Bei Elskes Frage verzieht Tristan das Gesicht und beginnt unwillig: "Ob es Fragen zu meinen bisherigen Erklärungen gäbe, wollte ich wissen, statt dessen greifst du vor auf Scheidungsgründe, wo wir doch gerade erst bei der Eheschließung sind!"
Über die Rüge erschrickt Elske dann allerdings derart heftig, dass Tristan sie rasch zu beruhigen versucht: "Also schön, ein Vorgriff auf das Scheidungsrecht. Es gibt nur zwei Dinge, aus Sicht des Mannes, welche den Ehevertrag ungültig machen und ihn dazu berechtigen, sein Weib heimzuschicken, wie du es nennst: das wäre zum einen, dass er sie im Bett mit einem anderen Mann erwischt—und in diesem Fall muss sie froh sein, wenn er sie nur heimschickt, denn bei solch schändlichem Ehebruch hätte euer Gatte gar das Recht, nicht nur euren Geliebten totzuschlagen, sondern euch gleich mit, um seine Ehre wiederherzustellen. Eure väterliche Sippe wird dies ohne Wenn und Aber einsehen, sodass ihm dafür auch keine Blutrache droht. Voraussetzung ist—merkt wohl auf, ihr Burschen!—dass euer Gatte den Fehltritt mit eigenen Augen bezeugt hat. Burschen, ich warne euch, geb acht, dass ihr euch da niemals etwas einreden oder närrisch machen lasst, durch Neider und dergleichen bösen Zungen, die so etwas gerne einmal behaupten. Im Zweifelsfall glaubt an die Treue euer Frau und versucht die Sache zu klären. Und selbst wenn ihr einen fremden Mann im Bett eures Weibes erblickt, haltet euch wenigstens so lange zurück, bis ihr festgestellt habt, dass dieser nicht gegen ihren Willen dort ist, in welchem Fall ihr wohl daran tut, den Schuft auf der Stelle zu erschlagen, euer Weib hernach aber auf Knieen um Vergebung zu bitten, dass ihr sie nicht besser habt schützen können.
Zurück zu den Scheidungsgründen: Untreue wäre der eine, der zweite aber, dass ein Eheweib ihrem Gatten in sieben Jahren—dies ist die Zahl, die in den meisten Verträgen steht, fragt mich nicht wieso—gar kein Kind schenkt. Auch dies gibt ihm das Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären. Schenkt sein Weib ihm in dieser Zeit aber eine Tochter, so ist der Vertrag damit erfüllt. Denn ein Mann, der nur eine Tochter hat, kann sie mit einem Burschen verheiraten, der wohl tüchtig ist, aber keinen eigenen Hof hat, etwa weil er ein jüngerer Sohn ist, und diesen beiden kann der Vater alles vererben und seine greisen Jahre bei ihnen verbringen. Aber da sind wir schon beim Erbrecht. Im übrigen wird ein Mann auch ein kinderloses Weib nicht leichtfertig verstoßen. Ist sie nämlich tüchtig und versteht sich mit ihrem Gatten gut, so holt er sich eher ein zweites Eheweib ins Haus als dass er sein erstes verstößt, doch zur Fridelehe sage ich später noch was. Und selbst wenn es zum ärgsten käme, hat das Weib unter gewissen Umständen die Möglichkeit zu widersprechen, sollte nämlich ihr Gatte das Ehelager vernachlässigt haben, in welchem Fall man die Kinderlosigkeit nicht ihr zu Last legen kann. Da gab es übrigens mal einen Fall, dass es zwei Nachbarn so ging, und sie beschlossen schlau, einfach die Weiber auszutauschen, und siehe da, schon das Jahr darauf hatten beide Kinder! In einem anderen Fall heiratete ein Mann einfach noch die jüngere Schwester seines Weibes hinzu und alle drei waren glücklich. Häufig dagegen kommt es vor, dass ein Mann, im Fall dass sein Weib ihm keine Kinder schenkt oder aber diese allesamt vor ihm sterben, ein oder mehrere Kinder, die er mit seinen Kebsen zeugte, nachträglich vor dem Recht anerkennt. Mit all dem will ich sagen: es geschieht sehr selten, dass ein Mann sein Weib einfach verstößt, weshalb es recht überflüssig ist, sich schon vor der Hochzeit darüber zu sorgen."
Nachdem Tristan dies alles sehr geduldig erklärt hat, endet er nun doch wieder leicht verstimmt: "Also bitte, wenn niemand hier tatsächlich eine Frage zu dem hat, was ich bisher vortrug, so fahre ich nun fort."
Die jungen Frauen schütteln betreten, teilweise verschüchtert die Köpfe, worauf Tristan sich also an die Burschen wendet, nicht ohne zuvor die Weiber zu ermahnen, dennoch gut zuzuhören.
"Nun also zu euch Burschen, das heißt zu euren Rechten und Pflichten als Hausherr und Ehegatte. Zunächst einmal: Auch wenn Gesetz und die gute Sitte vorsieht, dass euer Weib euch untertan sein soll, so habt ihr sie zu achten und zu ehren und für ihr Wohlergehen zu sorgen, denn es gäbe nichts schändlicheres, als dass ihr sie wie eine Magd behandeln wolltet. Als zweites müsst ihr wissen, dass ihr für euer Weib in vollem Maße buß- und rechtspflichtig seid. Das heißt ihr vertretet sie vor Gericht, haftet für ihre Taten oder macht ihre Ansprüche geltend. Außerdem gehört dazu, wie ich vorhin den Weibern erklärte, dass ihr einen Handel, den sie vereinbarte, nicht rückwirkend ausschlagen könnt, sondern für ihr Wort in gewisser Weise mit dem euren haftet. Drittens habt ihr für ihren Schutz zu sorgen und den der gemeinsamen Kinder, indem ihr zum einen mit allen Mitteln den Hausfrieden verteidigt, nämlich dass niemand auf eurem Grund und Boden es wagen soll, euren Hausgenossen Schaden zuzufügen, ob an Leib oder Ehre; zum anderen bedeutet dies, dass ihr nicht nur das Recht auf Blutrache habt, sollte jemand eurem Weib oder Kindern ein Leid gleich welcher Art antun, sondern geradezu die Pflicht. In diesen und auch sonst allen Dingen vertretet ihr eure Familie nach außen.
Eine weitere Pflicht des Hausherrn ist, sich um die Versorgung und Gesundheit aller Familienmitglieder zu kümmern sowie für die Erziehung der Kinder zu sorgen, also dafür, dass sie alles lernen, was sie zum Leben brauchen, die Töchter das Haushalten und Wirtschaften und auf sich acht geben, die Söhne Todesmut und Ehre, wie man Schild und Waffe führt, reitet, schwimmt und die See bezwingt, fischt, jagt und allerlei handwerkliche Dinge verrichtet, so ihr sie nicht gar mit zehn zum Lehrling nehmt oder einem Schmied, Bootsbauer, Tischler, Sattler oder Skalden in die Lehre gebt. Für eure Töchter wiederum gilt es, einen möglichst günstigen Ehevertrag auszuhandeln, dazu müssen sie mindestens zwölf sein, also auch bei einer geplanten Verlöbniszeit von drei Jahren.
Bei der Wahrung der häuslichen Ordnung habt ihr eurem Weib zur Hand zu gehen, damit das rechte Benehmen aller Hausgenossen untereinander gewährleistet ist. Zur Hand gehen will heißen: so euer Weib einen nachteiligen Vorfall dieser Art nicht allein in den Griff bekommt, bevor er euch auffällt. Also etwa, dass es Streit im Haus gibt, den die guten Worte der Hausfrau nicht zu schlichten vermochten, so sollen die Streithähne durch eure Hand angemessene Züchtigung erfahren, das wird sie dann wohl zur Vernunft bringen. Ein weiterer Fall, bei dem ihr einschreiten müsst, ist der, dass euer Weib diejenige ist, deren Fehlverhalten es zu maßregeln gilt, was sie ja schlechterdings an sich selbst verrichten kann, oder eins der Kinder, was eurem Weib vielleicht schwerfallen wird.
Wenn es bei einer Züchtigung um euer Weib oder die Kinder geht, möchte ich zwei Warnungen aussprechen: zum einen, dass euer Weib, solltet ihr sie im Übermaß prügeln, gar für den kleinsten Fehler, zu ihrem Vater oder Bruder gehen könnte und diesen um Schutz vor euch bitten. Sie bleibt nämlich trotz der Heirat ein Mitglied der väterlichen Sippe, und wenn sie auf diese Weise bittet, so haben ihre Verwandten das Recht, sie gegen den eigenen Mann zu schützen. Dazu wird der Vater oder Bruder sich anhören, für welche Vergehen ihr Gatte sie auf welche Weise gezüchtigt hat, und kommt er zu dem Schluss, dass ihre Missetat in keinem Verhältnis zu der Strafe stand, so mag er beschließen, den Gatten, der so gar kein Auge für das rechte Maß zu besitzen scheint, doch selbst einmal aufs prächtigste zu verprügeln, um ihm dieses zu demonstrieren. Dies ist einem Mann meiner Bekanntschaft passiert und es war nicht schön. Schlimmer ist nur noch der Fall, dass ihr als Gatte euch auch danach nicht bessert, dann kann das Weib euch nämlich verlassen und aus eigener Entscheidung zu den ihren zurückkehren. Ja, auch sie hat zwei gute Gründe vor dem Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären: unmäßige Prügel ist einer davon. Also seht euch vor und lasst stets das rechte Maß walten—ein guter Rat in jeder Lebenslage!—vor allem aber, wenn es um die Züchtigung von Weib oder den Kindern geht, denn zu deren Schutze könnte euer Weib ebenfalls die Hilfe ihres Vaters oder Brüder erbeten und die meisten von ihnen täten es sogar noch eher aus diesem Grund als zum Selbstschutz, denn nichts auf der Welt ist stärker als der Instinkt einer Mutter, ihre Kinder zu schützen. Meine zweite Warnung hat nichts mit dem Gesetz zu tun, ich spreche sie aber trotzdem aus: schlagt euer Weib niemals in den Bauch, weder mit der Faust noch mit einem Fußtritt, und stoßt sie auch nicht zu Boden, egal ob ihr von einer Schwangerschaft wisst oder nicht, denn oft ist das Weib schon schwanger und weiß es selbst noch nicht oder hat den rechten Moment noch nicht gefunden, es dem Gatten zu sagen, und ein Tritt oder Hieb in den Magen oder auch ein Sturz wird ihr das Kind mit großer Gewissheit kaputtmachen. Auch diesen Fehler hat ein Mann, den ich vor langer Zeit kannte, wieder und wieder begangen und daher selbst das elendste und einsamste Leben verbracht, das man sich nur ausmalen kann, doch sehe ich nicht, dass man ihn dafür bedauern müsste, denn er hat es sich selbst so eingebrockt.
So, was bleibt noch zu sagen? Dass es eure Pflicht ist, eurem Weib regelmäßig beizuwohnen, erwähnte ich bereits, denn Kinder sind der vorrangige Zweck einer Ehe. Tut ihr dies nicht, so hat sie ihrerseits das Recht, den Ehevertrag für ungültig zu erklären und zu ihrer väterlichen Sippe zurückzukehren. Dies trauen sich, zugegeben, nur wenige, doch unterschätzt nicht die Entschlossenheit einer Frau, die sich Kinder wünscht, und ihr macht ihr keine.
Und damit wären wir bei der letzten Pflicht des Hausherrn oder auch dem letzten Recht, denn zumeist sind dies zwei Seiten derselben Münze: bei jedem Kind, das euer Weib euch gebiert, habt ihr zu entscheiden, ob ihr es annehmt, das heißt in den Rechtsschutz eurer Familie aufnehmen wollt, oder ob es ausgesetzt werden soll. Um als Vater ein Kind rechtskräftig anzunehmen, habt ihr drei Dinge zu tun: ihr nehmt es auf und legt es auf euer Knie; ihr benetzt es mit Wasser; ihr gebt ihm seinen Namen. Sobald dies getan ist, erlischt euer Recht, das Kind auszusetzen. Dies wäre dann eine Schandtat, für die ihr schlimm büßen müsst. Wollt ihr das Kind also nicht annehmen, weil es krank oder missgestaltet ist oder weil ihr euch in so großer Not befindet, dass ihr die anderen Familienmitglieder kaum ernähren könnt, so legt es namenlos bei Ebbe an den Strand, dass die Flut es holen möge und die Geister all eurer Vorfahren, die im Meer ihr Leben ließen, sich um seine Seele kümmern können.
In diesem Sinne: hat jemand Fragen zu dem, was ich soeben vorgetragen habe?"