Der Schmied hörte sich die Worte seiner Gefährten sehr aufmerksam an und erwog, sie zuerst nicht zu kommentieren und so in der Wüste stehen zu lassen. Sie sahen bestimmt selbst, dass diese Diskussion eine Konsequenz des Weges ist, den sie alle zu Beginn ihrer Reise angepriesen hatten. Kaveh strich über seine Augenbrauen. Bei dieser Hitze lief der Schweiß, gerade da er einen Schluck Wasser getrunken hatte, bis in die Augen. Es brannte und färbte des eigentlich stilleren Mannes Augen in ein leichtes Rot. Seine krause Stirn verriet, dass er darüber nachdachte, dass es nur ihres Handelns Konsequenz war. Weil jeder Autonomie für seine Entscheidungen verlangte, musste es schneller und verstärkter zu Diskussionen über das Handeln kommen. Sie wussten dies, und dennoch mahnten sie die individuelle Tat und nicht diesen Zustand an. Andererseits war der Inquisitor auch froh darüber, dass sie ihr Handeln kritisch hinterfragten und sich so ein Klima zu entwickeln schien, in dem zumindest im Nachhinein ein Verhalten erklärt werden musste.
"Es war kein Glück und wir wissen nicht, ob die Befreiung des Adeodaten keine Konsequenzen hat.", begann Kaveh mit zweifelnden Worten. "Vielleicht verliert der Sterbende die Nerven oder die Vecorianer haben es bemerkt und nur still gehalten, weil wir derartig in der Überzahl waren. Wir hätten damit nur eine sofortige Konfrontation hinter uns, aber es ist keine Gewissheit darüber, ob diese Sache ausgestanden ist." Auch wenn Kaveh die Kunst des Kitman beherrschte, gegenüber seinen Gefährten zeigte er, obwohl er sie nicht ausreichend kannte, Offenheit und Vertrauen. Er versuchte dies nochmal zu unterstreichen. "Ich kann Mahlakars Verhalten verstehen, auch wenn ich wie Badawi genügend Gründe gehabt hätte, ihn nicht auf meine Initiative zu retten. Nicht jedes Wesen, welches wie ein Verbündeter wirken mag, wird einer werden. Wer weiß schon, welche Pläne er treibt und ob er uns unseren Weg glaubt. Es ist ein Mann, der gegen die Tyrannei im Untergrund kämpft. Er wird Dämonen sehen, wenn andere ihm mit einer Freundlichkeit begegnen, die er nicht sofort versteht. Und ist jeder Mensch dadurch eines solchen Unterfangens wert? Nicht aus strategischer Sicht, maximal aus menschlicher Sicht. Das ist auch der Grund, warum ich Mahlakar zu helfen versuchte. Ein jeder hat darauf bestanden, dass er seine Meinung haben darf und seine Handlung frei vom Wirken anderer gestalten wird, so es ihm richtig erscheint. Diese Freiheit soll jeder haben, sofern er sich die Konsequenzen seiner Handlungen bewusst ist und diese Entscheidungen nicht gegen uns oder einzelne von uns gerichtet sind. Aber dass wir uns darauf geeinigt haben, das bedeutet eben auch, dass wir dieser Person als Gruppe beistehen müssen, ob wir ihre Entscheidung nun teilen oder nicht. Ansonsten werden wir uns als Gruppe aneinander zerreiben, wie ein Stein, der durch Wüstenwind erst blank poliert und dann selbst zu Wüste wird. Ich gehe dabei davon aus, dass niemand freiwillig eine Entscheidung treffen wird, die uns dem Untergang weiht. In solch einem Falle wäre Widerstand natürlich angebracht, in allen anderen Fällen sind wir ein kleine Gruppe, und je besser wir zusammenhalten und füreinander einstehen, desto eher überleben wir Kampf gegen den Moloch, der Vecors Stolz heißt."
Kaveh nickte seinen Gefährten entschlossen zu, als er noch einmal klarmachte, dass zumindest er für die Entscheidungen seiner Gefährten einstünde, solange sie sich nicht gegeneinander richteten. Er ließ jetzt eine Pause, da er auch noch eine Sache rechtfertigen wollte, wie es scheinbar nun gefordert war. "Bezüglich unserer Darstellung als Vecorianer teile ich eure Meinung nicht." Kaveh suchte den Blickkontakt mit jenen, die sich dagegen ausgesprochen hatten. "Wir besitzen auch kein heiliges Zeichen oder irgendein Kleinod, welches sich mit Alphestes in Verbindung bringen würde. Die Lippenbekenntnisse zu Vecor jedoch, sie sind eindeutig und werden erwartet von unseren Feinden. Alphestes mag geduldet sein, doch er ist unter noch stärkerer Beobachtung und die Darstellung des Geforderten ist der leichtere Weg. Natürlich können wir einen Fehler machen, weil wir Vecor nicht so gut kennen wie Hrâun, aber kennen wir Alphestes besser? Was also ein Kompromiss wäre, liegt darin, nur über den Glauben zu sprechen, wenn es notwendig erscheint und es bei Oberflächlichkeiten zu lassen. Nicht mit einem Priester über die Theologie zu streiten, sondern einfach mit einfachen und groben Gesten, den einfachen Glauben darzustellen. Aber seid versichert, dass ich bereits so gehandelt habe, als ich die Henker dessen versicherte. So sind wir an zusätzliche Informationen gekommen und als ich diesen Steigbügel nutzte, konnte Mahlakar sicher auch endgültig feststellen, wie verblendet die Vecorianer in ihrem Glauben waren und so seine Entscheidung treffen. Ich kenne zudem den Glauben Vecors gut, denn all mein Zweck, all mein Schicksal liegt in der Bekämpfung der tyrannischen Sonne. Glaubt mir, wenn ich sage, dass selbst der weiseste Vecorianer mit seinem mächtigsten Zauber kaum erkennen würde, dass es nicht meine Liebe zu Vecor ist, die mein Herz entflammt, sondern mein Hass."
Kaveh wandte sich jetzt wieder zum Gehen, dabei beantwortete er Nuwairahs Frage aus seiner Sicht. "Mahlakar hat den Mann befreit. Wenn dieser nicht die Nerven verliert, wird er fliehen, sobald die Vecorianer diesen Ort verlassen. Selbst wenn er nicht fliehen könnte, weil er die Nerven verliert, werden wir ihn kaum ein zweites Mal retten können. Die Vecorianer würden uns für Adeodaten halten und dem Mann diesmal den Garaus machen oder ihn bewachen. Beide Varianten stellen den Nutzen einer Rückkehr in Frage. Ich schlage vor, wir setzen unseren Weg fort."
Dann versuchte Kaveh mit seinem geringen und rasch angeeignetem Wissen die Kamele reisefertig zu machen.