Brown war aus dem Büro getreten und hatte für einige Momente mit glasigen Augen auf das Großraumbüro gestarrt, da kam eine Frau im Kostüm auf ihn zu. In der Hand hielt sie einen schmalen Ordner, auf dem 'Fall Kohler' stand. "
Sie müssen Mr. Brown sein. Nett, sie kennen zu lernen. Mr. Bittner bat mich, ein paar Hintergrundinformationen zu Kohler Industries zu recherchieren. Ich habe Ihnen alles in diesem Ordner abgeheftet, was sich in der kurzen Zeit finden ließ.", sagte sie und drückte ihm den Ordner in die Hand. "
Ich werde mal schauen, was sich noch machen lässt. Bis bald!", verabschiedete sie sich und war sogleich hinter einigen Trennwänden verschwunden.
Brown wandte den Ordner in seiner Hand und überlegte seine nächsten Schritte. Da er den Verdächtigen verfolgt hatte, hatte er keine Möglichkeit gehabt, sich mit seinen Kollegen abzusprechen. Also hatten sie auch keinen Treffpunkt. Er könnte nun wieder zum Tatort fahren, doch vielleicht würden seine Kollegen bereits auf dem Weg zum DPD sein und sie würden sich verpassen. Nun, sie mussten irgendwann wieder zum DPD kommen, und so beschloss Brown, hier auf sie zu warten.
Er lies sich noch einen Kaffe 'raus und setzte sich an seinen Schreibtisch im Morddezernat. Ehemals hatte jeder Ermittler ein eigenes Büro oder er konnte sich zumindest eines teilen. Doch im Zuge der 'Raumotimierung' hatte man auch hier ein Großraumbüro eingerichtet, wennauch es nicht die Ausmaße hatte, wie das im Erdgeschoß. Im Morddezernat des DPD waren es nur etwa 30 Ermittler (sie hatten Kollegen in anderen Stadtteilen). Die ehemaligen Büros wurden zu Vernehmungs bzw. Besprechungsräume umfunktioniert worden - sie waren also zu 70% der Zeit ungenutzt.
Brown schüttelte den Kopf und schlug den Ordner auf. "
Bittner hatte es nicht für nötig gehalten, mich zu informieren, dass er Informationen hatte sammeln lassen.", ging es ihm durch den Kopf, als er durch die Seiten blätterte. Nebenher machte er sich einige Notizen:
- Kohler Industries ist ein mittelgroßer Automobil-Hersteller mit Hauptsitz in Detroit. Der Konzern produziert fast ausschließlich für den amerikanischen Markt. Demnach sind die Hauptkonkurrenten die 'Big Three': Ford, General Motors und Chrysler.
- Kohler emigrierte 1933 aus Deutschland in die USA und studierte Maschinenbau.
- 1954 nahm Kohler Industries die Produktion auf und wuchs stetig, aber langsam.
- Der Konzern hatte im Jahre 1969 schließlich einen respektablen Marktanteil von 6% am amerikanischen Automobil-Geschäft. Zu diesen Zeiten war Kohler Industries ein beliebter Arbeitgeber und Mr. Kohler eine angesehene Persönlichkeit der Stadt. Eine konzerneigene Stiftung schuf Wohnraum und engagierte sich in sozialen Projekten.
- Scheitelpunkt war die Ölkrise im Jahr 1973, als der Automobilmarkt einbrach.
- 1974: Kohler Industries gerät in finanzielle Engpässe und muss die Produktion reduzieren. Etwa 15% der Beschäftigten müssen entlassen werden.
- Drei Investoren erwerben nach und nach 51% der Firmenanteile und stellen somit die Mehrheit im Betriebsrat. Die Investoren blockieren eine Umstellung der Produktion, sondern beharren auf das LF74. Das LF74 war ein leichtes Automobil, das aber auch für seine Störungsanfälligkeit bekannt war. Dies beschehrte Kohler Industries einen schlechten Ruf und um den Absatz zu halten, wurde der Preis gesenkt. Erst im Jahre 1977 wurde die Produktion des LF74 eingestellt.
- bis 1978: Nach und nach wurde der gesamte soziale Wohnbau eingestellt und die Wohnung verkauft und auch weiteren 25% der Belegschaft wurde gekündigt.
- Erst letzte Woche berichteten die zeitungen: Kohler Industries ist verschuldet und droht Konkurs zu gehen. Die Gläubiger wollen das Geld eintreiben und es droht innerhalb zweier Wochen die Zwangsversteigerung. Die Beschäftigten müssen unbezahlten Urlaub nehmen.
"
Ach, Herr Braun!", James Brown sah von seinen Unterlagen auf, "
Eben kam noch etwas herein. Und zwar erreichte uns die Nachricht, dass letzte Nach nur etwa drei Querstraßen weiter ein Arbeiter von Kohler Industries angeschoßen wurde. Ich habe bereits mit St. Mary's telefoniert und die Ärzte sagten, dass der Mann nicht vernehmungsfähig sein wird. Sie haben ihn ins künstliche Koma versetzen müssen. Kann ein wenig dauern, bis er wieder aufwacht, fürchte ich.", erzählte die Frau in dem Kostüm und lächelte entschuldigend. "
Ich weiß nicht, ob das für Ihren Fall relevant ist.", sagte sie und ging dann wieder.
Kurze Zeit später kamen seine Kollegen an und sie suchten sie einen Diner, um ein zweites Frühstück zu nehmen. Sie lehnten die Karte ab und bestellten sich Eier und Speck. Die Bedienung hatte geflochtene, blonde Zöpfe und schlechte Laune. Kaugummikauend erklärte sie: "
Frühstück nur bis 12.oo!" Sie sahen auf ihre Armbanduhren: 12.10 Uhr!