Arma virumque cano, Troiae qui primus ab oris
Italiam fato profugus Laviniaque venit
litora, multum ille et terris iactatus et alto
vi superum saevae memorem Iunonis ob iram,
multa quoque et bello passus, dum conderet urbem
inferretque deos Latio, genus unde Latinum
Albanique patres atque altae moenia Romae.
Musa, mihi causas memora, quo numine laeso
quidve dolens regina deum tot volvere casus
insignem pietate virum, tot adire labores
impulerit. Tantaene animis caelestibus irae?
Kaum fuhren Sie, die Augen von den Gestaden Siziliens wendend ab, da tosten die Winde heran, getrieben vom Willen ihres Königs, des Aeolus, der ihnen in den felsigen Flanken des Atlas gebietet. Verführt von der Königin Juno und der Hand einer Nymphe folgte er dem Willen der Saturnia und trieb sie an gegen die Trojaner zu schlagen, den wilden Boreas und den tosenden Notus, Eurus mit seinen heißen Lüften und sogar den sonst so milden Zephyrus. Auf Befehl ihres Herrn fuhren sie auf die Schiffe nieder und türmten vor ihnen die Wellen auf. Die einen trieben sie gegen die Felsen, die hoch aus den Wassern ragten, andere begruben sie im Sand, den das Wasser in seinem Zurückweichen offen legte. Wie Insekten von Feuer auseinander getrieben werden, so verteilte sich die Flotte über den Wassern. Die entfesselten Fluten schlugen auf das Deck nieder, rissen Männer mit sich fort und begruben sie in ihrem schwarzen Grab. Kein Lichtstrahl drang mehr durch die finsteren Wolken, keine Hoffnung blieb den Aeneaden. Verzweifelt hoben Sie ihre Hände gen Himmel, baten um Rettung und beweinten ihr Schicksal. Wie grausam mussten die Götter sein, sie fort von ihrer Heimat zu führen, um sie dann so fern von allen Landen dem Untergang preiszugeben?
Jede Hoffnung wich aus ihren Herzen und die Kälte von Wind und Wasser ließ ihre Glieder erstarren. Keine Rettung war in Sicht und ein Schiff nach dem anderen wurde dem Blick des Aeneas entrissen. Schrecken durchfuhr seinen Körper als er eines nach dem anderen kentern sah. Orontes und die Lykier wurden von Wellen begraben, selbst der mächtige Ilioneus und der tapfere Achates vermochten der Gewalt der Winde nicht zu trotzen. Welche Verzweiflung lag da in den Augen des treuen Aeneas! Welch eine Sorge um das Schicksal der Seinen umfasste sein Herz! Flehend reckte er die Hände gen Himmel, ein Gebet auf den Lippen.
Doch um wie viel schlimmer war die Lage für die seinen, die nicht ihres Gefolges, sondern des großen Mannes beraubt wurden. Wenn sein Gesicht Angst zeigte, zeigte ihres Schrecken. Wenn seine Hände flehentlich gen Himmel gereckt waren, so fielen sie auf die Knie. Wenn seine Hände zitterten, so zuckten unkontrolliert ihre Leiber. Schon jetzt flossen Tränen über ihre Wangen, schon jetzt erhob sich Gejammer aus ihren Mündern, schon jetzt schlugen sie mit Fäusten gegen ihre Brust.
Aber tief unter dem Meere wurde der Herr der Fluten des Sturmes gewahr. Mit einer Eile wie nur der Herr des Salzes und der Süße sie unter der weinroten Spiegelfläche kennt, begab er sich zu dem Aufruhr. Er reckte sein Haupt auf den Wellen und wie wenn ein Mann von Macht und Einfluss allein durch sein Auftreten das rasende Volk zur Ruhe bringt, legten sich die Wellen. Die zürnende Faust des Neptun entstieg den Fluten und mit der Wut seiner Stimme wies er die Winde zurück in ihre Schranken. Schlimmer noch getrieben als vom Willen ihres Königs flohen sie zurück in die heulenden Kavernen, die sie bewohnten. Da erhob sich Neptun in seiner ganzen Größe über das Wasser, ergriff die Schiffe, drehte sie auf die richtige Seite und hob auch die verzweifelten Trojaner wieder an ihren Platz. Unter den Rädern seines Wagens legt sich jede Welle. Triton und sein Gefolge der Nereiden ziehen reitend auf Delphinen die zerschmetterten Rümpfe fort von den Klippen, befreien sie aus dem Sand und schicken sie auf die Fahrt hin zu ruhigen Gewässern.
Vor fremden Küsten gab es eine Insel, voll von tiefen Höhlen und Kavernen. So zahllos wie die Augen des Argus waren die Mäuler in der Erde, Verstecke für große Männer, welch rasender Feind sie auch jagen mochte. Aus diesen Mündern hallten die Wellen wieder, drangen an die Ohren der gebeutelten Trojaner. Einsam trieb ihr Schiff dahin, der Mast gebrochen, das Segel zerrissen. Doch hinter der Insel taten sich Hügel auf, das Antlitz eines fremden Landes, nie zuvor gesehen von Trojas Mannen. Schützend lag die Insel vor den Küsten, brach die Wildheit der weiten See. Wie der Feldherr an der Spitze seiner Truppen die Wogen der Feinde teilt, so schütze auch die Insel die Küste. Ein Strand erstreckte sich, ruhig und friedlich, unberührt vom Blut, wie es die Gestade Iliums befleckt hatte und doch nicht vor ihm gefeit. Als sie dies erblickten, fassten die Dardaner neuen Mut. Noch immer fehlte ihnen der Anblick des Mannes, der sie auf diese Reise geführt hatte, doch wenn sie sicher an einer fremden Küste landen können, so mochte dies auch ihm gelungen sein. Das Meer mit den verbliebenen Rudern schlagend treiben sie ihr Schiff zur Küste. Es ächzen die Planken unter der neuen Last und es knarrt der Kiel als er auf den Sand stößt. Eilig springen die Männer hinab und ziehen das Holz, das sie über die Meere getragen hatte, an Land. Ein fremdes Land ist es, keinen Namen vermögen sie ihm zu geben und doch danken sie seinem Boden für ihre Rettung.
Die Leidende hinter sich lassend setzten die Dardaner ihre Wanderung durch die Ödnis fort. Langsam stiegen sie die Hügel hinauf, nichts schien auf Veränderung zu deuten, doch schließlich erreichten sie den Scheitelpunkt. Ihr Blick fiel hinab auf gewaltige Wasser, soweit das Auge reichte erstreckte sich das Nass.
(http://upload.wikimedia.org/wikipedia/commons/8/85/Chott_el_Djerid.JPG)
Der Blick der Helden wanderte über das ersehnte Nass und sie sahen das Flussbett, das sich einst aus diesem See speiste doch jetzt trocken war, ganz so als weigerte sich das weinrote Wasser in es hinein zu strömen. In der Mitte des Sehes, hoch aufragend über den Wassern thronte der Palast des Muschelhornspielers. Beinahe schien er über dem Wasser zu schweben mit seinen goldenen Mauern, doch als die Heroen näher rückten, die Knöcheln umspült von den Wassern des Sees erkannten sie die Wellen, die die Mauern umspülten und es so aussehen ließen, als würde der Palast in der Luft hängen.
Auf dem untersten Treppenabsatz erwarteten Najaden gehüllt ihn Panzer aus Schuppen mit Speeren aus Korallen die Neuankömmlinge. Bestimmt waren ihre Stimmen, klar ihr Ton: "Welche Flut spült Fremdlinge an unsere Gestade? Wer ist es, der das Haus des Triton sucht, die Herrlichkeit des Meerblauen zu betrachten wünscht?"