Und so machen sich die Gefährten auf den Weg nach Dorwida. Barkas, der Basilio rücklings unter den Armen festgehalten hatte, damit dieser nicht mit dem Kopf auf der Erde aufkommt, wartet ab, bis Manik und Sanjan eine improvisierte Trage herbeigeschafft haben. Dann hilft er dem Fhokki, den Koraker auf den Wagen zu schaffen. Einige Felle sind im Innenraum ausgelegt, so dass der erschöpfte Körper nicht auf den harten Brettern zu liegen kommt. Basilio lässt all dies mit sich geschehen und bleibt ebenso regungslos, wie der bewusstlose Gefangene, den diesmal Sanjan und Manik herbeischaffen und neben ihn legen; der Schamane verzichtet lieber darauf, den Transport dieses Mannes auch Barkas anzuvertrauen.
Tarqetik und Elrynor machen sich derweil ebenso reisefertig und Dewon lehnt Sanjans Angebot ab, die Leiche des Mannes in seine Obhut zu übergeben: "
Nein, mein Junge - aber Danke. Wir machen einen Scheiterhaufen für die Gefallenen, ob nun kopflos oder nicht. Dann ziehen wir weiter."
Man sieht dem kleinwüchsigen Karawanenherren an, dass ihm die neuerliche Verzögerung überhaupt nicht passt, doch Hrothgar nickt bei den Worten des greisen Heilers und so verzichtet Geord auf ein erneutes Wortgefecht. Stattdessen stampft er unzufrieden und voller Wut zu seinem Wagen hinüber und hievt seinen rundlichen Körper auf den selbigen.
Einige Minuten später sind die Gefährten zum Aufbruch bereit. Kirus hat auf der Kutscherbank Platz genommen und die Zügel in der Hand. Hrothgar hat ihn noch einmal eingewiesen, was er zu tun hat. "
Wenn ihr in Dorwida angekommen seid, suchst du die Schänke am Marktplatz auf und fragst nach Jemma, der Halblingsfrau, klar? Sobald du sie triffst, sagst du ihr, dass du zu mir gehörst und dass ich sie bitte, den Wagen bei sich unterzustellen, bis ich ihn auf dem Rückweg abhole? Du selbst kannst bis dahin gerne in ihre Dienste treten oder dich auf den Feldern verdingen, Junge. Und hier - nimm das schon als Vorschuss." Mit diesen Worten hatte Hrothgar dem jungen Dejy eine kleine Lederbörse in die Hand gedrückt. Kirus hatte genickt. "
Ja, Herr." Nun sitzt er auf der Holzbank und bemüht sich seine Nervosität angesichts seines Sitznachbarn zu verbergen. Von allen möglichen Plätzen hat sich Barkas ausgerechnet den neben Kirus ausgesucht; der junge schielt immer wieder unsicher zum Kargi hinüber.
Sanjan nimmt ebenso auf dem Wagen Platz, um sich weiter um die beiden Verletzten im Hinterraum zu kümmern. Und so bleibt Manik, Tarqetik und Elrynor die Aufgabe, rittlings den Wagen zu begleiten und die drei Pferde ihrer Gefährten mitzuführen.
Der Weg ist so ruhig, wie er in Anbetracht der Umstände nur sein kann. Die weiten Felder und kleinen Wäldchen, die die Männer bereits vom Hinweg kennen, streben Ihnen nun wieder in umgekehrter Reihenfolge entgegen. Der Grund - in der Nähe des DuKemp-Moores noch stellenweise eine Herausforderung für die beiden Rappen, die den Wagen ziehen - wird besser und fruchtbarer, je weiter es gen Osten nach Dorwida geht. Doch die erschöpften Männer können diese Annehmlichkeiten der Reise weder erkennen, noch wissen sie diese zu würdigen. Die ausgelaugten, von Schlafmangel und Scharmützeln übermüdeten Körper fordern Tribut. Jeder Stein unter den Wagenrädern, jede Baumwurzel oder Unebenheit im Grund scheint trotz der ausgelegten Felle in den müden Knochen der Wageninsassen widerzuhallen. Und die drei Reiter verfluchen jedes Auf und Ab auf dem Pferderücken; trotz Erfahrung und exzellenter Reiterhosen sind die Oberschenkelmuskeln verkrampft und Schenkel und Waden aufgescheuert. Dazu kommt noch Anspannung und Ungewissheit wegen dem, was vor Ihnen liegt. Elrynor sieht seiner ersten Begegnung mit einer Menschensiedlung entgegen, ebenso Barkas, der immer grüblerischer wird, je weiter sie sich von Kezhdal und dem Elnina-Wald entfernen. Tarqetik verarbeitet noch die Reaktion seiner Gefährten auf das Köpfen der Gegner. Hätte sein Bruder auch so reagiert? Oder hätte er ihm lachend auf die Schulter geklopft? Basilio ist wohl in seiner eigenen Traumwelt gefangen, während Sanjan sich um die beiden Verwundeten sorgt. Und Manik? Von Selbstzweifeln und Sorge um Helga und den Mann, der die Verbindung zu ihr darstellt, zerwühlt, hält er sich auf dem Rücken seines Rappens.
Irgendwann neigt sich die Sonne dem Horizont entgegen. Der Himmel färbst sich von Himmelblau zu ungewohntem Lapislazuli; die Sonnenscheibe verdunkelt sich von Gelb zu einem orangenen Feuerball mit roter Korona. Barkas schaut sich das Schauspiel mit zusammengefurchten Brauen an. "
Ein blutger Himmel", sagt er. "
Die Alten sagen, das wäre ein schlechtes Omen."
Dann - irgendwann - schlafen die Wageninsassen ein. Irgendwann wechseln Reiter und Insassen und Kutscher, so dass jeder der Männer unruhige Gedanken gegen unruhige Träume und eine Prise Schlaf tauschen kann.
[1] Kurze Mahlzeiten werden auf dem Wagen und zu Pferd eingenommen, als es dann am frühen Morgen zu dämmern beginnt - irgendwann.
In der Ferne ist bereits der blaue Strom zu erkennen, der Dorwida in zwei Häften teilt. Nicht mehr lange, und die Häuser des Dorfes treten als braune und schwarze Klackse auf der Asche und dem Grün des Szenerie in Erscheinung. Ihnen voraus liegt der vertrauete, golden-grüne Flickenteppich von Weizenfeldern und Weideland mit den Landgütern in der Umgebung.
Barkas schüttelt den Kopf. "
Also so sieht es aus, wenn man gutes Land im Überfluss hat zum Bestellen und es auch nutzen darf." Er schnaubt. "
Ein Bruchteil dieser Weite würde reichen, um ganz Kezhdal zu versorgen, und wir könnten noch Handel treiben."
Plötzlich hört sich der Kargi gar nicht mehr so wild an, wie noch am Vortag. Nur müde - und enttäuscht. Als ob er das Thema wechseln wolle, sagt er plötzlich: "
Ich glaube, ich weiß, wer der Anführer der Bande war." Er hält kurz inne und fährt fort. "
Als wir - mein Trupp mit Desto - an unserer Grenze angegriffen wurden, war der Anführer des Trupps ein hochgewachsener Mensch. Kahl mit einer Augenklappe. Sie haben geschrieen. Der Anführer der Wegelagerer war genauso gebaut. Und ich glaube, es war die gleiche Stimme. Ich denke, es war dieselbe Bande."
Kirus, der junge Dejy, der so lange geschwiegen hatte, nickt plötzlich. "
Ja - da hast du recht", sagt er mit unsicherer Stimme. Als er die fragenden Blicke der Männer um sich herum sieht, versucht er ein Lächeln, das aber kläglich in sich zusammenfällt. "
Ich war eine Zeit lang Knappe beim Offizierskorps von Ek'Gakel. Es gab einen Offizier - Edmond Sildan. Er war genauso, wie du ihn beschrieben hast. Groß, kahl, mit Augenklappe. Und grausam. Er hat viel geschrieen. Er hat mich oft angeschrieen. Ich erkenne sein Schreien überall, auch nach drei Jahren. Und das auf dem Schlachtfeld muss er gewesen sein - ich war wie gelähmt vor Angst, als ich die Stimme hörte."