Nach meiner Erfahrung ist das große Problem mit der Vermittlung von historischem Wissen, dass diejenigen, die es vermitteln wollen, sich mehr für das Wissen als für diejenigen interessieren, denen sie es beibringen wollen. Wenn ich an meine Schulzeit denke, dann bestand Geschichte vor allem aus dem (aus meiner damaligen Sicht) sinnlosen Auswendiglernen von Daten, aus dem Lesen von Geschichten, die einer vergangenen Zeit entstammen, die mit meinem Leben nicht das geringste gemeinsam hat. Oder es war ein Thema, das den Lehrer beschäftigt hat, insbesondere wenn es um das 3. Reich ging. Und gerade beim Thema 3. Reich wurde das ganze dann zu einer sozialen Verpflichtung - das war wie ein roter Knopf, "achtung, ab jetzt bitte alles ganz schlimm finden!". Unsere Geschichtslehrer hatten mehr Erfolg darin, unsere Abneigung gegen Geschichte zu schüren, als uns irgendwas beizubringen.
Die Fernsehsendungen zu solchen Themen sind selten besser. Da geht es dann meist darum, wie sehr die Menschen aus diesem oder jenem Grund gelitten haben, oder es geht um irgendwelche Politiker und Militärs und deren Entscheidungen. Die Menschen können nicht mal was mit den Politikern aus DIESER Zeit anfangen, wie sollen sie sich da für Politiker interessieren, die keinen Einfluss auf ihr Leben mehr haben?
Geschichte, so, wie sie (meistens) vermittelt wird, ist schwer. Es steckt keine Leidenschaft darin, nur Tragik, Drama, Leid gepaart mit Daten, deren Kenntnis niemanden in seinem Leben weiterbringen. Ob irgendwas jetzt 1848 oder 1849 passiert ist, was macht das schon? Aber den Lehrern ist viel wichtiger, das man die Zahl kennt, als das man verstanden hat, WAS damals eigentlich passiert ist und was es für die Menschen bedeutet hat.
Das soll nicht heißen, dass ich mich nicht für Geschichte interessiere (dann wäre ich hier kaum dabei). Geschichte beschreibt das Leben von Menschen, die mit ihren Handlungen das geformt haben, was für uns heute die Gegenwart ist. Ich bin immer mal wieder selbst auf Themen gestoßen, die mich interessiert haben, habe hier und da was darüber gelesen oder mich anderweitig damit beschäftigt. Aber das war dann eben autodidaktisch. Von dem, was mir im Geschichtsunterricht beigebracht wurde, sind bestenfalls ein paar Kerninformationen hängen geblieben, alles andere war für mich belanglos.
Ich finde das Zitat von Kierkegaard aus dem Artikel sehr passend: „Das Leben wird zwar nach vorwärts gelebt, aber nur nach rückwärts verstanden.“
Meine persönliche Erfahrung ist, dass die meisten derer, die Geschichte lehren, sie selbst nicht verstanden haben. Und deshalb können sie sie auch nicht vermitteln.
Genau deshalb werden all die Umstrukturierungen, die in der Schule vorgenommen werden, auch nichts am Kernproblem ändern. Geschichte scheitert nicht daran, dass dieses oder jenes System der Lehre benutzt wird oder das zu wenig Stunden eingeplant werden, sondern daran, dass man es nicht schafft, das Thema mit Bedeutung für die zu füllen, die sich damit beschäftigen sollen.
Das jedenfalls ist meine persönliche Erfahrung dazu.