Nach der kurzen Begrüßung suchten sich die vier Gefährten einen gemeinsamen Platz - sie fanden einen Tisch nicht weit von der Bar, und doch etwas am Rand. Rillfarsell zog den einen oder anderen Blick auf sich, manchmal neugierig, manchmal begeistert, und manchmal auch offen feindselig. Doch keiner sprach sie an, trotz ihres Feenbegleiters ließ man die vier in Ruhe.
Schließlich öffnete sich die Tür, und eine Gruppe aus vier Männern und zwei Frauen betrat die Gastwirtschaft. Jurij erkannte einige von ihnen: Angeführt wurden sie von Inspektor Ferrigan, die Priesterin Elenya Ithera gleich zu seiner Linken. Rechts von ihm stand ein Mann, dessen krauser weißer Bart pfleglich gestutzt war, während sein Haupthaar bis auf einen dünnen weißen Kranz nicht mehr vorhanden war. Er hatte ein freundliches, etwas rundliches Gesicht, und seine glänzenden Augen glitten mit einem Lächeln über die Menge der Anwesenden.
Er trug eine schwarze Stoffhose, weißes Hemd und weiße Weste, genau wie Ferrigang: Die nicht-militärische Kleidung der Gerichtswache. Ferrigang selbst trug einen hellbraunen Ledermantel darüber, der ihm bis zu den schweren Stiefeln ging, während sein Begleiter lediglich eine schmale rote Scherpe über seiner Weste trug. Jurij hatte auch so etwas schon einmal gesehen; einige wenige Mitglieder der Gerichtswache trugen so etwas, insbesondere zu feierlichen Anlässen. Es war eine Auszeichnung hoher militärischer Ehre, irgendetwas mit besonderem Heldenmut - an mehr konnte sich Jurij nicht erinnern.
Hinter dem Dreigespann folgten zwei Gerichtswachen in Kettenhemden, ausgerüstet mit glänzenden Langschwerten, die sie am Gurt trugen. Hinter ihnen lief eine Frau in einem schwarzen Kleid, schlicht, aber doch fast zu edel für einen förmlichen Anlass. Sie bemühte sich um einen ernsthaften Blick, doch wer genau hinsah, konnte das süffisante Lächeln in ihrem Gesicht nicht übersehen.
Die Gruppe marschierte geradewegs zur Bar, sprach kurz mit dem Wirt, und drehte sich dann zur Menge um. Es war Ferrigan, der das Wort übernahm.
"Ich danke Euch", begann er mit einer Stimme, die das Gemurmel im Wirtsraum übertönte, ohne dass er sich anstrengen musste.
"Ich danke Euch, dass Ihr so zahlreich erschienen seid, um über die Vorkommnisse im Tempeldörfle informiert zu werden und die Gerichtswache nach bestem Können zu unterstützen."[1]"Um den Gerüchten gleich ein Ende zu bereiten: Ja, wir haben einen Mörder in der Stadt. Einen Mörder, der auf bestialische Weise tötet, und damit, wie wir vermuten, einem dunklen Ritus folgt." Das Gemurmel wurde lauter, einige Leute standen plötzlich auf, finstere Blicke wurden ausgetauscht.
"Aber", schnitt Ferrigans Stimme in die aufkommenden Anschuldigungen,
"nach allem, was sich bis jetzt gezeigt hat, handelt es sich nicht um ein priesterliches oder klerikales Ritual. Wenn ich mich nicht täusche, und das ist sehr selten der Fall, haben wir es mit einem Schwarzmagier zu tun. Einem, der arkane Kräfte anzuwenden bereit ist, die selbst in einer toleranten Stadt wie Terendol aufs strengste verboten sind."Der erste Aufruhr legte sich, und alle setzten sich wieder. Schweigend hörten sie Ferrigan zu.
"Wie den meisten bereits bekannt sein dürfte, haben sich die Tempel dieses Dörfles zusammengeschlossen, um gemeinsam unter der Führung Elenya Itheras die Gerichtswache bei den Ermittlungen zu unterstützen. Wir arbeiten eng mit Frau Ithera zusammen, und doch möchte ich betonen, dass die Aufklärung dieses Falles nach wie vor der Gerichtswache obliegt."Bevor jemand reagieren konnte, sprach er bereits weiter.
"In der Tat konnten wir bereits deutliche Fortschritte machen; ich möchte sagen, wir sind dem Mistkerl auf den Fersen. Aber wir benötigen die Unterstützung aller im Tempeldörfle. Allem voran die der Tempelangehörigen: Der Tempelschänder, wie der Mörder inzwischen schon genannt wird, schlägt stets auf heiligem Boden zu, und sucht sich einzelne Opfer, Personen, die alleine unterwegs sind. Daher möchten wir um eine simple Vorsichtsmaßnahme bitten: Geht stets zu Zweit oder besser noch zu Dritt. Wer alleine ist, macht sich zur Zielscheibe."Ferrigan räusperte sich, und trat einen Schritt zurück. Sein Blick wandte sich zu dem Mann neben ihm. Dieser nickte dem "Publikum" zu, das von ihm nun offensichtlich mehr Details erwartete.
"Mein Name ist Tai'Lor, ich bin Inspektor Ferrigans Assistent. Zunächst einmal versichere ich, dass die Gerichtswache ihr möglichstes tut, diesen Fall so schnell wie möglich aufzuklären. Mit Inspektor Ferrigan haben wir einen der besten und erfahrensten Männer der Gerichtswache als Hauptverantwortlichem. Ich habe keine Zweifel, dass wir dieses Verbrechen schnellstmöglich aufklären werden." Dann sah er zu Boden, und faltete die Hände vor sich.
"Bevor ich auf unsere Erfolge eingehe, muss ich allerdings noch auf weitere Gerüchte eingehen, die bereits die Runde machen. Es heißt in den Straßen, der Tempelschänder habe bereits viele Morde begangen. Wahr ist, dass der nun bekannt gewordene Fall nicht der erste war. Aber es waren nicht viele, sondern genau zwei an der Zahl, die er vorher beging. Die Gerüchte entsprechen also nicht der Wahrheit."Er sah ins Publikum, nahm den Augenkontakt der Menschen, Halblinge und Orks auf, die ihm hier zuhörten. Die Lage war angespannt, das war offensichtlich. Und doch schaffte es Tai'Lor mit seiner ruhigen Art, die Menge im Zaum zu halten.
"Was wir bereits wissen: Der Mörder macht keinen Unterschied bei den Religionen, und auch nicht beim Ausbildungsgrad seiner Opfer. Er tötete einen Adepten, einen hochrangigen Priester und eine ausgebildete Klerikerin. Auch sagt dies etwas über seine Gefährlichkeit aus. Ob er seine Opfer nur geschickt überraschte, oder sie tatsächlich in einer direkten Konfrontation zu bezwingen wusste, Macht und Stärke allein sind kein Schutz gegen diesen Eindringling in unser Dörfle. Umso mehr möchte ich darum bitten, den Rat Inspektor Ferrigans zu befolgen, und nicht alleine unterwegs zu sein.""Wir wissen außerdem, dass der Tempelschänder ein ganz bestimmtes Ziel verfolgt: Seine Taten gehören zu einem großen Ritual. Die Gerichtswache befindet sich bereits in der Analyse, und in der Vorbereitung von Gegenmaßnahmen. In diesem Zusammenhang bitten wir darum, die Augen und Ohren offen zu halten: Ungewöhnliche Ereignisse meldet bitte bei der Gerichtswache, auch wenn es vielleicht Dinge sind, die euch eigentlich nicht meldenswert erscheinen. Auffällige Personen, Eindringlinge in den Tempelbereich und so fort sind bitte ebenfalls zu melden. All dies ist zu eurer eigenen Sicherheit und zum Schutz aller im Tempeldörfle."Nun trat Elenya Ithera nach vorne.
"Vielen Dank für die Aufmerksamkeit. Wenn noch Fragen sind, beantworten wir diese gerne."