Das Bollwerk des Dunklen Drübens; im Herzen der Finsternis
Runde IAtemlos und erschöpft beobachteten die neu erwählten Brigadiere des 39. Uhrwerkes jene einschüchternde, gar furchteinflössende Szenerie, welche sich nun, im Innenhof des ehemaligen Sanatoriums, vor ihnen eröffnete. Von den Worten des kleinen Zauberers Wellby geleitet, war ihnen die grobe Richtung ihres Zieles bekannt. Er hatte davon gesprochen, das Theater im Hauptgebäude zu erreichen und von dort aus einen Pfad nach unten zu finden. An jenem Punkt, unterhalb der unheiligen Bühnen Aradans, würden sie das Gefängnis seines Freundes 'Danny' finden. Sollte der mysteriöse Fremde Recht behalten, war jene Person ihre einzige reelle Möglichkeit, diesem Alptraum zu entfliehen...
Trotz ihrer misslichen Lage und der nagenden Erschöpfung, welche stetig an ihrem Willen zerrte, hielt sich dadurch bis zuletzt ein kleiner Funken Hoffnung in ihren gebrochenen Herzen.
Doch nun, in den Eingang jener verfluchten
Hallen der Fütterung gekauert, blickten sie schließlich auf eine neue Hürde, welche sich wie eine Mauer aus Wahn zwischen der Uhrturmsbrigade und ihrer Rettung aufbäumte.
Trollocs, überall.Unzählige jener grausamen, gehörnten Biester versammelten sich zwischen duzenden Zelten, hässlichen Flaggen, uralten Bruchstücken einstiger Behausungen und Bergen aus Knochen und Gebein. In der Ferne, oberhalb der Zinnen eines jener pechschwarzen Türme, ertönte erneut der dunkle Klang des Instrumentes, welches der Barde Isamu Tanaka zuvor bereits als Signalhorn identifiziert hatte. Davon angefacht, brüllte nahe ihrer Position ein Trolloc plötzlich in jener verfluchten Sprache - und ein Weiterer trat etwas abseits in das Blickfeld und stimmte mit einem Grölen, aus seiner Reißzahn-bewehrten Schnauze, in die unheimliche Konversation mit ein. Ein Gewitter aus grässlichen Stimmen flutete die Reihen ihrer ahnungslosen Häscher, als durch ein fernes Tor plötzlich ein grässliches, vierbeiniges Reptil brach, auf dessen Rücken ein anderer Dämon die Zügel führte. Mit Peitschenhieben trieb er das fürchterliche Geschöpf vorwärts und jagte über den Platz hinweg. An einer Stelle etwas abseits, in der Hitze einer offenen Schmiede, rüsteten sich währenddessen gehörnte Monster für einen Kampf, dessen Schlachtplatz für die unentdeckten Zuschauer bisweilen noch verborgen blieb.
Eine Erkenntnis legte sich eiskalt und bitter auf die bebende Gedankenwelt der einzelnen Brigadiere:
Die 'Bewohner' dieses verdammten Ortes waren in Alarmbereitschaft versetzt worden. Eine kleine Armee aus Dämonen bündelte sich zu einer nahezu unüberwindbaren Hürde aus Klingen, scharfen Zähnen und Nagel-bewehrten Keulen... Doch umkehren und es erneut in dem Hexenkessel der Fresssäle zu versuchen, schien ausgeschlossen. Der Eingang zum Hauptgebäude war zum Greifen nahe... Und jener Aufgang selbst war tatsächlich wenig bewacht. Das blutrote Leuchten des Himmels über der
Stadt der Toten war bereits weit schwächer geworden und die Schatten wuchsen von Minute zu Minute. Schon bald würde das Zwielicht der Finsternis weichen und der verzweifelten Brigade somit eine aller letzte Chance geben. Gleichzeitig war es nur noch eine Frage der Zeit, bis jemand oder
Etwas in den Reihen der Monster den Drang nach gebratenem Fleisch verspüren würde. Somit blieb auch die Möglichkeit, sich wieder in den Hallen, jenseits der leidlich Schutz bietenden Tore, zu verstecken, völlig außer Frage. Selbst die unterirdischen Massengräber würden ihnen keine Obhut mehr bieten, sobald der ermordete Koch und die zerstörten Tonfiguren ihre Position entlarvt hatten.
Somit stand ihnen erneut eine bedingungslose Prüfung der Stärke und des Könnens bevor. Es würde all die Reste ihres gebündelten Geschickes, Verstandes und ihrer Klugheit brauchen, wenn sie es tatsächlich schaffen wollten, unentdeckt durch das
Armeelager des Dunklen Drübens zu gelangen. Sollte es dennoch zu einer Konfrontation kommen, war der Abstand zu den Eingangsflügeln des Hauptgebäudes essentiell! Denn wenn die bloße Panik sie zur Flucht zwang, dann gab es keinen anderen Weg mehr für einen Rückzug...
Als weiter nach vorne.
Inspektor Haze führte die Brigade durch die Gänge und Tunnels. Als er einen Luftzug verspürte, blieb er stehen und drehte sich zu seinen Gefährten um. Schweiß lief ihm über die Stirn (Angst oder Anstrengung?). Er nahm seinen Zylinder vom Kopf, zog ein Taschentuch aus seiner Westentasche und trocknete sich die Stirn. "
Puh, das war knapp! Fast hätten sie uns erwischt. Aber verflucht, sind wir gut! Nur noch wenige Meter und wir sind aus diesem Alptraum entkommen. Weiter nun!"
Damit lief Haze los, doch nur um einige Meter weiter wieder stehen zu bleiben. "
Scheiße...!", sagte er halblaut, als er über den Innenhof blickt. Überall waren Trollocs. Mehr als er Irene zutraute.
"
Okay, nur keine Panik. Nur keine Panik. Wir bekommen das hin!", murmelte er.
Er ließ seinen Blick über den Innenhof schweifen, wollte sich einen Überblick verschaffen. Wo waren die meisten Trollocs versammelt? Wo war der Schatten am dichtesten? Gab es irgendwelche Lichtquellen, die man verlöschen konnte? Diese und ähnliche Dinge versuchte Haze zu erspähen
[1].
Sobald der selbsternannte Inspektor den immensen Schock der grauenvollen Entdeckung überstanden hatte, dauerte es kaum mehr als nur wenige Lidschläge, da entdeckte er auch schon zu ihrer Rechten die Ruine eines ineinander gefallenen Gebäudes. Rasch deutete er darauf und wies seine Gefährten an, ihm auf ein Zeichen zu folgen.
Kaum ist das improvisierte Heer in Sicht, beginnt der Revolverheld nach Schwachstellen in der Verteidigungslinie zu suchen. Die seltsame, neue Pistole in der Hand und das mechanische Auge permanent am Summen, lässt der erfahrene Kämpfer seinen Blick über die Reihen der Trollocs schweifen. Erkennt das Muster ohne Probleme.
"Eine mäßig erfolgreiche Formation. Lücken wie in der Erinnerung eines Fabrikarbeiters. Kaum in der Lage, eine kleine Gruppe wie die Unsere zurückzuhalten." Mit kurzen, knappen Worten erläutert er jedem, der ihm zuhört, wo die Schwachstellen der Formation liegen. Welcher Trolloc offensichtlich am Einfachsten zu umgehen ist. Wo man die Formation im Notfall einfach sprengen könnte.
Glücklicherweise hatte der Acquisitor sich, von ihrer erhöhten Position aus, bereits ein grobes Bild über die Patrouillen und Wachposten machen können. So war es ihm möglich, den kleinen Kerl mit jenem überdimensionierten Hut, im letzten Augenblick, doch noch zurück zu halten. Hazes Empörung, aufgrund des harschen Handgriffes an seiner Schulter, hielt sich in Grenzen... Als von links ein gehörntes Biest langsam durch ihr Blickfeld schlenderte.
Angewidert betrachtete Irene das Lager der Trolloc-Wache aber bevor sie sich abwandte, entdeckte sie ein doch ganz ordentlich geschmiedetes Schwert und einen silbernen Armreif. Eventuell hatte ja einer ihrer Gefährten Verwendung für das Schwert und dieser Armreif musste hier ja auch nicht liegen bleiben. Verkaufen konnte man ihn sicherlich - vorausgesetzt, sie kamen in einem Stück wieder nach Hause. Das Schwert band sie sicher an ihre Hüfte - den Armreif legte sie direkt um. Schönes Teil.
Schließlich folgte sie dem Rest, der schon voraus gegangen war und betrachtete vor Trollocs nur so wimmelnden Innenhof des Sanatoriums. Wie sollten sie hier nur ungesehen durchkommen? Wenn sie entdeckt wurden, konnten sie ihre Mission vergessen. Egal wie viele sie von diesen Monstern töten konnten - irgendwann würde die schiere Masse sie überrennen.
"Mach mal Platz." meckerte sie den ihr entgegenkommenden Flinkhand an und drängte sich an ihm vorbei, um den Innenhof aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Sie bereiteten sich auf einen Krieg vor. Gegen wen? Irene konzentrierte sich auf das, was sie in ihrer Ausbildung gelernt hatte. Was für Schwachstellen konnte man hier ausnutzen?
Ahnungslos ließ das Monstrum sich Zeit und blieb immer mal wieder stehen, um seine grässliche Schnauze schnüffelnd gen Himmel zu recken. Doch der allgegenwärtige Gestank von Tod und Verwesung schien ihre, von Angstschweiß und Knochenmark geprägten, Körpergerüche einstweilen auf diese Entfernung zu verbergen.
Es war schließlich das knappe Zeichen der eisernen Faust, welches den übrigen Brigadieren das Signal gab, in den Innenhof hinaus zu huschen. Auch Irene hatte durch ihre jahrelange Ausbildung als Wort der Hoffnung schnell die Formationen und Muster erkannt, welche die Linien ihrer Feinde prägten. Jetzt oder nie! hallte es wortlos durch die Gedanken des gesamten Uhrwerks... Als sie genau im richtigen Augenblick von den Toren der Fütterungshallen hinaustraten und ungesehen zu dem eingefallenen Mauerwerk hinüber schlichen.
Derweil betrachtete Lavinia das Schauspiel am Ausgang. Über das Drängen am Tor konnte sie nur den Kopf schütteln. Zu lächerlich sah es aus wie alle Männer der Gruppe sich nach draußen spähten. Auch sie war erschüttert über das Heer da draußen und für einen Moment kamen die Gedanken an den Kampf zurück, welchen sie vor der Festung hatten. Ihr ganzer Körper schauderte daraufhin. Doch Anstelle sich zu den Männern zu gesellen, die Abrahams Worten lauschten, blickte sie sich um. Da eine alte Kiste, da ein Schrank und diese Mauerstücke an der Tür. Ah, genau da fehlten schon Steine in der Mauer.
Tief einatmend sammelte Lavinia allen Mut zusammen und stellte sich vor die Kiste. „Na dann, Bärchen. Wollen wir den Jungs zeigen wie eine Frau die Gegend auskundschaftet.“ Murmelte sie leise. Bärchen brummte etwas fragend, doch sie klopfte in dem Moment auf die Tasche und begann ihren Aufstieg. Über die Kiste und den Schrank ging es an die Mauer. Die fehlenden Steine dienten ihr als Griff und Trittmöglichkeiten. So hangelte sie sich wie ein Äffchen aus den alten Geschichten hoch und erreichte als bald ihren besseren Spähpunkt.
Nur die Diebin Lavinia blieb zurück. Von ihrer erhöhten Position aus hatte sie einen perfekten Überblick über die Lage des Innenhofes und den Weg, welcher sich vor ihnen erstreckte.
"Los geht schon!" hatte sie ihnen zugeflüstert.
"Von dort aus seit ihr nahezu blind-" Sie deutete auf besagte Ruinen.
"Ich behalte euch von hier im Auge und geb euch ein Signal, sobald der Weg wieder frei ist!"Tanaka schleppte sich der Jungen Gefährtin hinter her. So langsam brauchte er keine Hilfe mehr beim Laufen. Die Wunden waren soweit angetrocknet, dass er sich vorsichtig alleine weiter bewegen konnte. Große Sprünge waren aber immer noch nicht möglich. Sichtlich erstaunt betrat er die Halle, hatte gar einen Moment Zeit die Architektur zu bewundern. So fragte er sich ob das dunkle Drüben, oder wie nannten sie sich wohl selbst, diese Mauern errichtet hatten oder ein anderes Volk. Hatte der Kobld Wellby nicht etwas dazu gesagt. Egal, sie waren noch nicht zuhause.
Vorsichtig an den Fenstern vorbei gehend, gesellte sich Tanaka zu Haze. Wieder war er es, der vorrannte und nicht gerade die dümmsten Worte los ließ. Sein blick wnaderte nach außen und die Zustimmung die er gerade noch geben wollte, blieb ihm einfach im Hals stecken. Denn er ahnte, dass Haze sich selbt beruhigen wollte.
Langsam ließ der Barde, ebenso wie Haze, seine Augen über das Herrlager schweifen. Dabei ratterte sein Hirn und er kam auf ein paar Ideen um sich, bei seiner momentanen Verfassung noch nützlich zu machen für die Gruppe. Schnell hatte er die Entscheidung gefasst, dass eine Verkleidung her musste. So hielt er genau danach Ausschau. Nach einer Rüstung, die er tragen könnte, Fellen, Stofffetzen, erkalteten Aschebecken und allem was noch zum Verkleiden genutzt werden konnte.
Wiederwillig verließ der Schauspieler seine neue Freundin. Es brauchte ein wenig mehr Überredungskunst, bis Tanaka davon überzeugt war, dass Lavinia auch ohne ihre Hilfe ungesehen an den Wachposten vorbeikommen würde.
"Ich behalte euch im Auge." flüsterte die Frau aus Downtown.
"Tu mir nur einen Gefallen und nimm mir das mal ab." Ehe er sich versah, hatte Lavinia ihm bereits ihre Gürteltasche in die Hände gedrückt. Der flauschige, äußerst argwöhnisch drein guckende Kopf des Bären lugte daraus hervor. Lavinia zwinkerte dem Barden zu und schob ihn sanft in Richtung Türschwelle. Die Schmerzen in seiner Schulter hatten bereits nachgelassen. So war es auch für ihn ein Leichtes, samt dem Stofftier die Ruinen zu erreichen. Dort hielt der Barde kurz inne und fand tatsächlich ein großes, stinkendes Fell, welches an einem rostigen Speer augenscheinlich zum Trocknen aufgehängt worden war. Eine eigenartige Substanz klebte daran und tropfte in zähflüssigen Fäden herunter... Doch für seinen Plan sollte es wohl fürs Erste genügen.
Grinsend schaut Flinkhand zu wie sein Bruder und seine Kameraden sich in der Vorhalle einfinden. Bei dem Schraubenschlüssel von Großonkel, sein Koboldglück hatte ihn nicht verlassen. Gut damit hatte er wieder Zeit sich diesem silbernen Ding zu widmen. Er drehte es in den Händen und betrachtete es von allen Seiten. Dabei folgte er langsam seinen Bruder in Richtung des Ausgangs.
Für einen Moment blickte er auf. Wollte etwas sagen doch schwieg. Der Anblick der kleinen Armee hatte ihm die Sprache verschlagen. Na wenn das gut ging. Wie auch die anderen, ließ er seinen Blick über das Heer schweifen. Jedoch verlangte rasch etwas anderes seine Aufmerksamkeit. Zum Teil waren es die Worte von Abraham, doch noch während er redete, wendete sich Flinkhand um.
Wo blieb Irene? Hatte sie etwa noch so etwas interessantes gefunden? Mit diesen Gedanken ging er ihr entgegen.
Einmal mehr hatte der Schraubendreher seine Orientierung verloren. Während sein Bruder bereits an der Seite von Irene und Abraham beinahe die Ruinen erreicht hatte, blieb Flinkhand in der Türschwelle stehen und lugte zurück in die Hallen der Fütterung. Scheinbar hatte der Kobold nicht realisiert, dass die Frau mit den eisernen Fäusten sich bereits an der Spitze der kleinen Gruppe bewegte... Und plötzlich trieb ihn ein unbehagliches Gefühl dazu, nach ihr zu suchen... Nicht dass sie das selbe Schicksal wie ihm zuvor ereilte und sie sich in der Eingangshalle verlaufen hatte!
"Los Flinkhand! Was machst du?! Nicht stehenbleiben!!" zischte Lavinia aus dem Schatten heraus.
"Hau ab - zu deinem Bruder!! Jetzt!"