte den kleinen Löwen ab und sprintete zu der großen Löwin, welche dem Goliath gerade mit einem Biss in den Hals den Garaus machen wollte. Die Stachelkette sauste heran und riss dem Löwen die rechte Flanke auf.  Geschwächt von den vielen Wunden und vom Hunger, brach der Löwe erschöpft zusammen. Mit reiner geistiger Kraft ließ die Frau derweil das letzte Junge zusammenbrechen. Das Töten eines Symbols, das Beweisen von Stärke oder was auch immer die Verbrecher zum Angriff auf jagende Löwen bewegt haben mochte, es hatte sie fast das Leben gekostet…

227. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 23. Tag der Ratte im Jahr des gläsernen Drachen

Der Goliath hatte auf seinem eigenen Wagen liegen müssen, bis er wieder bei Kräften war. Und im Gegensatz zu Muvaji, der noch immer in schweren Fieberträumen lag, dessen Wundränder an der Hüfte sich bedrohlich dunkel gefärbt hatten, kam er schnell auf die Beine. Es hatte sogar das erste Zeichen von Vertrauen gegeben. Namen wurden nach mehr als vierzehn Tagen des Zusammenseins ausgetauscht. Die Psionikerin, eine Macht die an sich gefürchtet wurde, aber unter den Verbrechern nicht für Unruhe sorgte, hieß Tom Tää und der Goliath ließ sich mit seinem Ehrennamen Crusher benennen, da seinen Geburtsnamen keiner in Erinnerung behalten konnte.
Die Nahrung war inzwischen sehr knapp, eine weitere Woche der Reise würde kein Tier überleben und auch Canxah, die sich gut in der Natur auskannte, fand nichts mehr. Aber man hatte die Handelsstraße gefunden und nun lag die Stadt Gangshin bereits vor ihnen. Vor ein paar Tagen waren die Berge ins Sichtfeld gekommen. Man schaffte kaum zwanzig Kilometer am Tag. Es war furchtbar heiß. Umso erniedrigender war der Anblick der Stadt Gangshin. Sie war alles andere als pompös, kleine Sandsteinbauten waren dort erbaut, quaderförmig säumten sie die Wege, hinter einer kleinen Sandsteinmauer gelegen, welche vielleicht Tiere abhielt, aber sonst nichts. Für eine Verteidigung war sie nichts. Lediglich im Herzen der Stadt, in welcher maximal eintausend Seelen wohnten, waren acht größere quaderförmige Gebäude, auf einem breiten Platz angelegt, von der die einzige große Straße mit Straßenpflasterung ausging. Der sogenannte achtblättrige Baum.
Aber hinter der Stadt schmiegten sich an den so plötzliche aufragenden Berge drei große Reisterrassen, welche von Schmelzwasser gespeist worden. Nach all dem Durst und der Härte, waren dort einfach überflutete Reisfelder. Und zu allem Überfluss beschwerten sich die Bauern im Dorf auch noch über die schlechte Ernte…

Die Verbrecher fanden Steckbriefe von ihnen an einem schwarzen Brett an der Schenke „Zum purpurnen Lotus“ und zu allem Überfluss erfuhr man, dass die Händler der Stadt nur noch auf dem Markt alle drei Tage handeln durften. Es war eine Strafe dafür, dass ein paar Händler mit dem Räuberhauptmann Lei Lung Handeln betrieben hatten. Jetzt wurde der Handel strickt überwacht.
Sie wollten schnell untertauchen, rissen die Steckbriefe ab und begannen auf Markttag warten. Zwei Tage müssten sie ausharren, sie brauchten dringend den Proviant, um weiterreisen zu wollten.
Nachdem es eine Meinungsverschiedenheit zwischen den Verbrechern gegeben hatte – es ging um den letzten Löwenjungen, denn Canxah hatte alle Löwenleichen mitgenommen und häuten wollen und es stellte sich raus, dass das letzte Junge sehr geschwächt war, aber noch lebte – ob man das Löwenjunge verkaufen oder aufpäppeln sollte, suchte Canxah eine Möglichkeit der Unterkunft, während die anderen sich in die Häusergassen zurückzogen.

Canxah traf bei Sun Zhao ein. Dem Regierungssitz ihres Meisters, sie kannte Gangshin also gut. Er war da und nicht auf seinem Wohnsitz außerhalb der Stadt, allerdings erfuhr Canxah, dass er nicht zu sprechen war und zwei mürrische und unfreundliche Wächter, welche das Zeichen der kaiserlichen Garde trugen, ließen sie nicht passieren. In Sorge um ihren Meister, von dem sie wusste, dass er trotz seines Beamtentums kein Freund des Kaisers war, zog sie sich erst mal zurück und erwägte, wie sie an ihren Meister rankam. Sie hatte seit ihrer Hinrichtung dunkle Gedanken, immer mehr davon wurden Wirklichkeit. Sie hoffte, dies alles sei nur ein Spiel des Daistos.

Währenddessen hatten die anderen Verbrecher einen älteren Mann getroffen, der sie zu sich in das Haus einlud, da sie nicht wussten, wo sie nächtigen sollten. Der arglose Mann lief in einfacher Flachskleidung rum, war eher von kleiner Statur und schob ein Handkarren vor sich her, auf dem frisch geernteter Reis war. Ein Reisbauer, der vielleicht um die sechzig Jahre alt sein mochte. So schätze man zumindest sein Alter ein.
Doch die Unterredung mit dem Mann ergab das Erstaunlichste. Er schien die exotischen Waffen, welche im Besitz der Gruppe waren, einordnen zu können. Die Stachelkette, den Hammer der Goliath, das Blasrohr, welches die Frau trug, diese merkwürdige abgebrochene Armbrust, welche eine Pistole war.
Canxah erkannte ihn wieder, er war eine Person des Hofes. War er gar der ehemalige General des Westens? Sein Name war auf alle Fälle Xū Dǎnshí.
Nach einem Gespräch, in welchem er die Geschichte vom Panda und dem Tiger erzählte, glaubten die Verbrecher einen Systemfeind getroffen zu haben, mit dem sie zusammenarbeiten könnten. Es stellte sich heraus, dass er ihre Steckbriefe gesehen hatte, aber kein Interesse daran hatte, sie zu verraten, allerdings erzählte er ihnen auch, dass die Zeiten, in denen er an Aufstand dachte, lange zurück lagen. Sie mieteten sich also lediglich für zwei Tage bei ihm ein, wurden mit Speis und Trank versorgt. Sie erfuhren, dass er momentan als einfacher Reisbauer im Exil in Gangxi verbrachte und eigentlich noch der Provinzverwalter von Cui Bao war.

Canxah hatte in Erfahrung gebracht, auch durch das Gespräch mit Xū Dǎnshí, bei dem klar wurde, dass der Mann ein weitgefächertes Wesen hatte, dass Sun Zhao wegen Mordverdachtes an seiner Dienerin Yon in Gewahrsam genommen wurde und momentan ausgefragt wird. Da die Denunzianten die Stadt alsbald wieder verlassen mussten, um nicht aufzufliegen, wollte Canxah ihren geliebten Herren noch entsetzen. Ihre Ehre gebot es ihr. Doch auch diesmal musste sie den Versuch vorzeitig abbrechen.

229. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 23. Tag des weißen Tigers im Jahr des gläsernen Drachen

Der Markttag war an diesem Tag und da der Markt wegen seiner Seltenheit und der Notwendigkeit des Lebensmittelkaufes überlaufen war, tauchten sie in der Menge unter und kauften selbst Vorräte. Viel Reis und Wasser zu horrenden Preisen, die schon als oppressiv  gelten konnten, fanden den Weg auf den Karren Crushers. Sie einigten sich auch über den Löwenhandel und verkauften den inzwischen wieder aufgepäppelten Löwenjungen an den Trophäensammler He, einem kleinen, so fetten Mann, dass er sich nicht mal mehr eigenständig bewegen konnte. Nach anstrengender Verhandlung bekamen sie sagenhafte einhundert Silber für das seltene Tier und ein paar Gutscheine für eine Schönheitsbehandlung bei dem Arzt namens Mu Chang. Eine Chance auf Veränderung? Ob er chirurgisch das Gesicht eines Denunzianten verändern konnte? Er sollte in der Nähe von Gangshin wohnen, keinen Tag entfernt. Sie bekamen sogar eine Wegekarte. Das nächste Ziel der Gruppe stand wohl fest.

Doch Canxah wollte ihren Meister retten. Die Sonne versank langsam im Westen als Canxah ihre Mitstreiter um Hilfe bat. Gegen ihr Erwarten willigten sie ein. Sie fühlte etwas Glück, es schob die dunklen Gedanken der letzten Tage beiseite. Wohl wissend, dass sie nach der Entsetzung ihres Herren, direkt flüchten mussten, verabschiedeten sie sich von Xū Dǎnshí und verluden den noch immer fieberkranken Muvaji auf den Karren des Goliaths und deckten ihn mit Decken zu und verbargen ihn so vor neugierigen Blicken. Der Wagen blieb vor Xūs Hütte stehen. Sie nahmen ihre Waffen und brachen auf. Zeit Canxahs Meister, Sun Zhao zu retten.

Canxah hatte zehn Minuten mit einem graubärtigen Wächter vor dem Hintereingang zum Regierungsgebäude von Sun Zhao debattiert und diskutiert und verhandelt und versucht, ihn zu bestechen; sie hatte drei Goldmünzen verloren dabei. Sie wurde wütend, aber der Wächter verlor nun seine Fassung. Nachdem die Frau mit der Stachelkette eine Münze nach der nächsten aus dem Geldbeutel zauberte, wurde der Wächter gierig und ging zum Angriff über. Billy, Tom Tää und Crusher kamen aus ihren Verstecken und der Kampf begann. Es war jedoch dem graubärtigen Wächter lediglich möglich seine Hellebarde zu ziehen und seine Hundepfeife zu pfeifen, da hörte er brechendes Holz als der Goliath wie ein Berserker auf den kleinen Stall kletterte, über ihn mit tobenden Schritten hinweglief und im Sprung auf den Mann niedersauste. Der riesige Hammer, der alleine über dreißig Kilo wog, traf den Mann auf der Brust, riss ihn zu Boden und zerschmetterte den Brustkorb, als sei er kein Widerstand. Sogar die Steinplatte darunter barst in tausend Teile.

Der Weg schien frei und der Halbling schlich sich durch den Hintereingang in das Haus, nur um zu erkennen, dass der Lärm und der abgebrochene Todesschrei des anderen Wächters, den Wächter vom Vordereingang alarmiert hatte. Der rannte nicht um das Haus, sondern durch den verbindenden Flur. Zwei Schüsse mit der lärmenden Pistole gab der Halbling ab, nur ein Streifschuss am Bein. Zwei Schwerter trug der Wachmann, und er kam bedrohlich nahe. Crusher drängt sich vorbei am Halbling und schlug nach dem Wachmann, doch der wich dem Hammer aus. Canxah hatte sich in den Weg gestellt, doch der Schwertkämpfer sprang behände über die geschwungene Stachelkette. Die Frau setzte ihr Blasrohr ein und schickte einen vergifteten Pfeil in den Körper des Mannes, doch er schüttelte das Gift einfach ab. Er schlug wie wahnsinnig auf den bewaffneten Halbling ein, doch die Metallnieten der Lederrüstung retteten den Halbling, sie hielten wie durch Wunder das Schwert auf.
Ein wilder Kampf entbrannte, in welchem sogar die vom anderen Wächter gerufenen Hunde, zwei dunkle, bisswütige Hetzhunde, eingriffen. Doch der Hammer des wie wahnsinnig, wie im Rausch kämpfenden Goliaths machte allem ein Ende, den beiden Hunden und auch dem mit zwei Schwertern kämpfenden Wächter.

Canxah hörte rasselnde Ketten die Holztreppe runterkommen. Rasselnde Ketten, das Zeichen ihres Meisters. Überstürzt dankte sie ihren Mitstreitern, nur um ins Stocken zu geraten. Eine guttural bellende Stimme, fragte, was dort unten für ein Lärm sei. Ein Ork, wie der Goliath erkannte. Er hatte zu viele Orks kennengelernt, um ihre Stimme nicht zu erkennen. Der Halbling lud seine Waffe und beim ersten Anzeichen schoss er nach dem Ork. Doch ein riesenhafter Turmschild hielt den Schuss auf. Ein ungewöhnlicher Ork zeigte sich, denn er war trotz der brütenden Hitze in einer sehr schweren Metallrüstung gekleidet und trug diesen riesigen Turmschild. In seiner rechten Hand trug er eine Kau Sin Ke, eine beschwerte Kette mit sechs Gliedern, die Canxah erst glauben ließ, es wäre ihr Meister gewesen. Obwohl er beschossen wurde, fühlte er sich in seiner dicken Rüstung sicher. Er verlachte die Abenteurer und schüchterte sie ein, nur der Goliath fühlte sich nicht bedroht, er kannte die Art der Orks zu gut. Doch sie erfuhren, dass Sun Zhao oben gefoltert wurde, vom Ork höchstselbst. In betonter Gebärde der Überlegenheit stratzte er die Treppe wieder hoch und mit verdeckten Angriffen aus ihrem Blasrohr versuchte die Frau den Ork auszuschalten, doch sie war einfach zu nervös, um vernünftig zu zielen, als hätte Todesangst zu umgriffen. Canxah versuchte ihn zu Fall zu bringen, doch der Ork befahl ihr das zu lassen und zu folgen. Der Ork trat einfach zu selbstsicher auf.

Tatsächlich stellten die Verbrecher die Angriffe ein, der Goliath empfahl, stark verwundet und ermüdet vom Kampfrausch, sich zurückzuziehen. Doch Canxah hörte nicht auf ihre Vernunft und ihr schlechtes Gefühl. Sie folgten alle dem Ork. Sun Zhao, ein stattlicher Mann von vierzig Jahren, lag zerschlagen und gefoltert auf seinem Schreibtisch, dort angekettet mit schneidenden Fesseln. Er lag halb im Bewusstsein, halb im Delirium vor Canxah. Die Frau spürte tiefste Schmerzen und Wut.
Der Ork jedoch spottete nur, setzte sich gar in den Lieblingssessel ihres Meisters und bot an, dass Canxah ihn für 1500 Gold freikaufen könne. Zwei Jahre habe sie Zeit, sonst würde Sun Zhao sterben. Sie erfuhren den wirklichen Auftrag des Orks an diesem Ort nicht, aber es schien, als haben Canxahs Taten damit zu tun gehabt. Sie schwankte, nahm das Angebot für einen Moment an, dann jedoch von Schuldgefühlen gepackt, befahl sie den Angriff.
Der Ork zeigte sich unbeeindruckt, wehrte eine weitere Kugel mit seinem breiten Schild ab, der immer mehr Schaden nahm und wehrte auch einen weiteren Blasrohrpfeil ab. Er lachte laut. Während der schwer verwundete Goliath es nicht wagte, in den Nahkampf mit dem hünenhaften Ork zu gehen und eine teure Porzellanvase nach ihm warf, welche auf dem Schild zerplatzte, wagte die nicht minderschwer verwundete Canxah einen Frontalangriff, und versuchte den Reichweitenvorteil ihrer Stachelkette auszunutzen, doch sie unterschätzte die Reichweite der Kettenwaffe des Orks für einen Moment. Mit voller Wucht traf das Gewicht am Ende des Kau Sin Ke die Schläfe Canxahs, welche in voller Bewegung zusammensackte. Der Ork traf so gut, dass Canxah ihren eigenen Tod nicht mehr spürte.
Erschrocken über die Schlaggewalt des Feindes, beschlossen die anderen drei Denunzianten Sun Zhaos Seite zu verlassen, mit dem sie eh nichts zu schaffen hatten. Sie konnten ihm und Canxah eh nicht mehr helfen. Crusher erneuerte seine Bekundung, fliehen zu müssen. Die Frau und der Halbling zögerten einen Moment und wollten nochmal nach dem penetranten und zu selbstsicheren Ork feuern. Die Kugel des Halblings durchschlug den rechten Armpanzer des Orks, der vor Schmerz aufschrie, und der vergiftete Pfeil traf die ungeschützte Stelle am Hals, und doch widerstand der Riese diese Auseinandersetzung mit dem Gift. Wütend entschied sich der Ork für einen letzten verheerenden Schlag, auch dieser traf die zweite Frau an diesem Tag mit unbändiger Wucht am Kopf, der unter der Wucht nachgab und eindellte und ein hässliches Loch im Kopf hinterließ. Wie vom Schlag getroffen stürzte auch Tom Tää tot zu Boden. Der Ork verkniff sich inzwischen schwer verwundet jedoch das Lachen, während Crusher und Billy in die Nacht zum Karren flohen und die Stadt noch im selben Atemzug schwer verwundet verließen.
Entkräftet blieben sie außerhalb der Sichtweite der Stadt stehen, und sahen, dass immerhin Muvaji das erste Mal seit fast zwei Wochen ruhig schlief. Sein Fieber war vergangen. Immerhin mit ihm hatten die Götter Nachsicht und so stellte es sich als Segen heraus, dass er krank in einem Karren lag, statt mit seinen Zweckverbündeten im Haus des Sun Zhao zu sterben.
Zwei von fünf Verurteilten waren bereits tot. Billy und Crusher schluckten bei diesem Gedanken und blickten in die aufziehende Nacht, in eine ungewisse Zukunft.

Zusätzliche Anmerkungen (Anzeigen)Der Ork war eigentlich der schwächste Gegner des Tages. Aber er warf einen verdammt guten Wurf nach dem Nächsten, widerstand fast allem. Und da bei uns die goldene Regel gilt, dass der Spielleiter offen würfelt, mussten zwei Spieler mit ansehen, dass die einzigen beiden Angriffe des Orks beides kritische Treffer wurden. Beide Spieler waren schwer angeschlagen. War ein schöner Spielabend, mit vielen guten Gesprächen und spannenden Kämpfen, aber unglücklichen Ausgang.

Menthir:
Ich habe ein bisschen an der Übersichtlichkeit gearbeitet, da die Texte doch sehr lang sind. Der letzte Spielabend hatte ein ganz merkwürdiges Spielgefühl, weshalb ich ihn in zwei Teile spalte. Der erste Teil war sehr moderat und die Charaktere zeigten altruistische Züge und ein bisschen Kleinganoventum. Mit Muvaji zurück am Spieltisch driftete es in die Richtung von chaotisch blöd ab und die Taten wurden unberechenbar, triebhaft und grausam. Ich stelle den zweiten Teil trotzdem online, würde ihn jedoch mit gewisser Vorsicht lesen. Das Verhalten wird sich auf das Spielgefühl ein wenig auswirken, solche Taten werden nicht ungehört und ohne Konsequenz bleiben. Das bedeutet nicht, dass es Willkür geben wird, aber dennoch eine Auseinandersetzung damit.

Kapitel II - Tag 229 bis Tag 260 des Jahres 1037 – Verfall der Sitten, Hitzschlag und andere Querelen - Teil 1 (Anzeigen)
229. bis 232. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 23. Tag des weißen Tigers bis zum 24. Tag des Gauren im Jahr des gläsernen Drachen

Ein leichtes Beben in viel zu großer Nähe riss die Überlebenden aus den Gedanken, ließen sie den Blick in den Westen, in die letzten Strahlen der für diesen Tag verglühenden Sonne,  verlieren und sich nach Osten wenden. Das Grummeln des Gebirges ließ den Goliath Crusher erwarten, dass die Berge Steine niederwarfen. Und dennoch, ihr Weg sollte vorerst nicht in den Westen führen, vielmehr kannte der schwarzhäutige Riese einen kleinen, wagenbreiten Pfad, der tiefer in die Berge führte und ihnen Sicherheit bieten würde. Es war nicht unwahrscheinlich, dass das von ihnen gestiftete Chaos die kaiserlichen Gardisten in Gangshin auf ihre Fährte locken würde. Vielleicht würde der namenlose Ork, der zwei von ihnen getötet hatte, auch ein Interesse an ihnen bekommen, sobald er erfuhr, dass dort Kopfgelder zu gewinnen waren. Eine Flucht war nicht einfach, denn man hatte Canxahs Proviant noch dabei und schon jetzt war klar, dass ihr Pferd eine Belastung sein würde, weshalb man es bei Xū Dǎnshí stehen ließ. Der ehemalige General des Westens oder welche Position er auch innegehabt haben mochte, würde sicherlich etwas mit dem schönen Pferd anfangen können, welches sowieso der kaiserlichen Militärs der Provinz gehört hatte, bevor Sun Zhao es einfach für Canxah mit unlauteren Mitteln akquiriert hatte. Jetzt lag dieser vor dem Ork und musste hoffen, dass er die Folter überstand. Die Ketten des Orken schienen eher unbarmherzig.

Sie setzten sich in Bewegung und führten auch noch immer den bewusstlosen Muvaji mit sich. Eine halbe Stunde später, die Nacht hatte sich wie ein kaltes Tuch über die Steppe gelegt, erreichten sie den Pfad und sie erkannten sofort, was das Beben ausgelöst haben musste, denn ein Steinschlag war an einer Stelle runtergekommen, welche ein Nadelöhr zwischen zwei hohen Steinklippen war und auch so ziemlich die gefährlichste Stelle des Pfades in das Gebirge ausmachte. Und sie lag direkt am Anfang des Pfades. Der Weg war damit für die Wagen blockiert, eine Reise in den sicheren Schatten des Gebirges war damit ausgeschlossen.
Und doch bewegten sich in der Dunkelheit, zwischen der Masse an herabgeschossenen Steinen und Geröll, Schatten. Sie mühten sich im kargen Mondlicht des weißen Mondes, welcher in die Schlucht schien, Steine wegzuräumen. Sie tauschten aufgeregt Worte aus, sie schienen hektisch, fast etwas verzweifelt. Je näher Billy und Crusher kamen, desto mehr sahen sie, dass sie eine ähnliche körperliche Gestalt hatten wie der schwarzhäutige Riese mit dem überdimensionalen Hammer. Es waren ebenfalls Goliaths und schnell stellte sich heraus, dass ihr reisender Stamm fast komplett von dem Steinschlag zerschmettert wurde. Nur vier Jünglinge und ein Gast hatten überlebt. Der Gast war ein merkwürdiges Wesen, vereinte die grazile Gestalt und die Größe eines Elben mit dem groben Aussehen eines zivilisiert wirkenden Orks. Ein langer Zopf hing den Hinterkopf des braunhäutigen Wesens herunter, der restliche Kopf sonst fein säuberlich rasiert. Die mandelförmigen Augen leuchteten fremdartig und listig und waren doch erfüllt mit geistreicher Weisheit. Während der Freilegung des Toten war es also kein Wunder, dass auch so manches Beutestück beim Gast des Stammes selbst verblieb. Die Goliaths nahmen dergleichen nicht wahr und beschrieben ihn als schweigsamen und friedvollen Gast des nomadischen Stammes.

Ein Rascheln verriet einen weiteren Besucher, hoch auf der Klippe, mehr als zehn Meter über ihnen. Billy erkannte es sofort, seine guten Ohren trugen ihn selten, so erstaunlich es war, bei der Waffe, die er stets und mit so viel Inbrunst nutzte und nicht zu Unrecht von vielen Halblingen Höllenschleuder genannt wurde. Der Halbling teilte seine Erkenntnis mit den fünf Goliaths und dem fremdartigen Wesen, welches noch immer mit dem Blick eines gierigen Adlers zwischen den Leichen der zerquetschen Goliaths hin und herschlich und nach barer Münze suchte. Reiche Beute war bei diesen Nomaden nicht zu machen, aber ein paar Münzen und ein seltener Silberdolch fanden den Weg in seine Tasche. Oben auf der Klippe schreckte eine Gestalt zusammen, sie war ertappt worden? Wie konnte ihr das passieren?
Tabi Garasu war immer ein vorsichtiger Genosse gewesen, in jeder Situation zutiefst entspannt, aber das Verhalten seiner Herrin hatte ihn zutiefst beeindruckt und vielleicht sogar ein wenig eingeschüchtert. Als sie ihm erzählte, sie wolle mitten in der Steilklippe einen Steinschlag auslösen, hatte es den Mensch mit den ungewöhnlichen, aquamarinen Augen und den kastanienroten Haaren verwundert und als er diese wirklich schwer, wenn nicht unmöglich, zu besteigende Steilwand gesehen hatte, beschlichen ihn sicherlich auch Zweifel, wie man dort Steine lösen wollte. Die Lösung war verstörend gewesen, seine Herrin, ein Mitglied des Siima-Clans der Shinobi Xians, hatte ihr wahres Wesen offenbart. Mit blanker und arkaner Magie hatte sie die Steine aus ihrer Verbindung mit der Klippe gelöst. Der Tod der Goliath kam unerwartet und schmerzhaft. Die Zerquetschten mussten Qualen erleiden, sollten sie durch die Steine nicht sofort erschlagen worden sein. Die Herrin störte es wenig, sie fand es amüsant.
Und dann war sie unsichtbar geworden und verschwunden, ließ Tabi Garasu völlig allein mit der Situation und dann wurde er auch noch ertappt. Wollte seine Herrin, dass er stirbt? Nein, sie wollte, dass er sich beweist, dessen war sich der Mann sicher. Sie hatte noch gesagt, dass sie sich in vier Wochen sehen würden.

Eine chaotische Szene entbrannte, Schwerter wurden gezogen, stille und offene Drohungen ausgesprochen, aber letztendlich war der Mensch von der Klippe heruntergekommen und glücklicherweise war er ein geübter Lügner und somit nur ein Mensch, der in den Klippen Sicherheit vor den Steinschlägen der letzten Tage gesucht hatte, statt eines Menschen, der mit anschauen musste und vielleicht gar wollte, wie der Steinschlag auf magische Weise ausgelöst wurde. Der Gast hatte derweil noch einen lebenden Goliath ausgemacht und seine Forderung, sein Appell an die anderen Goliaths, ihren Volksbruder zu retten, zeigte unmittelbare Wirkung und entschärfte die Situation für das Erste. Der Gast stellte sich mit dem Namen Min Tzu vor und bewies seine Kenntnisse über den Beruf eines Medicus und konnte dem Goliath mit der Hilfe der anderen retten. Jedoch mussten sie ihm die Beine amputieren, denn diese waren durch den Steinschlag zerschmettert worden. Es stellte sich heraus, dass es der Häuptling des Stammes war, denn sie einfach nur den großen Katarrhakt nannten, weil der Stamm jener der Katarrhaktt war. Ein verfluchter Stamm, wie Crusher wusste. Ein Stamm, der angeblich das Sakrileg begangen hatte, tief in die Herzen der Berge einzudringen, obwohl es den Goliath verboten war in die heiligen Hallen unter den Bergen einzuziehen. Die Erdgeister haben daraufhin die Katarrhakt verdorben und verflucht, ihnen grausamen Tod geschworen und ihnen die Körperzeichnungen genommen, sodass sie grau wie erzloses Gestein sein müssen: langweilig, trist, verloren. Dieser Steinschlag mochte ein Beweis für ihr Schicksal sein. Der Goliath mit dem Ehrennamen Crusher wusste, dass dieser schwer verwundete große Katarrhakt, der nun ein ewiger Krüppel ohne Beine war, von jedem gesunden Stamm ausgestoßen werden würde und alleine von der Natur verschlungen werden würde. Das war der Lebenszyklus der Goliath. Wenn ein Wesen zu schwach wurde, um dem Stamm dienlich zu sein, war seine Zugehörigkeit verwirkt. Aber die restlichen Katarrhaktjünglinge fürchteten sich ohne Anführer und sie taten alles, um ihm am Leben zu halten und dankten dem merkwürdigen Wesen namens Min Tze, welcher daraufhin nur davon zu berichten wusste, dass das Dao es so gewollt habe.

Die Katarrhakt-Stammesmitglieder baten darum, dass man sie und ihren schwer verwundeten Anführer zu Mu Chang brachte, denn dieser würde ihrem Anführer helfen können. Da Billy dort sowieso noch einen Gutschein für eine Schönheitsoperation offen hatte und man dort abklären konnte, wie viel Geld ein chirurgischer Eingriff in das Gesicht kosten würde, wenn es hart auf hart käme und die Verurteilten keine andere Wahl mehr hätten. Auch das Argument, dass dieser Mu Chang klären könne, warum Muvaji nach dem Schwinden des Wundbrandfiebers noch immer nicht erwacht sei, spielte eine Rolle. Tabi Garasu schlug vor, dass man vorher, da es bereits Nacht war, eine Rast einlegte, er würde auch eine sichere Höhle in der Nähe kennen, in der er seinen Wagen nach den Steinschlägen untergebracht hätte.

Es war eine unruhige Nacht, in der viel Misstrauen und Missgunst herrschte. Die Verurteilten fürchteten die unerwarteten Neuankömmlinge und die Goliath waren noch immer verwundert über das Auftauchen derartig vieler Fremder an der Steinschlagstelle, sodass man sich darauf einigte, dass aus jeder Gruppe immer einer Wache hielt, sodass ungleiche Paare entstanden, damit niemand hintergangen werden würde. Es war die Wache des Tabi Garasu, als plötzlich ein silberner Löwe in der Höhle eingefunden hatte, sein Maul war noch mit Blut besudelt. Es war ein großer und stolzer Löwe. Nach den Erfahrungen mit der Löwenmutter vor einigen Tagen hatte aber keiner ein grundlegendes Bedürfnis etwas falsch zu machen, weshalb die Verurteilten sich zurückhielten. Der fremde Elbenartige jedoch bemerkte mit ausreichend Scharfsinn und Kenntnis des Reiches, dass es sich um einen der ausgesprochen seltenen und besonderen Silberlöwen handelte. Eine kaiserliche Zucht von Löwen, welche auch als Feldherrenlöwen bekannt waren und deswegen bei Leuten mit hohem Prestige zu finden waren. Li Ruyin, dem Provinzverwalter Gangxis sollte sein silberner Löwe entlaufen sein. Doch den Löwen zu fangen, das schien keine Option zu sein.
Denn obgleich der Löwe sich aufgrund der Überzahl der Feinde in der Höhle noch vor einem Angriff zurückzog und die Goliaths gleicherweise dazu übergingen, den großen Katarrhakt zu schützen, welcher im komatösen Schlaf auf einem Wagen lag, griffen die Denunzianten, das Mitglied des Siima-Clans und der mysteriöse Fremdling an.
Tabi Garasu bezahlte dies fast mit dem Leben, denn der Löwe hatte ihn verschleppt und fast zu Tode gebissen. Nur die stabile Rüstung erhielt ihn am Leben, als er im Maul des Löwen durch die Steppe getragen wurde, bis der mysteriöse Mann und der Goliath Crusher dem Wesen endlich den Garaus machen konnte. Billys Kojote musste die wilde Verfolgungsjagd beinahe mit dem Leben bezahlen, weil beide schwer stürzten, jedoch Glück im Unglück hatten. Angeschlagen, aber im Wissen den Löwen erlegt zu haben, kam man mit dem erschlagenen Tier zurück in die Höhle und setzte die Rast fort.

Man hatte einen silbernen Löwen erlegt und sich damit noch weiter strafbar gemacht, ja sogar ein heiliges Tier erschlagen und damit offiziell den Zorn der Patrongötter Chuangs auf sich geladen, glaubte man dem, was in den heiligen Schriften stand. Und der nächste Tag ließ wirklich Vecors Zorn durchblicken, denn die Temperaturen stiegen in ungeahnte Höhen und machte die Reise zu Mu Chang, der nur etwas mehr als einen halben Tagesmarsch entfernt wohnte, zu einer Höllenqual. Trotz der stetigen Wasserzufuhr und den Versuchen genügend Schatten zu bekommen, brach Tabi Garasu gegen die Mittagszeit mit einem Hitzschlag, noch immer von seinen Verwundungen durch den Löwen stark geschwächt, zusammen. Auf der sechsstündigen Reise, während er sich nicht einmal die Geier in die Luft wagten, um nach Aas zu kreisen, brach auch noch Muvajis Pferd zusammen, welches Crusher nur noch mit einem Gnadenstoß erlösen konnte. Und kurz vor Ende der Reise drohte auch Billy zusammenzuklappen, zu allem Überfluss verliefen sie sich auch noch und verlängerten ihre Reise zum befestigen Hof des ominösen Arztes um über eine Stunde. Erschöpft, dehydriert und überhitzt erreichten sie schlussendlich ihr Ziel. Und sie hatte eine überraschende Erkenntnis gewonnen. Tabi Garasu hatte in seiner Bewusstlosigkeit die Kontrolle über seine Gestalt verloren. Er war Wirklichkeit ein Affe. Während die meisten mit einem Staunen, Respekt und Angst Magie vermuteten und erwägten, den Affen eventuell umzubringen, erklärte der fremdartige Min Tzu, dass es in Wirklichkeit ein Hengeyōkai war. Ein intelligentes Tier und ein natürlicher Gestaltwandler, eine Art Tiergeist und damit ein Verbund zwischen der mystischen Enwe und der Welt der Normalsterblichen daselbst, welcher aus dem Reich Xian kommen musste. Glücklicherweise sah es im Moment aus, wie ein kranker, normaler Affe, weshalb das Wissen des Elbenartigen die Gemüter beruhigte und die Reise weitergehen konnte. Die Goliaths zweifelten sowieso nicht an den Worten des Mannes, nachdem dieser den großen Katarrhakt gerettet hatte.

Mu Chang lebte nur mit seinem treuen und merkwürdigen Diener, einem ehemaligen Reiternomaden aus Xiqu zusammen. Mu Chang war ein kleiner, bärtiger Gnom mit exzentrischem Auftreten und einem doch recht einfachem Wohnstil, während sein Diener ein pockennarbiger, krummbeiniger Geselle war, der unfreundlich und listig wirkte, obgleich er sich um Freundlichkeit bemühte. Gegen eine kleine Bezahlung nahm er die Patienten auf und gab den restlichen Besuchern eine Schlafstatt. Die Tage waren ruhig, nur der mysteriöse Min Tzu erwartete, dass der Arzt auch Gifte in seiner kleinen Hausapotheke haben musste. Und an diese wollte er ran. Doch da diese Räume abgeschlossen waren, beauftragte er Billy das Kind, seine flinken und lautlosen Füße zu nutzen und die Schlüssel vom Nachttisch des Gnomes zu stehlen. Allerdings war der Gnom, der in einer kleinen, alten Besenkammer schlief, weil er die anderen Räume für Gäste ausgebaut hatte, sehr wachsam und eine auf ihn gerichtete Handarmbrust ließ Billy von seinem Vorhaben abweichen. Der Gnom kopierte das Vorgehen des Halblings und schlich sich nur wenige Stunden später an dessen Bett an und hinterließ eine schriftliche Nachricht mit der Warnung, dass er solches nie wieder versuchen solle, weil er ihn sonst umbringen würde. Mu Chang schien ein wenig zimperlicher Arzt zu sein. Jedoch hatte er nicht bedacht, dass der Halbling nicht lesen konnte, sodass der Brief erst, nachdem Billy ihn Crusher unterzuschieben versuchte, der ihn auch nicht lesen konnte, aber den Inhalt in Erfahrung brachte, später am Tag seine Bedeutung preisgab. In ihm hatte der Gnom auch noch das Angebot einer Gesichtsveränderung angepriesen. Fünf Goldmünzen sollte ein kleiner Eingriff kosten. Kein Zuckerschlecken, ein normaler Tagelöhner müsste dafür alleine über ein Jahr arbeiten, wenn er sonst keine Ausgaben hätte.
Crusher, der sich über die Illegalität des Löwenschlachtens bewusst war, handelte derweil mit dem krummbeinigen Diener aus, dass dieser Gold und die Innereien des silbernen Löwen bekam, wenn er dafür das Tier fachgerecht häutete und ausnahm.

Nach zwei ruhigen Tagen verließen die Verurteilten wieder das Gehöft. Tabi Garasu und Min Tzu hatten sich der Gruppe angeschlossen, die Goliaths blieben bei Mu Chang, nachdem sie sich überschwenglich für die Rettung des großen Katarrhakt bedankt hatten. Alle waren wieder etwas gestärkter und bekamen auch die Gewissheit, dass Muvaji die nächsten Tage wieder zu Bewusstsein kommen würde. Sie brachen auf gen Gangshin. Wohl wissend, dass Billy und Crusher die Stadt nicht ohne weiteres betreten konnten, gaben sie Tabi und Min eine Vertrauensprobe auf den Weg. Sie sollten sich mit dem Fell und den restlichen Teilen des geschlachteten silbernen Löwen auf in die Stadt machen und sie dem Trophäensammler He Fei aufdrücken. Man war sich sicher, dass der fette Aasgeier die Gesetze mit Kusshand brechen würde, wenn er solch einen Fang angeboten bekäme.

Das Wetter hatte sich abgekühlt auf gewohnte Temperaturen, Vecor schien seinen Zorn für den Moment vergessen zu haben. Aber dennoch wurden die Tierzüge immer häufiger, die Wasserlöcher immer rarer. Noch vier bis fünf Wochen und der große Regen würde endlich wieder einsetzen. Dennoch war die Reise im Gegensatz zur Reise zu Mu Chang beinahe angenehm.
Vor der Stadt jedoch kam ihnen ein Wagen entgegen, der anhielt. Es war zwei Kilometer vor der Stadt, die dank ihrer prächtigen Reisterrassen schon in Sichtweite war. Ein einzelner Zwerg war auf dem Gefährt und fing an, seinen Kastenwagen aufzuklappen. Ein Krämer? Ein Beamter? Billy und Crusher übernahmen die Initiative und ritten heran. Sie wurden böse überrascht, der Zwerg mit haselnussbraunem Bart stellte sich als kaiserlichen Beamter vor und hielt ihnen ein Wisch mit kaiserlichen Siegel vor die Augen. Er nestelte Handschellen hervor und hoffte, dass dieser Wisch ausreichen würde, um die beiden Denunzianten, die er ausgemacht hatte, festzunehmen, zumal sich die anderen in großer Entfernung zurückhielten. Billy zog seine Waffe und schoss nach dem Zwerg und der Goliath malträtierte den Zwerg schließlich mit dem Hammer. Der Bärtige schaffte es gerade einmal, seine Waffe zu ziehen und harmlose Schüsse abzugeben. Er führte genauso so eine merkwürdige Pistole, wie der Halbling. Doch dann lag er schon erschlagen auf seinem eigenen Wagen. Es stellte sich heraus, dass er ein Aufschneider war. Er war nicht mehr als ein Bote, welcher die Denunzianten zufälligerweise erkannt und auf schnelles Geld gehofft hatte. Drei Goldmünzen pro Kopf, das war nicht zu unterschätzen gewesen. Er hatte ein Botschaft vorgezeigt, die zwar ein hoheitliches Siegel hatte, welches aber in Wirklichkeit nur davon berichtete, dass Truppen auf den Weg in den Süden sein. Doch man wusste nicht wie viele und auch nicht, wohin genau. Billy entdeckte derweil, dass er diesen Kunden bereits kannte. Es fiel ihm ein, als er sein eigenes Initial auf der Doppelkammerpistole sah. Ihm wurde kurz mulmig bei dem Gedanken, dass er beinahe mit seinem eigenen Produkt erschossen wurde.

Kurz darauf erwachte sogar Muvaji tatsächlich wieder, die Gruppe war endlich wieder bei voller Stärke. Und dem mysteriösen Min Tzu und Tabi Garasu gelang es sogar einen unverschämten Preis für das silberne Löwenfell bei He Fei rauszuhandeln, als sie an sein Konkurrenzdenken appellieren konnten. Sie bekamen sagenhafte sechzig Goldmünzen für das Tier, obwohl seinem fettlichen, doch traurigen Blick anzusehen war, dass er für ein lebendes Tier mindestens das Zehnfache gezahlt hätte. He Fei war ein unglaublich reicher Mann und von solch fettleibiger Eitelkeit, dass ihm der zerschossene Löwe Leid tat. Nicht wegen des Tieres ging es ihm so, sondern wegen des Wertes. Nach dem Erwerb gab er ihnen ein weiteres lukratives Angebot, welches die Verbrecher reich machen würde. Er erzählte ihnen, dass vor fünfhundert Jahren das letzte Einhorn der Steppe erschlagen worden wäre. Sein Horn wäre jetzt eine Reliquie im Tempel der himmlischen vier Winde in Heiyi. Er würde für das Beschaffen und das in sein Besitz kommen des Gegenstandes einhundert Goldmünzen zahlen. Ein Tagelöhner müsste für diese astronomische Summe 28 Jahre arbeiten. So alt wurden die meisten Tagelöhner bei der harten Arbeit und dem harschen Klima in der Steppe nicht einmal.

Gier machte sich breit unter den Denunzianten und mit dieser Summe würde man sich wahrscheinlich sogar von der Todesstrafe freikaufen können zusammen mit dem Geld aus dem Fellverkauf. Endlich hatte man ein großes Ziel vor Augen und einen großen Teil des benötigten Silbers hatten sie sogar erworben. Es blieb nur zu hoffen, dass He Fei kein Mann der Kaiserlichen war. Zwar hatte er das Fell gekauft, aber vielleicht hatte er es auch getan, um die Verurteilten einer weiteren Straftat zu überführen? Und selbst wenn er nur ihre Spur an Qinglong Jin weitergab, es würde Probleme geben. Andererseits sollte das Horn eine Reliquie sein. He Feis Gier schien zu groß, als dass er solch fähige Beschaffer von besonderen Materialien einfach verriet. Aber ein anderes Problem sollte sich die nächsten Tage auftun. Man hatte einen Wahnsinnigen in den eigenen Reihen, der nichts mehr wollte, als die Gruppe in den nächsten Tagen aufzustacheln und den wahnwitzigsten Taten zu begehen. Es war der wiedererwachte Muvaji…

Menthir:
Der zweite Teil ist gerade fertig. Der letzte Teil des Textes hat den Spieler einen Verderbniswert eingebracht, wie er im Heroes of Horror beschrieben ist. Ich habe es relativ unblutig dargestellt und trotzdem versucht, das Geschehene einigermaßen darzustellen.

Kapitel II - Tag 229 bis Tag 260 des Jahres 1037 – Verfall der Sitten, Hitzschlag und andere Querelen - Teil 2 (Anzeigen)
233. bis 236. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 24. Tag des Affen bis zum 24. Tag der geflügelten Schlange im Jahr des gläsernen Drachen

Der Mörder des Vecorhohepriesters hatte mit breiter Brust vorgeschlagen, dass sich eine Reise zum Tempel seiner Göttin, der roten Mondgöttin Raiva, am ehesten lohne, weil der Tempel nur einen kleinen Umweg auf dem Weg nach Heiyi mit sich bringen würde. Dieser Vorschlag wurde stattgegeben, denn noch immer waren die Verurteilten verwundet, auch wenn sich ein Teil der Wunden durch natürliche Heilung geschlossen hatte, so wirkliche Bewegungsfreiheit und Schmerzfreiheit war bei der Vielzahl von Fleischwunden und schweren Prellungen undenkbar. Es glich einem Wunder, dass sich noch keiner etwas Ernsthaftes zugezogen hatte und die Wunden so heilten.

Ihr Weg in den Osten wurde bereits nach wenigen Kilometern beendet, fast urplötzlich erhob sich ein Habub und trug den Sand und das lose Gras der Steppe vor sich her, türmte sich nur wenige tausend Meter vor den Abenteurern auf und raste auf sie und das Bergmassiv in ihrem Rücken zu. Es war der Bergkenntnisse des Goliaths und seinen scharfen Augen zu verdanken, dass sie noch rechtzeitig eine schützende Höhle fanden, die sie vor der Sand- und Graswand schützte. Ein Moment des Verschnaufens und dann entdeckten die Verurteilten sie wieder. Diese merkwürdigen drakonischen Schriftzeichen und die Piktogramme und Bilder, welche Elefanten in unterschiedlichsten Posen darstellten, sogar beim Wasser lassen.
Nun saßen sie bei dem großen Sturm in der kleinen Höhle, um sie herum nur der wehende Sand, steinerne Wände und ein kleiner Tümpel, welcher mit trübem Salzwasser gefüllt war. Es verging eine halbe Stunde, da kam der mysteriöse Mann auf die Lösung. Die Schriftzeichen mussten für einen Zauber stehen. Verdutzt wurde er angeschaut, doch der Mann äußerte sich nicht, vorher er solches Wissen gewonnen hatte. Stattdessen präsentierte er, dass er wie die legendären Shinobi auf dem Wasser laufen konnte und sagte, dass dieser Tümpel ein getarntes Kraftfeld sei. Der Goliath schloss aus dem Wort Kraft, dass seine eigene Kraft reichen könnte, um das Kraftfeld zu öffnen. Er vermutete, dass er stärker sein würde, als diese mysteriöse Energie, welche sie auf dem Wasser stehen ließ. Er nahm alle Kraft zusammen und sprang hoch und stampfte, so stark er konnte, auf. Und tatsächlich, das Kraftfeld löste sich auf. Und Muvaji, der ähnliches probierte, und Min Tzu stürzten mit Crusher zusammen in die Tiefe. Mehr als fünf Meter führte das Loch herab und zusammen mit dem Rest Salzwasser, welches mit in die Tiefe rauschte, klatschten sie auf dem harten Steinboden auf, Muvaji als auch Crusher mit dem Kopf, sodass sie beide bewusstlos dort liegen blieben. Lediglich Min Tzu kam mit leichten Prellungen davon.
Nachdem er die beiden Schwerverletzten verarztet hatte, erkundete er den Weg und er fand noch mehr Symbole, Piktogramme und Bilder und eine zweite Barriere, welche in einem Kriechgang verborgen war. Ein angebrochener Spiegel, der wie das Facettenauge eines Insektes aussah. Ihm wurde klar, was die Bildnisse darstellten. Es waren Rätsel, welche ihn die notwendigen Schlüssel zeigte, die man brauchte, um die Barrieren zu öffnen. Beim Spiegel müsste es ein Auge eines Elefanten sein und bei dem Kraftfeld wäre es der Urin eines solchen Pachyderm gewesen. Statt aber auf eine wilde Elefantenjagd zu gehen oder gar auch diesen Spiegel einfach zu zerschlagen, rasteten sie an Ort und Stelle. Min Tzu mit den beiden Bewusstlosen im Loch, Tabi Garasu und Billy oberhalb bei den Lasttieren. Am nächsten Morgen trugen sie die Höhle auf ihrer Karte ein und beschlossen zum Tempel Raivas zu ziehen.

Doch schon der Weg zum Tempel wurde beschwerlich, genauer gesagt, nachdem der Sandsturm sich gelegt hatte, war das Verlassen der Höhle bereits eine Tortur, zwar war die Temperatur hoch und Vecor unbarmherzig, aber die Gefahr lag in sechs Goblins, welche sich hinter vier Turmschilden aufgebaut hatten und der Gruppe auflauerten. Ausgemergelte Gestalten mit so vor Trockenheit verkrusteten Lippen, dass ihnen das Sprechen schwer viel. Sie kannten auch nur einen Gedanken, sie wollten eines der beiden Maultiere, welches dem falschen, kaiserlichen Beamten gehört hatte und nun in Muvajis Besitz war, nachdem sein Tier gestorben war, für den Verzehr haben. Ihre Armbrüste waren krude und man konnte sich nicht sicher sein, ob sie noch funktionierten oder nicht, aber aufgrund der schweren Verletzungen von Crusher, Muvaji und Tabi, der noch immer an den letzten Wunden der Löwenbisse laborierte, entschied man sich, eines der Maultiere zu opfern. So konnte man, von den Goblinbolzen unbehelligt, weiterziehen.

Obwohl es strahlender Tag war und die vierstufige Zikkurat, welche direkt auf einhundertfünfzig Höhenmetern in die Bergflanke geschlagen worden, sich in ihrer Farbe nicht von dem grauen, mit roten Bändern durchzogenem Berggestein unterschied, wirkte sie dunkel und unwirklich. Eine Aura der Bedrohung ging von diesem Gebäude aus, welches der Raivagläubige als ihr Ziel ausgegeben hatte. Und nicht nur von der Zikkurat selbst ging Gefahr aus, auch von der schmalen Treppe, welche an der Bergflanke zum Tempel führte.
Sie wurde jedoch mit nur kleinen Problemen bestiegen, nachdem alle die Tiere und Wagen vor dem Tempel festgemacht hatten, da die Stufen zu schmal und zu steil für die Tiere waren.
Im Tempel war nicht viel zu sehen, schmucklos waren die Wände der Eingangshalle, welche wie ein Pokal geformt war. Drei schmucklose Granitdoppeltüren führten aus dem Raum weg, ansonsten würde nur ein großes Portal mit steinernen und übergroßen Türen nach draußen. Es brauchte bestimmt vier Goliaths, um solch eine Tür zu schließen. Vor der mittleren Tür saß ein vollkommen haarloser Mann in einem gelben Kimono und einer grünen Stoffhose, die darunter rausschaute, weil er im Lotussitz dasaß. Er hatte schon länger dort gesessen. Er war stoisch.
Doch ein Gespräch sorgte für Aufruhr, denn Muvaji unterhielt sich mit dem Mann in der Sprache der Dämonen und stellte seine Begleiter als Opfer in Aussicht, zu seinem Ärger war Tabi Garasu, das intelligente Äffchen dieser Sprache auch mächtig und dieser zögerte nicht, für seine Begleiter simultan zu übersetzen, so stieg er selbst in der Gunst der Verurteilten, während einer der Verurteilten seinen Grundkredit, welcher durch die gemeinsame Flucht vom Galgen gewährt wurde, verspielt zu haben schien. Eisige Stille fuhr in den Raum, in welchem eigentlich um die vierzig Grad herrschten.

Der glatzköpfige Mann stand auf und ging in den Raum in seinem Rücken, die Gruppe keinen Blick riskieren lassend. Nur ein grünliches Licht, leicht flackernd, schien aus dem Raum und wenige Sekunden später schien ein großer Mann in einem purpurnen und blauen Hanfu. Er hatte ausgemergelte Gesichtszüge und doch einen kräftigen Körper. Seine Augen sahen durch das dünne Gesicht aus, als seien sie etwas hervorgetreten und glotzend. Seine Stimme klang wie alter Schiefer. Sein Name war Song Ming und er war der Hohepriester dieses Tempels.
Eine Unterredung von kurzer Dauer, aber mit interessantem Inhalt. Nicht nur heilte er die Gruppe für ein kleines Entgelt, er warnte sie auch davor, dass es die Nacht der tobenden Dämonen sei. Eine Abfolge von ungefähr zehn Nächten, in denen die Goblins immer wieder aus den Bergen hervorbrächen und wild Tiere abschlachtend über die Ebene zögen. Er sagte, monoton und emotionslos, dass sie sogar vor Humanoiden keinen Halt machten. Des Weiteren gab er Hinweise auf die Schriftzeichen in der verborgenen Tempeln, die mit alter Magie zu tun hätten und welche vor allem von den Ouroboroi gesucht würden. Desinteressiert an der Gruppe zog er sich nach der Unterredung wieder zurück in die Kammer, welche der Glatzkopf wieder bewachte in seiner stoischen, schweigsamen Art. Die Abenteurer mühten sich derweil den Weg wieder runter. In einem ungewollten Wettrennen war der sonst so souveräne und mysteriöse Min Tzu der Erste. Er fiel den Weg einfach.

In der Nacht, die Gruppe hatte sich auf Anweisung von Crusher und Muvaji in eine Halbhöhle zurückgezogen und eine halbe Wagenburg zur Verteidigung mit ihren drei Wagen gebildet. Es war in der Wache Muvajis, als die Goblins den Berg runterstürmten. Beinahe wäre die Gruppe gesehen wurden, denn als sie in der Eile das Feuer ausmachen wollten, welches sie brennen ließen, um die Nacht zu überstehen und wilde Tiere abzuhalten, trampelte der junge Mensch, der gerade einmal erwachsen war, nicht das Feuer erst aus und warf dann eine erstickende Decke über den Rauch, nein, er war lieber die Decke in das Feuer und wunderte sich darüber, warum sie Feuer fing. Schnell griff Min Tzu ein und rettete die Situation. So konnten sie das faszinierende Schauspiel sehen, wie die bewaffneten Goblins unter dem Trommelschlag ihrer Kraapriester in das Schlachten zogen. Und Stunden später wie in Trance zurückwankten, bepackt mit erlegten Tieren und gefangenen oder toten Humanoiden.

Zwei Tage reiste man weiter und doch hatte man Glück, denn man traf keine weiteren Goblinbanden. In der Ferne hörte man nachts die Trommeln und die Kriegsschreie der Goblins, aber die Gruppe blieb unbehelligt. So erreichten sie am 236. Tag endlich Heiyi. Nur um am Aufstieg zum Dorf auf dem Plateau, welches auf fünfzig Höhenmetern lag und nur über einen Serpetinenweg erreichbar war, bereits von vier Soldaten aufgehalten zu werden. Der kräftigste Soldat, ein Mann mit einem breiten Kopf, einer Glatze und ernsten, grünen Augen, hielt die Gruppe an. Seine Axt hatte ein exotisches Aussehen. Zwar war sie an sich eine einfache Bartaxt, jedoch war sie mit Kolibris und Blüten auf dem Axtblatt verziert. Er warnte sie vor der ausgebrochnen Cholera im Dorf Heiyi und erklärte ihnen, dass das Militär nur ein paar hundert Meter weiter in den Bergen ein kleines Lager aufgebaut hätten, um die Nacht der tobenden Dämonen auszuharren. Die Gruppe, trotz der Sorge, dass man ihre Identität aufdecken konnte, fühlte sich dazu genötigt, die Einladung anzunehmen. Gerade nachdem der Mann die Leiche des Zwergen auf einem der Karren gefunden hatte, welche man noch immer nicht entsorgt hatte. Glücklicherweise schluckten die Soldaten die Geschichte mit dem Steinschlag und dem Willen, den Zwerg an einem angebrachten Ort niederzulegen.

237. bis 247. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 24. Tag der Ratte bis zum 25. Tag der Ratte im Jahr des gläsernen Drachen

Dort wurde man Zeuge eines merkwürdigen Schauspiels und fast hätten die Verurteilten etwas Verräterisches getan, als der Glatzkopf, der sich als Bao Ling vorstellte, erklärte, dass man drei Galgen aufgebaut hätte, weil man drei Missetäter hier im Lager entdeckt hätte. Billy und Muvaji wurden unruhig und blickten sich im Lager um. Sie waren genau zwischen zwei Bergwänden in Zelte eingeteilt wurden und hätten das ganze Lager durchfliehen müssen, um mit heiler Haut davon zu kommen. War das gar nicht Bao Ling, sondern gar Qinglong Jin? Bis zu 250 Mann mochten auf diesem kleinen Zeitplatz wohnen und die Nächte ausharren. Der große Glatzkopf erklärte, dass sie auf den Weg nach Fanjing seien, weil sich dort ein Usurpator erhoben hätte und sie die Stadt entsetzen müssten. Sie würden aus dem Osten kommen, aber dem General des Westens unterstehen. Danach lud er die Gruppe zum Essen ein, an den Galgen wurden derweil die letzten Vorbereitungen getroffen. Die Gruppe lehnte ab, in Anbetracht des nahenden Stricktodes war ihnen das Essen vergangen. Waren sie so leicht in die Falle gegangen? Min Tzu, der die Steckbriefe seines Gefährten gesehen hatte und deswegen von ihren Taten wusste, versuchte im Gespräch auszutesten, ob wirklich Muvaji, Crusher und Billy gemeint seien. Bao Ling wehrte immer mit dem Satz ab, dass man auf den Busch schlagen müsse, um die Schlange raus zu locken. Während man sich einen Reim darauf zu machen versuchte, und man in Gedanken bereits plante, wie man die Goblins in das Lager der Kaiserlichen locken könne oder vorher noch eine Flucht realisierte, wurden jedoch drei desertierte Soldaten an den Galgen gebracht. Und während sie langsam am Strick erstickten oder sich mit Glück gleich das Genick brachen, nahmen die Verurteilten die angebotenen Silberfische doch an und speisten mit Bao Ling.

Man hatte also erfahren, welchen Sinn die Botschaft hatte, welche der Zwerg bei sich getragen hatte und man erfuhr zudem, dass die Cholera in zwanzig bis dreißig Tage überwunden sein dürfte, weil ein fähiger Heiler im Dorf helfen würde. Letztendlich beschloss man doch, die Tage im Lager zu verbringen und man konnte sie unbehelligt verbringen, Übungskämpfe bestreiten und ausreichend vom Proviant der Soldaten zehren. Bao Ling entpuppte sich als Schwertkampfnovize eines fremdartigen Kampfstiles, welchen er schwimmenden Kranich nannte, während in der Armee scheinbar auch Deserteure aus Xian kämpften und nun in das Grenzgebiet zurückkehrten. Und Tabi Garasu erfuhr noch, dass er, wenn er mehr über die Kunst des Schwertkampfes wissen wollte, mit  Xū Dǎnshí sprechen müsse, der als Lehrer deutlich besser tauge, als Bao Ling selbst.

Das Heer war schon lange abgereist und die Gruppe hatte den Gedanken, die Goblins dorthin zu locken, auch verworfen. Irgendwann hörte man die Schreie nicht mehr, die Goblins zogen sich in die Berge zurück. Danach stritt man darüber, ob man nicht schon in das Dorf gehen sollte und die Cholera in Kauf nehmen sollte, oder ob man zehn weitere Tage warten sollte, damit man auf der sicheren Seite war, wenn es die bei einer epidemischen Krankheit überhaupt gab.
Man entschied für den Aufbruch nach Heiyi, keine zwei Stunden nachdem das Heer weiter nach Fanjing gezogen war.

Heiyi erschien menschenleer. Waren alle tot? Das Hämmern auf einem Amboss durchschnitt scharf die Stille, welche auf dem Dorf lastete. Auf dem zweiten Blick sah man, dass noch in der Hälfte der Häuser, in zehn von zwanzig Häusern, Feuerstellen brannten und auch im Haupthaus war Leben. Als man daran vorbeischritt, hörte man reichlich Leben. Eine wilde Diskussion fand dort statt. Während Tabi sich mit dem Schmied unterhielt und in Erfahrung brachte, dass der Tempel nicht auf dem Plateau stand, sondern im Berg selbst war, unter dem Dorf genauer gesagt, und danach mit dem Schmied handeln wollte, platzten Min Tzu und Muvaji in die Versammlung. Der Dorfälteste reagierte überrascht und gleichzeitig enerviert. Vielleicht war es die Sorge vor noch mehr Ärger. Muvaji und der mysteriöse Mann, der halb Elb, halb Ork schien, hatten das Gespräch mitgehört und verfolgt, dass das Dorf durch die Krankheiten der letzten Jahre vor allem ihre Frauen und Töchter verloren hätten. Wütend erklärten die Dorfbewohner, dass es an dem Lebensstil Chuangs läge, der die Frauen schwach und fragil mache. Sie bräuchten harte Frauen aus einem harten Land, wie Xiqu es war, damit sie nicht jedes Jahr ihre Frauen und Kinder zu Grabe tragen müssten. Ein emotionales Thema, da der Dorfälteste erklärte, dass die Krankheiten immer zur Zeit der Nacht der tobenden Dämonen ausbrechen würden und mit ihrem Ende verschwinden würden. Sie fühlten sich von Chuang und vor allem vom Provinzbeamten Li Ruyin im Stich gelassen. Muvaji nutzte dieses emotionale Thema aus. Er versprach fünf Frauen aus Xiqu für das Dorf zu besorgen. Trotz einiger Vorbehalte stimmte der Dorfälteste zu. Es gab keine zeugungsfähigen Frauen mehr im Dorf, es würde aussterben. Das Leben unterhalb des Plateaus wäre wahrscheinlich auch für die alten Dorfbewohner zu hart. Er stimmte für den Menschenhandel, was Muvaji mit einem boshaften Lächeln unterstrich. Die Gegenleistung würde sein, dass der Dorfälteste den letzten Mönch des inzwischen verlassenen Tempels dazu bringen würde, die versiegelten Türen des Tempels zu öffnen. Der Tempel der vier himmlischen Winde war vor einiger Zeit verlassen worden und nur noch die Haupthalle war zu betreten. Kein Hammer, kein Meißel war in der Lage, durch die Wände zu kommen. Sie waren versiegelt. Der Mönch war die einzige Chance, so schien es. Die Mönche waren angeblich über Nacht geflohen, als sich rausstellte, dass ihr spiritueller Führer ein Dissident war und von der Provinzverwaltung zum Tode verurteilt worden war. Während dieser mit dem Großteil des Tempels über das Báihǔ-Gebirge zog zum großen Binnenmeer, an die Grenzen des Reiches Xian, blieb ein einzelner Mönch in der Nähe des Klosters. Obwohl er keine Details nannte, versprach der Dorfälteste, ihn zu überzeugen. Nur fünf Frauen finden und die Einhornreliquie schien erreichbar. Angeblich war sie noch im Tempel versteckt.

247. bis 260. Tag des Jahres 1037, in unserer Sprache 25. Tag der Ratte bis zum 26. Tag des Drachen im Jahr des gläsernen Drachen

Nur zu viert brachen sie auf. Billys Kojote hatte mit den Spätfolgen seines Sturzes im Kampf gegen den silbernen Löwen zu kämpfen, seine Hinterläufe hatte sich bedrohlich entzündet und er hatte diese Entzündung seitdem verschleppt, nun war sie mit doppelter Härte zurückgekehrt und auch Billy ging es nicht viel besser. Sein Magen rumorte gewaltig und er war kaum in der Lage, gerade zu sitzen, geschweige denn sich in irgendeinem Sattel zu halten. So beschloss man, dass Billy in Heiyi blieb und sich auskurierte und gleichzeitig überwachte, dass der alte Mann, der sich Dorfältester schimpfte, auch sein Teil des Wortes hielt und den Mönch informierte und ins Dorf holte. Billy willigte ein und mietete sich in einem der durch die Krankheit freistehenden Häuser ein, während die anderen nach Xiqu aufbrachen.

Die Reise war langweilig, trist und von Trockenheit geprägt. Die Regenzeit rückte näher, das bedeutete noch weniger Wasserlöcher, an manchen Stellen sah man Geier auf Kadavern hocken und hier und da ein einfach vertrocknetes Tier liegen, welches durch die Sonne und die Trockenheit umgekommen war. Man vertat sich jedoch auch freilich ordentlich in der Route, weshalb man abseits der Wege fast endlos durch die Ebene reiste. Ein Land ohne Landmarken war furchtbar. Fast vierzehn Tage brauchten die vier Männer bis zur weißen Grenze, bei einem Weg, den man hätte auch bei genügend Wasser in fünf Tagen schaffen können.

Das Land veränderte sich fast urplötzlich, innerhalb von zehn Kilometern wurde die begraste, inzwischen tief- bis bleichgelbe Steppe beinahe vegetationslos, roter Sand überall und tiefrote Canyons taten sich im Boden auf. Metertiefe Schluchten übersäten den Boden und ließen das Reisen noch anstrengender werden. Jeder Schritt konnte für Zugtier und Wagen der letzte sein. Einen halben Tag von der Grenze entfernt, früh am schon viel zu warmen Morgen, fanden sie tatsächlich tief in einem solchen Canyon ein Dorf. Es lag an einem Fluss, der bestimmt einst reißend gewesen war und nun nur noch ein flaches Fließgewässerchen war, was einen alten Mann nicht davon abhielt, trotzdem dort zu fischen. Die Häuser waren aus rotem Stein, aber sauber und neu. Verwundert blickten sich die Mitglieder der Gruppe sich gegenseitig an. Wo waren die Barbaren?
Die Menschen im Dorf trugen alle einen Chonmage, eine Haarschnitt, bei dem das Deckhaar abrasiert wurde und am hinteren Teil des Kopfes ein Haarknoten hochgebunden war. Tabi Garasu wurde vorsichtig. In dem Dorf war nicht viel Treiben. Die meisten Menschen waren noch in ihren neuen und kaum verzierten Hütten. Ein paar Figuren, welche an üppige Frauen erinnerten und furchterregende Masken hingen an den Häusern, Masken, welche die bösen Geister abschütteln und abschrecken sollten. Hier herrschte ein Naturglaube, so viel war sicher. Der alte Mann am Fluss trug einen dunkelblauen Kimono und eben einen Chonmage. Er wirkte nicht gerade wie ein Barbar, eher wie jemand, der sich in kontemplativer Meditation mit dem seichten Dahinfließen des Flusses befand und dabei zufällig eine Angel in den Fluss hielt.
Ein Blasrohrpfeil schickte den sowieso schon ruhigen Mann in den Schlaf, der silberne Dolch, den Min Tzu damals bei den Goliaths gefunden hatte, schickte den Mann in die Arme Crushers, welcher den Mann in den Fluß warf, der ihn wiederum auf eine Reise schickte. Tabi, der eigentlich aus Xian kam und wusste, dass Xiqu zuletzt von Xian annektiert wurde und nun langsam die Besiedlung begann, weigerte sich jedoch, sich in den Kimono zu zwängen, um authentischer zu wirken.
Man entschied sich so in das Dorf zu gehen. Inzwischen hatte sich ein zweiter Mann, diesmal mit hellblauem Kimono unter eine Überdachung aus seltenem Holz und Stroh gesetzt und begann seine Biwa (eine japanische Laute) zu spielen, was Tabi dazu veranlasste, seine Shakuhachi (Bambusflöte) zu spielen. Es wurde ein disharmonisches Desaster, welches die Person mit dunklem Haar und braungebrannter Haut verstummen und aufmerksam werden ließ. Ein kurzes Gespräch, welches Tabi etwas wirr gestaltete, weil er munter Länder, Sprachen und andere Worte verwechselte. Es zeigte sich, dass Tabi so lange in Chuang gewesen war, dass er seine eigene Landessprache fast vergessen hatte. Der Mann, der ein Katana und ein Wakizashi trug, was die Vermutung virulent werden ließ, dass es sich dabei um einen Samurai handelte, was Tabi so langsam auch an dem Haarschnitt zuzuordnen konnte, wehrte jedes Gespräch brüsk ab und verweis die Gruppe des Dorfes. Der mysteriöse Daoist Min Tzu versuchte auch den Samurai unauffällig mit einem Giftpfeil auszuschalten, doch der Samurai gab ihm zu verstehen, da er ihm im Auge hatte, dass ein Versuch für eine Gegenwehr sorgen würde, die er nicht überstehen würde. Nach kurzer Beratung kam die Gruppe zu dem Ergebnis, dass die Frauen in diesem Dorf auch Samurai sein könnten und damit eindeutig zu wehrhaft wären. Sie zogen sich aus diesem merkwürdigen Dorf zurück, welches einem Samuraiclan gehörte, welcher eine Krabbe als Wappentier hatte. Sie zogen flussaufwärts.

Ein zweites Dorf erreichten sie einen halben Tag später. Es war dort scheinbar Markttag, denn es waren dort mehr Menschen, als in den zehn Häusern leben konnten. Fünf Stände waren errichtet und man tauschte Lebensmittel gegen Werkzeuge, manchmal gegen Münzen und man verkaufte auch seltene Blumen oder auch ein oder zwei Lasttiere. Auch hier gab es keine Spur von Barbarei. Die Häuser hier waren etwas älter und im typischen Stil Xians erbaut. Klein, aber hübsch.
Hier wurden sie fündig. Zwar war auch dieses Dorf bewacht – keine Seltenheit, wie Tabi Garasu berichtete, denn dies hier war frisches Grenzgebiet und ein möglicher Konfliktherd mit Chuang. Zudem gab es hier auch wilde Nomaden, welche die Dörfer überfallen konnten. Die Wächter hier waren sogenannte Sohei. Kampfmönche. – aber es gab hier nur einen Samurai. Und der schien für das Dorf flussabwärts ein paar Dinge zu kaufen. Und nach einer Weile fanden sie auch ihr erstes Opfer. Eine einzelne Frau mittleren Alters verließ das Dorf westwärts auf einem Wagen gemeinsam mit ihrem Sohn.

Schnell hatte die Gruppe den langsamen Wagen, vor den ein Maultier gespannt war, eingeholt. Die Frau blickte erschrocken nach hinten und begann den Wagen zu beschleunigen, doch der riesige Hammer des schwarzhäutigen Ungetüms beunruhigte sie, auch das gezogene Bastardschwert Muvajis. Doch während fast alle auf dem engen und holprigen Weg Probleme mit ihren Reittieren hatten, war der Goliath alleine und zu Fuß schneller als das Maultier mit dem Wagen. Mit einem Satz sprang er auf den Wagen und bedrohte Mutter und Sohn mit dem riesigen Goliathhammer. Abrupt endete die Reise für die beiden dort.
Eine Einschüchterung folgte der nächsten und Tabi, welcher fünf schnürbare Säcke in ausreichender Größe erworben hatte, näherte sich ebenfalls. Der Goliath schlug ihr vor, sich zu ergeben, damit ihr Sohn überleben könne, während Garasu sich daraufhin dem Jungen näherte, um ihn der Informationen wegen auszupressen wie eine überreife Zitrone. Hier war der Vorschlag, dass die Informationen seiner Mutter das Leben retten würden. Mutter und Sohn weinten und flehten um ihr Leben. Hilflos waren sie der Gewalt der Männer ausgesetzt. Die Mutter wurde auf einen der Karren verbracht. Der Sohn, der erste Information preisgab, spürte, dass die Männer ihn nicht gehen lassen würden. Der Sohn flehte weiter. Eine Faust traf das Gesicht der Mutter, um sie ruhig zu stellen. Bewusstlos sackte sie im Sack zusammen. Tabi wiederholte seine Drohung. Das Flehen schien kein Mitleid zu erwecken. Ein Riss in den Seelen war zu hören, als sei ein glatter, reiner Spiegel geborsten. Es erweckte kein Mitleid. Es erweckte die Lust mit den Opfern zu spielen. Man sah es in ihren höhnischen Gesichtern, in ihrem perfiden Spiel.
Der Junge versuchte dem weinend zu entfliehen. Er trat Tabi ins Gemächt, doch dieser blieb unter Schmerzen bei Bewusstsein. Dennoch setzte der dunkelhaarige Junge, der vielleicht vierzehn war, sich ab. Hass und die Hetzgeilheit eines Hundes erwachte in der Truppe. Der Goliath, der die Mutter mit einem einzigen Faustschlag in den Schlaf geschickt hatte, nahm die Verfolgung auf. Der Junge war viel zu langsam. Der riesige Goliath sprang ihm in den Rücken und riss ihn zu Boden. Tabi schrie, dass er den Jungen töten wolle. Crusher versuchte dem Jungen das Genick zu brechen. Sie behandelten es wie ein Spiel, wie eine Jagd auf Rehe in einem frühlingsschönen Pfirsichgarten. Der Junge wehrte sich, er biss nach dem Goliath, doch der Lederhandschuh war zu fest. Er riss weiter am Jungen. Die Frau kam wieder zu Bewusstsein, ihr Schluchzen ging in den verzweifelten Schreien des Jungen unter. Muvaji taumelte bei dieser Gewalt wie in Trance vor Geilheit. Er peitsche seine Gefährten an, dass sie den Jungen endlich umbringen sollten. Es gab kein Halten mehr. Es war kein kaltes Kalkül, keine Notwendigkeit in diesem Tod, wie in den Morden und Totschlägen zuvor gewesen. Es war reine Blutlust, die Raiva und Phrenesis zur Ehre gereichte. Es war klar, dass der Junge keine Chance haben würde. Min Tzu stieg auf sein Pferd. Selbst die Pferde, das Maultier und das Kamel spürten die Gewalt, sie waren unruhig. Min Tzu beruhigte sein Gaul. Der Goliath hörte ein Knacken im Nacken des Jungen, aber es war nicht das Genick. Es war nicht gebrochen. Er ließ für einen Moment los, im Fehlglauben, es geschafft zu haben. Der Junge trat ihm gegen das Schienbein mit der Hacke und sprintete los, klammerte sich an seine letzte Hoffnung, weinend und innerlich zerstört. Er musste sein Dorf retten, sie warnen. Tabi stand inzwischen auf seinem Wagen, hatte schon längst mit seiner übergroßen Armbrust gezielt. Der Schuss war etwas niedrig, weil er so vor Vorfreude auf des Jungen Untergang japsen musste. Der Bolzen rammte sich in den Rücken des Jungen, der blutig und unter Schmerzen zu Boden ging. Doch er kämpfte sich noch einmal hoch, wollte weiterlaufen. Ein aussichtsloses Rennen, bevor er wieder richtig Halt gefunden hatte, ritt Min Tzu über ihn hinweg. Die Hufen des Pferdes zerschmetterten Brustkorb, Becken und den Schädel, wie eine überreife Tomate. Tabi und Muvajis lachten schadenfroh. Hinter ihnen hatte sich die Mutter befreit. Sie schrie vor Entsetzen und ging auf die Knie. Sie schrie ihr Leid heraus. Bevor sie fliehen konnte, kam Min Tzu über sie. Schlug sie nieder, trat ihr immer wieder in den Körper, in die Rippen, ins Gesicht, bis sie bewusstlos war. Achtlos stopfte er sie in einen Sack und sie sperrten sie zusätzlich, nachdem sie mit mehreren Seilen verbunden und gefesselt war, in den abschließbaren Kasten von Tabi Garasu.
Es war ihnen entglitten, sie spürten es jedoch nicht. Der Blutzoll war ihnen noch nicht groß genug.
Es war als liefe Geifer ihre Lefzen runter. Dreckig lachend ging Muvajis ein paar Schritte vor. Das Dorf war keine fünf Kilometer mehr entfernt…

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