Kwazeel hatte einige Schwierigkeiten beim Abstieg, aber dennoch kam er nach einigen Minuten - sicherlich seine Kameraden waren schneller gewesen als er - unten bei Tolkwy und Simue an. Sein Knie, welches er sich vorhin bei seinem Sturz aufgeschlagen hatte pochte immer noch, und seine Händen waren ziemlich zerschürft. Zum Glück hatte Dan ihn beim Abstieg noch zusätzlich in die Sicherung genommen - das ein oder andere Mal war der Sichter des Lagerplatzes ins Schlingern und Rutschen gekommen: Ein Fußtritt war abgebrochen und hatte sich klappernd und knallend seinen Weg nach unten ins Meer gesucht. Doch verletzt wurde zum Glück auch hier niemand. Die Götter mussten ihnen nach ihrem schweren Schicksalsschlag der Strandung ja wenigstens ein klein wenig Ausgleich und Gewogenheit bieten...
Nun konnte auch Kwazeel sich unten umsehen und erblickte ebenso die
Jenivere, welche in einiger Entfernung zwischen den Felsen dahinschwamm und hin- sowie herwogte. Nicht besonders gut erhalten sah das Schiffswrack aus, soweit er das jedenfalls beurteilen konnte. Ganz im Gegenteil zu dem Lagerplatz, der Aushöhlung in der Klippe. Vor Jahren, als der Meeresspiegel noch höher gestanden haben muss wurde sie vermutlich ausgewaschen und seitdem nutzten einige Vögel sie als Brutstätte. In einem Eck war noch ein von Kot beschmutztes Nest aus Zweigen und Gestrüpp zu sehen - der zugehörige Vogel jedoch war mit Sicherheit schon lange nicht mehr da gewesen. In der Mitte der kleinen Höhle befand sich eine Pfütze mit Wasser, vermutlich wurde es doch ein wenig nass hier, aber nur wenn es regnete. Der Fels sollte ihnen ein relativ sicheres Dach geben und hier direkt am Meer und direkt beim Wind würde es aller Voraussicht nach auch deutlich kühler sein als oben am Strand. In den Felsen vor der Aushöhlung hing einiges an Treibgut - ein besonders frisches Stück Holz zog den Blick des Druiden auf sich, er meinte sogar Buchstaben darauf erkennen zu können
Je...ve...e - natürlich der Rumpf des Schiffes war völlig zerstört und dies musste eines der Trümmer sein, angeschwemmt von der Macht des Meeres...
Nachdem Kwazeel den Abstieg schließlich erfolgreich gemeistert hatte begab sich auch Dreifinger Dan hinab zu seinen drei Gefährten. Als Matrose konnte er natürlich von seiner langjährigen Erfahrung profitieren und so zeugten seine Bewegungen beim Klettern von erlernter Technik. Ohne irgendwelche Schwierigkeiten kam er unten an und hatte im Vergleich zu den Anderen wohl die wenigsten Abschürfungen am Körper vorzuweisen. Dann schlug er kurzerhand vor, sich als Erster aufzumachen, näher heran an das Schiffswrack, hinüber über das Feld von schroffen Felsen und glitschigen Klippen, welche halb aus den Wogen herausragten...
Doch ganz so wild war das Meer vor den vier Kameraden gar nicht mehr, es schien als hätte das Schlagen der Wellen an die Felsen etwas nachgelassen und die Wogen sich beruhigt. Das Wasser hatte sich wieder einmal zurückgezogen - die Seeleute unter den Gestrandeten verstanden sofort was vor sich ging und auch allen Anderen war das Phänomen der Gezeiten zumindest im Zuge ihrer kurzfristig abgebrochenen Schiffsreise bestimmt mindestens einmal zu Gehör gekommen. Der ein oder andere Stein ragte nun weiter aus dem Meer hervor und Dan konnte mit geschickten Schritten sogleich die ersten paar Meter zurücklegen - auch seinen Gefährten würde es sicherlich nicht schwer fallen sich zum Schiffswrack durchzuschlängeln: Und wahrhaftig nach einigen Momenten schon standen die vier Gefährten auf einem besonders großen Felsen, neben dem das Wrack festhing - jetzt hieß es also Beeilung, denn das Meer würde zurückkommen und dann wäre der Weg unwirtlich, wenn nicht sogar völlig unbrauchbar. Nach und nach ging nun also der Wegfluss des Wassers vonstatten...
Das Schiffswrack der
Jenivere machte einen schrecklichen Eindruck - sicher, die alten Seebären an Bord hatten ihnen einige Schauermärchen erzählt von bösen Wassergeistern und heftigen Stürmen, aber das überbot alle ihre bisherigen Vorstellungen eines Schiffsunglücks - der Rumpf schien völlig zerborsten zu sein und auch der Rest ihrer ehemaligen Reiseunterkunft sah reichlich mitgenommen aus
[1].Die Schräglage der eingekeilten
Jenivere sollte ihnen zumindest den Aufstieg aufs Deck ermöglichen. Zerfetzte Segel, der zerbrochene Mast und gesplittertes Holz würden ihnen jedoch den Weg nicht unbedingt vereinfachen. Das einst so stolze Schiff knarrte bedenklich und zerrte an einem scharfen Felsgrat auf und ab - segeln würde es wohl nie wieder, doch eine starke Flut könnte die Planken wohl wieder hinaus aufs Meer tragen, allerdings ein für alle Mal...
Da standen sie nun also und begutachteten das Werk der Zerstörung. Der Wind umwehte ihr aller Haupt und die Möwen kreisten über ihren Köpfen: So hatte also die
Jenivere, ihr Heim für zahlreiche Tage, seine letzte Ruhestätte gefunden - zwischen Klippen und Felsen, die vermutlich schon viele Schiffe und Seefahrer das Leben gekostet hatten...