Robin Brighthide
Ein Vöglein flog einst Nacht...; Runde #1Die Türklinke gab keinerlei Laut von sich, als die maskierte Rächerin den Durchgang einen kleinen Spalt öffnete. Ihr Blick fiel auf ein größeres Zimmer, dessen Wände von Raum-hohen Regalen völlig verdeckt waren. In der linken Ecke stapelten sich duzende Fässer aufeinander; teilweise verschlossen, stellenweise mit blauen Farbflecken bedeckt. Selbiges galt auch für den sonst so weiß-gekachelten Fußboden. Große Pfützen blauer Flüssigkeit benetzten die kalte Oberfläche und sammelten sich am Fuße des Fässerstapels zu einer Meter-großen Lache. Gerade in dem Moment, als sich der dünne Spalt weiter unter der Einwirkung Robins öffnete, blickte sie plötzlich auf die Gestalt des Koboldes, dessen Rücken sie vor kurzem erst, in jener Umkleidekabine versteckt, begutachten konnte. Zu ihrem Pech hatte sich dieser, mit einem großen Fass bepackt, gerade in ihre Richtung gewandt. So leise und verstohlen die Frau auch vorgegangen war; in diesem Augenblick konnte sie den Augen des kleinen Kerls nicht entgehen.
Erschrocken schrie er auf und lies das Fass fallen. Klappernd und krachend prallte dieses auf die Fliesen. Der Deckel sprang auf und ein schwall blauer Farbe ergoss sich über den Boden, während der Kobold laut schrie:
"HEY DA! BEI MUTTER PINT -"Hätte der Kobold unter die Maske sehen können, dann hätte er ein sanftes Lächeln entdeckt. Robin geriet keinesfalls in Panik ob ihrer Entdeckung. Fast hatte sie es herbei gesehnt. Es mochte die Dinge jetzt komplizierter machen, aber am Ende auch... befriedigender.
Kaum hatte der Halunke sie entdeckt, war sie auch schon verschwunden. Ihr Weg führte sie in den Kühlraum, den sie entdeckt hatte. Sie hechtete hinein, schloss die Tür aber nicht ganz - sie ließ sie weit genug offen, damit der Kobold den Weg zu ihr finden würde. Sie hatte eine andere Überraschung für ihr parat.
Kaum in dem Raum angekommen, zog sie das Foto, das sie mitgenommen hatte, aus ihrer Hosentasche, und legte es auf den Boden - weit genug vom Eingang entfernt, dass der Kobold es nicht von draußen würde aufheben können, aber nah genug, dass er beim Hereinkommen erkennen konnte, was das Foto zeigte...
Dann verschwand sie, wie schon in der Umkleidekabine, hinter der Tür.
"- VERFLUCHT! BLEIB STEHEN!"Robin hörte Schritte hinter sich, doch die zum Großteil nach wie vor geschlossene Tür behinderte den Kobold lange genug, sodass die verhüllte Downtown Gentleman ihren Plan in die Tat umsetzen konnte.
Der Kerl versuchte nicht erst, sein Näherkommen vor der Rächerin zu verstecken. Deutlich hörte sie das Scheppern der Türangeln, die wütend aufgerissen wurden und den so vertrauten Klang lederner Sohlen auf kalten, polierten Fliesen. Von ihrer Position aus konnte sie den Kerl zwar nicht mehr sehen... Doch spätestens in dem Moment, als seine Stimme wieder, direkt hinter der Kühlhaustür, in normalem Plauderton ertönte - wusste sie bescheid.
"Hallo? Whatchaluppin?! Putt... Putt... Putt... Wer auch immer du bis' - Putt... Putt... Putt.. Komm heraus, du brauchst dich nicht fürch- nanu?"Die Armbrust im Anschlag, bereitete sich Robin auf ihren Angriff vor. Äußerlich war sie kühl, unbewegt - doch in ihrem Inneren brodelte es. Nicht aus Angst. Sie freute sich auf den Kampf, darauf, Gerechtigkeit auszuüben an diesem überheblichen Bastard, der bereit war, andere umzubringen, um seine eigenen schmutzigen Geschäfte machen zu können.
Ein Vöglein flog einst Nacht...; Runde #2Ein darauf folgender, kurzer Moment des Schweigens trat an die Stelle des schlecht betonten Townie Gebrülls. Das Surren der Kühlmaschine hätte beinahe das Knistern jenes Fotopapieres übertönt. Es schien, als hätte das Bild die Aufmerksamkeit des Mannes tatsächlich nicht verfehlt.
"Na wenn das so ist, dann kommt Onkel Downey einfach zu dir!" Selbstverständlich ging der Mann davon aus, dass sich die verhüllte Downtown Gentleman hinter der Tür befinden musste... Wenn sie sich überhaupt in diesem Raum aufhielt. Kurz schweifte sein Blick über die alten Kühlaggregate und die unzähligen, teilweise flüssigen, stellenweise eingefrorenen Chemikalien, welche säuberlich aufgereiht den Großteil des Bestandes in dem unterkühlten Lagerraum bildeten.
"... Dangid'!" fluchte der Mann.
"Keine Tricks!!"Zwei Schritte waren nötig, bis der Lauf seiner Waffe jenseits der Türe erschien.
Robin spürte, wie das Adrenalin durch ihre Adern schoss. Sie genoss diese Momente. Sie waren das pure Leben. In diesen Momenten des Überlebenskampfes lief ihr Geist auf Hochtouren, während ihr Körper Frieden fand. Nicht den Frieden einer Meditation, eher den Frieden von wirklich gutem Sex, wenn für einen Moment alles perfekt war. Wenn der Körper alles bekam, was er brauchte, und genau wusste, was zu tun war.
Ihr Körper wusste, was zu tun war. Und so gab sie ihren ursprünglichen Plan auf, machte vorsichtig einen kleinen Schritt zurück, und warf sich dann mit aller Wucht gegen die Tür.
Im besten Fall würde der Dreckskerl seine Waffe verlieren und zu Boden gehen. Vielleicht würde sich auch ein Schuss lösen, und er musste erst einmal nachladen. Wie auch immer, die Waage bewegte sich in ihre Richtung - und die Tür mit aller Wucht gegen den langsam erscheinenden Arm!
"BAAAWWWGH!" brüllte der Kobold vor Schmerzen, als der Knauf jener Kühlhaustüre mit voller Wucht gegen seinen linken Arm prallte. Robin hatte so viel ihrer konzentrierten Kraft in die Bewegung gesetzt, dass der kleine Kerl von dem zugeschmetterten Durchgang regelrecht von den Füßen gehoben wurde. Er flog unsanft gegen das an der Wand angrenzende Regal, durchbrach dabei ein, zwei Zwischenböden und sackte schließlich zu Boden. Das Gewehr schlitterte etwas weiter in den Raum hinein und blieb am der Türe entgegengesetzten Ende liegen. Blau-farbene Chemikalien ergossen sich über die krausen Haare des kurzzeitig benommenen Mannes, sammelten sich unter seinen Füßen und verhinderten mit ihrer glitschigen, öligen Konsistenz, dass er sich sofort wieder aufrichten konnte!
Ein Vöglein flog einst Nacht...; Runde #3Robin kümmerte sich nicht weiter um das blaue Zeug. Dafür war später Zeit, und sie war geschickt genug, um darauf nicht auszurutschen. Schnell hob sie ihre Armbrust, und feuerte einen Schuss auf ihren Gegner ab. Sie hoffte auf einen Glückstreffer noch während des Sturzes, doch der Bolzen schlug einen guten Zentimeter neben seinem Kopf in die Wand ein.
Der erschrockene Blick des Bolds öffnete ihr aber die Tore für Plan B.
Mit zwei großen Schritten ging sie auf den am Boden liegenden Schurken zu. Sie beugte sich über ihn, machte sich dabei so groß und breit, wie sie konnte. Eine schwarze Gestalt des Schreckens. Und ihre Stimme tat ihr Übriges. Es war die finstere Stimme des dunklen Rächers, die schon Samuel Seraph gehört hatte.
"Unterwerfe dich, oder ich vernichte zuerst deinen Körper, und dann deine jämmerliche Seele!" Sie kam mit ihrem Gesicht - mit der Maske - noch näher an ihr Opfer heran.
"Du kannst die Dunkelheit nicht besiegen. Tu, was ich von dir verlange, oder dies ist dein Ende!"Mit geweiteten, durch vor Anstrengung geplatzten Äderchen - rot gefärbten Augen starrte der zu Boden gestürzte und entwaffnete Kobold direkt auf die schwarze, unheimliche Maske der verhüllten Downtown Gentleman. Von einem Moment auf den anderen schien er plötzlich am gesamten Körper zu zittern. Tränen bildeten sich an seinen Lidern und sammelten sich an den Rändern hervorsprießender Adern; die blaue Flüssigkeit an seinem Hosenboden vermischte sich zu einem widerlichen, ockergelben Farbton. An den schlechten, gefletschten Zähnen und heraustretenden Sehnen am Hals erkannte Robin ein stummes Stottern - den Ansatz zu einem aus reiner Panik geborenem Schrei - Doch kein Ton verließ seine, von herabtropfenden Chemikalien befleckte Kehle.
Immer wieder wanderten seine Pupillen zu der Waffe, welche am anderen Ende des Kühlraumes auf den Fließen lag. Die Rächerin beobachtete den förmlichen, inneren Konflikt seines Bewusstseins und sah eindeutig, wie ihr Auftreten seinen Willen augenblicklich zerbrochen hatte und der Mann völlig jener Einschüchterung erlag. Weinend, mit hörbar klappernden Zähnen flehte er plötzlich:
"B-b-b-b-bitte töte mich nicht!! B-B-Biitte!" Seine Stimme verwandelte sich zu einem kaum verständlichen, schrillen Piepsen, als er noch hinzufügte :
"Ich tu alles was du willst!!"