Charakterhintergrund (Anzeigen)
Kälte. Schneidende, unbarmherzige Kälte. Das war die erste Erinnerung, an die er sich besinnen konnte, eine seltsame Erinnerung- eine Erinnerung, die eigentlich zu lange zurückliegen musste als dass sie real sein konnte. Aber er wusste, sie war es- so klar konnte keine falsche Erinnerung sein, kein Trugbild, dass ihm sein Verstand vorgaukeln würde. In dieser Erinnerung war er drei Jahre alt. Ein Knirps, der auf den Zinnen der prächtigen Festung seines Vaters stand, nach unten starrte auf den Platz, auf dem auf einem Holzstapel aufgebahrt seine Mutter lag. Auf dem Burghof hatte sich alles versammelt, was im Fürstentum lebte und vom Tod der Fürstin erfahren hatte- und nicht wenige von ihnen waren von den Soldaten seines Vaters mit viel Nachdruck dazu gebracht worden, für diesen Totenritus ihre Arbeit zu unterbrechen. Malcus verstand immer noch nicht was hier vorging. Verstand nicht, warum seine Mutter dort unten kalt und leblos lag- auch wenn er mitbekommen hatte, wie sie in den letzten Wochen immer öfter gehustet hatte, er die roten Schlieren in ihrer Hand nach einem ihrer Anfälle gesehen hatte. Aber das sie nicht wieder kommen würde? Das konnte er nicht verstehen. Und so weinte er nicht einmal, als sein Vater an den Scheiterhaufen trat- es war zu kalt als dass man die Fürstin begraben könnte, der erste Frost seit Jahrzehnten- und dieser dafür so schneidend, dass die Erde bis tief herab gefroren war, ein untypischer Anblick für Eldor- und wohl mit ein Grund für die Krankheitswelle, die ihr Land durchzog. Sein Vater sagte etwas, Worte, die er nicht verstehen konnte. Malcus blickte zu seiner Amme, die immer noch Eliza, seine Schwester, in den Armen wog- aber auch sie schien seine Neugier nicht befriedigen zu wollen, sagte ihm nur, er dürfe nicht weinen- Weinen sei ein Zeichen von Schwäche. Was für ein Unsinn. Er wollte garnicht weinen. Auf dem Platz unten loderte inzwischen ein Feuer- und er verstand noch weniger. Warum zündeten sie seine Mutter an? Warum war es so kalt? Und wieso wirkte jeder auf dieser Burg so niedergeschlagen? Er wollte etwas sagen. Wollte schreien, dass sie seine Mutter in Ruhe lassen sollten, sie aus dem Feuer ziehen- aber er wusste, instinktiv, er würde nichts tun können. Wusste, dass seine Kraft nicht ausreichen würde, gegen Blonlens Griff anzukommen. Er war zu schwach- und seine Finger schlossen sich so fest um die Zinne vor ihm, dass die Knöchel weiß hervortraten. Er wusste nicht was er fühlte. Furcht? Nein. Er hatte keine Angst zu sterben, sein Geist war noch zu sehr mit kindlicher Arroganz gefüllt. Trauer? Wohl kaum. Seine Mutter hatte schon vor ihrem Tod keine Zeit für ihn gehabt- war oft müde gewesen, schlapp, hatte ihn nur aus traurigen Augen angesehen. Für eine echte Bindung war sie ihm nie nahe genug gewesen. Zorn? Malcus blickte auf seinen Vater, der mit auf diese Distanz undeutbarer Miene in die Flammen starrte. Die Flammen, in denen er seine Frau auf die letzte Reise geschickt hatte, damit sie nicht als unheilige Kreatur zurückkehrte. Er war schwach gewesen. Er hatte sie nicht beschützt. Sich nichtmal mehr um sie gekümmert, war viel zu sehr in seine Geschäfte verstrickt gewesen. Er war Schuld. Nicht nur an ihrem Tod. Sondern auch daran, dass Malcus jetzt doch die Tränen über die Wangen liefen. Tränen der Wut. Männliche Tränen, sagte er sich immer wieder, während er sich im Kleid seiner Amme verbarg.
Jahre vergingen, an die Malcus kaum Erinnerung hatte, höchstens Fetzen von besonderen Ereignissen- dem ersten Pferd, dem Moment, als er zum ersten Mal seinem Fechtlehrer einen Treffer verpassen konnte (nur um von der Riposte die Luft aus den Lungen geprügelt zu bekommen), sein zehnter Geburtstag. All die ereignislosen Jahre verschwammen zu einem Erinnerungsbrei, der heute kaum noch Gewicht zu besitzen scheint. Fechtübungen. Etikette. Maßregeln. Sein Leben bestand sowieso nur aus Routine und der Hoffnung, doch ein anerkennendes Wort seines Vaters zu bekommen. Oder überhaupt ein Wort, denn für diesen schien er, ebenso wie seine Schwester, Luft zu sein. Diese monotone Eintönigkeit änderte sich erst an seinem vierzehnten Geburtstag. Ein Tag, auf den er schon so lange hingefiebert hatte, dass er Wochen vorher an nichts anderes hatte denken können, dass er nachts davon geträumt hatte, wie es werden würde, dass er selbst bei den Übungen auf dem Kampfplatz, sonst sein Höhepunkt des Tages, nur daran gedacht hatte, wie es werden würde. Und dann war der Tag da. Jener Tag, an dem die Soldaten des Königs ihn abholten, er sich noch einmal von Schwester und (vom tatsächlich kurz erschienenen) Vater verabschiedete. Und für die nächsten Jahre war das Militär seine Familie. Ritt er mit ihnen als Gleicher unter Gleichen, bei Weitem nicht der einzige Adlige, noch nichtmal der einflussreichste Sohn in ihrer Runde, als Rekrut ihnen gleichgestellt- und er liebte es. Im Gegensatz zu vielen der Gewöhnlichen hatte ihm der Waffenmeister seines Vaters schon die Feinheiten des Kampfes mit Schwert und Schild nahe gebracht- und ihm damit den Weg geebnet, hier aus den Rekruten hervorzustechen. Zum ersten Mal fühlte er sich wirklich als etwas Besonderes- und zum ersten Mal hatte er echte Kameraden, war er nicht allein wie die Jahre zuvor. Schulter an Schulter stand er mit den Söhnen von Metzgern, von Zwingermeistern, von Soldaten- jeder von ihnen im Kern verschieden, und doch jeder von ihnen hier, auf dem Exerzierplatz gleich. Der dritte Zug wuchs zu mehr Familie zusammen, als sie Malcus vorher je besessen hatte. Und die drei Jahre, die er bei ihnen verbrachte, ehe er wieder nach Hause gesandt wurde vergingen wie im Fluge- auch wenn er keinen echten, keinen wirklichen Einsatz erlebte, sah man von ereignislosen Patrouillen, langwierigem Wache stehen und Spalier für eine Hochzeit ab. Als er nach Hause ritt, schmerzte sein Herz- und sein Verstand wusste schon, er musste seinen Vater davon überzeugen dass er ihm erlaubte, weiter zu dienen- seine Schwester zur Erbin machte und ihn zurück zur Kavallerie sandte. Den ganzen Weg zurück in seine alte Heimat baute er in seinem Kopf die Sätze, mit denen er seinen Vater überzeugen wollte, formte er sich eine Ansprache zusammen, ein Plädoyer, wärend er durch die viel zu vertrauten Felder seiner Heimat ritt. Je näher er der altehrwürdigen, trutzigen Burg kam, die schon von Weitem auf dem kleinen Berg zu sehen war, desto mehr klopfte sein Herz. Desto mehr Fehler fand er in seiner Argumentation. Er wischte die Zweifel zur Seite. Brachte den Rappen in den Stall, rückte den stählernen Panzer zurecht, und marschierte die Treppen hinauf.
Nur wenige Leute waren um diese Zeit zugange- es war später geworden, als er erwartet hatte, die Meisten waren schon zu Bett gegangen. So war es ein einsamer Gang zum Arbeitszimmer seines Vaters, die Treppen, die zum höchsten Turm führten fast leer von Mensch und Tier. Mit jedem Schritt schien sein Herz noch schneller zu klopfen, bis es schließlich seine Brust zu sprengen drohte, als er vor der massiven Eichentür stand. Einen Augenblick sammelte er sich, versuchte, seinen Atem zu beruhigen, ehe er wagte, zu klopfen. Sekunden verstrichen, Sekunden, in denen er zu seiner Schande hoffte, seinen Vater schon nicht mehr anzutreffen. Dann endlich grollte von drinnen ein ungehaltenes, gereiztes "Komm schon endlich herein." Malcus Herz drohte zu zerspringen. Eine Stimme in ihm schrie ihn an, davonzurennen- aber er konnte nicht weg. Und er durfte jetzt nicht feige sein. Mit erzwungener Selbstsicherheit trat er ein, überwandt die wenigen Schritte zum Schreibtisch mit weit hallenden Schritten, nahm unbewusst Haltung an- und sah sich dem kalten, freudlosen Blick seines Vaters ausgesetzt. Wieder einmal brauchte er mehr Selbstbeherrschung als er aufbieten konnte um stehen zu bleiben. Um dem immer noch stechenden, von einem unbrechbaren Willen kündenden grünen Augen stand zu halten. Hätte er einen anderen Ausweg in diesem Moment gesehen- er hätte ihn gewählt. Erneut klein beigegeben. Aber es gab keinen Ausweg. Keinen anderen Weg. Trotzdem steckten ihm die Worte im Halse fest- so dass nach Sekunden des Schweigens der alte Mann es war, der die Stille brach. "Du bist spät. Wie immer." Dann wollte er sich schon wieder seinen Papieren zuwenden- seinen Sohn dort stehen lassen. Und diese Arroganz, diese Gleichgültigkeit war es, die Malcus den Anstoß zum Weitersprechen gab. "Vater- ich werde wieder zur Armee gehen. Ich werde mich den Kriegshunden auf ihrem Weg in den Lendelwald anschließen!" Stolz blickte er seinen Vater an. Es war anders gelaufen. Aber er hatte es geschafft. Er würde sein Leben von nun an selbst in die Hand nehmen, sich nicht länger von seinem Vater lenken lassen, frei wie der Wind mit seinen Brüdern reiten. Dachte er. Irrte er sich. Sein Vater blickte nicht einmal auf. "Nein. Wirst du nicht." Malcus wollte widersprechen. Setzte schon zu einer Erwiderung an- als ihn der Blick seines Vaters doch noch traf. "Du wirst dich ihnen nicht anschließen. Und wenn du es doch versuchst- dann werde ich dich von den Soldaten des Königs wieder hierherschleifen lassen, immer wieder. Bis du begreifst, dass du die Zügel nicht in der Hand hältst. Dass du nichts bist. Du hältst dich für stark, weil du jetzt ein paar Jahre Soldat gespielt hast? Du bist nichts ohne mich. Das Einzige was von Bedeutung ist ist dein Name- mein Name. Also schlag dir deine kindischen Spielchen aus dem Kopf und werde erwachsen. Und jetzt lass mich arbeiten." Malcus blieben die Worte im Halse stecken. Aller Widerstand den er aufgebaut hatte war dahin. Jeder Funke Widerstandsgeist war durch wenige Sätze seines Vaters zur Hoffnungslosigkeit zusammengestaucht worden. Er hatte verloren- das wusste er. Also lenkte er seine Schritte an den einzigen Ort, der ihm in diesem Moment Hoffnung versprach.
Malcus verschwand in der Taverne. Suchte sich jenen Platz, der am Weitesten von allem fröhlichen Trubel und der Ausgelassenheit eines Feierabends entfernt war, und ignorierte jene, die ihm zu seiner Rückkehr gratulieren wollten- er wollte sie nicht hören. Wollte einfach nur sein Versagen mit Wein und Bier davonspülen- einer ganzen Menge davon. Und schließlich ließen sie ihn in Ruhe. Ließen ihn in Frieden trinken, bis irgendwann sein Schädel mit einem leisen Pochen auf die Tischplatte sank, er endlich in friedlichen, erlösenden Schlummer fiel. Wieder davon träumte, mit seinen Waffenbrüdern durch die Felder zu reiten, von den Leuten bewundert, verbunden durch ihre Freundschaft und ihre Treue. Zufrieden lächelte er im Schlaf, vergaß er die Realität zumindest im Traum- und wurde schließlich doch mit Gewalt wieder in dieses Leben zurückgerufen, und mithilfe eines Kruges Wassers. Prustend riss er die Augen auf, die Hand schon am imaginären Schwertgriff (die Klinge lag wohl immer noch im Stall, zusammen mit dem Großteil seiner restlichen Besitztümer)- und erblickte das wenig erfreute Gesicht von Daehlia, seiner Schwester, die gerade Anstalten machte den Krug ein zweites Mal am Wasserfass zu füllen. Beschwichtigend hob er die Hände, suchte fieberhaft nach einer Antwort, die sie besänftigen würde- öffnete schließlich den Mund um sie zu grüßen... und rülpste das wenig wohlschmeckende Ergebnis der Nacht hervor. Einen Augenblick schaffte Daehlia noch, ihn ernst anzublicken- ehe sie in schallendes Lachen ausbrach, in das Malcus nach wenigen Sekunden einstimmte. Nein, er hatte seinen Traum heute nicht erfüllen können- aber allein, das war er nicht. Verkatert, niedergeschlagen und vermutlich für Immer hier gefangen- aber nicht allein. Ihm war zum Heulen zu Mute- oder zum Weitertrinken. Nicht das seine Schwester ihn gelassen hätte. Nein. Sie führte ihn aus der Taverne. Hinunter zum Fluss, wo sie früher versucht hatten, Fische mit bloßen Händen zu fangen- und fragte ihn aus. Wollte in ihrem jugendlichen Neugierüberschwang alles wissen- jede noch so kleine Kleinigkeit, die ihm in seiner Abwesenheit geschehen war. Blickte ihn schließlich, als er mit seinen Abenteuern an seinem Versagen des heutigen Tages angekommen war, traurig an, nachdenklich, ratlos. Schloß ihn schließlich einfach in die Arme. Malcus hielt sie einen Augenblick lang einfach fest, ließ zu, dass sie sich an das kalte Metal seines Harnisch schmiegte- versuchte, Trost zu finden- aber fand erneut nur Leere. Nur Hoffnungslosigkeit. Er war nicht für ein Leben als Aristokrat oder Händler gemacht- wollte nie so sein wie sein Vater. Und wenn sein Weg nicht sich erfüllen würde... er würde dafür Sorge tragen, dass auch sein Vater in ihm nicht das bekommen würde, was er sich wünschte. Viel zu lange war er der gute, brave Sohn gewesen, der das tat, was Papi von ihm erwartete. Mit einem kalten Grinsen erhob er sich vorsichtig, zog seine Schwester mit hinauf, lächelte sie sanft an- und ging mit ihr zurück zur Burg. Er würde Schlaf brauchen. Die nächsten Tage würden anstrengend werden...
Die nächsten Monate gab er sich Mühe, so viel herumzuhuren und zu saufen wie es sein Körper aushielt. Keine Frau, noch so sehr von niederem oder hohem Stand, war vor seinen Avancen sicher- mit Charme und dem so sehr geliebten Geld seines Vaters gab er sich redlich Mühe, in jeder Nacht, in der er dazu nicht zu betrunken war mindestens eine neue Geliebte in den Armen zu halten- und mit diesen Geliebten auch angemessen heftig zu prahlen, damit sein Vater es auch ja mitbekam, dass er erneut Schande über den Namen der Familie brachte. Es schien nichts zu bringen. Offenbar interessierte es seinen Vater nichteinmal so sehr, dass er ein ernstes Gespräch mit ihm führen wollte- war ihm Malcus wirklich so egal geworden? Trotzdem machte er weiter. Die Nächte voller falscher Zuneigung mit den Frauen stillten sein Bedürfnis nach Liebe, und der Alkohol betäubte, wenn man genug davon trank, die restlichen Emotionen mit großer Effizienz. Er hätte sich wohl bis zu seinem Ende gesoffen. Hätte weitergemacht und wahrscheinlich irgendwann dafür gesorgt, dass sein Vater ihn wenigstens rauswerfen musste. Aber es kam anders als er gedacht (gehofft?) hatte. Zwei Ereignisse warfen sein bisher klar scheinendes Ziel aus der Bahn. Das Erste bekam er nur halb mit. Er war (mal wieder) völlig zu. Schlecht gelaunt, weil ich an diesem Abend keine willige Magd gefunden hatte, mit ihm das Lager zu teilen- und wenn er im Nachhinein zurückblickte war er auf Krawall gebürstet. Er war gerade auf dem Weg zurück zu seinem Zimmer. Torkelte mehr durch das Dorf, als er wirklich ging- kein Wunder, dass er mit jemandem zusammen stieß. Für eine Sekunde versuchte er einfach nur das Gleichgewicht wiederzuerlangen- ehe er sich den Fremden zuwandte. Sie finster anlallte, dass sie aufpassen sollten, dabei versuchte sie sich genauer anzusehen- es waren drei Bewaffnete. Jeder von ihnen in Panzerung aus inneinander verschiebbaren Bändern gerüstet, wie sie eher im Osten, in Kalamar verbreitet waren. Und jeder der Drei sichtlich ungehalten über den besoffenen Kerl, der sie nicht nur anrempelte- sondern auch noch das Pöbeln anfing. Worte wurden gewechselt. Und kurz darauf wurden aus den Worten Faustschläge. Sein besoffener Geist hatte sich vorgestellt, wie er die drei Emporkömmlinge einfach mit Links verprügelte, dadurch als Held, der die Eindringlinge vertrieben hatte, dastand. Stattdessen lag er nach kurzer Zeit unwürdig auf dem Boden, kämpfte gegen den Impuls, sich zu übergeben- während die Söldner schon wieder lachend weiterzogen. Er hatte verloren- aber ihre Gesichter würde er so schnell nicht vergessen. Er schwor Rache. Fürs Erste blieb er aber liegen, bis die Welt aufhörte, schon vom Ansehen zu schmerzen, und bis sie aufhörte sich zu drehen....
Es sollte lange dauern, bis er diese Söldner wiedersehen würde- oder auch nur begreifen würde, wie sehr er in dieser Nacht seinem Leben eine andere Richtung hätte geben können. Fürs Erste blieb er aber bei seiner zur liebsten Tätigkeit angewachsenen Lebensphilosophie- je betrunkener, desto besser. Das der Wirt ihm seit Monaten statt dem bezahlten, teuren Wein billige, gepanschte Plörre einschenkte würde er nie erfahren- zu sehr hatte das Gift schon seinen Geschmacksnerv abgetötet. Eigentlich wollte er nicht wieder aufhören zu trinken. Verbrachte Monate in deprimiert- glückseligem Delirium, konnte sich bereits kein besseres Ziel im Leben mehr vorstellen als eine Flasche Wein. Bis SIE in sein Leben trat. Im wahrsten Sinne des Wortes trat. Er war an diesem Abend noch nicht ganz so betrunken wie er es brauchte, um schlafen zu können. War noch in diesem glückseligen Zustand der Angetrunkenheit, in dem er gelegentlich noch versuchte, bei den Frauen zu landen- wenn auch seit Langem nicht mehr mit Erfolg. Sein Bart war zottig, verfilzt und mit roten Weinflecken durchsetzt, ähnlich wie sein Haar. Die Uniform, die er immer noch jeden verfluchten Tag anlegte, von Löchern und Flecken durchsetzt, kaum noch zu erkennen. Und er stank schlimmer als ein Kargi nach einem Regentag. Eigentlich wollte er auch schon länger nicht mehr, dass die Frauen ja sagten. Bekam sowieso keinen mehr hoch, geschweige denn dass er eine Runde durchhielt. Aber das bisschen männlicher Stolz in seinem Herzen peitschte ihn immer noch zu peinlichen Versuchen an, wollte nicht einsehen, dass er mehr als gescheitert war. Sie saß in einer Ecke der Taverne. Hatte seit über einer Stunde nichts anderes getan als gelegentlich an ihrem Wasser zu nippen und nicht einmal aufgesehen. Den meisten Anwesenden wäre sie wohl nicht einmal als Frau aufgefallen. Der weite Umhang verbarg ihre Konturen, die tief ins Gesicht gezogene Kapuze ihr Gesicht. Aber schon allein die Idee, es könnte sich bei der Gestalt in der Ecke um eine Frau sein, die dumm genug war, mit ihm das Lager zu peitschen, genügte Malcus. Er erhob sich schleppend, bürstete mit wenig Erfolg den Wein von seineM Wappenrock- und schwankte zu ihr herüber. Versuchte, ihr nicht ins Gesicht zu rülpsen- und brachte schließlich ein "Schöner Mantel, schönes Kind... wollen wir ihn nicht ausziehen damit ich ihn mir genauer ansehen kann?" zustande- stolz darauf, einen vollständigen Satz in die richtige Richtung gesagt zu haben, nicht so einfach, wenn die Welt sich brutalerweise nicht aufhörte zu drehen. Vorsichtshalber hielt er sich an der Lehne des Stuhls fest. Versuchte unter die Kapuze zu linsen- mit wenig Erfolg, es sei denn, man wertete als Erfolg dass sie sich wegdrehte. Er erhaschte nur wenig vom Gesicht. Eine wehende Locke schwarzem Haares- und ein seltsames Blinken aus der Richtung, in der ihre Augen liegen mussten. Sie schwieg immer noch. Wandte sich von ihm ab, wohl darauf hoffend, dass er von selber verschwände. Also musste Malcus in die Offensive gehen. "Weissu, meinem Vater gehört dieses Dorf. Ich könne dir alles zeigen wennu willst." Vorsichtig griff er nach ihrer Hand, die in dunklen Lederhandschuhen steckte.
Beinahe hätte er sie verloren. Schneller als seine Augen mitkamen fuhr die zweite Hand mit der Klinge in Richtung seiner tastenden Finger, eine Klinge in der Hand, die für einen Dolch zu kurz schien, für ein Schwert zu lang- und die seltsam anmutete, gebogen, schlank- aber scharf genug, dass sie einige Zentimeter tief in das dicke Eichenholz der Tischplatte fuhr. Malcus schreckte zurück. Stolperte über einen Schemel, hörte das Lachen der Anderen- sah unter der Kapuze kurz weisse Zähne aufblitzen. Jeder in diesem Raum lachte ihn aus. Offen. Hatten sie ihn bislang nur belächelt- jetzt war er zum Gespött der Schenke geworden. Im ersten Moment wollte er sich wieder an seinen Tisch schleppen, seine Scham mit Wein ersäufen. Da begann sie zu sprechen, in einem melodischen Singsang. "Fhaigheann tú boladh cosúil le piss agus fíon olc, saighdiúir." Dann lachte sie, mit glockenheller Stimme. Er erstarrte. Auch wenn er keines ihrer Worte verstand, so berührte ihn ihr Lachen an Stellen, wo ihn lange keine Frau mehr berührt hatte. Im Herzen. Er erstarrte (soweit er konnte- immer noch schwankte die Welt gefährlich). Blickte die Frau im Umhang fassungslos an- und sah ihr dabei zu, wie sie den Raum verließ, in die Dunkelheit verschwandt. Er wusste nicht wer sie war. Was sie hier gewollt hatte. Aber er merkte, wie er auf sie gemerkt haben musste. Rieb sich über den dreckigen Bart- und schämte sich. Schämte sich für das, was er geworden war. Ein Entschluss reifte in ihm. Das, was hier dreckig und stinkend in der Taverne stand war nicht er. Nicht das, was er sein sollte. Er stellte den Krug mit Wein auf einen anderen Tisch (dessen Bewohner nur prüfend daran roch und ihn dann von sich schob), wankte aus der Tür- und in Richtung des Flusses. Jede Veränderung hatte einen Anfang, und seine würde dort beginnen. Schaudernd ob der nachtkalten, schneidenden Temperaturen des Wassers watete er bis zu den Hüften in den sanft plätschernden Fluss, fühlte förmlich, wie sich Dreck und Vergangenheit lösten- und ließ sich schließlich fallen. Tauchte einen Augenblick bis über den Kopf unter, als er sich in die Knie fallen ließ. Vom Fluss die zweite Taufe empfing. Er blieb so lange unter Wasser wie er es aushielt, ehe er prustend wieder durch die Oberfläche brach. Sich das Wasser aus dem Gesicht wischte, mit den Fingern im Filz des Bartes hängen blieb. Kurzentschlossen zog er den Dolch. Begann, sich die verklebten Haare vom Kopf zu schneiden, sich zum ersten Mal seit viel zu langer Zeit zu rasieren. Dicke Knäule wurden vom Fluss davongespült. Und auch wenn das Ergebnis alles andere als beeindruckend war (immer noch standen dicke Büschel ab, die er erst mit einem Spiegel und einem Rasiermesser beheben können würde), so fühlte er sich besser. Wie ein neuer Mensch. Wie eine zerbrochene Klinge, die im kalten Wasser des Brand neu geschmiedet worden war. Langsam watete er ans Ufer. Stapfte in Richtung seiner Unterkunft. Morgen würde ein neuer Tag beginnen. Und er würde ihn zu nutzen wissen.
Fürs Erste begann der Tag mit Kater und Kopfschmerzen- aber er wusste, dass er daran selbst Schuld war. Mit einiger Mühe quälte er sich aus dem Bett, ging zu seiner Waschschüssel, besah sich seine Rasierversuche des vorigen Tages. Haarbüschel und Schnitte. Eine Stunde später war das Problem beseitigt- sowohl Gesicht als auch Skalp völlig kahl, und er frisch gebadet und deutlich besser riechend. Und endlich wieder mit dem gefährlichen, entschlossenen Glanz in seinen Augen, dem früher die Frauen in Scharen verfallen waren. Langsam klang der Kater ab- und er konnte sich dem Neuaufbau seines Körpers widmen. Lief zunächst langsam los, im lockeren Trab, noch vor ein paar Monaten, als er frisch aus dem Feld kam keine Herausforderung. Damals hätte er ohne Probleme die Burg dreimal umrundet, ehe er ausser Atem kam. Heute schaffte er eine Runde, ehe seine Lungen so sehr brannten, dass er glaubte, sie wären mit Balelidoischem Pfeffer gefüllt. Er war gnadenlos aus der Form, wie auch Versuche, das Schwert (keines der einfachen Langschwerter, mit denen die Garde seines Vaters trainierte, sondern ein schweres, breites Schwert, dass er als verlässlichere Waffe schätzen gelernt hatte) wieder wirksam zumindest gegen wehrlose Strohpuppen zu führen zeigten. In den wenigen Monaten, in denen er sich hatte gehen lassen, hatte er mehr verlernt als er befürchtet hatte. Und als er am Abend sich ins Bett fallen ließ, war er erschöpft genug sofort einzuschlafen. Seine Träume, zum ersten Mal nicht durch Alkohol verschleiert, kreisten wieder um die Stimme der Fremden. Darum, wie sie seine Lebensgeister wieder geweckt hatte. Seinen Lebenswillen. Seine Hoffnung. Er würde sie suchen. Herausfinden, wer sie war- zumindest ihren Namen erfahren. Das schwor er sich am nächsten Morgen, ehe er sich wieder dem Wiederherstellen seine Rufes widmete. Tag um Tag verging. Und jeden Tag kehrte seine Form ein wenig mehr zurück. Nach einer Woche konnte er sich schon wieder mit den Gardisten seines Vaters mit dem Schwert messen- eine Woche später besiegte er sie fast alle auf dem Platz aus Sägespänen. Er kam langsam vorran. Aber er kam vorran. Ohne Alkohol. Ohne Frauen. Konzentriert auf seine Aufgabe. Wurde wieder der Soldat, der er seit Kindheitstagen sein wollte. Inzwischen legte er die Panzerung nur noch zum Schlafen und Baden ab, polierte den Stahl so lange, bis er das repräsentierte als dass ihr Träger sich fühlte: Ein mustergültiger Kämpfer. Über Monate verbesserte er sich. Und an jedem Tag des Trainings hatte er noch immer SIE im Kopf. Er hatte versucht sie zu vergessen- sich zwischendurch sogar mit anderen Frauen "vergnügt", in dem Wissen, dass sie nicht wiederkommen würde. Er hatte sie nicht vergessen können. Und noch weniger hätte er ahnen können sie wiederzutreffen.
Er war gerade wieder damit beschäftigt, imaginäre Gegner über den mit Sägespänen ausgestreuten Kampfplatz zu treiben, seine Figuren zu perfektionieren, in völliger Konzentration in sein Training vertieft. Er hatte die Gestalt am Rande des Platzes zunächst nicht einmal bemerkt. Erst als erneut diese glockenhelle Stimme über den Platz schallte, drehte er sich um. "Cóir respectable, laoch mór. Ach boladh maith nach bhfuil tú i gcónaí, d'ardaigh cluaise." Erschrocken fuhr er herum, das schwere Breitschwert immer noch in der Hand- eine stumpfe Übungsklinge, aber dennoch in der Lage, Knochen zu brechen und Haut zum Platzen zu bringen. Sie waren allein auf dem Platz- nur er, und die verhüllte Fremde, die am Rande des Platzes stand. Es war dunkel geworden- die Meisten der Soldaten bereits zu Bett gegangen, nur in weiter Entfernung drehte die Wache ihre Runden, erkennbar nur durch den flackernden Schein ihrer Fackel. Langsam entspannte sich Malcus. Blickte die Fremde an. "
Es nesaprotu tevi, svešinieks. Ko jūs šeit darāt šajā stundā, šajā vietā?" brachte er, leicht ausser Atem, hervor- aber die Frau lächelte nur, ein Aufblitzen weißer Zähne in der Dunkelheit der Kapuze. Die Hände wanderten in Richtung ihrer Schultern, sorgten dafür, dass der Umhang leicht auseinander klaffte, einen gestählte, übermenschlich schlanken Körper, gehüllt in einen leichten, in Grün und Grau gehaltenen Lederpanzer, der ihre Formen beeindruckend betonte- und Malcus Blut in Wallung brachte. Mit einem leisen Rascheln, wie von teurer Seide, glitt der Mantel zu Boden. Gab nun auch den Rest der Kämpferin zur Betrachtung frei- ein ebenmäßiges, kantiges, sehr helles Gesicht, geziert von zwei ungewöhnlich violetten Augen- und verunziert von einer langen Narbe, die über dem linken Auge verlief, eine dünne, helle Linie im sonst perfekt symmetrischen Gesicht. Malcus verlor sich in diesem wunderschönen, von glattem, schwarzem Haar eingerahmten Gesicht- hätte fast den Rest des Körpers aus den Augen verloren, die feingliedrigen Finger, die sich um den Griff der Schwerter auf ihrem Rücken schlossen... und den katzenhaften, wie eine freigelassene Bogensehne losschnellenden Körper, der in seine Richtung sprang. Nur mit letzter Mühe bekam er das Schwert zwischen sich und die heranfahrende Klinge, wehrte das schlanke, scharfe Schwert ab- und fühlte im selben Moment, wie die zweite Klinge über den Stahl seiner Rüstung kratzte, nach einer Lücke in der Panzerung suchte. Sie war schnell. Geschickt. Aber der Hieb mit wenig Kraft geführt- zu schwach, die schwere Panzerung zu durchdringen. Mit einem Schwinger der Linken versuchte er sie wieder auf Distanz zu bringen, sich aus dem Hagel an Hieben, den sie in seine Richtung entfesselte, zu befreien. Gegen seine eigene Vermutung traf er. Riss der Panzerhandschuh ihr ungeschütztes Gesicht zur Seite, einen blauen Fleck hinterlassend- und in einem Wirbel aus schwarzem Haar das Geheimnis der Fremden enthüllend. Spitze Ohren. Vor ihm stand ein Spitzohr. Fast hätte er sein Schwert vor Schreck fallen lassen. Schon lange hatte sich keiner der Waldbewohner zu ihnen gewagt. Noch nie hatte er auch nur einen lebenden Elf gesehen- geschweige denn einen so schönen Elf. Er erstarrte einen Moment. Im Kampf keine gute Idee.
Millimeter vor seinem Gesicht fuhren die beiden Schneiden der Schwerter aneinander vorbei- und nur mit einem ungeschickten Stolpern brachte sich Malcus aus der Reichweiter der vorzuckenden Waffen. Ein Spitzohr. Der alte Feind? Seine Kameraden von der Armee hatten ihm Horrorgeschichten erzählt, von Trupps, die im Lendelwald verschwunden waren, massakriert von Elfen, von Kindern, die des Nächtens aus ihren Betten entführt wurden und von den Spitzohren umgedreht wurden. Früher hatte er diese Geschichten alle geglaubt. Jetzt, wo er einer echten Elfen gegenüber stand, konnte er vielen der Horrorgeschichten keinen Glauben mehr schenken- die Frau vor ihm sah nicht aus wie ein Monster. Wirkte fast wie ein normaler Mensch- ein überirdisch schöner Mensch, und ein höllengefährlich schneller Mensch- aber auf keinen Fall wie ein blutsaufendes Monster, das Kinder entführte. Kopfschüttelnd widmete er sich trotz der Zweifel wieder dem Kampf. Egal ob Monster oder Mensch- diese Frau war eine exzellente Kämpferin, und offenbar drauf und dran, ihm die Kehle durchzuschneiden, warum auch immer. Er kämpfte nicht aus Hass, wie er es einen Moment fast getan hatte- sondern um zu überleben. Um zu siegen. Um seine Stärke zu demonstrieren. Einen Halbmond beschreibend, zischte die fast drei Kilo schwere Klinge wieder in Richtung der Bauchregion seiner Gegnerin, traf auf die Klingen der Elfe, die, ineinader verschränkt, wohl das Schwert abfangen sollten- und die mit einem hässlichen Klirren der Kämpferin aus den Händen geprellt wurden, als rohe Kraft und schwerer Stahl auf Eleganz und Geschick trafen- und gewannen. Mit einem erstaunlich grazilen Sprung brachte sich die Dunkelhaarige zwar aus der Reichweite des Breitschwertes. Aber nun hatte eindeutig er die Oberhand. Stapfte grimmig auf sie zu... und sie wich zurück. Immer noch breit grinsend, offenbar von dem Umstand, dass sie ohne Waffe einem erfahrenen Krieger gegenüber stand, nicht im Geringsten beeindruckt. Er zögerte einen Moment- und sie nutzte den kurzen Moment der Unsicherheit dazu, ihre Taktik zu wechseln. Wieder auf ihn zuzusprinten- zu flink, als das Malcus hätte reagieren können. Ehe er das Schwert auch nur halb gehoben hatte, saß sie schon auf seiner Brust, hatte ihre Arme um seinen Hals geschlungen... und ihre Lippen auf die Seinen gepresst. Dieses Mal schaffte er es in seinem Schreck nicht, das Schwert festzuhalten. Mit einem Scheppern schlug es auf dem Boden, während ihr süßer Geruch und der warme Geschmack ihrer Lippen ihn einhüllten. Instinktiv hatte er seine Arme um sie geschlungen- verfluchte den kalten Stahl und das weiche Leder ihrer Rüstungen, die ihre Leiber davon abhielten, sich zu treffen. In Sekunden war der Kampf vergessen, der Rausch des Blutes von einem viel tiefer liegenden, animalischeren Drang überlagert worden. Einen Augenblick überlegte er, was er tun sollte- ob das, was er hier tat, richtig, moralisch, ehrenhaft war, während sie im in die Unterlippe biss, ihre Fingernägel in die Lücken seiner Panzerung schug und ihm tiefe Kratzer des Begehrens versetzte. Ihm war egal, was richtig oder falsch war. Und er kannte einen abgeschiedenen Ort, wo sie niemand stören würde...
Ursprünglich hatte die Hütte mal als Lager für alles, was man für eine ordentliche Tjost brauchte, dienen sollen- bis der alte Mann Turniere als unrentabel eingestuft hatte und aufgehört hatte, sie zu veranstalten. Jetzt lag der Verschlag brach- immer noch voll mit Zaumzeug, Sporen und Stapeln von Satteldecken. Und auf einem solchen Stapel liebten sie sich. Zeigte die Fremde, deren Namen er immer noch nicht kannte, ihm wie beweglich sie wirklich war- und Malcus führte die Ergebnisse seiner Ausdauerübungen vor. Erschöpft, und mit dem festen Ziel, sie am nächsten Morgen zumindest nach ihrem Namen zu fragen, schließ Malcus schließlich ein- nur um am nächsten Morgen allein zu erwachen. Ein Biss der Enttäuschung fraß sich in sein Herz- war es wirklich nur das, was die Elfe von ihm gewollt hatte? Ein exotischer Seitensprung mit einem dieser dummen, plumpen Menschen? Mit Wut im Bauch stürzte er sich mit doppeltem Eifer in seine Übungen. Verbrauchte so viel seiner überschüssigen Kraft wie er nur konnte. Und als sie am Abend wiederkam, ihn erneut auf dem Kampfplatz traktierte, verlor er. Fing sich zwei hässliche Schnitte an der Innenseite des Oberarms ein- und einen flachen Stich durch die Lücke in der Seite seiner Panzerung. Erneut landeten sie in dem Turnierschuppen- aber dieses Mal wollte er sie nicht gehen lassen, ohne zumindest ihren Namen zu kennen. Er stellte sich vor sie. Wurde aus ihren violetten Katzenaugen spöttisch, aber interessiert gemustert. "Mans vārds ir Malcus Rancorn, dēls princis Rancorn. Un kas jūs esat?" Erwartungsvoll blickte er sie an. Blickte in ihr schief gelegtes Gesicht. Und sie antwortete ihm, sang die Worte ihm förmlich vor. "Ní thuigim focal ar do gibberish ardaigh cluaise." Verwirrt blickte er sie an. Er hatte kein Wort verstanden- auch wenn ihre Worte wie ein Kompliment klangen, aber nicht wie ein Name. Also versuchte er es einfacher, vielleicht etwas produktiver. Er zeigte mit seinen Händen auf sich selbst. "Malcus." Dann wies er mit beiden Händen auf seine schöne Bettgespielin, hoffte nun ihren Namen zu erfahren. Diese blickte ihn einen Moment an wie den letzten Idioten. Dann imitierte sie seine Geste, überzeichnet, spöttisch. "Meabh. Is é mo ainm Meabh." Das Herz des jungen Kavalleristen machte einen Sprung. Meabh also. Ein wunderschöner Name- für eine wunderschöne Frau. Eine wunderschöne Frau, die offenbar genug des Redens hatte, wenn man beachtete wie verführerisch sie an den Schnallen des lindgrünen Harnischs spielte, wie versehentlich eine der Schnallen aufschnippte- und schließlich sich erhob, zu ihrem starken Ritter herüber schritt, und sich an ihm rieb wie eine Katze in der Raunze. Für heute schien es ihr genug Gespräch gewesen zu sein- und eigentlich stimmte er ihr zu. Zum Reden würden sie später genug Zeit haben...
Sie trafen sich die nächste Zeit jeden Abend auf diese Art. Trainierten, liebten sich, begannen, die Sprache des Anderen zu lernen. Schon bald konnte er sich grundlegend mit ihr verständigen- in ihrer, wie in seiner Sprache. Erfuhr ihre Geschichte, was sie in die Länder der Menschen getrieben hatte, fern ihrer Heimat, inmitten von Hass und Rassismus. Sie war einst eine Kriegerin gewesen- hatte die Grenzen des Waldes, den die Elfen noch immer als ihr angestammtes Territorium ansahen und mit Blut und Stahl gegen jede menschliche Einmischung verteidigten. Hatte über ein Jahrhundert Jagdtrupps befehligt, die Holzfäller und Soldaten wieder dorthin jagten, wo sie herkamen- oder sie an Ort und Stelle den Göttern überantworteten. Hatte Menschen getötet, wenn sie musste- denn alle, die in ihren Wald kamen, wussten was sie taten, waren bewaffnet, und griffen an, als sie die Elfen sahen. Über hundert Jahre hatte sie jeden Kontakt mit Menschen mit Stahl beantwortet. Und dann kam der Tag, an dem einmal eine Unschuldige in ihren Wald kam. An dem sie auf einen Menschen traf, der nicht hier war um ihren Frieden zu stören. Es war eine junge Frau, keine achzehn Jahre alt, die ihr Kind an ihre Brust gedrückt hielt- verfolgt von brandobischen Kriegshunden, während die Herren der Hunde schon vor dem Wald umgekehrt waren, Söldner, die in der jungen Frau eine einfache Beute für eine Nacht gesehen hatten. Die Hunde erreichten ihre Beute nie. Wurden von einem Hagel aus Pfeilen niedergestreckt, ehe sie das Mädchen erreichten. Meabh trat vor sie, das Schwert bereits gezogen. Legte die Schneide an den Hals des Mädchens- und erstarrte. Der Blick, der ihr entgegensah, war dieses Mal kein Hass. Keine Zorn. Sondern blanke Resignation. Das Mädchen sagte nichts. Hatte wohl schon mit seinem Leben abgeschlossen. Und eigentlich hätte Meabh nur einmal zustoßen müssen, und es wäre vorbei gewesen. Sie tat es nicht. Steckte das Schwert stattdessen weg. Fauchte der Frau ein "Téigh!" ins Gesicht, begleitet von einer wegwerfenden Geste. Wiederholte es, bis die Frau aufstand, dankbares Kauderwelsch murmelte, und mit stolpernden Schritten versuchte, davonzueilen. Nur um nach wenigen Metern bereits von einem Pfeil niedergestreckt zu werden. Ein perfekt geschossener Pfeil, der ihr Leiden auf Millisekunden verkürzte. Meabh drehte sich entsetzt zu ihren Männern um- nur um zu sehen, dass zwar nur einer geschossen hatte, aber die Anderen bereits den Pfeil aufgenockt hatten- alle bereit, die junge Frau zu töten. Fassungslos starrte sie die Elfen an, mit denen sie schon so lange Zeit gemeinsam jagte, lebte, kämpfte. Der Elf der geschossen hatte, Alisdair, ein Mann, den sie für einen engen Freund gehalten hatte, schüttelte den Kopf. "Taispeáin iad aon trócaire. Ní gá duit dul." Dann hob er den Bogen. "Díreach mar traitors. Tá brón orm." Dann zog er die Sehne bis unters Kinn- und Meabh rannte los. Um sie herum schlugen Geschosse ein- schlecht gezielt. Und sie musste leicht lächeln. Den Schein wahren- auch wenn sie wusste, jeder ihrer Männer hätte sie getötet, wenn er es wirklich versucht hätte. Als sie ihre Erzählung beendet hatte, hatte Meabh Tränen in den Augen. Zum ersten Mal, seit Malcus sie kannte.
Sie hätten sich wohl noch lange so getroffen. Geschichten und Gedanken ausgetauscht, geliebt, gekämpft, die Nähe des Anderen genossen. Aber auch dieses Idyll sollte ein jähes Ende finden. Sie waren gerade wieder im Schuppen zugange, in ihr Liebesspiel vertieft, als zum ersten Mal seit Monaten jemand das Licht durch die Tür fallen sah. Einer der Soldaten, die den Hof patrouillierten, vermutete einen Landstreicher, der sich in der Hütte ein Nachtquartier gesucht hatte. Entschloss sich, genauer nachzusehen- und was er dort sah, ließ ihn seine Stangenaxt fallen lassen. Der junge Herr, gerade wieder mit rehabilitiertem Ruf- zugange mit einem Spitzohr. Einer Elfe. Dem Feind. Seit Generationen rang man mit den Elfen um jeden Hektar ihres kostbaren Waldes- und jetzt verging sich sein Herr mit einer der Ihren? Hastig hob er seine Waffe wieder auf- er musste das melden. Und auch die Rufe Malcus, der versuchte, den Wächter aufzuhalten, brachten ihn nicht dazu auch nur innezuhalten. Malcus blickte seine Geliebte an. Er wusste, sie musste gehen. Dass sie hier nicht sicher war. Also gab er ihr einen letzten Kuss. "Slán a fhágáil, mo chat fiáin." In seinen Augen glänzten Tränen, die er versuchte fortzublinzeln- und auch ihre Augen glänzten feucht. "Rūpēties, mana stiprā lācis." erwiderte sie mit brüchiger Stimme. Er strich ihr über die Wange- und sie legte noch einmal ihre Hand auf seine Brust, ehe sie sich ankleidete, noch einmal zurückblickte- und in die Nacht verschwand. Er sollte sie bis heute nicht wiedersehen- aber das war ihm jetzt noch nicht bewusst. Ihm stand ein schwerer Gang bevor. Er musste sich seinem Vater stellen. Und das, bevor er etwas tat, was er nicht wieder rückgängig machen konnte. Also zog auch er sich an- nur das Nötigste, dass er präsentabel war. Ließ Schwert und Rüstung zurück- und marschierte den nächtlichen Weg entlang. Er traf auf seinem Gang nicht eine Seele, die um diese Zeit noch auf war. Wanderte durch verlassene Gänge. Und stand schließlich vor den Gemächern seines Vaters. Seit Monaten hatte er sie nicht betreten, ihn nicht gesehen- Malcus frühstückte vor ihm, damit er seine Übungen schaffte, und aß am Abend nur einen Happen am Übungsplatz, um nicht zu lange Zeit zu verschwenden. Sein Wiedersehen hatte er sich anders vorgestellt. Versöhnlicher. Und nicht mit dem größten Affront garniert, der in der Familie geschehen war, seit sein Uhrahn in den Kleidern seiner Tochter ertappt worden war. Zögerlich klopfte er. Wartete auf das Signal zum Eintreten, mit klopfendem Herzen- und einem unguten Gefühl im Bauch.
Keine Antwort. Kein gelangweilt-patziger Befehl, einzutreten. War sein Vater etwa doch nicht mehr auf gewesen? Bestand noch die Chance, seinen Fehler wieder gut zu machen- und wenn er dafür seinen Kodex brechen musste? Er kannte den Soldaten. Wusste, wen er bestechen musste, um sich von seinen Sünden frei zu kaufen. Wenn er denn bestechlich war. Oder überhaupt, wenn er noch nicht bei seinem Vater vorgesprochen hatte. Er drehte sich um. Würde es herausfinden- und lief direkt in zwei der Soldaten, die in der Burg stationiert waren. Männer, mit denen er geübt, gelacht, gefeiert und Geschichten erzählt hatte. Und jetzt standen sie vor ihm, mit gespielt kalter Miene und in voller Rüstung- er merkte dass sie eine Pflicht zu erfüllen hatten, die ihnen nicht gefiel. Die sie beschäftigte. Und leider konnte er auch leicht erahnen, welche Pflicht dies war. Sein Vater wusste bereits, was geschehen war. Aber hatte sich nicht seinen Auftritt verderben lassen- ihm die Wahl des Ortes und der Zeit entrissen. Erneut würde er nach der Pfeife seines Vaters tanzen müssen- und vor Ärger hätte er sich beinahe auf die Zunge gebissen. Einen Moment herrschte angespannte Stille, ehe sich der rechte Soldat doch zum Reden durchrang. Alec. Ein noch junger Soldat, im letzten Winter freiwillig gemeldet- weil sein Vater für ihn keine Arbeit hatte, die sie beide durch den Winter brächte. Starker rechter Arm- aber der Linke mit dem Schild zu langsam. Nur stockend kamen die Worte hervor. "Junger Herr Rancorn..." Malcus Brust durchfuhr ein Stich. Malcus. Er hatte ihn schon seit sehr langer Zeit Malcus nennen dürfen. "Wir haben Anweisung, Euch auf dem Weg zu Eurem hohen Herrn Vater zu begleiten. Bitte begleitet uns, junger Herr. " Förmliche Worte- unterstrichen von ihren Händen auf den Langschwertern an ihrer Seite. Und doch lag ein Schmerz in ihren Augen, das Leid des Soldaten, der seinen Freund zur Schlachtbank führt. Resigniert hob der Kavallerist die Arme. Reihe sich bei ihnen ein- trug er doch sowieso keine Waffe, und wollte er seine Freunde nicht verletzen, um keinen Preis. Es war sein Fehler gewesen, mit Meabh zu schlafen. Mit ihr eine Bindung einzugehen. Nicht der Fehler der Soldaten. Also würde es sein Preis sein, den er bezahlen musste. Vermutlich nicht einmal ein hoher Preis. Noch immer war er der Erbe Rancorns. Und sein Vater hatte zu viel Aufwand betrieben, um ihn dann doch fallen zu lassen. Nein. Es würde ein kleiner Klaps sein- eine symbolische Strafe, mehr nicht. Darin war sich Malcus sicher. Wie sehr er sich doch täuschte, merkte er zu diesem Augenblick noch nicht. Der Weg durch die Gänge der Burg war ein Weg zur Schlachtbank- und in einen Teil, in dem er lange nicht gewesen war. Sein Weg führte ihn zum ersten Mal seit Jahren in den großen Saal, einen riesigen Raum, in dem früher die Bitten des einfachen Volkes angehört worden waren- bis sein Vater das Heizen der riesigen Halle als Unrentabel abtat und sie stattdessen in seinem Arbeitszimmer empfing.
Die beiden Soldaten blieben am Eingang zurück- waren wohl nicht hier, um ihn im Zaum zu halten, sondern nur um seine Ankunft hier "sicherzustellen". So musste er seinen Gang alleine antreten. Über den einst teuren, und nun von Generationen von Bittstellern ausgetretenen Teppich zu dem Podest, auf dem der hohe Stuhl (fast schon ein Thron) stand, in dem sein Vater so ungern saß- unbequem für seinen schmerzenden Rücken, und zu schmal für seine inzwischen ausladenden Fettwülste. Mit jedem Schritt bemerkte Malcus mehr, wie tief er im Dreck steckte. Wie groß sein Problem wirklich war. Seine Schritte hallten in der Halle wieder. Es war kalt. Kälter als es draußen gewesen war. Er fröstelte. Und mit jedem Schritt, mit dem er das Gesicht seines Vaters besser sehen konnte, schien es kälter zu werden. Keine Wut lag in den Zügen. Keine Enttäuschung. Nur kalte, klare Missbilligung. Selbst jetzt schien sein Vater nicht die Empathie aufzubringen, zumindest zornig zu werden, zumindest irgendein Gefühl zu zeigen. Schließlich stand er am Fuße der Treppe, hatte den Weg hinter sich gebracht- schweigend. Ebenso wie ihm kaltes Schweigen entgegen geschlagen war. Einen Moment zögerte er was zu tun war, wie er reagieren sollte- aber dieser Raum forderte Förmlichkeit von ihm. So kniete er am Fuße des Podestes nieder, wie ein Bittsteller, senkte den Blick. Wagte es nicht in die Augen seines Vaters zu sehen, der auf ihn herabsah- Tirānija, die Erbklinge des Hauses, die von Generation zu Generation in seiner Familie weitergegeben wurde, auf den Knien. Das Schwert war ein Symbol ihrer Macht- und der Rechtsprechung des Fürsten, war das Bastardschwert doch schon mehr als einmal als Richtschwert zum Einsatz gekommen. Malcus Furcht verstärkte sich. Er blickte auf, vorsichtig, linste in Richtung des alten Herrn. "Vater, ich..." Mit einer knappen Geste wurde ihm das Wort abgeschnitten. "Malcus Rancorn. Ihr wurdet bei der Inzucht mit einer Elfe beobachtet. Ihr wurdet beobachtet, wie Ihr euch mit dem Feind verbündet habt. Ihr wurdet beim Hochverrat beobachtet. Was auch immer Ihr mir zu sagen habt, es wird warten, bis ich Euch das Wort erteile." Seine Stimme war immer noch kalt. Schneidend. Emotionslos. "Die Strafe für Hochverrat lautet normalerweise Tod. Eigentlich müsste ich Euch im Morgengrauen zum Richtplatz führen." Malcus wollte etwas sagen. Sich verteidigen. Doch erneut genügte eine knappe Handbewegung, ihn zum Schweigen zu bringen. "Aber Ihr wart bis heute mein Sohn. Und ich will Euch trotz eurer Schwächen nicht sterben sehen. Ich verurteile Euch zur Verbannung: Ihr seid ab Heute in meinem Haus nicht mehr gelitten. Ihr seid nicht länger mein Sohn, Daehlia wird Euren Platz in Eurer Erbfolge einnehmen. Ihr werdet genug Verpflegung erhalten, dass Ihr bis zur Grenze kommt. Aber zuvor..." Sein Vater richtete sich noch ein Wenig mehr auf. "Werdet Ihr mir den Namen Eurer Elfenmetze nennen, auf das sie verurteilt werden wird. Und Ihr werdet ihren Aufenthaltsort nennen, damit diese Gefahr für das brandobische Königreich gefasst und seinem gerechten Schicksal zugeführt werden kann. Ihr dürft mir nun danken, Malcus."
Malcus stockte der Atem. Seine Verbannung traf ihn in diesem Moment kaum. Schien wie ein unwichtiges Detail in einer viel beunruhigenderen Szene. Seine Meabh verraten, ans Messer liefern? Angst loderte in ihm auf- Angst, dass ihr etwas geschehen könnte. Und Wut. Kalte, schmerzhafte Wut. Er würde sie beschützen. Irgendwie. Sie vor dem Zugriff seines Vaters behüten-koste es was es wolle. Er erhob sich. Hob den Kopf, das Kinn trotzig nach Oben gereckt, die Augen funkelnd vor Entschlossenheit. "Ich danke Euch, Fürst von Rancorn, für Euer mildes Urteil. Dafür, dass Ihr Gnade vor Recht ergehen lasst. Ich werde Eure Verbannung annehmen, und ich werde gehen, so dass Ihr mich nie wieder sehen müsst. Aber ich werde Euch meine Begleiterin ganz sicher nicht ausliefern..." Einen Moment lieferte er sich ein Blickduell mit seinem Vater- wie er es schon dutzende Male gegen ihr verloren hatte. Dieses Mal nicht. "...Vater." Der alte Mann blickte zur Seite. Nickte geistesabwesend mit dem Kopf, blickte in die Ferne. "Dann bleibt mir keine Wahl. Malcus Rancorn, in Gegenwart der Götter, mit dem Segen Vrilnans, und durch meinen Eid auf Fornorn, bleibt mir nur eine Wahl. Ihr habt euch ein weiteres Mal des Verrates schuldig gemacht. Sohn." Der alte Mann erhob sich ächzend, unter sichtlichen Schmerzen- und mit wenig Eleganz. Trotzdem bot er immer noch ein furchterregendes Bild. Fast zwei Meter hoch, mit kräftigen Muskeln aus seiner Zeit als Kriegsherr- und locker auf das schwere Bastardschwert gestützt, dass er so leicht zu handhaben schien als wäre es kaum schwerer als ein Dolch. "Ich verurteile Euch dazu, im Morgengrauen auf dem Richtplatz vor die Götter zu treten. Malcus Rancorn, ich veruteile Euch hiermit zum Tode durch das Schwert. Ich..." Einen Moment schien fast so etwas wie Bedauern sich in den Blick des Vaters zu mischen- oder Malcus wünschte sich nur, dort Bedauern, und nicht nur eine Nachwirkung des anstrengenden Aufstehens, zu sehen. "Ich werde das Urteil selbst vollstrecken. Schafft mir den Jungen aus den Augen." Dann drehte er sich um, wollte gehen- während Malcus sich zu den beiden Wachen, die nun mit knallenden Stiefeln auf ihn zumarschierten, einen ungläubigen Blick zuwarf. "Vater... du kannst..." Sein Vater drehte sich noch einmal herum. Deutliche Enttäuschung in seinem Blick, die Malcus bis ins Mark traf. "Nenn mich nicht so. Ich habe keinen Sohn. Und das schon sehr lange nicht." Der Prinz erstarrte. Blickte ihn mit offenem Munde an. Das konnte alles nicht real sein. Als ihn die Beiden erreichten, stand er immer noch da. Starrte die Tür, durch die sein Vater verschwunden war, an. Blickte dann die beiden Soldaten neben sich an. Starrte wieder auf die Tür. Fast sanft zog Alec ihn am Arm. "Komm, junger Herr. Wir bringen dich in deine Zelle. Und... wir bleiben bei dir. Als deine Freunde. Nicht als deine Bewacher." Er versuchte ein Lächeln. Es scheiterte. Aber zumindest brachten seine Worte Malcus wieder zu vernunft. Er erwiederte das Lächeln ebenso schief. "Danke... aber... nein. Es tut mir leid, Alec." Und noch bevor dieser verstand was hier los war, landete Malcus Knie in seinen emfindlichen Teilen- und die freiwerdende Faust, als Alec zusammesackte, im Gesicht des anderen Soldaten.
Malcus rannte. So sehr er auch geschworen hatte, Brandobia mit seinem Leben zu verteidigen- dass hier schien ihm nicht der Ort, um zu sterben. Ziellos nahm er die nächste Tür. Folgte den Stufen nach Oben, hinter sich schon die Schritte der beiden Soldaten, sowie ihre halblauten Flüche. Rasch schlüpfte er durch eine dicke, verstärkte Eichentür, legte den Riegel vor, um die Beiden aufzuhalten- und nahm sich erst jetzt die Zeit, herauszufinden wo er überhaupt war. Er war in der alten Rüstkammer gelandet. An jenem Ort, an dem die Oberhäupter seiner Familie sich in vergangenen Jahren gerüstet hatten, ehe sie in die Schlacht zogen. Und auch heute beherbergte sie noch das Rüstzeug des Patriarchen. Zwar war der Platz, an dem Tirānija für gewöhnlich hing leer- aber die anderen Waffen lagen noch dort, wo sie sein Vater vor einem Jahrzehnt das letzte Mal abgelegt hatte- ehe er zu fett geworden war, die Rüstung anzulegen. Malcus kam sie gerade recht. Sanft strich er über den matten, alten Stahl des Brustpanzers. Verharrte noch einen Augenblick in andächtiger Stille, ehe er begann, sie anzulegen- an der Tür war schon das Klopfen von Äxten zu hören, und auch wenn sie lange brauchen würden um hier hereinzukommen, so wollte er bereit sein. Die Tür, durch die er gekommen war, war die einzige Tür. Schließlich hatte er es geschafft, die Panzerung anzulegen, die erstaunlich gut passte- fast, als wäre sie für ihn geschmiedet worden. Er streifte die Panzerhandschuhe über. Gürtete zuletzt Schwert und Dolch- wie er hatte auch sein Vater das Gewicht eines Breitschwertes bevorzugt, wenn er in den Kampf zog. Offenbar hatten sie doch einmal mehr gemeinsam gehabt als Malcus gedacht hatte. Erneut biss ein Stich des Wehmuts in seine Brust, ehe er einen Schritt zur Tür machte. Sich für einen Augenblick auf den Kerzenhalter an der Wand lehnte- und erstaunt zurücksprang, als dieser nachgab, einen verborgenen Durchgang freigab. Natürlich. Selbstverständlich gab es in die Rüstkammer einen Geheimgang- auch wenn sie ihn lange schon vergessen hatte. Dieser Geheimgang war nun sein Ausweg. Hastig quetschte er sich hinein, schob die Vertäfelung wieder in Position, rannte durch alte Spinnenweben in die erhoffte Freiheit- und landete im Schlafgemach seines Vaters. Einen Sekundenbruchteil stand er einfach nur da, die Hand am Schwert, vermutete fast, seinem Vater im nächsten Moment entgegen treten zu müssen. Aber das Schlafzimmer war leer und verlassen. Keine Wachen, kein Fürst, nichts. Nur zögernd nahm er die Hand von der Klinge. Blickte sich in dem Raum um- schritt langsam zur Tür. Von hier aus wäre es nicht weit zum Stall, wo ein gutes Pferd und ein freier Weg bis hinab ins Tal auf ihn wartete- wenn er schnell genug war wäre das Einlasstor wohl noch offen. Aber er hatte keine Zeit zu verlieren. Mit einem Ruck stieß er die Tür auf, bereit sich den Weg freizukämpfen. Aber das Einzige was er vernahm waren ferne Rufe und Schritte. Sie suchten ihn- aber sie suchten ihn nicht hier. Heute war sein Glückstag. Wenn man diesen Tag so nennen konnte.
Er hätte es fast geschafft. War schon durch den Verbindungsgang in das Stallgebäude gekommen, hatte schon den Geruch von Pferden und das unruhige Wiehern der Tiere in den Ohren. Aber sein Glück endete. Denn so kalt und unnahbar er auch sein mochte, so sehr er den Anschein erweckte, sein Sohn kümmere ihn nicht- der alte Herr war nicht dumm. Er wusste, wohin es einen gestandenen Kavalleristen immer ziehen würde, wenn er auf der Flucht war- zu den Pferden. Zu seinem Pferd, um genau zu sein. Also wartete er dort schon auf ihn. Lehnte an der Box, Tirānija in seiner Scheide neben sich lehnend. "Du hältst dich immer noch für schlau. Ich habe dich einstmals auch für klug gehalten. Für einen würdigen Nachfolger. Aber der Militärdienst scheint dich... untauglich gemacht zu haben." Er pausierte einen Moment. Schüttelte enttäuscht den Kopf. "Unnütz. Nun gut, du willst kein öffentliches Spektakel. Dann erspare ich dir deine eigene Hinrichtung." Er griff nach dem Schwert neben sich- zog es zu Malcus Entsetzen aus der Scheide. Immer noch wollte er nicht wahrhaben, dass sein eigener Vater ihn Tot sehen wollte. "Du trägst eine schöne Rüstung. Kommt mir so bekannt vor. Vielleicht weil es meine ist. Ich werde dich nicht auffordern sie auszuziehen. Ich nehme sie mir einfach wenn ich dich aus meinem Stammbaum getilgt habe- Elfdraugs." Malcus hatte kaum genug Zeit, seine eigene Klinge aus der Scheide zu ziehen, als er sich schon gegen den kalten, blauschwarzen Schimmer des antiken Schwertes wehren musste. Sein Vater war schon lange nicht mehr auf der Höhe seiner Kraft. Alt, fett und aus der Übung. Und dennoch fiel es Malcus schwer die wuchtigen Hiebe der Klinge abzuwehren- hinter jedem Hieb steckte eine Kraft, die einen jungen Baum ohne Probleme gefällt hätte. Dazu kam, dass er seinen Vater nicht verletzen wollte. Und so blutete Malcus schon bald aus einem Dutzend Wunden, während seine eigene Klinge noch nicht einmal ihr Ziel gefunden hatte. Er würde verlieren wenn er nicht angreifen würde- aber er konnte es nicht. Er konnte trotz allem seinen eigenen Vater nicht töten. Wieder biss der Stahl in seinen Arm, brachte ihn dazu, vor Schmerz das Schwert beinahe fallen zu lassen. Er wusste nicht ob er überhaupt in der Lage wäre ihn zu töten wenn er es versuchte- die Verletzungen waren flach, aber schmerzhaft. Er machte sich bereit, zu sterben. Doch eine Stimme unterbrach seine düsteren Gedanken. Ein durchdringendes "Nein!" schallte durch die Stallungen. Daehlia. Mit ihr hatte er nicht gerechnet. Sie in letzter Zeit sowieso kaum gesehen. Aber sie war es nun, die ihrer beider Vater in den Arm fiel. Ihn davon abhielt, Malcus den Rest zu geben. Sie rangen miteinander. Zischten sich Dinge zu, die er nicht verstand, stritten wohl über ihn, während die Rangelei heftiger wurde- und dann plötzlich erstarb. Einen Moment lang herrschte Stille in dem Raum. Bewegte sich keiner. Dann brach Daehlia in die Knie. Blickte verwundert auf den roten Fleck, der sich auf ihrem Kleid ausbreitete. Auf das Blut an der Klinge ihres Vaters.
Die Stille dehnte sich in die Unendlichkeit. Ein Dutzend Gefühle tobte wie eine riesige Schlacht in seinem Verstand- Gefühle der Wut, des Hasses, der Trauer, der Panik. Schließlich machte es Klick. Schaltete sich sein Verstand ab, übernahm der Instinkt. Er ließ seinen Vater dort stehen, sprang aus dem Lauf heraus auf den Rücken von Ereípio- und mit jedem anderen Tier hätte er wohl den Ritt nicht überstanden, ohne Sattel, ohne Zaumzeug. Aber der Rücken dieses Pferdes war mehr Zuhause für ihn als es die Burg je hätte werden können. Er gab dem Pferd keine Richtung vor, ließ es einfach laufen, während er selbst wie betäubt versuchte das Geschehene zu verarbeiten- den Fakt, dass er nun vor Allem eines war. Völlig alleine. Seine Freunde sahen ihn als Verräter an, seine Liebe war fort, seine Schwester von ihrem eigenen Vater ermordet. Er war ein Flüchtling- ein Ausgestossener. Und er hatte nichts als eine Hand voll Goldmünzen, sein Tier und seine Waffen. Sich in voller Rüstung in den nächsten Fluss zu stürzen schien wie eine vielversprechende Option. Aber selbst dafür fehlte der Elan. Nur langsam kam er wieder zu sich, in einem kleinen Dorf, wo er bereits neugierig beäugt wurde. Seine letzten Münzen gingen für etwas zu Essen für sich und sein Pferd, und eine einfache Reitausstattung drauf. Er war im Eimer. Steckte so tief im Kot, dass er bald darin ertrinken würde. Er wusste nicht einmal, wo er war. Leise wandte er sich an den Wirt. "Piedod man, mans kungs, bet jums ir labestību man pateikt, kur es esmu šeit? Man šķiet, ir zaudējuši savu ceļu." Der Mann schaute ihn verständnislos an. Malcus wiederholte seine Frage in der Händlerzunge, in der Hoffnung, dass der Mann zumindest diese Verstand. Aber erneut erhielt er nur fragendes Kopfschütteln. Mehr aus einem Impuls als aus wirklicher Überzeugung fragte er ein zweites Mal nach, dieses Mal in etwas gebrochenem Festlandbrandobisch. Und tatsächlich konnte ihm der Mann beschreiben wo er war. Fast hätte Malcus gelacht. Korak. Sein treues Tier hatte ihn bis über die Berge getragen. Nach Korak. In ein anderes Königreich. In ein Königreich, wo er aus dem Griff seines Vaters wohl entkommen war. Frei war? Zu welchem Preis diese Freiheit kam. Hätte er es sich leisten können, er hätte auf die Ironie getrunken. Aber so blieb ihm nichts als wie ein Schwachsinniger leise vor sich hin zu glucksen.
Immer noch war sein Verstand nicht auf voller Höhe- aber ihm blieb nichts anderes, als wieder auf die Beine zu kommen. Er hatte ein Schwert, ein Pferd, und Kampferfahrung. Also nutzte er diese Talente, um sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Er schloß sich Söldnergruppen an. Verließ sie wieder, überlebte sie auch einmal als Letzter, als sie in einen Kampf gegen die Korgi gerieten. Fast drei Jahre kämpfte er für nicht mehr als das schnöde Gold- Ehre bedeutete ihm nichts. Treue bedeutete ihm nichts- wer ihn bezahlte, dem war er treu. Wer ihm mehr bezahlte, dem war er treuer. Er tat Dinge, für die er sich früher geschämt hatte- nahm Geld von Kindern, Waisen, Frauen, Witwen. Hauptsache das Geld stimmte. Und zynischerweise stimmte es sogar sehr- verdiente er mit seinen Talenten besser, als er es in einer regulären Truppe je gekonnt hätte. Und doch war er immer wieder allein. Verließ er ein Fähnlein, sobald es auch nur andeutete, in nächster Zeit vielleicht zurück zu ihren Familien zu wollen- er hatte keine Zeit für solche Spielereien. Für ihn zählten zwei Lieder. Das Singen der Schwerter und das Klingen der Münze. Das Lied seines Herzens schien verstummt. Und so war er auch allein, als er vor einigen Jahren in einen Sturm geriet. Der Himmel verdunkelte sich binnen weniger Stunden so heftig, dass er einen Unterschlupf suchen musste, sich in eine Höhle floh und dort eine Flasche Wein köpfte. Eigentlich hatte er nur vor, den Sturm hier abzuwarten. Aber dann bemerkte er, dass er nicht allein war. Dass in einer Ecke der Höhle wohl noch ein weiterer Reisender gestrandet war- dem es nicht wirklich gut zu gehen schien. Vorsichtig näherte sich Malcus. Blickte den Mann an. Ein Soldat, das Wappen unter dem Blut und dem Dreck, die ihn bedeckten, nicht mehr zu erkennen- in seiner Flanke ein abgebrochener Kargi- Wurfspeer. Seine Lippen formten Worte, tonlos, zu schwach, als dass Malcus sie noch verstehen konnte. Dieser Mann war tot. Er hatte nur noch keinen Frieden gefunden. Der Boden um ihn herum klebte vor Blut- selbst wenn Malcus etwas für ihn hätte tun können, wäre es zu spät gewesen. Also tat er das Einzige, was er für ihn tun konnte. Zeigte auf sein Schwert- was der Verwundete mit einem schwachen Nicken quittierte. Der Söldner stieß ihm die Klinge ins Herz. Erlöste ihn. Dann begann er dessen Habseligkeiten zu plündern. Allerlei Wertgegenstände, alt wie neu, davon nicht wenige mit Kampfspuren. Offenbar hatte der Kerl alles geplündert, was er in die Finger bekommen hatte- oder war ein Straßenräuber gewesen. Das Meiste seiner Besitztümer war Plunder. Wertloser Müll. Dann aber fiel Malcus etwas ins Auge: Ein Brief mit erbrochenem Siegel. Stirnrunzelnd besah sich Malcus das Schriftstück. Nichts darin ergab einen Sinn, ein seltsames Kauderwelsch- einzig den Adressaten konnte er entziffern. Vom torkelnden Löwen an den halbblinden Habicht... Malcus sagte das nichts. Aber er steckte den Brief trotzdem ein. Vielleicht würde der Empfänger ja ein paar Münzen springen lassen, wenn er ihm den Brief doch noch brachte. In dieser Nacht trank Malcus noch einmal auf den Toten, legte ihm dessen Dolch auf die Brust, und sprach ein paar Worte für ihn- ehe er am nächsten Tag weiterritt.
Eine Zeit lang suchte er den Empfänger des Briefes- aber die "Spitznamen" schienen niemandem etwas zu sagen. Und so vergaß er den Brief irgendwann. Verstaute ihn in der untersten Ecke seiner Satteltaschen, hob ihn nur für den Fall auf, dass er doch noch irgendwann den Empfänger treffen würde. Er schlug sich wieder als angeheuerte Klinge durch. Jahre vergingen. Herren und Fähnlein gingen, und er wäre wohl für Immer von Herr zu Herr getingelt. Ein Auftraggeber sollte aber sein Leben erneut verändern. Auf den ersten Blick wirkte es wie eine normale Karawaneneskorte. Ein Mann namens Jaresh Dorguln suchte Söldner, die eine seiner Karawanen bewachten- und stellte nicht nur eine großzügige Entlohnung, sondern sogar eine Festanstellung in Aussicht. Malcus meldete sich, unter falschem Namen, wie immer- und zunächst schien alles wie immer abzulaufen. Während sie gemeinsam reisten, beobachtete Malcus seinen Auftraggeber. Und war verblüfft. Im Gegensatz zu seinen bisherigen Herren schien dem Bürgermeister das Wohl seiner Söldner nicht egal zu sein. Wann auch immer es ein Problem gab- er schien eine Lösung zu kennen. Er war freundlich. Anständig. Ein wirklich guter Mensch. Und er erinnerte Malcus daran, dass er das auch einmal werden wollte. Eigentlich hatte er irgendwann gehofft, so zu werden wie Jaresh. Und er begann sich zu fragen, warum er dieses Ziel aus den Augen verloren hatte. Dachte eigentlich bei diesen Überlegungen wieder auf sich allein gestellt zu sein. Selbst diese Unruhe, die Malcus befallen hatte war dem Karawanenführer aufgefallen- und einen langen Abend lang unterhielten die Beiden sich. Gab Malcus zum ersten Mal alles preis, was er bisher für sich behalten hatte- was er erlebt hatte. Und Jaresh zeigte etwas, dass er nicht kannte. Jaresh verstand ihn. Tröstete ihn. Und in diesem Moment entschloss sich Malcus bei diesem Mann zu bleiben. Die nächsten Jahre begleitete der Kavallerist jede Karawane des El'Gakelers- bis zu dem Tag, an dem Jaresh das Karawanengeschäft entgültig an den Nagel hängte. Malcus unter Tränen sich eine neue Anstellung suchen musste- und in die Ferne ritt, mit dem Versprechen, regelmäßig wiederzukehren. Und das tat er. So auch an jenem Abend, an dem sich der Todestag von Jareshs Frau erneut jährte. Sie tranken auf jene, die sie verloren hatten- und sein einstiger Soldherr berichtete von seinen Tagen an der Akademie von Bet Rogala, von seiner wilden Jugend- und von einem alten Freund, mit dem er damals nur Dummfug trieb. Mit dem er sich sogar ein Spaß daraus machte, sich möglichst blöde Spitznamen zu geben- er war der "halbblinde Habicht", sein Freund der "torkelnde Löwen". In diesem Moment war Malcus zu betrunken um zu merken, dass er ein Rätsel, dass ihn schon so lange beschäftigte, gerade gelöst hatte...
Erst ein Jahr später sollte er darauf kommen. Er räumte gerade seine Satteltaschen aus, wollte sich um ein Loch darin kümmern, als ihm wieder der lang vergessene Brief in die Hände fiel. Mit einem Lächeln rollte er ihn noch einmal auf. Und wie Schuppen fiel es ihm von den Augen. Halbblinder Habicht. Torkelnder Löwe. Der Brief war für Jaresh. Für seinen alten Freund. Sofort schwang sich Malcus auf den Rücken seines treuen Streitross. Vergaß für den Moment das Loch in der Tasche- und mit Vorfreude auf das Wiedersehen (und auf den großartigen Wein, den der Weinkeller immer noch hergab- ein guter Tropfen aus P'Bapar) machte er sich auf den Weg nach Ek'Gakel. Er hatte die Landesgrenze schon überquert. War nur noch wenig von Dorwida entfernt, als er einen viel zu vertrauten Gesang vernahm. Den Gesang von Schwertern, die auf Fleisch trafen. In diesem Gebiet ein eher ungewöhliches Lied- so dass er sich die Quelle ansehen musste. Seine Intuition hatte ihn nicht getrügt. Auf der Straße, die er erreichte, war gerade eine Karawane in einen aussichtslosen Kampf gegen einen Haufen Halsabschneider verstrickt. Von den Söldnern, die die Karawane schützen sollten, lagen schon mehrere in ihrem eigenen Blut- und die Anderen waren gnadenlos in der Unterzahl. Er musste helfen- schon allein deshalb, weil er oft genug selbst in der Lage der armen Schweine dort unten gewesen war. Mit erhobenem Schwert und donnernden Hufen stürmte er ins Gefecht. Erledigte den ersten Banditen unter den Hufen des Streitrosses, während die herunterzuckende Klinge den zweiten Gegner nicht heftig genug traf, um ihn auszuschalten- sondern ihm nur das Gesicht von der Stirn bis herab zur Oberlippe aufschnitt. Er war mitten im Gefecht- und seine Instinkte übernahmen. Seite an Seite kämpfte er mit den Karawanenwachen- und einen Augenblick lang sah es garnicht so schlecht aus, als diese ihren Mut wiederfanden, ihn tatkräftig unterstützten, die Angreifer zurückzutreiben. Aber das Blatt sollte sich wenden. Ein leises Surren kündigte seinen Niedergang an. Etwas schlug mit der Wucht eines Hammers in seine Seite ein, bohrte sich in sein Fleisch, vorbei an der dicken Stahlplatte seines Harnischs und durch die Kettenringe darunter als wären sie aus billigem Blech. Als Malcus sich zum Angreifer umdrehte, sah er noch ein fieses Grinsen über eine leeren Armbrust. Dann wurde es schwarz, und er fühlte noch wie er auf den Boden aufschlug und es entgültig schwarz wurde. Seine letzten Gedanken waren noch, ob es sich immer so anfühlte wenn man starb.
Leider war er nicht tot. Sondern in schlimmerer Lage.