"Mir auch", sagte Harry, der als letzter eingetreten war und nun unruhig vor den Kameraden auf und ab ging. Das Zimmer war für seine langen Beine allerdings zu klein und zu vollgestellt, sodass er kürzere Schritte machen musste als gewohnt, was auf die anderen ein wenig drollig wirken mochte. Er aber war zu aufgewühlt, um darauf zu achten, wie er ging und wie sein Gang wirken mochte.
"Mir auch! Ach, was würd ich gern wissen, was dieser komische Prophet mit uns vorhat! Und verstehen, was er da gefaselt hat von irgend einem 'Heiligen Boden', den wir suchen sollen oder auch nicht, bevor unsere 'Reiter'—oder sind wir die Reiter und sie die 'Rösser'?—ihn finden. Aria, hast du schon einmal von so etwas gehört? Boden, der so magisch aufgeladen ist, dass ein paar Sandkörner davon, jemandem ins Gesicht geschleudert, magische Kräfte in ihm erwecken können? Hier in Terendol sollen sich kleine Mengen davon befinden, und zwar ziemlich gut versteckt. Fast noch seltsamer aber ist, dass er entweder 'böse' sein soll, das heißt auf unsere Dämonen eingestimmt, oder 'neutral' und deshalb uns nutzen werde, aber den N'kyuash nicht. Läuten da irgendwelche Glocken bei dir?"Während Aria überlegte, kam Harry ein wenig zur Ruhe. Er setzte sich auf einen der Sessel—allerdings nur auf die vordere Kante, wie sprungbereit—und überdachte derweil Karas Fragen. Er war ja erstaunt gewesen, dass die junge Frau ihnen so selbstverständlich nachgelaufen war und jetzt so einträchtig mit Jurij beisammen saß
[1]. Lief da was? Wollte sie mit ihm anbändeln? Kannten die beiden sich vielleicht schon vorher? Was hatte diese Person vor?
"Henry und ich sind erst seit gestern morgen hier auf Kurun", erklärte er ihr.
"Wir kommen beide von der Welt, die der Prophet 'Terra' nannte, nur aus unterschiedlichen Jahrhunderten. Jurij kommt auch daher, dreißig Jahre nach meiner Zeit, er ist aber schon viel länger hier. Woher unsere Fee kommt, kann es Euch am besten selbst erklären, jedenfalls nicht von der Feenwelt, die in engem Kontakt mit der 'Erde' steht—so nennen wir unsere Welt."An dieser Stelle verließ ihn die Geduld und er sprang wieder auf, wobei er sich eine Art Apfel aus der Obstschale griff, hineinbiss, und sich dann mit vollem Mund an Henry wandte:
"Conan, by the way, lieber Henry, das ist der Typ, der mit langem Schwert und geschwellten Muskeln halbnackt durch die Wildnis zieht, auch im Winter nur mit Lendenschurz und Fellstiefeln bekleidet, und dabei von noch leichter bekleideten und kälteresistenteren Damen mit Riesenmö—äh, Schwertern verfolgt oder begleitet wird, mit denen er sich ein Dutzend Hirnzellen teilt. Obwohl, wenn man es so sieht, dann passt die Beschreibung vielleicht momentan am besten auf mich. So dumm fühl ich mich auch gerade."Vielleicht war es ein Fehler gewesen, auf Conans Damenbegleitung hinzuweisen, jedenfalls drängte sich Red Sonja jetzt in diversen Posen und Verkörperungen vor sein inneres Auge, und als sein Blick dann auf Aria fiel, stieg Lasciels Verlangen nach ihr wieder mit solcher Macht in ihm hoch, dass er tatsächlich einen Schritt auf sie zutat und sich vorstellte, ihr hier und jetzt, vor aller Augen...
Konzentrier dich gefälligst! Zur Abwechslung wollen wir heute doch mal mit dem Kopf denken, ja? Und du, Lasciel: krieg dich wieder ein! Denk an den deal, Aria ist tabu!Was die Dame für Lasciel natürlich nur attraktiver machte, denn Tabus waren da, um verletzt zu werden. Trotzdem, im Augenblick hielt Harry die besseren Karten in der Hand, und so beherrschte Lasciel sich wohl, denn er konnte wieder etwas klarer denken und auch Red Sonja hielt sich wieder bedeckt, pardon the pun.
"Äh, wo war ich? Ach ja, zu den Fragen." Harry biss ein zweites Mal in den Apfel und wandte sich an Kara. Keine Gefahr drohte ihm aus dieser Richtung, denn sie war weder sein noch Lasciels Typ.
"Wir alle hier, mit Ausnahme von Aria, sind von mächtigen körperlosen Wesen besessen, die man 'Dämonen' nennen kann, wenn man einer derartigen Philosophie oder Religion anhängt, welche die Welt auf diese Weise in 'Gut' und 'Böse' oder 'Schwarz' und 'Weiß' unterteilt. Ihr scheint das ja zu tun, wie ich Euren Worten entnehme, also bleiben wir bei 'Dämon' oder auch 'böser Geist', das schenkt sich nichts. Jedenfalls gehen sie ohne mit der Wimper zu zucken über Leichen, um ihre Ziele zu erreichen, und manchmal töten sie auch aus Langeweile oder um uns eine Lektion zu erteilen. Sie übernehmen unsere Körper, wenn wir schlafen oder aus einem anderen Grund bewusstlos sind. Wir wissen nicht, was sie in der Zeit treiben, sie dagegen bekommen alles mit, was wir tun und wahrnehmen, vielleicht gar was wir denken und fühlen. Hab ich damit alles? Oh, halt, die Sprache, die Andhaka gesprochen hat, ist 'Abyssisch', also wird in unserer Sprache hier so genannt, von uns. Die N'kyuash selbst sehen sich keinesfalls als Wesen, die 'dem Abyss entsprungen sind' an."Harry warf die Apfelkitsche zurück in die Obstschale und setzte sich wieder auf den Sessel, wobei er seinen Hut auf der Armlehne deponierte und sich das Haar raufte.
"So, aber nachdem ich Eure Fragen so ausführlich beantwortet habe, zurück zu meiner: der Heilige Boden. Was ist das, wo finden wir mehr davon, wollen wir überhaupt mehr davon finden, und schließlich eine ganz persönliche Frage: Hattet ihr auch so seltsame Visionen, als er uns mit dem Sand beworfen hat? Fühlt ihr euch auch so... verändert?"Um zu demonstrieren, was er damit meinte, erhob er sich wieder, trat zwei Schritte zurück, konzentrierte sich kurz unter lateinischem Gemurmel, und stand dann mehr oder weniger in Flammen vor ihnen: seine Augen waren zwei hellglühende Feuerkugeln, jeder Wimpernschlag wirbelte Funken auf. Funken hingen auch in seinem Haar und zuckten, wie elektrische Blitze, zwischen den gespreizten Fingern seiner erhobenen Hände.
[2] (Diesmal achtete er aber darauf, dass nichts brennbares in der Nähe war.) Dabei sah er vom einen zum anderen.