Die direkte Art des Idolitrex-Magos findet Varna erfrischend und verstörend zugleich. Es lässt sie an ein Kind denken, das mit einem instabilen Fusionsreaktor spielt. Aber sie weiß auch, dass der augmentierte Verstand des anderen Techpriesters weitaus nützlicher und gefährlicher ist. Und die Heretek möchte diesen Verstand lieber auf ihrer Seite haben.
"Ihr hättet auch mich fragen können," entgegnet die Maschinenseherin ihrem Besucher etwas sauertöpfisch. "Ich habe diese Krankenstation hergerichtet und wenn Ihr unbedingt eine Inventarliste wollt, kann ich sie Euch geben. Oder fragt mich nächstes Mal erst. In Ordnung?"
Wirklich blitzblanksauber wirkt das Medizindeck nicht, aber der Boden ist frei von Trümmern und Scherben und die Fabrikweltlerin hat in der Tat eine eigene Ordnung geschaffen, in der sie sich ganz gut zurechtfindet. Und sie mag die Vorstellung nicht, dass jemand hier eine gedankliche Warpbombe zünden könnte.
Seufzend setzt sich Varna auf einen Schemel und blickt wieder zu XK Rho Pi-8. Sie überlegt kurz, ob sie ihn in ihre Suche nach der 'zufälligen Mordwaffe' einweihen soll, andere Dinge erscheinen ihr jedoch dringender einer Diskussion bedürftig.
"Apropos Servitor Alpha. Schon irgendeine Nachricht von Lamira und Aylana?" Als der Magos ihre Frage nicht bejahen kann, verzieht die Abtrünnige nachdenklich die Lippen. Mehr aus Gewohnheit überschlägt sie im Hinterkopf die Chancen der beiden Frauen, die Jagd erfolgreich zu überleben, und zuckt letztlich mit den Schultern. Schließlich sind es keine unbeholfenen Anfängerinnen - zumindest Lamira nicht.
"Was ich aber mit Euch besprechen wollte: Die Sache mit der Crew. Das, was ich vorhin auf der Brücke vorgeschlagen habe - ich habe dafür einige Grundlagen." Die Heretek nimmt einen Datenblock aus der Tasche und aktiviert ihn, um durch die Einträge zu blättern. "Ich habe seit unserer Ankunft hier einige Experimente angestellt. Ich muss leider mit ziemlich ungenauen Geräten arbeiten, aber eine Sache zumindest lässt sich gut messen: Chemische Vorgänge in lebenden Zellen befinden sich in Wechselwirkung mit Warpströmungen. Ich habe zusammen mit Eugenius ein paar Messgeräte aus dem Gellerfelddeck ranschaffen müssen," windet sich das Ende ihres optischen Mechadendriten in Richtung einiger klobiger Apparate, die auf der Krankenstation eher fehl am Platze wirken, "und für besonders energiearme Vorgänge sind Messungen wirklich schwer. Aber man kann doch ganz brauchbare Korrelate festnageln." Die Maschinenseherin reicht den Datenblock ihrem Besucher. Der Magos kann einen Blick auf einige Graphenausschnitte und stichwortartig notierte Beobachtungen werfen.
"Das reicht alles nicht, um es in solide Formeln zu fassen," gibt die Techpriesterin zu, "aber Gesetzmäßigkeiten und Zusammenhänge sieht man schon deutlich. Die molare Enthalpie einer enzymkatalysierten Reaktion verhält sich proportional zur Länge der μ-Wellen und deren Intensität," führt sie aus, was der Idolitrex-Magos in knapperer Fassung auf dem Bildschirm des Datenblocks lesen kann.
"Und jetzt kommt der spannende Part," legt Varna die Hände zusammen, und ihre Augen nehmen den enthusiastischen Glanz einer verrückten Wissenschaftlerin an. "Nämlich die Frage nach Ursache und Wirkung und was es für uns bedeuten kann. Wenn lebende Zellen also ein gewissen Warp-Echo werfen, können dann gewisse Warpströmungen Leben erzeugen, oder eben den Anschein davon? Ja, das können sie! Ihr habt mein Subjekt A gesehen, oder nicht? Es ist aber natürlich nur ein Prototyp, und die Schnecke hat viele Jahre lang halb gefilterte Warpstrahlung abbekommen. Aber das Prinzip funktioniert!"
Die Techadeptin steht auf und geht beschwingten Schrittes auf eine Kühlanlage zu. "Eugenius, hilf mir bitte," ruft sie ihren Gefährten herbei, und gemeinsam schaffen die beiden einen balsamierten und gekühlten Leichnam - einen der toten Inquisitionsakolythen aus Cranes Gefolge - auf die nächste Krankenbahre.
"Ihr kennt ja logischerweise, wie eine Potentia-Spule aufgebaut ist," wendet sich die Ketzerin wieder ihrem Gespärchspartner zu. "Wenn wir jetzt diesen Aufbau nachahmen," führt sie aus und beginnt, zahlreiche Körperstellen des konservierten Leichnams mit übergroßen Fixiernadeln zu spicken, "aber die Wirkungsweise quasi umkehren - also statt Bioelektrizität zu sammeln, gebündelte Warpwellen durch den Körper leiten..." Mit einem zuschnappenden Geräusch nach dem anderen schließen sich an Kabel angeschlossene Metallklemmen um die Nadeln. "...erschaffen wir ein Feld, das Lebensprozesse anregt und sie mit toter Materie simuliert. Und eine Quasi-Neuromatrix dazu. Mit Elektromagnetismus ließe sich das Ganze dann feinjustieren."
Die Maschinenseherin betätigt einige Schalter an der Stromversorgungseinheit, von der die Kabel ausgehen, und der aufgebahrte Leichnam beginnt, leicht zu zucken. Die Fabrikweltlerin streckt ihre bionische Hand aus und hält sie knapp über der rechten Hand der Leiche. Aus spastischen Zuckungen werden plötzlich zähe, aber kontrolliert wirkende Bewegungen - die Hand schließt sich, öffnet sich wieder, beugt einen Finger nach dem anderen und schnippt schließlich sogar in die Luft.
"Seht Ihr?," schaut Varna nahezu triumphierend drein, als sie von ihrer luminenzellengestützten Demonstration zu XK Rho Pi-8 aufschaut. "Weitaus einfacher zu kontrollieren, als eine Meute arbeitsfauler Suffköpfe. Die Schiffscogitatoren sollten es ohne große Probleme hinbekommen."
Ohne den zuckenden Kadaver vor ihr weiter zu beachten, fährt die abtrünnige Mechanicus-Dienerin fort: "Das Problem dabei sind natürlich weniger die Toten. Gestorben wird immer. Und an das technische Material sollten wir eigentlich auch 'rankommen. Aber wir bräuchten zunächst einen Prototypen, der so funktioniert, wie gedacht. Und da wäre eine echte Potentia-Spule ungemein nützlich, denkt Ihr nicht auch? Nur, dass keiner von uns beiden sich von seiner trennen würde," grinst die Frau schief. Auch wenn sie nicht freiwillig zur Techpriesterin geworden ist, kann sie sich mit dem Gedanken nicht anfreunden, die künstlichen Teile ihres Körpers, an die sie sich schon lange gewöhnt hat, wieder loszuwerden.
"Also müssen wir irgendwo einen entbehrlichen, vor Omnissiah kuschenden Spender auftreiben..."
Das gelbzähnige Grinsen der Heretek wird breiter.