• Drucken

Autor Thema: Akt I - 28 Tage überfällig  (Gelesen 48476 mal)

Beschreibung: Episode 1.1

0 Mitglieder und 1 Gast betrachten dieses Thema.

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #90 am: 14.12.2015, 10:34:57 »
Kemwer schüttelte auf Aebs Frage den Kopf und antwortete dann, an alle gerichtet, die es interessierte.

"Nein, ich bin über Bedain und Roma gezogen. Und was mein Ziel angeht - ich will in den Norden, um die Ghuray, die Absonderlichen, zu vernichten. Die, die eure kahlköpfigen Heiler"

er nickte in Richtung Leon,

"Biokineten nennen. Meine Aufgabe ist es, diese missratenen Kinder eures Landes aus der Welle zu schneiden, die sie mit ihrem dissonanten Herzschlag stören."

Er schien sich nicht groß darum zu kümmern, ob das, was er sagte, für seine Zuhörer Sinn ergab. Wenn nicht, würden sie Fragen stellen. Und er würde sie beantworten - oder auch nicht.

Khenubaal

  • Moderator
  • Beiträge: 1294
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #91 am: 14.12.2015, 20:28:17 »
Altena nickte bei Dans Worten und ein Lächeln stahl sich auf Ihre Lippen. Das erste Mal, dass die Miene etwas anderes ausdrückte, als Verbitterung. "Das scheint mir eine gute Wahl zu sein. Setz' dich an die Spitze. Ich und die anderen folgen dir."

Wenige Sekunden später hatten dann die übrigen Mitglieder der Gruppe sich mit Antworten und Fragen an sie gewandt. Sie setzte an zu einer Antwort auf Cesares ursprüngliche Frage, als ihr Mose, danach aber auch wieder der Purger und dann der bleiche Mann, der sich als Aeb vorgestellt hatte, dazwischen kamen. Und auch der großgewachsene Afrikaner antwortete - sogar unerwartet bereitwillig.

Sie ließ sie zunächst sprechen, antwortete dann aber, nachdem alle Stimmen verstummt waren. "Wir haben einen Eid geleistet, Hellvetika zu beschützen. Und das tun wir auch - mit unserem Leben und auch im Tod. Aber die Menschen hier müssen auch ihren Anteil leisten, sonst wird es nicht gelingen. Es gibt nicht einmal genug Hellvetiker, um alle Grenzen in die Territorialregionen lückenlos abzusichern. Und im Inland können wir nicht überall Präsenz zeigen. Dafür bräuchte es die zehnfache Anzahl an hellvetischen Soldaten, die wir tatsächlich haben."

'Mal ganz abgesehen davon, dass bei weitem nicht alle Sippen und Dörfler uns überhaupt als Schutzmacht akzeptieren und bei sich dulden würden - Stichwort Iturba und Tal', dachte sie sich dazu, entschied sich aber dafür, diese letzte Replik nicht laut auszusprechen.

"In dieser Region gab es in den letzten Jahren nie Probleme mit Leperos und auch keinen Übermäßigen Burnkonsum. Die Anführer in Galle und Tal haben das Gesindel unter Kontrolle gehabt. Die Klanner und Burnschmuggler haben sich nicht hierher getraut - größtenteils jedenfalls. Meine Sorge ist, dass das sich jetzt geändert haben könnte. Deswegen gehe ich nach Tal. Und deswegen frage ich danach." Bei den letzten Worten schaute sie Cesare und danach Aeb an. Die beiden schienen ihr bis jetzt die umgänglichsten zu sein. Kemwer schien ebenfalls ein guter Mann zu sein, doch zu sehr vertieft in seine Gedankenwelt - oder die Gebräuche des Kults. 'Ist er mir nur unheimlich, weil er so fremdartig ist? Oder ist da noch was?', ging es ihr durch den Kopf.

Und der Balkhaner war die übelste Sorte. Stark und mit hintzigem Gemüt - das waren viele aus dem Balkhan. Aber dieser hier war auch noch ein streng Gläubiger. Der Glaube ließ ihn denken, er wäre im Besitz der einzigen Wahrheit und gab ihm den Eifer, diese bis in den Tod zu verteidigen. 'Naja - zumindest scheinen alle das Herz am rechten Fleck zu haben, so weit. Aber ich sollte keine vorschnellen Schlüsse ziehen'

Ein kurzer Blick nach hinten durch das Schneegestöber und die Hellvetikerin sah, dass Mehler und Kowalski die Köpfe zusammengesteckt hatten. Ihr war nicht entgangen, dass die beiden ihre Frage ignoriert hatten. Dabei waren das doch die natürlichen Verbündeten der Hellvetiker - Richter und Spitalier. 'Wieder einmal zeigt es sich - wir sind zuallererst Menschen und bestenfalls in zweiter Instanz Mitglieder unseres Kults. Aber das sehen ja auch bei uns einige anders.'

Weiter hinten nickte Mehler Leon abermals zu. "Ja - du hast recht. Die beiden Riesen sind gute Einzelkämpfer, aber eben das - Einzelkämpfer. Und der Rest sieht nicht besonders robust aus. Bis Tal ist es nicht mehr weit. Bis dahin müssen wir den Laden zusammen halten."

* * *

Vier Stunden lang marschierte die Gruppe durch den dichter werdenden Schneefall. Die Tage wurden immer kürzer und die Wolkendecke tat ihr Übriges. Das wenige Sonnenlicht, dass durch die Wolken drang und vom Schnee vervielfacht wurde, ließ immer mehr nach. Das Weiß ging ins Bläuliche über, bis es schließlich ins Grau abdriftete.

Dann erblickte die Gruppe endlich die schwarze Sillhoutte des Schrotterwerkstatt und das warme, gelbe Licht in den Fenstern derselben. Völlig gefroren und mit dem heulenden Wind im Gesicht, war das ein seltsam schöner Anblick.

Es war noch gut zwanzig Schritte bis zur Tür, als selbige knarrend aufging und ein von Kopf bis Fuß in lumpige Kleidung eingewickelter, bärtiger Hüne im Rahmen auftauchte. "Servus, Danny. Was hast du da für Figuren dabei? Freunde von dir? Du weißt ja - die Freunde meiner Freunde sind nur dann meine Freunde, wenn ich gerade auf Freunde aus bin."[1]

Dan sprach ein Paar zutrauliche Sätze zu Begrüßung. Dann trat Altena vor. "Ich bin Altena Wagner, Sappeur der Hellvetiker. Wir sind Unterwegs nach Tal, in offizieller Mission. Wir sind auf der Suche nach einem Lager für die Nacht und können für Kost und Logie bezahlen."

Der Hüne kratzte sich am Kinn, die behandschuhten Finger glitten durch den Feuerroten Bart. Schließlich stieß er die Tür ganz auf. "Na gut, Frau Wagner. Hereinspaziert! Aber sagen Sie ihren Leuten, die sollen ihre Waffenläufe unten lassen. Ich hab ungern Einschusslöcher in meinen Werkstattwänden, wenn Sie verstehen."

Einer nach dem anderen gingen Altena und die Männer durch die Tür. Der Hüne schüttelte allen die Hand und maß alle von Kopf bis Fuß mit seinen durchdringenden Blick. Buschige Augenbrauen, dunkle Pupillen, eine zerzauste und teils verfilzte Löwenmähne, eine offensichtlich einst gebrochene Plattnase, grobschlächtige, starke Hände, die Finger, schwarz vom Maschinenöl, aber flink und geschickt. "Uther", stellte er sich allen kurz vor. "Willkommen in meiner bescheidenen Hütte. Ich würde ja sagen, 'Fühlen Sie sich ganz wie zu Hause', aber eigentlich wäre es mir lieber, sie fühlen sich zu Gast bei einem Gastgeber, der sich zu wehren und sein Eigentum zu beschützen weiß. Das trifft es nämlich auch ganz gut."

Uther begrüßte Dan mit einer kurzen Umarmung, bei Kemwer schaute er überrascht und skeptisch, und der Blick verfinsterte sich vollends, beim Blick auf den Richter. "N'abend" war alles, was er für Mehler übrig hatte.

* * *

Eine halbe Stunde später hatten sich Altena und die anderen in einem größeren Raum zusammengefunden. Offensichtlich bestand Uthers 'Werkstatt' in erster Linie aus zwei großen Räumen - der eine war zum Leben und Arbeiten für die Gäste, der zweite als Schlafplatz gedacht. Es war wohl eher eine Schrotterabsteige. Die eigentliche Werkstatt war in einem kleineren Zimmer weiter hinten eingerichtet, in dem Uther auch zu schlafen schien. Die Räume wurden durch einen Holzofen und ein angeschlossenes Rohrsystem beheizt.

Die Gruppe bekam einen Fleischeintopf in Blechschüsseln vorgesetzt - ein dürren Jüngling mit einem stark schielenden Auge brachte das Essen. Außer Uther waren noch drei andere Besucher vor Ort. Eine schweigsame Frau in wetterfester Reisekleidung saß abseits. Zwei Rucksäcke lagen in ihrer Nähe. Sie selbst war gerade damit beschäftigt, ein Jagdmesser mit einem Schleifstein zu schärfen.

Weiter mittig saßen zwei Männer, die bereits auf den ersten Blick aus Schrotter zu erkennen waren. Verfilztes Haar, rissige Kleidung, Ölflecken und Werkzeuggürtel und Manieren, die keine Waren. "Der alte Iturba hat es schon richtig gemacht", rief einer. Die Augen waren Glasig vom vielen Bier, das er offensichtlich schon hatte. Die Glatze warf fahl das Licht der altersschwachen Glühbirne zurück, die offensichtlich mit einem Generator betrieben wurde.

"Was denn, Duran?", rief Uther, gerade hinter einer Art Theke stehend. "Seinen Erstgeborenen verstoßen und die Fresse zwischen die Brüste einer Elster quetschen? Meinst du das?"

Der andere Schrotter - sehnig wie geräuchertes Fleisch, abgemagert und langgewachsen - lachte rissig und nahm noch einen Schluck."Einen Erstgeborenen hab' ich nicht, aber zu den Brüsten sage ich auch nicht nein."[2]
 1. Dan, du hast eine PM von mir.
 2. Mit einem Wurf auf CHA+Verführung [2] lassen sich den Anwesenden aktuelle Gerüchte aus der Gegend entlocken. Trigger und zusätzliche Erfolge steigern Wahrheitsgehalt und Relevanz der Gerüchte.
« Letzte Änderung: 14.12.2015, 21:28:00 von Khenubaal »

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #92 am: 14.12.2015, 21:44:17 »
Kemwer nickte dem Schrotter beim Eintreten zu und hielt ihm die Hand hin. "Kemwer, und danke für die angebotene Gastfreundschaft." Er legte seinen Rucksack und die restliche Habe in eine Ecke - das Sichelschwert allerdings verblieb an seiner Hüfte, auch wenn seine entspannte Haltung nicht darauf hindeutete, dass er in dieser Unterkunft mit Ärger rechnete. Zu sehr war ihre Reisegruppe dafür in der Überzahl.

Den Eintopf probierte er zunächst, ehe er aus seinem Rucksack eine kleine Blechdose holte und aus dieser eine Fingerspitze eines groben, dunkelroten Pulvers in der Fleischbrühe verrührte. Die Dose ließ er auf dem Tisch stehen und nickte den restlichen Mitessenden aufmunternd zu.

"Wenn jemand möchte, nur zu. Aber Vorsicht, den meisten Krähen ist unser Tawabil zu feurig..."

Sein Grinsen ließ blendend weiße Zähne in seinem schwarzen Gesicht aufblitzen, dann widmete er sich wieder dem - inzwischen verschärften - Eintopf.

Leon Kowalski

  • Beiträge: 72
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #93 am: 15.12.2015, 14:14:46 »
Der Spitalier gab dem Schrotter die Hand und hielt tatsächlich die Klingen des Spreizers nach unten gerichtet. Allerdings machte er keinen Hehl daraus, dass er jeden ihrer Gastgeber mit dem Mollusk am anderen Ende seiner Waffe auf eine etwaige Versporung testete. Offenbar zufrieden mit dem Ergebnis schraubte der Spitalier den Mollusk vom Spreizer ab und verstaute den Kopf in seinem Rucksack. Leon legte auch seinen wärmenden Umhang ab, hier drinnen schien ihm der Neoprenanzug wärmend genug zu sein. Und schließlich setzte er auch die Gasmaske ab, sodass (abgesehen von Mehler) seine Weggefährten und ihre Gastgeber zum ersten mal sehen konnten, dass Leon von der rechten Seite noch recht jung, vielleicht Anfang 20 wirkte.

Dieser Eindruck endete allerdings aprupt, wenn man in seine Augen sah. Der Glanz der Jugend war aus ihnen völlig verschwommen und es war schnell klar, dass er zu viel gesehen hatte, um noch zu den jungen Menschen zu zählen. Darüber hinaus war die linke Hälfte seines spitaliertypischen kahlen Schädels entweder von einer Verbrennung oder einem Säurebad stark entstellt. Diese Vernarbung begann hoch oben, erstreckte sich über Stirn und Wange bis hinunter zum Hals, wo sie im Kragen des Spitalieranzugs verschwand. Die Vermutung lag nahe, dass diese schon etwas älter wirkende Verletzung sich unter dem Spitalieranzug fortsetzte.

Das Abendmahl nahm er dankend an, ließ es sich aber nicht nehmen, es einem aufmerksamen Sicht-, Geruchs- und Geschmackstest zu unterziehen. Wer die Spitalier nicht kannte, mochte dies vielleicht als beleidigend auffassen. Wer sie aber kannte, wusste: Das war Spitalierstandardprozedur bei nicht vom Spital verifizierten Speisen bzw. Zutaten. Still und genügsam nahm er also das Mahl zu sich und lehnte die Gewürze des Africaners dankend ab.

Nach dem Abendessen zog sich der Spitalier in den Schlafbereich zurück und baute sein Lager auf. Nachdem er seine Utensilien bereit gelegt hatte, öffnete Leon den Spitalieranzug und schälte sich bis zur Hüfte aus dem Neopren. Der Unwissende mochte sich wundern, wie vergleichsweise so dünne Stoffbahnen den Spitalier wärmen konnten. Die Tatsache aber, dass er nicht erfroren war, sprach aber für sich. Die Entblößung seines muskelbepackten Oberkörpers offenbarte weitere mehr oder weniger gut ausgeheilte Verletzungen, die Leon überlebt hatte. Die Verbrennung durch Feuer oder Säure erstreckte sich bis zur linken Schulter und endete dort. So im Ganzen gesehen wirkte die Wunde als hätte man ihn von vorne mit etwas übergossen, das diese Verwundung verursacht hatte. Leon hatte weitere Narben, die von Schwerthieben und Keulen zeugten. Die schlimmste und beeindruckendste aber war schräg über seiner rechten Brustwarze zu bestaunen. Irgend etwas Großes hatte ihn an jener Stelle einst durchbohrt und auf dem Rücken war an gleicher Stelle eine kaum kleinere Austrittsnarbe zu erkennen. Der eine oder andere mochte sich wundern, wie der Spitalier diese Verletzung überlebt hatte. Aber Leon war eben genau dies. Und die Spitalier waren nun einmal berühmt für ihre medizinischen Fertigkeiten.

Leon nun wandte sich seiner neuesten Verletzung auf dem linken Arm zu. Die Blutergüsse, die ihm der Leperos beschert hatte ließen den Arm in einem bedrohlich wirkenden Blau unter der gekalkten Haut hervorstrahlen. Geduldig und nicht ohne den ein oder anderen Schmerzenslaut säuberte Leon die Wunde, trug eine Salbe auf und Verband sie anschließend.[1] Daraufhin zog er den Spitalieranzug wieder komplett an und wandte sich den anderen wieder zu und sprach auf Borcisch: "Ist jemand verletzt und möchte seine Verletzungen behandelt sehen? So tretet ruhig näher und ich werde mich um eure Verletzungen kümmern. Gegen eine angemessene Bezahlung gemessen am Aufwand der Versorgung versteht sich." Es war das erste mal, dass er der Hellvetikerin wieder eines Blickes würdigte und sie in dieses Angebot offen mit einschloss. An dieser Stelle schien er seine persönlichen Gefühle für ihr Handeln außen vor zu lassen als gäbe es keine einzige Meinungsverschiedenheit zwischen den beiden.
 1. Medizinwurf: geheilt wird 1 Punkt für den Wurf, 1 Punkt für den Verband, 1 Punkt für die anstehende Rast und 1 Punkt für die Rast im Schlafsack
« Letzte Änderung: 15.12.2015, 14:18:16 von Leon Kowalski »
"Unschuld beweist gar nichts."

Aeb

  • Beiträge: 28
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #94 am: 15.12.2015, 19:30:30 »
Aeb hielt dem Schrotter teilnahmslos die Hand hin und nickte im sonst zur Begrüßung nur zu.
Als er die Hütte betrat und so plötzlich vor Wind und Wetter geschützt war, wurde ihm schlagartig wärmer und so legte er seinen Fellumhang ab. Gleichzeitig nutzte er die Gelegenheit sich einmal im Raum umzuschauen und nach wertvollen Dingen Ausschau zu halten, konnte jedoch nichts entdecken, was sofort seine Aufmerksamkeit verdient hätte.[1] Seinen Rucksack nahm er ebenfalls ab. Der wanderte nachdem er auf seinem Fellumhang Platz genommen hatte zwischen seine Füße, wo Aeb unauffällig ein Bein in die Trageriemen einfädelte.

Auch ohne seinen Fellumhang saß der Bleicher noch verhüllt an seinem Platz, allerdings war ein dunkelgrauer, dünner Stoffumhang zum Vorschein gekommen. Ein aufmerksamer Beobachter mochte ihn auch vorher schon unter dem Fellumhang erblickt haben. Die Kapuze ließ er auf und so war nach wie vor ein Großteil seines Kopfes umhüllt.

"Danke." sagte er zu dem Jungen, als es Essen gab. Er fing sofort an hastig aus der Schüssel zu Löffeln, wurde aber unterbrochen, als der Africaner sein Gewürz auf den Tisch stellte. Neugierig betrachtete er das Schälchen und dachte über die Worte des Mannes nach. Was mochte das sein? Er hatte schon so einige seltsame Gerichte kennen gelernt, seit er unter den Oberweltlern wanderte.
Interessiert blickte er zum Schälchen hinüber und tat es Kenwer gleich. "Danke.", erwiderte der Bleicher auch hier und streute sich eine geringere Portion - seine Schüssel war ja auch schon halb leer - in den Eintopf und rührte einmal um.

Feuer! Schmerz! Wollte man ihn vergiften? Hastig spuckte er den Eintopf wieder in die Schüssel zurück, doch es war zu spät, sein Mund brannte bereits lichterloh. "Heisch, Heisch." brachte er nur hervor und schaute Kenwer missmutig an. "Wollt ihr mich umbringen, schwarzer Mann? Dasch vollenden was eure Brüder und schonst wer in meiner Heimat schon nicht geschafft haben?"
Als er ein Kichern hörte[2] beruhigte sich der Bleiche wieder, stellte verdrossen den Eintopf weg, der jetzt für ihn ungenießbar geworden war und schmollte. Die Schärfe ließ langsam nach. Sowas hatte er bis jetzt noch nicht kennengelernt. Das Essen in den Bunkern war immer gleich gewesen und hatte nie solche Auswirkungen auf ihn gehabt. Er musste in Zukunft vorsichtiger sein, was er von den Fremden annahm.
 1. Wahrnehmung: 1E 0T
 2. Irgendwer wird wohl kichern
« Letzte Änderung: 15.12.2015, 19:36:15 von Aeb »

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #95 am: 15.12.2015, 22:59:21 »
Kemwer konnte sich ein Schmunzeln nicht verkneifen, hob aber abwehrend die Hände.

"He, ich habe dich gewarnt. Aber glaub mir, wenn man sich mal dran gewöhnt hat, will man es nicht mehr missen."

'Wunderbare Vorarbeit haben meine "Brüder" hier geleistet...die Hälfte der Krähen hier denkt anscheinend, ich würde sie nachts erdrosseln, ihnen ihre Länder und Frauen stehlen und wer weiß was sonst mit ihnen anstellen. Wenigstens der Spitalier sollte doch gutheißen, weswegen ich hier bin - machen seinesgleichen nicht genau das selbe?',

dachte er sich im Stillen, ließ sich aber nichts anmerken und löffelte weiter seinen Eintopf.
« Letzte Änderung: 15.12.2015, 23:00:11 von Kemwer »

Mose

  • Beiträge: 26
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #96 am: 16.12.2015, 17:33:42 »
Mose drehte sich zu dem schlanken Romani um und blieb stehen. Für einen Moment schien es, als würde er sich bedrohlich vor ihm aufbauen wollen. Doch noch ehe er etwas sagen oder tun konnte, fiel bereits der bleiche Aeb und Altena ein. So atmete Mose einfach nur aus, was wie ein Seufzen klang. "Ich habe auch Dich beschützt. Der Leperos war im Begriff, Dir ein schönes Grinsen zu schneiden, wenn Du Dich erinnerst. Also preise nicht das Handeln der Hellvetikerin und mache es mir zum Vorwurf. Und noch dazu, sage ich nicht, dass ich der einzige Sehende unter uns bin. Es scheint mir eher so, dass wir alle blind sind. Wenn es einen Weg gäbe, ich würde ihn gerne wissen. Das ist alles." Damit drehte er sich wieder um und ging weiter. Sein Ärger verwandelte sich in Anspannung und dann in Müdigkeit. Was hatte er sich dabei gedacht, so weit in den Norden zu gehen?

***

"Danke", war das Einzige, das Mose in den nächsten Stunden sagen würde. Es war, als sie aus der Kälte in die warme Werkstatt eingelassen wurden und er Gelegenheit bekam, sich zu wärmen und seine mittlerweile durchnässten Sachen zu trocknen.

Mose war auch der letzte, der sich zu den anderen an den Tisch setzte. Die Situation von vorhin hatte ihn irgendwie in seinem Stolz getroffen, schließlich aber obsiegte der Hunger. Er griff mit seinen großen Händen nach der Schüssel des Bleichlings und probierte prüfend einen Löffel. Als er es für nicht zu scharf befunden hatte, ass er in großer Geschwindigkeit weiter. "Du hast meine Frage nicht beantwortet.", stellte Mose fest. "Jedenfalls habe ich nicht verstanden, was Du sagen wolltest. Was meinst Du damit, Du wolltest in den Norden gehen, um die Absonderlichen auszulöschen? Wie schaffst Du das?", fragte er neugierig den Africaner.
Am Tag des HERRN wird der Spross Israels in Herrlichkeit strahlen über den Entkommenen. Und wer in Zion übrig geblieben ist, wird heilig heißen, jeder, der zum Leben aufgeschrieben ist. - nach Jes 4

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #97 am: 16.12.2015, 17:43:54 »
Kemwer legte eine Hand auf das Sichelschwert, dass er immer noch am Körper trug.

"Hiermit. Einen nach dem anderen, bis sie alle aus der Welle getilgt sind - oder Anubis mich zu sich holt"

Danach legte er zwei Finger auf seine Stirn und schloss die Augen. Andächtig, beinahe schon rituell wirkte diese Geste.

"Und hiermit. Horus leiht mir sein Auge, um die Ghuray aufzuspüren, und Anubis seine Klinge, damit ich sie niederstrecken kann."

Mose

  • Beiträge: 26
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #98 am: 16.12.2015, 19:35:56 »
Mose starrte den Africaner für einige Momente an. Dann fing er laut an zu lachen. "Einen nach dem anderen hat er gesagt, man stelle sich das vor." Während er so lachte, wurde Mose allerdings dessen gewahr, dass der Africaner ernst blieb. So kam auch Mose wieder zu Ruhe. Mit der einen Hand wischte er sich übers Auge. "Oh Mann, Du meinst das ernst, nicht wahr? Das ist kein Gerede. Warum solltest Du sonst in dieses gottverlassene Land kommen. Das respektiere ich. Wirklich. Weißt Du was? Wenn ich mit dem Stamm Manasse gesprochen habe, dann schließ ich mich Dir an. Alle sind vielleicht doch ein paar zu viele für Dich. Meinst Du nicht auch? Was sagst Du?"
Am Tag des HERRN wird der Spross Israels in Herrlichkeit strahlen über den Entkommenen. Und wer in Zion übrig geblieben ist, wird heilig heißen, jeder, der zum Leben aufgeschrieben ist. - nach Jes 4

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #99 am: 16.12.2015, 20:26:16 »
Kemwer zuckte leicht mit den Schultern. "Warum nicht? Angebotene Hilfe sollte man nicht ausschlagen...aber falls dieser Vorschlag ernst gemeint war, sollte ich dich warnen. Ich werde von diesem Ziel nicht abweichen, und es kann sein, dass mein Weg mich in ganz andere Länder führen wird als Pollen. Die Ghuray in Franca und Hybrispania sind mir noch unbekannt, also werde ich früher oder später auch dorthin ziehen - und irgendwann muss ich zurück zum Nil und berichten, was ich gelernt habe."

Er sah Mose ernst an. "Also überleg dir gut, ob du dich mir wirklich anschließen willst."

Cesare Serafino

  • Beiträge: 108
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #100 am: 17.12.2015, 01:13:21 »
Das klang nicht gut, was Altena da aus Tal berichtete. Offenbar war die Situation dort völlig außer Kontrolle geraten, auf beiden Seiten, "Gesindel" und "Führung". So sah Cesare das zumindest. Marodierende Leperos waren schlecht fürs Geschäft, das versuchte man doch besser zu vermeiden. Abgesehen davon, dass niemand so enden wollte wie die Ostwindschar.

Die Ankunft in der Schrotterabsteige ließ Cesare im Stillen aufatmen. Endlich warm! Endlich Menschen, die er halbwegs verstand, deren Verhalten er einschätzen konnte, weil ihre Bedürfnisse (anders als bei seinen Weggefährten) nur allzu menschliche waren, und menschliche Bedürfnisse waren Cesares Metier. Sie waren sein Zugang zu den Menschen. Sie machten jeden manipulierbar.

Und das Thema, das Uther und die beiden anderen Schrotter da ansprachen, war auch gleich eines, mit dem Cesare sich besonders gut auskannte. "Ah", kommentierte er, "das sind Gedanken, die wärmen."

Und Cesare begann, über Brüste zu reden. Schnell wurde klar, dass man hier einen echten Kenner und Liebhaber der Materie vor sich hatte; nach einer Viertelstunde hingen die Schrotter noch immer an seinen Lippen, die Augen starr, die Blicke neblig.

Er begann mit einer für ihn trivialen Aussage: "Das einzige Himmelreich, das uns ist geblieben, wir finden zwischen den Brüsten einer Frau."

Dann ließ er sich von den Schrottern erzählen, wie denn ihre Traumbrüste aussähen, wie sie sich anfühlten, wie sie röchen und schmeckten, welche Form und Farbe die Brustwarzen hätten, wie schwer die Brust in der Hand liegen dürfte. Obwohl die Beschreibungen der Männer einfallslos blieben, zeigte sich: keine glich der anderen.

An dieser Stelle mochten die beiden Frauen noch denken: Oh bitte, was will der Kerl? Doch kurze Zeit später waren auch sie von Cesares Erzählung gebannt.

Denn nun erzählte Cesare von den Brüsten, die er bisher gesehen, bewundert, berührt hatte. Und irgendwas an seiner Erzählung war anders. Nicht nur waren seine Beschreibungen so lebendig, dass die Zuhörer fast sehen, fühlen, riechen und schmecken konnten, was Cesare da ihren Sinnen präsentierte, nicht nur fand er inmitten der Menge immer auch die Individualität, denn für ihn waren die Brüste einer Frau so individuell wie ihr Charakter oder die Linien ihres Gesichtes, sondern seine Worte waren auch—trotz einiger befremdlicher Ausdrücke und etlicher Vokabellücken, die er mit Umschreibungen überbrücken musste—niemals profan, niemals pornografisch, irgendwie... poetisch, jedenfalls einen tiefsten Respekt vor dem schönen Geschlecht bezeugend. Er schien das Heilige in jeder Frau zu suchen—und zu finden.

Als Steigerung erzählte er schließlich von den fünf eindrucksvollsten Paar Brüsten, die er je gesehen und in allen Fällen bis auf einen auch mit drei weiteren Sinnen gründlich erkundet hatte. Am ausführlichsten allerdings berichtete er dann genau von dieser Ausnahme: Odette. Ansehen ja, anfassen nein. Jedenfalls hatte das für ihn gegolten. Nicht seine Preisklasse. Kaum einer konnte sie sich leisten. Odette. Aber schauen durfte jeder. Makellose, kastanienbraune Haut, kurz geschorenes schwarzes Haar, ein bleistiftdünn-gefeilter Knochen durch die Nasenscheidewand, ein Dutzend goldene Ringe an jedem Ohr und ebensoviele goldene Reife an Hand- und Fußgelenken, die rasselten, wenn sie tanzte... wenn die Schleier und Seidentücher fielen, sie mit den Hüften wiegte, von denen aller Schwung ausging; Schulter, Arme, Kopf, das alles blieb ruhig und die Füße taten nur das notwendigste, aber dazwischen bewegte sich alles; mal fließend, lockend, schlangengleich, dann plötzlich zügellos ekstatisch, und noch immer fielen die Hüllen; endlich auch von den Brüsten, goldene Ringe auch hier, durch die Warze gestochen, an jedem ein Ende eines goldenen Kettchens, das wie der Träger eines Büstiers um Odettes Hals geschlungen war und doch irgendwie raffinierter, denn wenn sie Kopf und Schultern bewegte, so bewegten ihre Brüste sich symphonisch dazu. Kann man das in Borcisch so sagen? Jedenfalls geriet nichts aus dem Takt, blieb alles fließend, harmonisch, dass der hypnotisierte Zuschauer den Blick nicht abwenden konnte...

"Und?" fragte Cesare schließlich. "Was es gibt zu bewundern hier bei euch? Welche Neuigkeit man sich erzählt? Was man muss haben gesehen, wie man sich vergnügt, welcher Gefahr man geht besser aus dem Weg?"[1]
 1. Cha-Verführung: 2E, 0T => geschafft.  (Ich habe das mal wörtlich genommen, zumal ich in Sachen "Wahrheitsgehalt" und "Relevanz" keinen Extrapunkt machen konnte... :P)
« Letzte Änderung: 17.12.2015, 21:26:07 von Cesare Serafino »
È caduta, è caduta Roma eterna. Ed è diventata covo di demòni,
santuario di ogni spirito immondo, nido d'ogni uccello impuro e aborrito.

Mose

  • Beiträge: 26
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #101 am: 17.12.2015, 11:04:48 »
"Was Du sagst ist absurd. Aber ich bewundere Deinen Tatendrang und Deine Entschlossenheit, schwarzer Mann.", gab Mose zurück. Tatsächlich waren seine Worte reinster Wein. Der schwarze Mann war auf einer ähnlichen Mission wie er, seine Ziele ebenso undeutlich wie sie auch absurd waren und schließlich war er ganz allein, wie Mose es auch war. Aber der schwarze Mann zeigte einen unbeirrbare Eifer, der Mose abhanden gekommen war. Es ließ sich nicht leugnen, der schwarze Mann schlug Mose in seinen Bann. Und ehe er es noch einmal überdacht hatte, sagte er: "Ich will mit Dir reisen, auch und gerade weil es absurd ist. Du sprichst eine Sprache, die ich verstehe. Darum biete ich Dir meine Freundschaft und Gemeinschaft. Gib mir Deine Hand darauf und nenne den Namen Deines Vaters." Mose stand auf und streckte seine Pranke über den Tisch.
Am Tag des HERRN wird der Spross Israels in Herrlichkeit strahlen über den Entkommenen. Und wer in Zion übrig geblieben ist, wird heilig heißen, jeder, der zum Leben aufgeschrieben ist. - nach Jes 4

Dirty Dan

  • Beiträge: 113
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #102 am: 18.12.2015, 07:04:19 »
Dan hatte das ganze Treiben in der Schrotterwerkstatt mit einem lachenden und einem weinenden Auge beobachtet. Natürlich hatte er Uther freundlich mit Handschlag begrüßt und die alte Bekanntschaft damit aufgefrischt. Er hatte seinen Kram direkt neben sich an die Bank gestellt auf der er saß. Warm war es hier, schön warm. Auch wenn den Außentemperaturen besser trotzte, als es auf den ersten Blick den Anschein machte, so hatte er rein gar nichts gegen eine warme Stube einzuwenden. Als dann auch etwas Warmes für den Bauch folgte lehnte er sich entspannt zurück. Jetzt noch etwas Destillat und der Tag war gerettet. Was nicht ist kann ja noch werden. Der Abend ist noch jung.

Es war gut Leute zu kennen, das hatte sich wieder bewahrheitet. Deswegen sperrte Dan umso mehr die Ohren auf, als seine aktuellen Weggefährten zu reden begannen. Er musste sie besser kennen lernen.

Kemwer

  • Beiträge: 54
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #103 am: 18.12.2015, 10:13:19 »
Kemwer stand ebenfalls auf und gab Mose die Hand. "Ich nehme deine Unterstützung gerne an. Und mein Vater heißt Djoser, auch wenn ich mir nicht sicher bin, was das damit zu tun hat..." Er lächelte ein wenig schief, dann setzte er sich wieder hin und vertilgte die letzten Reste seines Eintopfes.

"Erzähl doch mal, was hat es mit diesem Stamm Manasse auf sich, und wieso suchst du sie?" Er schien kurz zu überlegen und machte dann eine entschuldigende Geste mit den Händen. "Vorausgesetzt, du willst mir das erzählen. Deine Angelegenheiten sind deine, wenn du sie nicht teilen willst, entschuldige meine Frage."

Cesare Serafino

  • Beiträge: 108
    • Profil anzeigen
Akt I - 28 Tage überfällig
« Antwort #104 am: 18.12.2015, 11:52:35 »
Bevor einer der Einheimischen antworten konnte, wandte Cesare sich kurz an Kemwer, der sich soeben mit dem Balkhaner zu verbrüdern schien (zumindest reichten sie sich brüderlich die Hand)

"Übrigens, die große Insel im Süden, sie heißt 'Sicilia', nicht Bedain. Wir schließlich euch nennen 'Africaner' auch und nicht scarafaggi[1], bloß weil uns das gefällt besser."
 1. Kakerlaken
È caduta, è caduta Roma eterna. Ed è diventata covo di demòni,
santuario di ogni spirito immondo, nido d'ogni uccello impuro e aborrito.

  • Drucken