Sjukowo - Das Dorf:
Das südlichste Viertel weist in das fruchtbare Tal südlich von Demjanowka. Sjukowo, einst nur ein kleiner Weiler, dessen Hänge hinauf zu den Hügel zum Weinbau genutzt wurden, gilt als provinziellster Stadtteil Demjanowkas, da neben großen Wohnbaracken und wenigen Fabrikantenhäuser hier und da noch ein Landhaus oder sogar eine Bauerkate zu entdecken ist. Doch eine nostalgische Idylle vor den Toren der rauchenden Stadt zu erwarten, erweist sich schnell als enttäuschte Hoffnung. Zwar deuten alte Landschaftsmalereien auf die alte Schönheit des Talgebietes hin, doch das liegt in einer Vergangenheit, die kaum noch zu erinnern ist.
Sjukowo nahm seinen Ausgang als kleiner Weiler, in dem auf adlige Prämisse Weinbau betrieben wurde. Viele romantisierende Bilder geben dieses anheimelnde Bild wieder, doch die älteren Bewohner der Stadt, vor allem Elfen und Zwerge, erinnern sich daran, dass das Klima dem Weinbau alles andere als zuträglich war und sie Säure der Trauben schon automatisch Essig bedingte, ehe der Wein zu solchem werden konnte. Sjukowo war das Liebhaberprojekt der Familie Ugadow, und als solches weder an Erfolg noch Realität gebunden, solange die Patronen die Hand darüber hielten. Entsprechend uninteressant wirkte das Gebiet für Demjanowka, bis die Stadt langsam aus seinen Nähten wuchs und das Land als Ackerland interessant wurde.
Wird heute noch ganz im Süden auf den weitläufigen Feldern zwischen dem Fluss und den Hügelketten von den halblingischen Großfamilien Ackerbau betrieben, ist die kurze Phase als angedachte Kornkammer der Stadt längst beendet. Demjanowkas Wachstum war zu rasant und wie so häufig störte die Realität jegliche Planung der humanoiden Völker. Obzwar die agrarische Produktion für Demjanowka wichtig war (und ist), änderte die Entdeckung der großen Tonvorkommen das Landschaftsbild abermals radikal. Schnell waren die Höfe der Bauern, die häufig noch freigelassene Leibeigene mit wenig Besitz und Kapital waren, aufgekauft, die Bauten darauf abgerissen, die Herden verhökert und es entstanden Baumaterial-Abbauanstalten, die den Ton abgruben und so hatte sich alsbald auch eine Ziegelei gegründet, die die ganzen ausgegrabenen Tone und Erden aufkaufte und zu Ziegeln und anderen Bauprodukten veredelte. Nach einer Phase schnellen Wachstums folgte dann eine Phase produktiver Diversifizierung. Neben der Ziegelei siedelten sich alte Keramikmanufakturen an, die auf Fabrikherstellung wechselten. Über den Hafen wird zudem auch Kaolin importiert und mit den seltenen Tonvariationen (Sjukowoton) zu wunderbarer "Onyxware" gebrannt, einer sehr haltbaren und sehr günstigen, schwarzen Geschirr- und Fliesenvariante, die in fast jedem Haushalt der Stadt zu finden ist. Ton spielt auch für die Herstellung von Schamottesteinen für die Industrie eine enorm große Rolle. Gekennzeichnet sind die Tonabbaubereiche des Dorfes durch die rauchenden Schlote der Ziegelei, einer unregelmäßigen und wilden Bebauung, die durchzogen ist von alten Bauernkaten und Landhäusern, und von den vielen seit zwei Jahren arbeitslosen Tagebau-Arbeitern. Seit vor zwei Jahren der althergebrachte Golembau (humanoide Form, Grundform an einen Werkstoff gebunden - Lehmgolem, Steingolem, Magmagolem) revolutioniert wurde durch die Arbeiten von Gostislav Jasmennik, ist es möglich langsam belebte Baumaschinen zu bauen. Eine größere Anzahl dieser - sogenannte Baggergolems (Golems sind jetzt nicht nur an Werkstoff bindbar, sondern auch an Funktion, dafür müssen sie nicht mehr humanoid geformt werden. Sie bestehen aus Gründen der Magieersparnis zum Teil auch aus Dampfparts und Zahnrädern.) - hat die Arbeitskraft vieler Tonstecher aufgewogen. Ein Baggergolem ersetzt vierzig Männer, frisst kein Brot, fordert keinen Lohn; und erste Hochrechnungen erheben, dass ein Golem in seinen Kosten im Gegensatz zu 40 Arbeitern nach zehn Jahren als amortisiert gelten kann. Die Unzufriedenheit und Armut auf dem Land wächst zunehmend, nachdem es Sjukowo durch seine relative Unabhängigkeit viele Jahre relativ gut ging.
Doch der Tonindustrie ist das Wachstum begrenzt, denn in absehbarer Zeit werden die von der Industrie besessenen Flächen geplündert sein. Zwar ist potenzielles Wachstum nach Süden möglich, doch die Halblingsfamilien denken gar nicht daran, ihre Flächen zu verkaufen, sodass ein unschönes Klima zwischen dem Nord- und dem Südpart des "Dorfes" herrscht. Im Südpart öffnet sich die enge Bebauung und große Landhäuser beherbergen in großen Wohnställen hunderte Arbeiter und Saisonarbeiter, während auf ausladenden Feldern allerlei Getreide angebaut werden, der Viehwirtschaft nachgegangen wird, auf anderen Flächen wiederum eine magisch-induzierte Forstwirtschaft und dergleichen. Jetzt sind die Halblinge im Streit mit dem Stadtrat, der auch lieber eine Ausweitung der Keramik- und Ziegelindustrie sieht, da die Stadt vom Erlös profitiert, was die Halblinge dazu führt, die Flächenerträge nicht mehr an Domjanowka zu verkaufen, sondern in die Welt zu verschiffen oder die Flächen anderweitig zu nutzen. Führend im Widerstand gegen die Stadt sind die beiden Familien Baber und Hosch. Auf ihren Gütern ist eine eigenes Chemiewerk entstanden, dessen Produkte und Experimente der agrarischen Forschung vor Ort zu Gute kommt. Nicht unbedingt den Arbeitern, die durchaus mit den Nebenwirkungen eines manchen Präparates zu kämpfen haben. Waren die beiden Familie vor allem für ihre Tagelöhner durch mangelnde Arbeitsschutzmaßnahmen in der Vergangenheit gefährlich, hat sich das seit der Erfindung des Baber-Hosch-Verfahrens geändert. Seitdem sind die Erträge auf den Felder so stark gestiegen, dass eine Einigung mit den Halblingen helfen könnte, Demjanowkas Lebensmittelversorgung auch im Winter auf einem erträglichen Niveau zu halten. Doch stattdessen herrscht ein Klima von Industriediebstahl und Misstrauen, in welches die Entscheidung der Militärführung als Fanal der Wankelmütigkeit steht. Hat der Stadtrat von Domjanowka gegen die Halblinge gewirkt, hat das Militär eine experimentelle Einheit aufgebaut, die eng mit Baber und Hosch kooperiert, um die abfallenden Stoffe für militärische Sprengstoffe zu nutzen. Dies hat zuletzt einen Keil zwischen Stadt und der Großverwaltung des Herzlandes gestoßen.
Ansonsten gibt es trotz des Streits wirtschaftliche Kontakte allenthalben, die Tonfabriken kaufen bei Baber und Hosch Farben und Chemie ein, Babar und Hoschens Barackenställe werden mit Demjanowker Ziegel gebaut.
Der Süden fällt ansonsten durch seien frappierende Armut auf, in der viele Tagelöhner eher wie Knechte und Mägde denn wie Arbeiter behandelt werden. Aller Besitz auf den Bauernhöfen gehört dort den Halblingen, bis auf einen zwergischen Hof, und das Gros der Arbeiter ist hier vollkommen besitzlos, was Haus und Grund angeht. Die meisten Flüchtlinge ziehen dennoch auf das Land, da bei Haber, Bosch und den anderen Halblingsfamilien immer Arbeit zur Verfügung steht, auch wenn sie meist nur in Naturalien bezahlt werden. Zudem wird man hier nicht von der Polizei oder dem Militär auf das Korn genommen.
Drei Beispielorte:
Die Freie Automatenwerkstatt Lovrenka und Töchter an der nördlichen Distriktgrenze ist ein wundersamer Ort, an dem jeder Begeisterte sehen kann, wie die Zukunft aussehen könnte. Evita Lovrenka ist eine Pionierin auf dem Gebiet der Dampfkraft und arbeitet an Verfahren, die Magielast von Golems zu verringern, in dem sie auf magielose Varianten umstellt. Zu ihrem Ärger sind ihre Verfahren noch kohle- bzw. brennstoffabhängig, aber sie benötigen nur noch kleine Magiespeicher, um die automatische Funktionalität der Maschinen zu gewährleisten. Das besondere ist aber, dass Frau Lovrenka auch günstige Varianten herstellt, welche sich zumindest Facharbeiter leisten können. Diese Haus- und Hofhelfer sind der letzte Schrei in der High Society von Demjanowka, obwohl dieser Umstand politisch genutzt wird. Frau Lovrenka hat unverkennbar kantige Züge und so mancher Neider behauptet, dass sie nicht nur ihr Wissen aus Kirgagrad hat, sondern auch ihr Blut. In den letzten Monaten läuft also so etwas wie eine Hetzkampagne gegen ihre Werkstatt und das einzig freie Maschinenemporium von Demjanowka. Alle weiteren Maschinen können nur durch Fabrikanten erworben werden und werden oftmals nicht auf offener Straße verhandelt. Die alte Bauernkate mit großen Stall in der Nähe der Verwaltung der Ziegelei ist trotzdem ein Ort der kleinen Wunder, der immer gerne von Schaulustigen und vielen Kindern besucht wird, die sich die kleinen maschinellen Wundern (vom Druckluft-Bolzenschuss-Kugelschreiber mit automatisierter Unterschrift über den kohlebetriebenen Dampfwachhund bis zum Baggergolem für den Teichbau) anschauen und mit großen Augen bewundern.
Die Legebatterien im Süden des Viertels sind eine Ansammlung von vier großen Langställen mit zweifelhaften Ruf. In zentralen Boxen werden Arbeiter in Käfigen gehalten (offiziell ein freiwilliger Akt) und über ein Förderband mit unterschiedlichen Produkten versorgt. Während ein Aufsehergolem Arbeitszeiten und Diensteifer überwacht, gibt es ein Zwei-Käfige-System. Im Auftrags-und Aufgabekäfig steht ein Arbeiter, der entweder persönliche oder schriftliche Aufträge annimmt und dann über ein Sprechrohr einem Arbeiter auf der anderen Seite der Halle die Auftragsspezifika durchgibt. Dieser befindet sich im Gegensatz zum ersten in einem Großkäfig mit anderen Arbeitern, die wiederum Zugriff auf ein von einem Lagerausgabengolem und einem Inventargolem geführtes Warenlager haben. Aus dem Warenlager werden unter Aufsicht der drei Golems (und unter dem Verbot der übermäßigen Kommunikation mit Mitarbeitern) die bestellten Artikel geholt und auf ein Förderband verbracht, welches aufgrund des Intellektes des magischen Förderbandgolems, der das Ganze betreibt, zum auftragserteilenden Arbeiter in dessen Einzelkäfig gebracht wird. Dort wird die Ware in einen Karton abgelegt und dann entweder persönlich vom Besteller entgegengenommen, einem individuellen Boten oder dem Warenausgangsgolem bzw. dessen Karren übergeben. Dieses Warenlegesystem wird aufgrund seiner großen Leistungsfähigkeit als Legebatterie bezeichnet und transportiert täglich mehrere Tausend Artikel aus der vor allem halblingischen Landwirtschaft in alle Welt. Die Käfige gelten als doppelter Schutzmechanismus. Zum einen hat es aufgrund der Armut häufig Überfälle auf die Arbeiter an der Ausgabe gegeben, zum anderen hat es wegen der Armut häufig Diebstahl gegeben. Goscha Bezusky, der Gründer der Legebatterien, legt aber in der Darstellung wert, dass die Vollüberwachung eines jeden Einzelschrittes nur zu Sicherheit der Arbeitnehmer ist. Zudem sein sie alle eine große Familie dort.
Die Realität sind ätzende Arbeitsbedingungen, aber die Packerarbeiten sind ein beliebter, weil verfügbarer Job; zumindest für eine Weile.
Old Nan's Stube ist ein Ort aus einer alten Zeit. Old Nan - so genannt, weil sie früher die Kinder des Adels großzog - war eine magisch begabte ältere Dame, die in einem efeuverwucherten Haus lebte, welches zur Ritterzeit Hexenhaus genannt und verbrannt worden wäre. Dieser Tage stören sich wenige an diesem Hexentum, welches aus der Zeit gestoßen wirkt. Old Nan ist jedoch seit über hundert Jahren tot, doch das Haus selbst scheint aus irgendeinem Grund zu leben. Aus noch nicht geklärten Gründen hat sich das Haus bisher jedem Abrissversuch entzogen, als hätte es einen unbezähmbaren Willen. Unter seinem efeuüberwucherten Dach finden wie durch Wunderhand Waisenkinder und vernachlässigte Kinder immer etwas zu essen, zu naschen und zu trinken. Viele Magier des Polytechnikums haben sich Gedanken zu diesem Phänomen gemacht, aber es in der neueren Zeit aufgegeben, weiter darüber zu forschen, weil die Tonindustrie sich damit abgefunden hat, dass das alte, schäbige Haus nicht abzureißen ist. Und so bleibt Old Nan's in einer Zeit der magischen Wissenschaft ein Mysterium.