für ein Seminar sollte ich einen kurzen Abriss der Theologiegeschichte des 19. Jh. schreiben, welch ein Zufall. Wenn Interesse besteht, dann kann ich den Text (3 Seiten) hier teilen, so dass Ihr einen (sehr verkürzten) Eindruck bekommen könnt, was theologisch in der Zeit diskutiert wurde. Zugleich sind die beiden vorgestellten Positionen für Paul von gewisser Bedeutung. Hier der Text:
Abriss der Theologiegeschichte des 19. Jahrhunderts (Anzeigen)Bestimmend für das 19. Jahrhundert waren grundsätzliche gesellschaftliche Veränderungen und das Infragestellen althergebrachter Traditionen und Strukturen. Vom im 18. Jahrhundert entstandenen Bürgertum ausgehend wirkten aufklärerische Kräfte auch im 19. Jahrhundert fort und führten zu einer breiten Infragestellung überlieferter Glaubensinhalte von Bibel, Dogma und Bekenntnis - insbesondere sind die Religionskritiken von Marx, Feuerbach und Nietsche zu nennen. Nationale, politische und liberale Strömungen gewannen an Bedeutung. Im Verlauf der Industrialisierung entstand mit der Arbeiterschaft eine weitere gesellschaftliche Schicht, die aufgrund der Arbeitsverhältnisse an Traditionsverlust und breiter Verarmung (Pauperismus) litt.
Säkulare Tendenzen und aufklärerische Kritik forderten eine Reaktion der traditionalen Theologie und leiteten eine breit geführte Diskussion ein um die Grundpfeiler und das „Wesen“ der christlichen Religion. Zwar blieb das Christentum für die bürgerlich-protestantische Gesellschaft prägend, doch es bildeten sich sehr vielfältige Strömungen des Christentus heraus, die mehr oder weniger von traditioneller Überlieferung einerseits oder liberaler Ausdeutung des Christentums andererseits geprägt waren.
Als erster Theologe des 19. Jhs wäre natürlich Schleiermacher zu nennen (der „Kirchenvater des 19. Jahrhunderts“), der wie kein anderer den Diskurs des 19. Jhs geprägt hatte. Viele folgenden Diskurse schlossen sich zum Teil konstruktiv aber auch ablehnend an ihn an. Es wäre nun aber unmöglich, in diesem Rahmen auf die vielen Einzelströmungen einzugehen, zumal sich viele Denker auch nicht strikt einer Linie zuordnen lassen. Daher soll hier die Heterogenität des 19. Jhs anhand zweier prominenten Strömungen illustriert werden: der liberalen Theologie und der Erweckungsbewegung.
Liberale Theologie
Die liberale Theologie war eine theologische Strömung des 19. Jhs, die in besonderer Weise die historisch-kritische Arbeit aufnahm und verarbeite, welche seit der Aufklärung formuliert worden war. Insbesondere wendete sie sich dem Problem von Geschichte und der zukunftsorientierten Reich-Gottes-Erwartung zu, indem sie versuchte, heilsgeschichtliche Fortentwicklungen in eine weltgeschichtliche Horizontlität zu integrieren. In diesem Sinne wird das Reich Gottes als eine Harmonievorstellung interpretiert, die über die ethisierte Frömmigkeit im Sinne Kants hinaus an einem Glaube an die Geistwirksamkeit Gottes in der Welt festhält. Gottes Erlösung, durch Jesus und Geist vermittelt, entwickelt sich in der individuellen Gotteserfahrung des Menschen. Das Reich Gottes galt als letzthinniges Ziel der Geschichte, dass seine Realisierung darin finden würde, dass die gesamte Menschheit in einer von Christus ausgehenden Kultu- und Geistesentwicklung in Harmonie zusammenfinden würden.
In der altliberalen Theologie wurde die heilige Schrift auf Grund der historisch-kritischen Erkenntnisse nicht mehr als eine Verbalinspiration Gottes oder als eine historische Urkunde verstanden, behielt aber andererseits ihre Autorität als Evangelium. Die historisch-kritische Interpretation der Schrift unterschied zwischen der positiven Religion und dem Wesen der Religion. Man versuchte durch eine genaue Analyse der Schrift das Wesen der Religion von den zeitgeschichtlichen Vorstellungen zu trennen, wie die „Schale“ vom „Kern“. Dabei galt als Kriterium, dass nur das aus der Schrift entnommen werden dürfte, was in rational-redlicher Weise als vertretbar gelten konnte und darüber hinaus dem subjektiven Glauben entsprach und für ihn evident wurde. Das religiöse Wesen schließlich wurde als zeitübergreifend und der gegenwärtigen Religiosität analog gedacht.
Im Neuliberalismus spitzte sich der kritische Umgang mit der heiligen Schrift weiter zu. In der Exegese wurde (spätestens im sogenannten „Babel-Bibel-Streit“) offensichtlich, dass man nicht von einer einheitlich jüdisch-christlichen Theologie sprechen konnte, sondern dass in der Bibel unterschiedliche Einflüsse und Theologien aufgenommen wurden, auch aus der Umwelt des Alten und Neuen Testaments. Damit war die Frage nach einer neuen „Rahmenstruktur“ der christlichen Theologie gestellt (darauf sollte im 20. Jh die dialektische Theologie antworten). Individuell-religiös nahm indessen die Bedeutung der Religion als einer Art Weltanschauung zu.
In den vorhergehenden Abschnitten durfte deutlich geworden sein, dass da liberae Theologie das individuell-subjektive Glaubenserleben in den vordergrund stellte. Entsprechend dürfte es verständlich sein, dass die organisierten Staats- und Bekenntniskirchen kritisch beurteilt wurden. Organisierte Kirchen wurde vorgeworfen, sie würde einen Glaubenszwang auf den individuellen Glauben ausüben und somit die religiöse Erfahrung erschweren. Stattdessen wurde eine Reform „von Unten“ angestrebt.
Erweckungsbewegung
Eine gänzlich andere Entwicklung war in der Strömung der Erweckungsbewegung eingeschlagen, welche ihrerseits ihre Wurzeln im Pietismus und Methodismus des 17. und 18. Jh hatte. In vielerlei Hinsicht kann die Erweckungsbewegung der liberalen Theologie gegenüber gestellt werden. Die historisch-kritische Anfragen der Aufklärung wurden wenig rezipiert, man kann sogar sagen, dass die Erweckungsbewegung eine Bewegung der Laien war. Namensgebung war das Motiv der Erweckung, aber nicht verstanden als Auferstehung, sondern als eine Rührung und Ermunterung des Einzelnen aus dem Zustand religiöser Trägheit und des Sündenschlafs zum geheiligten geistlichen Leben (vgl. Eph 5,14). Später wurde der Begriff der Erweckung oft auch durch den der Bekehrung ersetzt.
Die Erweckungsbewegung antwortete in ihrer Weise auf unterschiedliche Tendenzen ihrer Zeit: (1) Sie stellte sich gegen die noch immer gegenwärtige, offenbarungsgläubige Orthodoxie, in der sie die Passivität im Glauben oder gar das Fehlen eines Glaubenslebens begründet sah. (2) Sie reagierte auf auf das aufklärerisch-vernünftige Denken der Zeit, indem sie mit Mitteln der evangelisierender Predigt und Erbauungsliteratur zum Glauensleben anregte. (3) Sie reagierte auf die wachsenden sozialen Nöten der Industrialisierung, indem sie karitative Arbeit (Armenfürsorge, Trinkerheilung, Waisenerziehung) mit der Vorstellung eines praktisch-ausgerichteten Glaubenslebens verband.
Wie sich diese Prinzipien verbinden, soll hier in Kürze ausgeführt werden. Die zeitgenössische Glaubenspassivität verglich die Erweckungsbewegung mit dem Schlaf eines Sünders. Wie die Wirklichkeit vor dem Schlafenden, so bleibt die Erkenntnis der Sünde und die Verlorenheit in der Sünde von dem Sünder verborgen. Dabei ist nicht so sehr an ein Leben in bewusstem Widerspruch zu Gottes Willen gedacht, sondern vielmehr an die Haltung eines selbstgerechten Gewohnheitschristentums, ohne tieferes Verständnis für die eigene Verfehlung. Das Erschrecken vor der Sünde allenfalls als theologisches Konzept bekannt sein, als erlebtes Widerfahrnis kennt der Schlafende sie nicht. Die Erweckung meint dann das zumeist urplötzliche Bewusstwerden und die Aufhebung dieses Zustandes. Niemand kann sich selbst erwecken; die Erweckung ist ein Ruf, die den individuellen Menschen trifft und ihn zu einer verantwortlichen Haltung aufruft. Die Erweckung stößt eine grundlegende Persönlichkeitsentwicklung des Menschen an. Einerseits ruft die Erweckung aus der Bequemlichkeit und Verantwortungslosigkeit des „alten Menschens“ heraus und andererseits ruft sie den Dienst in dem Wort hervor, welches den Menschen selbst angesprochen hat. Somit ist das Erweckungserlebnis zugleich eng verbunden mit der Mission und weiterhin der gemeinschaftsdienlichen Praxis.
Wie bereits angesprochen, sah die ältere Erweckungsbewegung in den (Volks-) Kirchen eine passive Glaubenshaltung verwirklicht, aus der es zu erwecken galt. Der Wachgewordene aber findet in der Überwindung des Sündenschlafs eine neue Möglichkeiten der Erfahrung und Verwirklichung einer(konfessionsübergreifenden) Gemeinschaft, indem er sich mit allen verbunden weiß, die das gleiche Erweckungserlebnis erfahren haben. In der neueren Erweckungsbewegung traten indessen aber die Institution Kirche und ihr Bekenntnis wieder stärker in den Vordergrund.
Grundsätzlich lässt sich sagen, dass die Erweckungsbewegung im Anglo-Amerikanischen stärkere Verbreitung fand, als in Deutschland. Hier blieb der Einfluss auf einige Zentren und individuelle Vertreter beschränkt, so z.B. im Allgäu (Schüler von Joahnn Michael Sailer), in Erlangen und Nürnberg (Christan Krafft und Karl von Raumer), Bad Boll (Johann Christoph Blumhardt) oder Bremen (Gottfried Menken).
Zumindest namentlich genannt sollen weitere Strömungen im 19. Jh, nämlich der Biblizismus, die Kulturtheologie, die Vermittlungstheologie, die positive Theologie.