Als Nakoa beim Frühstück verkündete, dass sie heute aus dem Hyperraum austreten und ihr Ziel erreichen würden, war dies der erste Tag seit Wochen, an dem Derek wieder schmerzfrei war, zumindest wenn man von seinen chronischen Nackenschmerzen absah. Zwar konnten sie sich auf dem Schiff ausruhen, aber seine Wunden waren doch schwerwiegender gewesen, als er zunächst dachte, und hatten recht lange benötigt, um wieder vollständig zu verheilen. Natürlich hätte er den Prozess mit Hilfe von Medpacs beschleunigen können, aber Derek wollte sich gar nicht erst an das Zeug gewöhnen. Langfristig war es sicherlich besser, auf die körpereigenen Heilungskräfte zu vertrauen und sich nicht an den Chemiecocktail zu gewöhnen.
Während der Reise hatte der ehemalige Bürokrat oft darüber nachgedacht, ob er den Caamasi darum bitten sollte, ihn etwas im Umgang mit Waffen zu unterrichten. Letztendlich war er sich jedoch bewusst, dass er auch mit Übung niemals einen wirklich guten Schützen abgeben würde, und auch kein Leben als Kämpfer führen wollte. Wenn er in seinem früheren Beruf etwas gelernt hatte, dann, dass jeder Mensch seine Stärken kultivieren sollte, um im Team das beste Ergebnis zu erzielen. Und seine Stärken lagen woanders. Ob diese für die Rebellion interessant waren, bezweifelte er zwar, aber noch war es zu früh, sich darüber Gedanken zu machen. Wenn Nakoa es tatsächlich schaffen sollte, mit den Rebellen Kontakt aufzunehmen, konnte er sich den Kopf darüber zerbrechen - und irgendwelche Bücher musste ja auch diese Rebellion führen; zumindest ab einer gewissen Größe ließ sich so ein Laden auch nicht mehr anders organisieren.
Inzwischen hatte sich so etwas wie eine Routine auf dem Schiff entwickelt. Nakoa, dessen Stimmung ein wenig besser schien, nun wo die Gruppe seinem Vorschlag folgte, hatte mehr oder weniger automatisch den Platz des Piloten eingenommen - wohl auch, weil sonst niemand ein gesteigertes Interesse daran erkennen ließ. Ansonsten schien er jedesmal, wenn Derek ihn getroffen hatte, mit seinem Training beschäftigt zu sein, und der Mensch machte sich durchaus Gedanken, ob der Caamasi jemals gelernt hatte, sich einfach nur zu entspannen und etwas Spaß zu haben.
Jastina war anzumerken, dass sie unzufrieden mit der Entscheidung war; sie hatte sich der Mehrheit dann allerdings gefügt. Sie hielt weiterhin eine gewissen Distanz zu den anderen, was Derek allerdings durchaus recht war, denn auch er zog sich meist in seine Kabine zurück, um immer mal wieder in den Unterlagen von Asen Sulk zu blättern. Neue Erkenntnisse konnte er jedoch nicht mehr gewinnen.
Die anderen beiden waren mit ihrem Gerede von der Macht immer noch sehr fremd für Derek. Sie scheinen beide sehr in sich zu ruhen, und kamen mit der Situation offenbar besser zurecht als die anderen, aber das ließ sie in Dereks Augen irgendwie auch seltsam fremdartig erscheinen. Selbst der junge Barret, der oft so unsicher wirkte, ließ in manchen Augenblicken eine Weisheit aufblitzen, die wohl auf diese Macht-Religion, oder was immer es war, zurückzuführen war.
In dem einen Gespräch, das Derek in seiner kurzen Zeit auf der
Water Princess mit Rabi Notha geführt hatte, hatte diese durchblicken lassen, dass auch er irgendeine Verbindung mit dieser Macht hatte. Anfangs war er fasziniert von dem Gedanken, aber nach allem, was er inzwischen erlebt hatte, war ihm klar, dass die Frau damit wohl falsch gelegen haben musste. Xiara war in der Lage gewesen, einen Gegenstand
schweben zu lassen. Derek hatte danach ein paarmal versucht, ob er so etwas auch hinbekam: Fehlanzeige. Nicht einmal einen Stift konnte er vibrieren lassen, ohne auf den Tisch zu hauen. Rabi Notha hatte sich in ihm getäuscht.
Und vermutlich dadurch seine Familie auf dem Gewissen! Denn weshalb sollte diese Inquisitorin, und auch die Mandalorianer hinter ihnen her sein, wenn nicht aus dem gleichen Grund, aus dem Notha sie versammelt hatte? Irgendwie mussten sie wohl von deren Nachforschungen erfahren haben, und so war Derek fälschlicherweise ebenfalls auf deren Liste geraten. Immer wieder hatte er nach anderen Erklärungen gesucht, aber keine passendere war ihm bisher eingefallen. Doch es war nicht mehr zu ändern, und er hatte irgendwann auch Rabi Notha verziehen; es war nicht ihre Schuld. Schuld waren diejenigen, die sie verfolgten, nur weil sie angeblich irgendeiner alten Religion angehörten.
Mit den anderen hatte er diese Gedanken bisher nicht geteilt. Er war noch nicht bereit, diese Gedanken laut zu äußern, wollte nicht darüber sprechen; so als ob die Worte es erst wahr machen würden, als würden diese ihre Verfolger sofort wieder auf den Plan rufen.
Nun befanden sie sich also im Anflug auf Bespin, wo Nakoa einen Kontakt zur Rebellion vermutete. Unterwegs hatte Derek sich in Erinnerung zu rufen versucht, was er über den Gasriesen wusste. Viel war es nicht, und alles würde man wohl in jedem beliebigen Reiseführer nachlesen können. Wie bei jedem Gasplaneten gab es natürlich auch auf Bespin keine "Oberfläche" in dem Sinne, sondern einen langsam nach außen abnehmenden Druck, der in einem kleinen Abstandsbereich vom Mittelpunkt zu einer atembaren Atmosphäre führte. In diesem Bereich hatten clevere Geschäftemacher fliegende Städte installiert, deren Hauptaufgabe der Abbau des wertvollen Tibana-Gases war, mit dem die Gasatmospähre angereichert war. Im Laufe der Zeit lockten diese technischen Meisterwerke zusammen mit dem einzigartigen Ausblick jedoch mehr und mehr auch Touristen an, so dass vor allem Cloud City heutzutage eine blühende Touristenattraktion war, die viel mehr zu bieten hatte als nur ein paar Gasraffinerien, die sich nur noch in den unteren Ebenen der Stadt befanden.
Zwei gewaltige Vorteile hatte die Stadt jedoch bereits jetzt: In der Masse der Bewohner und Besucher würden sie leicht untertauchen können, und der Planet war nicht Teil des Imperiums.
Sie erhielten problemlos eine Landeerlaubnis, und Nakoa steuerte sie zu ihrer zugewiesenen Landeplattform. Derek musste sich eingestehen, dass das durchaus eine willkommene Abwechslung von der Bürokratie des Imperiums war, wo sie allein bis hierhin schon jede Menge Formulare hätten ausfüllen müssen.
Auf der Plattform jedoch erwartete sie dann doch ein Protokolldroide, der jede Menge Informationen von ihnen haben wollte. Allerdings schien es hier wohl eher um eine Befragung aus Marketinggründen zu handeln als um eine tatsächliche Sicherheitskontrolle, so dass Derek zuversichtlich war, dass sie sich hier irgendwie herauswinden würden können.
"Mein lieber Freund," antwortete er auf den Redeschwall des Droiden, während er freundschaftlich die Hand auf seinen Oberarm legte.
"Wir würden wirklich gerne Ihre Fragen beantworten, aber wir haben eine lange und beschwerliche Reise hinter uns, und wollen wirklich erst einmal etwas entspannen. Ich weiß, Sie möchten uns nur den besten Service bieten, aber Sie haben doch sicher noch viele andere wichtige Aufgaben zu erledigen, von denen wir Sie nur abhalten würden. Wie wäre es damit: Sie geben uns eine Liste mit ein paar netten Hotels, in denen wir unterkommen können, Sie kreuzen einfach überall in der Mitte an, und uns ist beiden geholfen, weil wir zügig dahin kommen, wo wir wirklich hinwollen. In Ordnung?"[1]