Die Macht war rein und klar an diesem Ort, zumindest so rein und klar, wie weder Woh Tsar noch Xiara oder Barret es seit Jahren gespürt hatten. Ihr Meister hatte ihnen immer davon erzählt, dass die Macht ein kalter und reiner Gebirgsstrom war, der alles durchfloss, doch meist fühlte sie sich dieser Tage eher so an als wäre sie ein reißender Fluss, der vom Gewitter angeschwollen war und alle Arten von Schmutz und Geröll mit sich gerissen hatte. Kein friedlicher Strom, sondern eine brutale Gewalt, die über das Universum hinwegfegte.
Aber hier im Tempel war es anders, hier war es ruhig und friedlich, wie vor dem Fall des Ordens. Und während sie sich einfühlten in die lebendige Macht spürten sie, wie sich die Umgebung um sie veränderte. Dieses Mal überraschte die Vision sie keineswegs und sie waren sich auch sofort darüber im Klaren, was hier vor sich ging. Denn auch wenn sie im Innenhof zu stehen schienen, so bemerkten sie doch, dass sie noch immer in ihre Meditation vertieft waren. Aber dennoch sahen sie sich so zu dritt versammelt und mitten unter ihnen statt der Mirialaner mit dem gräulichen Haar, dem Barret und Xiara bereits zuvor in einer Vision begegnet waren.
[1]Der Mann lächelte freundlich und sah einmal in die Runde:
“Ah, ihr habt euren Weg hierher gefunden. Das ist sehr gut. Ein weiterer Schritt auf eurem Pfad. Doch bedenkt er ist verworren und nicht so wie es euch scheinen mag. Die Wege der Macht sind unergründlich und Licht und Dunkel vermischen sich. Die Finsternis lauert immer auf euch und nur schwach strahlt das Licht, wenn es unter den Scheffel gestellt ist.“ Sein Gesichtsausdruckt war zugleich warm und doch besorgt.
Die zwei Kopfgeldjäger und ihre drei Begleiter machten sich direkt an die Durchsuchung der Wohnquartiere, an die Tula sich zumindest noch dunkel erinnerte. Tula ließ die Frage des Caamasi zunächst unbeantwortet, da sie so oder so nicht wirklich eine Antwort darauf wussten und es noch dazu gerade wichtigesres zu tun gab. Eines dieser Zimmer war ihr eigenes gewesen und dort hatte sie ihr Hab und Gut verstaut. Vielleicht war es die Macht, vielleicht ihre Erinnerung und vielleicht etwas anderes, doch sie fand zielgerichtet ihren Pfad hin zu dem kleinen Raum. Doch bevor sie eintrat, hielt Derek sie auf und deutete auf den Schutthaufen, der in der Tür lag. Zwischen dem gelb-grauen Gerüll schaute eine kleine Box aus Durastahl hervor, die der ehemalige imperiale Beamte nicht so recht zuordnen konnte, aber er war sich sicher, dass sie dort nicht hin gehörte. Als sie stehen blieben, wurden auch Ram Elo und sein Weequay-Begleiter darauf aufmerksam. Schnell ging der Kel Dor an dem Schutthaufen in die Knie und holte ein kleines Werkzeug aus seiner Tasche. Es kostete ihn nur wenige Handgriffe, dann holte er den kleinen Kasten aus dem Schutt, auch wenn er dabei mit seinen Klauenfingern sehr vorsichtig war. Er hielt es den drei anderen hin und sagte:
“Gut gesehen. Wenn ihr da weitergelaufen wäret, hätte das Übel ausgehen können. Das ist ne imperiale Personenmine. Jetzt deaktiviert, aber wenn die ausgelöst wäre, hätte sie ne Menge Splitter in diesen Flur gespuckt. Was auch immer ihr hier genau sucht, es will ziemlich sicher jemand verhindern, dass ihr es findet. Und so wie das hier aussieht, ist es das Imperium. Die mögen wohl keine Besucher wie es aussieht.“ Während er sprach reichte der Kel Dor die Mine bereits seinem Begleiter, der diese in seinem beachtlichen Rucksack verstaute und ansonsten keinen Ton von sich gab. Nachdem die Sprengfalle beseitigt war, konnte Tula dann aber – nun deutlich vorsichtiger – in ihr Zimmer und auch wenn es lange her war, war doch eine der Kisten mit ihren Habseligkeiten noch dort und obwohl sie wohl durchsucht worden war, war zumindest einige Kleidung noch da und auch ihr altes Datapad fand sie dort, das sogar noch funktionierte, obwohl es einen deutlich sichtbaren Sprung im Display hatte. In den übrigen Räumen fanden sie ebenfalls kaum etwas von Wert aber dafür noch drei weitere Sprengfallen, die der Kel Dor allesamt fachgerecht entschärfte und seinem Weequay zum Tragen gab – als Beute oder als Waffe, wer wusste das schon. Ein Teil der Quartiere war so gut in Schuss wie Tulas, doch manche waren völlig durchwühlt und was einst in ihnen gewesen war, war lange zertstört.