Archiv > Pathfinder Chronicles - Krone des Koboldkönigs / Jahrmarkt der Tränen

Kapitel 1 - Auf der Spur der vermissten Kinder

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Thorgrimm:
Ein unheimlich kalter und frostiger Wind weht vom Droskarsfels in das verschlafene Örtchen namens Falkengrund herab und kündigt einen unnachgiebigen und harten Winter an. Der Herbst ist vorbeigezogen und hat einen schnee- und frostbedeckten Boden hinterlassen, der unter den Stiefeln der Dorfbewohner knirscht.

Das Dorf liegt inmitten einer unberührten Wildnis und gefährlich Nahe des Finstermondwaldes, der von Monstern nur so wimmeln soll. Doch das Schwarzholz aus diesem Wald ist heiß begehrt und lässt sich gut verkaufen. Das wissen auch die reichen Holzbarone, die in ihren Enklaven auf dem sogenannten Horst sitzen und verächtlich auf den Rest des Dorfes herabsehen.
Arbeit, Abenteuer und die abgeschiedene Gegend locken allerlei Gesinde und Abenteurer an. Viele von denjenigen, die sich in den finsteren, von Droskarsfels beschatteten Wald trauen, werden von den dort wartenden Schatten und Scheußlichkeiten verschlungen und nie wieder gesehen. Andere verlieren die Nerven nach einer Begegnung mit den Schrecken des Waldes und der Nacht. Sie fristen ihr Dasein wie Sklaven in den Sägewerken der Holzbarone oder verkaufen ihre Kraft und ihr Schwert, um den Pöbel des Dorfes in Zaum zu halten.
Fanatiker und Ausgestoßene werden genauso in diesen Ort gelockt, wie Forscher. Während erstere die Abgeschiedenheit und Einsamkeit nutzen, um ihre Zeremonien und kranken Riten abzuhalten, kommen letztere wegen den Hallen der Zwergenkönige, die in den mächtigen Berg gebaut wurden. Diese bieten nicht nur Wissen, sondern auch allerlei Schätze, Ruhm und Ehre - natürlich zu einem gewissen Preis und Risiko.

Der Fluß, der an dem Dorf vorbei floss, ist zugefroren, doch noch immer ist ein von der dicken Eisschicht gedämpftes Rauschen zu hören. Der Gesang der Vögel ist verklungen, da sie sind schon lange in wärmere Gebiete geflogen sind.
Doch Falkengrund ist nicht wie manche Tiere in einen Winterschlaf gefallen oder vor dem Winter geflohen. Es wird weiterhin störrisch weitergearbeitet, allerdings mit einem entscheidenden Unterschied: Quinns Jahrmarkt ist in die Stadt gekommen und steckt mitten in den Vorbereitungen und Aufbauarbeiten. Erste farbenprächtige Zelte und Attraktionen werden aufgebaut, Kinder rennen über das noch leere Jahrmarktsgelände und versuchen erste Blicke auf die Attraktionen zu erhaschen. Freaks und Schausteller üben ihre Shows.

In all diesem Chaos, dem Elend, der vielen Arbeit und den Vorbereitungen für den Jahrmarkt, sind Fünf Kinder verschwunden und es liegt an den Helden dieser Geschichte, sie zu finden und lebendig zurückzubringen. Danach wartet Quinns Jahrmarkt darauf entdeckt zu werden und lädt zum entspannen, spaßhaben und feiern ein. Doch nicht für lange, denn schon bald schlägt die Freude und Ausgelassenheit in Terror und Tod um.

Thorgrimm:
Wilbur Goldhämmerer

Seit einigen Jahren schon zog Wilbur Goldhämmerer zusammen mit der varisianischen Familie durch Andoran, die ihn damals aufgenommen hatte. War er Anfangs vielleicht nur aus Mitleid oder Güte mitgenommen worden, hatte sich das schnell geändert und er war zu einem richtigen Mitglied der Familie geworden. Vor einigen Wochen hatten sie sich dazu entschieden, den gefrorenen Andoshen hinauf zu reisen und waren vor einigen Tagen in Falkengrund angekommen. Das Zeltlager am Rande der Stadt war schnell aufgebaut, denn bei der momentanen Wetterlage war es unklug weiterzureisen. Vor einigen Tagen hatte ein so starker Schneesturm getobt, das man kaum die Hand vor den Augen hatte sehen können.
Jetzt saß die kunterbunte Truppe vor dem Lagerfeuer und wärmte sich auf. Natürlich wurde gesungen, was zwar auf eine andere Weise aber dafür ebenso erfolgreich wärmte, wie das Feuer. Nadias Stimme war so klar wie das gefrorene Wasser des Flusses Schaums und doch kraftvoller und mit einer Wärme erfüllt, die das Feuer nicht erreichen konnte.


"Still nun, der Winter weint
Sucht sich auszuruhen
Da das Frühjahr längst scheint

Weiß doch in Farbe glänzt die Haut
Verliebte Eiskristalle wurden sich beraubt,
Sind schon fast getaut...

Der Winter zieht sich Stück für Stück
In die Erde nun zurück.
Der letzte Atemzug klingt kalt.
Behutsam flüstert er "Auf Bald..."

Der Winter zieht sich Stück für Stück
In die Erde nun zurück.
Nimmt seine Farben blau und weiß
Und flüstert dann "Auf Bald..."
Ganz leis...

Er lässt sie frei an diesem Tag,
Da Raufreif auf den Knospen lag.
Tränen perl'n vom Gesicht,
Da heut ein neues Jahr anbricht

Das alte ruht, schläft langsam ein,
Es muss das neue Frühjahr sein.
Blick nicht zurück nimm Dein Gewand,
Leg es dem Frühling in seine Hand.

Schlafe nun ein, fest und in Ruh
Denn Deine Rückkehr naht schon im Nu..."


Das Lied fasste die Wünsche der Gruppe gut zusammen, die das Ende des Winters herbeisehnten. Noch bevor Nadia allerdings ein weiteres Lied anstimmen und von dem dicken Tryst mit seiner Laute dabei begleitet werden konnte, bemerkte Zandu eine Bewegung am Rande Falkengrundes. Eine Gestalt lief auf das Zeltlager zu. Die Musik verstimmte und die Kälte kehrte mit voller Kraft zurück. Die große, breite Gestalt, gehörte zu einem älteren Mann, der nur noch eine Halbglatze hatte und dicke, gemütliche Kleidung trug. Er näherte sich der Gruppe und blieb an einem Zelt stehen. Er wischte mit einem Ärmel über seine geröteten Augen, bevor er die Gruppe ansprach.



"Bitte, ihr müss' mia unbedingt helfn. Mein kleener Mikra is' verschwundn und bei euch im fahrndn Volk gibs doch bestimm Hellsea oda sowas ähnliches? Könnta nich n bisschn Hokuspokus machn und mia sagn wo mein Sohn is?"



Der Mann war anscheinend völlig verzweifelt und konnte seine Tränen kaum zurückhalten. Nadia setzte sich neben Wilbur, während der Mann von den anderen Personen im Lager beruhigt wurde. "Wilbur, du kannst doch Kartenlesen. Vielleicht hilft ihm das schon weiter. Was meinst du?" Wilbur wusste das Nadia und die anderen den Mann nicht abweisen würden. Sie waren viel zu freundlich und hilfsbereit.

Thorgrimm:
Bergi Glimmaxt und Ragor

Unheilvoll ragte der Droskarsfels in die Höhe und überschattete das gesamte Finstermondtal. Ein mächtiger Berg, der mehr Geheimnisse verbarg und im inneren trug, als man auch nur ahnen konnte. Zumindest eines dieser Geheimnisse kannte und wollte Bergi Glimmaxt lüften. Es ging natürlich um Droskars Hand und das damit verbundene Verschwinden von Druingar Glimmaxt, dem Bruder seines Ziehvaters. Zu jeder Zeit während seiner Reise durch das Tal, war dieser vermalledeite Berg sichtbar gewesen, als würde er nur darauf warten, das ihm jemand seine Reichtümer und Artefakte abnahm. Doch wie Bergi wusste, war es unklug alleine dorthin zu gehen. Er brauchte Unterstützung und die würde er in Falkengrund finden.

Trotz seiner kleinen Statur hinterließ er tiefe Stiefelabdrücke im Schnee, als er sich der Palisade näherte. Die Wachen ließen ihn herein und er sah nun einen Weg vor sich, der von baufälligen Holzhäusern gesäumt war. In einiger Entfernung war eine weitere Palisade um einen kleinen Hügel erbaut worden, auf dem weitere Gebäude standen, die aber weitaus weniger heruntergekommen aussahen, als diejenigen vor ihm. Bergi kramte einen Brief aus der Tasche und las ihn noch einmal durch. Es war der Brief seiner Tante, in dem sie einen zwergischen Forscher namens Bhoron Schwarzbart erwähnte, der hier in Falkengrund lebte und die Geschichte der Zwerge erforschte, die hier in diesem Tal gelebt hatten. Er würde vielleicht wissen, wo Bergi mit seiner Suche anfangen musste.
Sein Weg führte ihn also in den Osten des kleinen Ortes und auf dem Weg zu dem Forscher, sah er tatsächlich einen weiteren Zwerg vor sich. Ein wirklich seltener Anblick hier in der Gegend, denn die meisten Bewohner des Tals waren Menschen oder Elfen.

Ragor stapfte munter in Richtung Bhoron Schwarzbarts, zu dem er von seiner Kirche geschickt worden war. Man hatte ihm gesagt das eben jener Forscher einer der wenigen Zwerge in diesem Tal war und am meisten über die Grabstätten im Droskarsfels sagen konnte. Man hatte Ragor nur gesagt, das die Zwerge in dieser Gegend vom rechten Weg abgekommen und die Esse von Torags Schmiede erloschen war. Ein Kleriker musste herausfinden was hier passiert war und dafür sorgen, das die Taten der Vergangenheit gesühnt wurden. Wer war besser dafür geeignet als Ragor?

Schließlich kamen sowohl Ragor, als auch Bergi vor dem Haus des alten Bhoron an. Es war eines der weniger Häuser die tatsächlich aus Stein bestanden, da es durch die Nähe zum Wald und dem robusten Schwarzholz einfach war, alle Häuser aus Holz zu bauen. Die Familie Schwarzbarts hatte sich aber anscheinend in alter Zwergenmanier hier ein Heim gebaut, das die Zeiten überdauert hatte und vielleicht sogar schon hier gestanden hatte, bevor Falkengrund überhaupt erbaut worden war. Zwei dicke Säulen standen vor dem Eingang und trugen ein Vordach. In sie waren Runen und Schriftzeichen in zwergischer Sprache eingraviert.

Thorgrimm:
Ryar und Gerion

Wieder ein ereignisloser Tag. Gerion trat aus dem Dickicht des Waldes in die späte Mittagsonne, die den Schnee vor Falkengrund fast leuchten ließ. Seine Schritte knirschten, als er sich auf den Weg zur Ente machte - seiner Stammtaverne in dem Dorf. Durch die Jahreszeit und die allgemeine Kälte, kamen kaum neue Menschen nach Falkengrund. Handelswege waren teilweise zugeschneit und es gab kein Vorankommen mehr. So blieben Abenteurer, die ganzen anderen Neugierigen und Verrückten ganz einfach aus, was sich auch in Geldangelegenheiten bemerkbar machte. Die letzten Tage hatte der Wanderer kaum etwas zu tun gehabt, außer einer Gruppe von Holzfällern zu helfen, die sich tatsächlich im Wald verirrt hatten.
So lief er über die matschigen Gehwege, bis er die einladende Front der "Lahmen Ente" vor sich war. Das alte Haus war natürlich aus dem Schwarzholz des nahen Waldes erbaut worden und sah dadurch recht düster aus. Doch selbst durch die geschlossene Tür war das Lachen und Grölen der Bewohner Falkengrundes zu hören. Als er schließlich eintrat, schlug ihm eine Flut von Gerüchen, Wärme und Gesprächen entgegen. Bier, würziges Wild und das alte Wachs der Kerzen waren die ersten Gerüche, die Gerion wahrnahm. Er setzte sich an einen Tisch und langsam fiel die Kälte von ihm ab, als wäre er von Raureif bedeckt gewesen. Sofort war ein alter bekannter zur Stelle. Es war natürlich der alte Boath. Er ist einer der ältesten im Dorf, was aber nicht heißt, das er gebrechlich ist. Das Leben im Finstermondtal hat ihn abgehärtet und er hat sich gut gehalten für seine 62 Jahre. Er wusch einige Gläser aus, als er sich zum neuen Gast herüberbeugte.



"Grüß dich, du Wanderer. Was kann ich dir heute bringen?" Die Stimme des Barmanns war tief, was wie jeder wusste daher kam, das er des öfteren gerne mal an seinem eigenen Selbstgebrannten nippte. Betrunken war er allerdings nie - zumindest nicht während der Arbeitszeit.


Auch Ryar saß an der Theke und wartete darauf, das etwas passierte. Wie auch andere Abenteurer war er nach Falkengrund gekommen, um die finstersten Geheimnisse des Tals zu lüften und sich einige Goldstücke dazu zu verdienen. Sein erster Weg hatte ihn in dieses rustikale Gasthaus direkt neben der Palisade geführt, das ganz eindeutig der erste Anlaufpunkt für alle Neuankömmlinge war. Hier gab es alles was das Herz begehrte: Wärme, etwas zu Essen und zu trinken - auch wenn das Essen kein kulinarischer Genuss war, sondern eher aus Bratkartoffeln, Suppe, Auflauf und frischem Wild bestand - und natürlich Unterhaltung. Wer Arbeit oder ein Abenteuer suchte, würde hier wahrscheinlich am schnellsten davon erfahren.

Thorgrimm:
Jaak Marva

Inmitten einer kleinen Ansammlung von Wagen, umgeben von einer zitternden Menschenmenge und frierenden Pferden, saß eine in schwarze Gewänder gekleidete Person vor einem Holzhaufen und half dabei, ein provisorisches Lager zu errichten. Ein eiskalter Windzug ließ den Mann namens Jaak Marva für einige Sekunden in seiner Arbeit innehalten und die wärmende Kleidung fester um seinen frierenden Körper ziehen. In den letzten Tagen seiner Reise war die Temperatur immer weiter gefallen, sodass er – selbst wenn Falkengrund nicht sein Ziel gewesen wäre – gar keine andere Möglichkeit gehabt hätte, als an diesem Ort auszuharren und auf bessere Zeiten zu hoffen. Zum Glück war er zusammen mit den Spielleuten endlich in Falkengrund angekommen. Und sie waren nicht alleine.

Noch bevor Jaak auf dem Weg nach Falkengrund die Einzelheiten der Stadt hatte ausmachen können, waren ihm die leuchtenden Farben der Zelte, die arbeitenden Menschen, die Lichter und die schiere Masse an großen hölzernen Wagen aufgefallen, die sich vor der Stadt sammelten. Es war ein Anblick den er gut kannte, allerdings nicht in diesem Ausmaße. In wenigen Tagen würde hier ein richtiger Jahrmarkt entstehen, der nur so von Attraktionen wimmelte und den Leuten das Geld aus den Taschen zog. Als Gegenleistung würden sie Unterhaltung und Spaß bekommen, um die Gedanken an ihr Ende für einen Moment zu verbannen.

Jaak kümmerte sich wieder um das Feuer, bis eine Person auf ihn zukam, die etwa in dem selben Alter wie er war. Die langen, roten Haare und die kunterbunte Kleidung machten klar, das es sich um Grelin handeln musste. Jaak kannte den Mann, seit er sich entschieden hatte bei den Spielleuten zu bleiben. Er war es, der die Auftritte und Shows der Gruppe organisierte.

"Hey Jaak!" Er schlug dem Mann freundschaftlich auf die Schulter. "Was hältst du von der Idee, das wir mit dem Vorsteher sprechen und die Gunst der Stunde nutzen? Wir könnten ihn dazu überreden, das wir uns zu dem Jahrmarkt dazustellen dürfen und ein Stück vom Kuchen abkriegen. Du zeigst ihm ein paar Tricks und ich rede bis er denkt, das das ganze seine eigene Idee war." Grelin grinste, denn anstatt eine große Show auf der Bühne abzuziehen, hielt er sich lieber in einem Hinterzimmer auf und nutzte die Kunst der Sprache, um so Profit aus verschiedenen Situationen zu schlagen.

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