Es dauert nicht lange und
Tarqetik findet sich dort wieder, wo ihr ganzes Abenteuer seinen Lauf aufgenommen hatte - auf einem Schemel an der Theke des
Roten Mustangs wieder. Der dickliche Mann hinter dem Tresen lächelt den Krieger an - und diesem fällt plötzlich der Name des Wirts wieder ein, Neidur; seltsam, wie manche Nebensächlichkeit im Gedächtnis hängen bleiben.
Das Licht in der Schänke ist fahl und flackernd, es speist sich aus mehreren Kerzen auf den Tischen des Raumes, zwei Öllampen und dem spärlichen Rest an Sonnenstrahlen, der sich durch die Fensterbretter kämpft. Einige der Tische sind besetzt, die meisten Besucher unterhalten sich leise. An einem ist es lauter; es wird geflucht. "
Ach - sollen die Dämonen Anis holen! Wie konnte er dieses Monster freilassen. Unsere vorfahren wussten schon, warum man die Kargi besser tief in die Wüste jagd."
"
Ja!", "
Genau!" - viel Zuspruch und wenig Reflexion; ein typisches Stammtischgespräch, dass sich da zu entspinnen beginnt.
Tarqetik hat beim Zuhören eben seine Bestellung an den Wirt weitergegeben, da lenkt ein kehliges Prusten einige Schemel links von ihm seine Aufmerksamkeit eine schmächtige und wettergegerbte Gestalt. Der Mann ist dürr und sehnig, die Haut spannt sich wie Leder über Hals und Schädel. Eine Hackennase und tiefe Augen wecken Erinnerungen an seine Überfahrt aus Brandobia in die Jungen Königreiche - sie hatten damals zwar nur den äußersten Norden der Elos-Wüste gesehen, doch die Wüstennomaden waren auch dort zugegen und der Typus war unverkennbar. Die Augen - tiefliegend und schwarz wie dunkle Seen - zeugten von einer gewissen Schläue. Oder doch Gerissenheit? Schmale Brauen und ein ebensolcher Schnauzbart zogen schwarzen Strichen gleich über das Gesicht.
Als der Mann Tarqetiks Blick bemerkte, lächelte er und entblößte schadhafte Zähne, dann hob er entschuldigend die Hand. "
Tut mir Leid, Kämpfer", sagte er. "
Ich musste lachen bei den Worten der Leute da. Reden von Kargi, als ob sie je mal gegen einen gekämpft hätten. Die würden sich doch einpissen und einscheißen, wenn sie mal Mann gegen Mann gegen einen von denen ranmüssten."
Der Nomade richtete seinen Blick auf den halbleeren Humpen helles Bier in seiner Hand. "
Das ist bei meinen Leuten anders. Ich hab' selber gegen welche gekämpft. Und ich habe lange Zeit welche trainiert - für die Zinasthra."
Der Name schlägt bei Tarqetik ein wie eine schmerzhafte, heiße Nadel. Er hat dort nie gekämpft, aber er war Gladiator. Viele Jahre. Und jeder Gladiator in den jungen Königreichen kennt die Arena der Wüstenstadt Prompeldia. Dort werden die blutigsten und hässlichsten Spiele der ganzen Region ausgerichtet. Und viele sagen auch, die von ganz Tellene. Wenn dieser Mann nicht lügt, dann gehört er zu einer Gladiatorenschule. oder er gehörte ihr zumindest an. Tarqetiks Vergangenheit schien einen knochigen Arm in die Gegenwart zu strecken zu wollen.
* * *
Barkas nickt
Sanjan zu, als dieser ihn auf sein Pferd anspricht. "
Das mache ich, Saserdote", sagt er. "
Wir sehen uns dort."
Dann ist Sanjan auch schon raus aus dem stickigen Zimmer und wenige Augenblicke später auch aus dem Rathaus selbst. Kirus folgt ihm und nickt ihm bei seinem Angebot zu. Der Schamane schaut auf den Platz, der sich merklich geleert und erkennt wie insgeheim erwartet im Schatten eines der Häuser Jaresh und Jemma. Beide begrüßen gerade
Manik, der sich wohl einige Lidschläge früher, aber mit gleichem ziel nach draußen begeben hatte; Sanjan und Kirus gesellen sich ebenfalls dazu.
"
Schön, euch zu sehen!", ruft Jaresh aus. Dann schaut der ergraute Mann zu Sanjan und seine Gesichtszüge werden noch ein wenig weicher. "
Besonders dich, Sanjan. Wir kennen uns schon länger. Als ich wusste, dass auch du dabei bist, hatte ich mehr zuversicht."
"
Du wirst sentimental, alter Mann", wirft Jemma neckend ein. "
Ich habe doch gesagt, dass sie es schaffen."
Jaresh gibt einen kehligen Lacher von sich. "
Ha! Du hast gesagt, ich würde mich an einen Strohhalm klammern, der zu Hälfte trockenbrüchig und zur Hälfte verfault sei."
"
Sowas hätte ich niemals gesagt - ich kenne mich in der Landwirtschaft überhaupt nicht aus."
"
Sinngemäß."
"
Ich wollte nicht zu optimistisch klingen." Beide lächeln, dann fügt der Halbling mit einem gewinnenden und absichtlich übertriebenem Lächeln hinzu: "
Aber ich habe natürlich immer an euch geglaubt."
Jaresh winkt ab. "
Wir wollen wieder ernster werden. Ihr habt viel erreicht und dafür gebührt euch der Dank von ganz Dorwida. Ich war im Saal und habe die Ausführungen eures Kameraden zur Reise mit angehört. Aber sagt - hättet ihr Zeit, heute mit auf meinen Hof zu kommen und mir genauer von Gul Hulad und anderen einzelheiten zu erzählen. Ich würde euch gerne auch ausbezahlen - euren gerechten Lohn. Auch wenn ihr morgen wieder ziehen müsst, wenn ich es richtig verstanden habe. Und natürlich sind auch all eure Gefährten eingeladen, wenn sie wollen."
* * *
"Ich brauche keinen Hass. Und den Krieg auch nicht!"[1], platzt es aus Barkas heraus, als
Basilio seine letzten Worte spricht.
Desto legt ihm die Hand auf die Schulter und der
Hirogul beruhigt sich wieder ein wenig. "
Du sprichst wahre Worte, Basilio. Und ich für meinen Teil habe auch eine Ehrenschuld vor der Merovina der Elfen. Sie hat mich gehen lassen und das werde ich nicht vergessen. Ich werde mich für neue Gespräche mit den Elfen aussprechen." Basilio erinnert sich an den Begriff -
Merovina stand in der Sprache der Kargi für "edle Tochter" - eine exakte Entsprechung für 'Prinzessin' hatten sie in ihrer streng patriarchalischen Kultur nicht. "
Aber ich bin nur einer. Und selbst wenn mein Bruder es genauso sieht - unser Vater lebt noch. Und noch viele andere, die den Krieg miterlebt und Söhne und Väter und Brüder verloren haben. Ich weiß nicht, ob sie das so sehen werden."
"
Nicht meine Sippe", presst Desto hervor, und er sagt das nicht bedauernd, sondern wütend. Barkas nickt. "
Aber lassen wir mal die Ukhtark beiseite - bist du dir sicher, dass die Adair einen Neuanfang wollen? Ich meine nicht nur die Merovina, sondern der Stamm? Du hast gesehen, wie sie mich behandelt haben. Bist du dir wegen denen sicher?" Der Hirogul schaut kurz zu Seite zu Flannait. "
Kannst du dir zumindest bei der da sicher sein?"
Es klingt herausfordernd, trotzig - Basilio könnte sich sogar angegriffen fühlen. Doch so ist es nicht. Der Koraker merkt deutlich, dass die Fragen nachdenklich und ehrlich gestellt werden und nicht als Gegenargument gedacht sind - trotz des aufbrausenden Tons des
Hiroguls, der anscheinend untrennbar zu ihm gehört.
"
Es wird ein steiniger und langer Weg sein, Basilio", fügt Barkas an - immernoch auf eine Antwort wartend, "
falls es ihn überhaupt gibt."
* * *
Elrynor schaut einige Augenblicke
Flannait entgeißtert an - dann fängt sich der Hexer und entblößt die makellosen Zähne in einem eisigen Lächeln. Diese Sekunden haben aber gereicht, um der Elfe zu zeigen, dass der Ivsaar ebenso überrascht ist, sie hier zu sehen, wie sie ihn. Ihr Großvater hat ihn also wohl nicht beauftragt.
"Tá an domhan fíor madhouse. Anois Buailim an bastaird ar ár Prionsa marbh arís"[2], antwortet er mit schneidend heller Stimme. "
Clocha sneachta, Flannait - iníon de Semias. Bhí Shíl mé go bhfuil tú ar feadh i bhfad marbh. An smaoineamh is dócha an chuid is mó i Jaylin. Mar sin ná bíodh imní ort - do sheanathair ní ag lorg agat."
[3]Er schaut kurz zu Basilio hinüber, der eben mit den Kargi spricht. Barkas redet auf den Koraker ein, während ihn Desto an der Schulter zurückhält. Plötzlich lächelt der Elf ein trauriges Lächeln.
"I ndáiríre, ní ba chóir dom a bheith ionadh - ar bhealach oiriúnach tú do na daoine seo. Luíonn sé le réasún go bhfuil a fhios agat leo. Shortsighted agus tiomáinte ag mothúcháin, ionas go bhfuil siad. An lanky níl an-cainteach. Is dócha go bhfuil a dúirt sé cheana féin agat, agus mura bhfuil, ansin beidh sé a dhéanamh do cinnte, mar sin is féidir liom a dhéanamh díreach chomh maith féin: Do seanathair theastaigh mé chun báis, mar gheall ar eagla sé mo bronntanais agus nach dtuigeann siad. Ach bhí mé in ann éalú roimh cuireadh an phianbhreith amach. Táim anois outcast, ach is mian leat."[4]* * *
Jamir verlässt den Raum als letzter und findet sich kurze Zeit später ebenfalls auf dem Dorfplatz wieder. Seine zukünftigen Weggefährten, darunter auch die beiden Männer, die zu heilen er gebeten wurde, stehen zerstreut auf dem Platz - haben sich in drei kleine Gruppen gespalten. Der schmächtige Mann, der um Heilung gebeten hatte, spricht gerade mit den beiden Kargi. Flannait hat sich zu einem Elfen gestellt. Der Schamane und der Waldläufer standen bei einem älteren Mann und einem Halbling.
'Jemma', schoss es ihm durch den Kopf. Als Halbling lernte man Seinesgleichen an neuen Orten schnell kennen - das änderte sich nicht. Er hatte schon ein Paar Worte mit der spitzzüngigen Frau gewechselt - lebensfroh war sie, das musste man ihr lassen.
Und der große Krieger? Der schien gänzlich verschwunden zu sein. Der Paladin überlegt, was er als nächstes tun soll.