Hallo Sensei,
vielen Dank für die Neujahrwünsche und die Antwort. Ich freue mich sehr über das Fortbestehen des Interesses kann und kann mitteilen, dass die ersten beiden Spielsitzungen von morgen früh um 10:00 Uhr bis 22:00 Uhr und Sonntag von 10:00 Uhr bis 18:00 Uhr stattfinden werden. Ich war also die letzten Tage mit der Detailplanung fleißig und habe mir den Ablauf des ersten Szenarios geplant. Zudem habe ich Übersichten über Berufe des Mittelalters erstellt, Linksammlungen angefertig, die erste Stadt mit Karte und Legende entworfen, das Gebiet grob geplant und eine handvoll historischen und aktueller Dinge, welche während des ersten Szenarios vorkommen werden.
Bezüglich des wirtschaftlichen Aspektes ist sicher das Besondere, dass ich auch ein wenig wirtschaftlich denkender Mensch bin. Dieser Fokus entstammt dem Wunsch der Spieler und so ist es eine Plattform, die günstig für mich ist, da ich so auch etwas wirtschaftshistorischen Einblick und wirtschaftlichen Einblick bekommen kann. Ich bin also selbst frischer Lehrling meines eigenen Spielkonzeptes in mehrfacher Hinsicht (Spielkonzept, Wirtschaft, noch weitreichendere Spielerfreiheit). Aber genauso wie ich, dürften alle Spieler in der Hinsicht wissbegierig sein. Und selbst wenn ich oder ein oder zwei Spieler an der wirtschaftlichen Komponente scheitern sollten, wäre das erträglich, liegt doch in diesem spielerischen Scheitern auch eine gewisse rollenspielerische Ästhetik.
Ja, wie sich da erste und zweite Ebene beeinflussen werde, frage ich mich auch. Deine Folgerung könnte eine Variante sein, eine andere könnte auch sein, dass ein Spieler sich sagt über die Dauer des Spiels, dass sein Alter Ego sich unbewusst (und später durch aufsteigende Erinnerungen bewusst) alles erfüllen will, was ihm im wirklichen Leben versagt blieb. Er es also zum "eigenen" Idealzustand entwickelt sehen will. Es gäbe viele Ansätze. Mein Beispiel wäre in meiner Gruppe aber recht wahrscheinlich, da in der Gruppe in mehreren Diskussionen (nicht zu diesem Thema direkt, und ohne ihre mir bewusste Erkenntnis, dass ich eigentlich für diese Runde fragte) einen Konsens entwickelte, dass der erste Char, den jeder sich im Rollenspiel gebaut hat, keine eigentliche Rolle war, sondern eine Erweiterung des eigenen Selbstbildes in das überhobene Heroische (zumindest was uns als Jugendliche (12-15 Jahre) bei D&D als Startrollenspiel betraf). Sicher trifft das nicht für jeden Rollenspieler zu, aber ganz verneinen, dass ein Charakter auch eine phantastische Erweiterung des eigenen Seins in unwillkommener, willkommener, bewusster, unbewusster und in vorhergesehener und unvorhergesehner Art ist, lässt sich das meist auch nicht. Ich denke also, dass die Spieler da ihr Rollenspielbild (was mir leider nur fragmentarisch bekannt ist) auf die alten Männer projezieren werden und nicht sofort eine Rolle in eine Rolle abbilden werden, also erste Ebene und zweite Ebene als doppelte, rollenartige Verfremdung konzipieren werden. Ausschließen kann ich es aber nicht. Das ist also eine ziemliche Herausforderung.
Das Psychodrama war eine der Inspirationen dafür, aber methodisch nicht direkt benannt, da die Spieler auch ein bisschen selbst die medizinisch-psychologische Komponente des Spiels durchschauen wollen. Ich werde da gerne aber noch methodisch diversifizieren und nehme deinen Vorschlag dankend an, mich mit diesem Thema nochmal genauer und nicht so oberflächlich zu beschäftigen.
Meine Spieler müssen im Speziellen nichts vorbereiten vor der ersten Spielrunde. Es ist ratsam, meine geposteten Infos zu lesen (aber selbst das ist kein Muss bis auf wenige Beiträge). Grundsätzlich erfordert die Runde gar keine Vorbereitung seitens der Spieler, welche über die Nachbereitung des eigenen Charakters (Status, Erinnerungen, die sie sammeln, verarbeiten etc.) hinaus geht. In einem Hobby kann man die wenigsten Leute zu viel zusätzlicher Arbeit verpflichten. Das habe ich einst in einer Runde in römischer Geisteshaltung (Ging vor allem um Senat, Philosophie und Krieg) versucht, aber das war sehr unbefriedigend. Manche Spieler gingen soweit, dass sie sorgfältige Protokolle anfertigten und gar bereit waren vor jedem Spielabend einen zehnminütigen Vortrag zu einem Thema zu halten (wir hatten bspw. Vorträge über das mythologische Bild des Drachen durch die Kulturen, über die res publica, einen über Cicero und einen über Die Kunst des Krieges von Sun Tzu, um alle Spieler einfach an grobe Kriegstheorie ranzuführen), aber andere Spieler haben dann jede Arbeit auf ihre Mitspieler abgewälzt, das führte dann zu einer Unwucht, die keinem gefiel.
Deswegen sind alle Runden weitestgehend vorbereitungslos, bieten aber genug Ansätze, um sich vorbereiten zu können. Das ist quasi eine Bonusrechnung. Wer sich auf Welt, Recherche etc. einlässt, hat natürlich ein anderes und wahrscheinlich tieferes Spielvergnügen. Zudem erkennt er die Kampagnenstrukturen leichter und kann sich höchstwahrscheinlich tiefer in das Geschehen eingraben. Zudem goutiere ich diese Sondermühen, indem ich Spielvorteile etc. leichter gewähre. Allerdings bin ich gleichzeitig davon ab, einzelnen Spielern diese Vorteile zu gewähren, da in der Vergangenheit daraus dann doch immer auch ein konkurrierender Handlungsraum draus wurde und das gefällt mir als Spielleiter nur in bestimmten Runden. Wer also recherchiert, arbeitet oder über den Tellerand herausschaut, schaltet Boni für sich zum einen (weil ganz ohne Anreiz macht es kaum einer), zum anderen und im größeren Maße für seine Spielgruppe frei.
Das ist natürlich jetzt sehr oberflächlich beschrieben, darum lasse mich in diesem Punkt etwas konkreter werden in Bezug auf die Spielrunde: Es ist offenkundig, dass jene Spieler, welche eine schnellere Auffassungsgabe haben und eine besseres Allgemeinwissen (hier in Abgrenzung der traditionellen Allgemeinbildung des Humanismus
, also blankes Wissen gängiger Fakten ist gemeint mit Allgmeinwissen), von diesem Spielprinzip deutlich bevorzugt sind. Ich wäre unglücklich darüber, wenn jenen Spielern das Spiel zufiele und jene, die länger beim Entkernen verfälschter, historischer Vorgänge brauchen oder sie nicht ad hoc aufgrund mangelnden Vorwissens nicht erkennen können, am Spieltisch ohne Erfolge bleiben müssten. Deswegen dürfen erfolgreiche Spieler zum einen andere Spieler mit in ihre Erinnerung hineinziehen, zum anderen können die Spieler, deren das Spielprinzip nicht derartig in die Karten spielt, so den Weg der Recherche und Zusatzinformation nutzen, um sich in Nachhinein oder im Vornhinein zu informieren und so diesen möglichen Mangel an spontanem Einfallsreichttum auszugleichen. Das drückt sich in meinen Runden durch explizite und implizite Hinweise aus, und zwar mit steigendem Schwierigkeitsgrad: Je machtvoller und einflussreicher die Chars, desto undeutlicher meine Hinweise und so schwerer das Spiel. Ganz zu Beginn des Spiels schlage ich also OOC oder durch NSCs ingame direkt mögliche Handlungsmöglichkeiten vor (ohne sie zu diktieren), sodass besonders freundliche NSCs gar eine Mentorenschaft entwickeln, die sie im Laufe des Spiels abbauen. Auf diese Weise erhalten die Spieler Infos zu historischen Ereignissen, wie zentrale Ereignisse, die sich dann leicht recherchieren lassen. Gleichzeitig werde ich die Erinnerungen, die freigeschaltet werden können, auch auf die jeweiligen Spielstile anpassen. Wie die sich bei Fate ausdrücken, kann ich aber noch nicht sagen, dass wir es noch nicht gespielt haben in dem Rahmen. Noch eine Herausforderung.
Für die Spieler lohnt es sich als ganz konkret, meine Linklisten zu durchwühlen, die ich ihnen an die Hand gebe, weil diese Elemente ziemlich sicher irgendwie vorkommen werden (da ich unnütze Arbeit scheue.
). Gleichzeitig hilft es den Spieler, die Zeitung zu lesen und gut in der Welt informiert zu sein. Ich nehme auch nur die größten Schlagzeilen mit, welche sich dann in deren Charakteren "charakterlich" niederschlagen können. Also nicht jede Entschlüssung muss eine Lebenserinnerung sein, sondern kann eben auch charakterlich ausgebeutet werden. Also man stelle sich vor, ein mittelalterlichen Ratsherr fordert vor den Amtmänner der Zünften, dass der Posten des Bürgermeisters unterbezahlt wäre für das, was er leiste, obwohl er selbst gerade dafür gewählt werden will und gleichzeitig für gerechten Lohn für alle Arbeiter eintritt - gleichwohl aber bekannt ist, dass die Bevölkerung die Politik für überbezahlt hält und gerade sein eigener Anhang sich erst einmal wünschen würde, dass einfache Arbeit sich lohnen würde. Jeder, der Zeitung liest, würde Steinbrück im Moment wahrscheinlich erkennen und könnte diese Verhalten irgendwie in seinen Charakter einfließen lassen.
Long story short: Zeitung lesen, Tagesschau schauen, gelegentlich Google anwerfen und innerhalb der Spielergruppe über Eindrücke diskutieren. Das ist es, was die Spieler an Zeit investieren sollten neben dem Spiel selbst.
Auch dir die besten Grüße und ein frohes, neues Jahr!
Menthir
PS: Oh man, freue ich mich auf morgen!