„Nein, das hört sich nicht so an, als könnte es einen Zusammenhang geben – zumindest keinen direkten“, hatte Abraham Brann noch vor ihrem Aufbruch vom Haus der Lorrimors geantwortet, als dieser gefragt hatte, ob seine Ermittlung mit den Vorgängen in Schreckenfels zusammenhing.
„Mein Fall handelt von keinem Brand, sondern ich bin einem entschwundenen Ketzer aus einem Vorort von Lepidstadt der Spur, der sich an einer Familie aus der Nachbarschaft vergangen hat. Aber nun genug davon.“Bei der anschließenden Verteilung von Ausrüstungsgegenständen hatte er auf Heiltränke und sämtliche Gebräue, die für ihn selbst eine Gefahr darstellen würden, wenn er sie benutzte oder nur mit sich trug, verzichtet (natürlich, ohne dies gegenüber den anderen zu begründen), denn selbst mit den Fläschchen gesegneten Wassers, die er bereits mit sich führte, lehnte er sich etwas aus dem Fenster, denn diese Flüssigkeit wirkte wie Säure nicht nur gegen diejenigen, die er jagte, sondern auch gegen ihn selbst, weil er das Erbe eines Untoten durch seine Adern floss. Seine neuen Gefährten hatten seine Natur offensichtlich noch nicht durchschaut, allerdings würde Abraham wohl gezwungen sein, sie in absehbarer Zeit offenzulegen. Ein übereifriger Heiler oder Waffen gegen Untote in Abrahams Nähe könnten für ihn schnell tödlich enden. Doch für diese Offenbarung wollte der Dhampir den richtigen Moment abwarten. Noch war der passende Zeitpunkt nicht gekommen.
Aber auf dem Weg zum alten Gefängnis schwieg er nicht etwa, weil er sich vor der Reaktion der anderen fürchtete (denn eigentlich verriet er seine Abstammung in der Regel und aus gutem Grund nicht), sondern weil er sich beinahe maßlos über die Pharasmiten Ravengros ärgerte, die zwar zugesagt hatten, Kendra zu beherbergen, sich aber dafür geweigert hatten, selbst in Schreckenfels einen Finger zu rühren. Gedanklich arbeitete Abraham schon an einem Beschwerdebrief, den er direkt nach Caliphas senden würde, dessen konnte sich dieser Vater Grimburrow gewiss sein. Denn den Ort, den Tempel und den Friedhof zu schützen, mochte zwar auch im Sinne Pharasmas sein, doch um die Wurzel des Übels herauszureißen, wäre etwas mehr tatkräftige Unterstützung anstatt eine defensive Haltung angebrachter gewesen.
Schreckenfels sah ziemlich heruntergekommen aus – in gewisser Weise ein klischeehafter Aufenthaltsort für wandelnde Tote. Weiterhin schweigsam und äußerlich ungerührt, betrachtete Abraham die Ruine, während sie sich ihr näherten und schließlich stehen blieben, um das Vorgehen zu besprechen.
Seitdem sie den Pharasmatempel hinter sich gelassen hatte, ergriff Abraham das erste Mal das Wort, um Viktor knapp und etwas geheimnisvoll zu antworten, dass es tatsächlich nicht das erste Mal war, dass er als Inquisitor einen Ort wie diesen aufsuchte:
„Das erste Mal, nein, bei Weitem nicht, doch seitdem ich Inquisitor bin, hatte ich bisher noch nicht so häufig die Gelegenheit, wie Ihr denken mögt.“Auf Untotenjagd und die Suche nach seinem Vampirvater war Abraham schon Jahrzehnte vor seinem Eintritt in die Inquisition gegangen – weniger ambitioniert oder erfolgreich, als man erwarten würde. Eigentlich hatte er eher bisher ein zurückgezogenes Leben geführt, ohne sich viel praktische Erfahrung anzueignen. Für ihn als Dhampir tickten die Uhren etwas anders als für kurzlebige Menschen.
Nefalen sprach sich dafür aus, einen günstigen Zugangspunkt ausfindig zu machen, doch Mortis‘ Einwand, dass dies viel Zeit kosten würde, war auch nicht von der Hand zu weisen.
„Setzt nicht zu viel Vertrauen ins Licht“, kommentierte Abraham die Aussage des Pharasmiten, dass Untote das Licht scheuten und sie das ausnutzen konnten.
„Es hilft Euch, nicht zu leicht überrumpelt zu werden, aber abhalten wird es die Wiedergänger nur bedingt, und ich bezweifle, dass in diesen Gemäuern reichlich vorhanden ist. Haltet Euch dort drinnen auf jeden Fall von dunklen oder unübersichtlichen Ecken und Räumen fern.“Abraham selbst konnte im Dunkeln und in der Dämmerung genauso gut sehen wie bei Tageslicht. Eine der Fähigkeiten, die er doch am Dhampirsein schätzte. Zu seinem Glück, und dieses hatten nur die am Tage und unter dem Segen eines Priesters geborene Dhampire so wie er, waren seine Augen zudem nicht empfindlicher gegen Licht als die eines Menschen, sonst hätte Viktors Aussage über lichtscheue Wiedergänger indirekt wohl auch auf Abraham zugetroffen.
„Was aber auch immer in dieser Ruine ist, bemerkt uns erst, wenn wir näher herankommen, oder es erwartet uns bereits. Einen anderen Eingang zu suchen, wird das Unvermeidbare nicht verhindern. Ich spreche mich dafür aus, den direkten Weg zu gehen, so können wir das Gemäuer auch besser systematisch durchsuchen und säubern.“Doch noch bevor sie tatsächlich aufbrachen, denn es gab wohl noch Weiteres zu besprechen, nutzte er seine Sinne und sein erworbenes Gespür für Anwesenheit von Untoten, um die nähere Umgebung zu untersuchen.
[1] Vielleicht entdeckte er ja auch irgendwelche Spuren, die nicht von Untoten, sondern von diesen omininösesn Mitgliedern des Flüsternden Pfads, stammen könnten.