Trotz ihrer Ankündigung schien Ameiko nur wenig Ruhe zu benötigen - oder aber die Aufregung hielt sie auf Trab. Jedenfalls trat sie bereits nach kürzester Zeit wieder voller Geschäftigkeit aus ihrem Zelt, huschte im Lager hierhin und dorthin, wechselte hier ein paar kurze Worte mit Sandru und flüsterte dort energisch auf Schrogrim ein. Zwischendurch verschwand sie immer wieder kurz in ihrem Zelt; doch alle, die sie beobachteten, versuchten vergeblich, eine Reaktion zu erhaschen, die ihnen weiteren Aufschluss geben könnte über das, was heute geschehen war.
Schließlich wurde zum Essen gerufen und die gesamte Karawane versammelte sich in der Nähe des Lagerfeuers, um sich die Bäuche mit Wildschwein vollzuschlagen, das extra zur Feier von Ameikos Erwachen aufgetischt wurde. In der Zwischenzeit hatten diejenigen, die in der Feste waren, auch Zeit gefunden, um sich über die Verteilung der gefundenen Schätze einig zu werden, und nachdem alle ihren ersten Hunger gestillt hatten, versammelten sich nach und nach alle Blicke auf der jungen Frau, die scheinbar die letzte Erbin eines Kaiserreiches sein sollte.
Ameiko ließ sich zunächst nicht anmerken, dass sie Notiz davon nehmen würde, dass alle Augen sie anstarrten, und aß vielleicht etwas zu genussvoll zu Ende. Letztlich jedoch legte sie das Essgeschirr beiseite und ließ ihren Blick über die Versammelten gleiten, wobei sie jede Person kurz fixierte.
"Ihr habt einige Fragen gestellt und habt wahrscheinlich noch einige weitere, und ich will versuchen, sie so weit zu beantworten, wie ich in der Lage bin. Aber ..." fuhr sie fort, und bei ihren nächsten Worten machte sich leise Enttäuschung breit. "viel mehr als ihr weiß ich selbst nicht.
Nach dem, was ich gehört habe, hatten wir die gleiche Vision. Zunächst muss ich euch sagen, dass nichts davon mir bekannt war. Mein Vater hat mir niemals etwas davon erzählt, dass unser eigentlicher Name nicht Kaijitsu gewesen sein soll, und wenn er etwas von irgendwelchem kaiserlichen Blut gewusst hat, hat er es mit keiner Silbe erwähnt. Ihr seht also, ich bin vermutlich ebenso neugierig, nein, sicherlich noch neugieriger als ihr, was es damit auf sich hat. Und daher habe ich beschlossen, nach Minkai zu reisen.
Ich habe bereits mit Sandru gesprochen, und er hat sich freundlicherweise bereiterklärt, mich mit seiner Karawane zumindest auf dem ersten Teil der Reise zu begleiten."
Sandru musste bei diesen Worten grinsen und unterbrach seine Freundin: "Bereiterklärt? Keine zehn Pferde würden mich davon abhalten, mit dir zu kommen. Dazu ist die Geschichte einfach zu fabelhaft. Und außerdem: Die Kaiserin von Minkai persönlich zu kennen, kann sicherlich nicht schlecht für's Geschäft sein."
Ameiko musterte Sandru kurz mit hochgezogenen Brauen, bevor sie fortfuhr: "Nun. Ich habe Schrogrim gebeten, eine Nachricht an meine Geschäfte in Sandspitze zu überbringen. Schließlich werden ich wohl eine Weile länger fort sein als geplant. Er wollte zwar ebenfalls mitkommen, aber ich brauche einen pflichtbewussten Mann, dem ich in dieser Sache voll vertrauen kann, und da gibt es keinen Besseren."
Schrogrim, nie ein Zwerg großer Worte, nickte nur und verneigte sich leicht, ließ ansonsten aber mit keiner Regung erkennen, ob er enttäuscht oder erleichtert war.
"Wie gesagt, ich weiß genauso viel wie ihr, und deshalb ist es wichtig, mehr Informationen zu sammeln. Ihr habt die gleiche Vision gehabt, ihr habt Suishen auch gesehen. Dieses Schwert ist der Schlüssel zu dem Wissen über meine Familie, dieses Schwert muss ich finden. Und dazu muss ich nach Kalsgard reisen!"
Nun sprach sie direkt ihre Freunde an, die in der Burg nach Hilfe für sie gesucht hatten.
"Ihr seid kein fester Bestandteil von Sandrus Karawane, und ich kann euch nichts befehlen. Aber ich würde euch bitten, mit uns zu kommen. Ich kann eure Hilfe gut gebrauchen, und noch dazu spüre ich, dass uns durch unsere Vision etwas verbindet. Das Siegel hat euch ausgewählt als Hüter des Hauses Amatetsu, und daher frage ich euch: Wollt ihr mich begleiten?"
Einen Moment herrschte Stille, die nur vom Knistern des Feuers gestört wurde, dann ergriff der Barde als erstes das Wort: "Was ist denn das für eine Frage? Natürlich komme ich mit. Wer soll sonst das Lied deiner Heldentaten verbreiten? Diese Geschichte ist einmalig in Generationen, und ich werde mitten drin sein - sie wird mich berühmt machen!"
Mit einem verträumten Blick scheint Cliff vor seinem inneren Auge bereits die ihm zujubelnden Massen zu sehen, während Ameikos Blick auf die anderen schwenkt.