Als Aeryn das Wort an die Menschen in den Hütten richtet, wird sie immer wieder unterbrochen. "
Das ist keine Krankheit!", "
Er will ihn nur vor dem Urian retten!" schallt es hinter geschlossenen Fenstern hervor. Offensichtlich hören auch andere Dorfbewohner zu. "
Es gibt keine Rettung!" schallt es aus einer der Hütten, doch dann ist eine laute Ohrfeige zu hören und eine Frauenstimme fährt ein: "
Halt den Mund, Dummkopf! Die Kinder hören dich."
Dann sagt Aeryn, die Dorfbewohner sollen keine Angst vor der Gruppe haben und rauskommen, und hysterisches Gelächter kommt zugleich aus mehreren Kehlen. Der Vater des Jungen - Rani, wie ihn sein Weib genannt hatte - bemerkt den fragenden Blick der Elbe durch die Schweinsblase des wieder eingesetzten Fensters. Als sein lauter und dennoch trauriger Lachanfall zu Ende ist, schreit er ihr entgegen: "
Wir haben keine Angst vor euch, Spitzohr! Wir haben Angst vor dem Fluch des Urian, der hier wütet. Deswegen kommen wir nicht raus, bis die Behadrim uns zu Hilfe kommen. Aber steht ihr nur weiter rum da vorne und redet. Schon bald wird euch die Seuche dahinraffen."
Da tritt Tristan hervor und zitiert die Worte des Propheten und der Mann hält inne und muss mehrmals schlucken. Auch die anderen Dorfbewohner verstummen, je mehr der Rungarder zitiert.
[1] Wahrscheinlich flüstern sich manche etwas zu, doch so etwas ist hinter den geschlossenen Fenstern nicht zu hören und so scheint völlige Ruhe eingekehrt zu sein, als Tristan endet. Hinter den Fenstern erkennt er zum Teil bedröppelte, zum Teil beeindruckte Gesichter, dann fixiert er die als "Hexe" bezeichneten Frau. Der Neuankömmling erwidert trotzig seinen Blick, und er sieht, dass sie ihn mit einer Mischung aus Neugier und Argwohn beäugt.
Hinter den Rücken von Talahan, Tristan und Aeryn kümmern sich die Übrigen um den kranken Jungen. Auch Lif fallen die äußerlichen Unterschiede des Neuankömmlings zu den herkömmlichen Gesichtern der Menschen auf. Die knöcherne Erhebung über der Nasenwurzel und die weißen Haare, ebenso wie eine leicht veränderte Form der Ohren. Doch ansonsten scheint die Frau normal auszusehen. Die weiße und schwarze Farbe auf dem Gesicht ist wohl genau das - Farbe. Wichtiger als das Äußere ist der
Drudkvinde aber das Innere der selbsternannten Heilerin. Nachdem sie ihr Zeichen gemacht hat, wartet Lif auf eine Reaktion und beobachtet die Frau. Diese bemerkt die Geste. Sie wiederholt sie nicht, nickt jedoch knapp. "Für Gaya und die Ahnen" murmelt sie fast lautlos einen häufigen Leitspruch der Druidinen. Eine einfache Geste, doch sie wirkt ehrlich und bestärkt Lif in ihrem Vertrauen in den Neuankömmling.
[2]Als Abdo Lif den Jungen abnimmt und aufsteht, verstehen es alle, als stumme Einigung zum Aufbruch. Abermals nickt die bemalte Frau. "
Man nennt mich Solveig - meine Hütte steht nur hundert Schritte vom Dorf entfernt in nördlicher Richtung", sagt sie. "
Folgt mir"
Nur wenige Schritte sind getan, da tritt Hjalmarr an Abdo heran und bittet ihn, ihm den Jungen zu übergeben. Die bemalte Frau bemerkt das. "
Mir egal, wer ihn trägt, aber macht schnell."
So bricht die kleine Truppe auf und macht sich auf den Weg durch die nach Norden führende Gasse. Solveig geht vor, Lif folgt und beäugt weiter den Jungen. Sie ist sich inzwischen sehr sicher, dass es sich um eine schwere Vergiftung des Körpers handeln muss. Die nässenden, eiternden Wunden und die geschwollenen Glieder deuten ebenso darauf hin, wie das hohe Fieber. Allerdings kann sie die genaue Ursache nicht einordnen. Es scheint, als habe sie diese Art von Vergiftung noch nie gesehen.
[3]Hjalmarr und Abdo laufen neben ihr und tragen den Patienten. Freydis schließt die kleine Prozession ab. Der Berührten geht einiges durch den Kopf. Der Weihort - Ansdag - in den Geschichten der Behadrim ein erhabener Ort. Der Flecken, an dem der Prophet aus eigener Hand die Weihe empfing. Heiliger Boden. Das heißt, das stimmte nicht ganz. Sirssudo - die Feste der Behadrim am Hang des Berges: sie war um eine kleine Bergquelle herum gebaut worden und genau in dieser hatte der Prophet lange vor dem Bau die Weihe empfangen. Doch da lässt es sich schlecht hausen. Der Bergbach verlief - so stand es in den Büchern - von da an lange unterirdisch, bevor am Fuß des Berges unweit von Ansdag wieder an die Oberfläche brach. Da hatten die Behandrim - um die Quelle herum - ihr Kloster von Ansdag errichtet. Wenn sie sich recht entsinnte, war das Dorf Ansdag, der Weihort, keine Meile vom Kloster entfernt entstanden.
[4] Unbewusst geht der Blick der Albionerin nach Norden, sie versucht das Kloster in der Ferne auszumachen, doch Bäume versperren die Sicht. Dafür fixiert sie den kleinen Gemüsegarten des nächstgelegenen Hauses. Der Boden sieht verdorben aus - Schimmelpilz liegt wie ein weißer Teppich über der Krume. Kohl und Karotten sind schwarz und deformiert.Als ihr Blick umhergeht, bemerkt sie weitere Felder dieser Art - dann die Hütte der bemalten Frau in der Ferne.
[5]Nur wenige Augenblicke später erreicht die kleine Prozession das Haus der bemalten Frau. Wie von ihr geschildert, steht es etwas abseits zwischen mehrere alten Kiefern. Es ist ein geräumige - alt aber stabil - mit einer kleinen Terasse vor der Tür. Vom Dach der Terasse hängen mehrere Beutel und Ahnenzeichen. Auf einem Beistelltisch liegen Kräuter. Lif nimmt sofort den typischen Geruch der Heilpflanzen wahr. In einem kleinen Holzgefäß gären einige zu Muß zerstoßen zu einer Salbe.
Solveig macht knarrend die Tür auf und geht hinein. Die anderen folgen ihr. "
Legt ihn da auf den Tisch", sagt die Frau und deutet auf einen großen Eichentisch mitten im Zimmer. Ein schneller Blick offenbart, dass auch drinnen fast jede Fläche des großen Raumes für Tinkturen und Muße aller Art, sowie für Ahnenzeichen genutzt wird. Das hier ist das Zimmer eines Kräuterweibes, keine Frage. Zwei Türen führen weiter. Eine steht offen - Ein Bett ist zu erkennen, indem jemand liegt. Vielleicht ein Patient. Die andere Tür ist zu.
* * *
Aeryn und Talahan beobachten vom Dorfplatz aus, wie die Prozession das Haus der Heilerin knapp 200 Schritt von ihnen entfernt betritt. Hinter den Fensters sind immer noch Silhoutten von neugierigen Gaffern zu erkennen. Eine ungewöhnliche laute Fliegenwolke zieht an den beiden vorbei, macht sich auf zum Pferdekadaver auf der anderen Seite des Platzes.
"
Bitte helft uns, wenn ihr wirklich könnt! Vertreibt die Dämonenseuche", schreit eine Frau aus einem der Häuser. Sie blickt dabei zu Aeryn, vielleicht ein verspäteter Appel nach ihren Worten zu beginn.
Talahans Pferd wiehert. Der Mann lenkt das Tier zu Aeryn und beugt sich hinunter. "
Ich glaube, wir werden derzeit niemanden hier rauslocken. Lass uns lieber sehen, was die anderen machen", schlägt er vor.