Mein lieber Freund!

Das ich so lange gebraucht habe, deinen letzten Brief zu beantworten, tut mir leid, ich habe aber auch etwas Besonderes für euch gedichtet. Deine Klagen über die Worte deiner Frau sind nicht ungehört verhallt, ich habe euch eine Variation meiner anderen Werke geschaffen. Möget ihr es beide erbaulich finden und es als Beispiel nehmen. Ich verbinde damit die Hoffnung, dass ihr wieder zueinander findet und du mir bald frohere Botschaften senden kannst.

So wenden wir uns diesmal dem Studium des Charakters zweier so gewöhnlicher Herrscher zu, dass  bisher keiner es wert fand, sie zu beleuchten. Und doch hat ihr Charakter so starken Einfluss auf die Geschicke ganzer Reiche und Völker, dass ein fehlerhafter an dieser Position unbeschreiblichen Schaden anrichten kann. Wie wäre es Menelaus ohne seine Helena oder Collatinus ohne seine Lucretia ergangen? An Frauen als Herrinnen des Hauses in Abwesenheit ihres Mannes werden keinesfalls geringere Ansprüche gestellt als an ihre Männer.

Als Beispiel aus unserer jüngeren Vergangenheit möchte ich hier die PatrizierinAurelia Lucia Licinia untersuchen, über die Cicero nicht wenig in seinen Briefen hinterlassen hat. Mit ihrer Geburt 79v.Chr. als Aurelia Cotta zeichnete sich bereits ein wechselvoller und herausfordernder Lebensweg ab. Die militärische Tradition ihrer Familie war groß, daher verfolgten die Männer Offizierskarrieren und die Mütter lehrten ihre Töchter, was sie als Offiziersgattinnen brauchten.
Aurelia hatte einen älteren Bruder und sonst keine Geschwister, ihre Mutter verstarb relativ früh. Doch bevor wir dahin kommen, möchte ich ausführen, dass Aurelia auch ein Beispiel für die Entstehung eines hervorragenden Charakters durch Bildung ist. Ihre ersten Jahre soll sie durch ein aufmerksames und energiereiches Verhalten aufgefallen sein. Viel ist nicht bekannt, aber sie soll recht bald zu ihrem deutlich älteren Bruder aufgeschlossen haben und unermüdlich darin gewesen sein, die Menschen ihres Haushalts kennen zu lernen und alles Wissen aufzunehmen, dass man ihr zur Verfügung stellte. So leistete sie ihrem Bruder Gesellschaft, wenn er bei seinen Hauslehrern lernte. Weitere Hauslehrer, ihre Mutter und ihre Amme brachten ihr das Grundlegende bei, alles weitere erwarb sie selbst.
An der Formung ihres Charakters waren vor allem die Mutter und die Amme maßgeblich beteiligt, nach dem Tod der ersten nur noch die zweite. Bei ihr handelte es sich um eine griechische Sklavin, über die viel überliefert worden ist. Sie ist 89v.Chr. in Pergamon geboren, besuchte die Akademie, wo sie Ontologie, Erkenntnistheorie, Dialektik, Ethik, Mathematik und Geometrie, Physik, Seelenlehre, Sprachwissenschaft, philosophischer Theologie und Dämonenlehre gelernt hat, und der stoischen Lehre anhing. Letzteres hatte zur Folge, dass sie ihr Schicksal hinnahm und das Beste daraus machte. Eigentlich war sie nach Abschluss der Akademie einem Alexandriten versprochen worden und befand sich auf der Seefahrt dorthin, als Piraten sie gefangen nahmen und verkauften. Die Käufer waren Aurelias Eltern, die ihr ein geeignetes Kindermädchen geben wollten. Tatsächlich verstanden sich die beiden Frauen von Anfang an. Die Freundschaft zeigt, dass keine der beiden ihren Standesunterschied zu etwas machten, was sie auseinanderhielt. Natürlich vergaßen sie ihn nie, aber taten, was im Rahmen desselben das Höchste an charakterlicher Stärke zu  beweisen war. Wie alle ihre Sklaven verteidigte sie diese unter Risiko ihres Rufes und dem ihrer Familie, gewährte ihnen großzügige Zuwendungen und ließ sie für geringe Preise frei. Selbst danach konnte man die Schutzvereinbarungen nicht geringer als großzügig bezeichnen. So wurde sie von ihren Sklaven nie hintergangen und wo es in deren Macht stand, mit Freude und Einsatz unterstützt. Die Amme legte sich sogar weitere Bildung zu, um ihrer Herrin in besonderer Weise eine Lehrerin zu sein. Auch hat sie ihr mehrfach das Leben gerettet und Belohnungen verweigert.
Unter der kundigen Hand der Mutter lernte Aurelia, sich auf dem gesellschaftlichen Parkett zu bewegen.
Als die Zeit zum heiraten kam, bewies Aurelia bereits ein gutes Gespür für das, was sie für eine erfolgreiche Familienfortführung brauchte. Als sie wegen eines Bündnisses ihrer Familie mit den Liciniern an den ältesten Sohn, Felix Liciníus verheiratet werden sollte, erkannte sie schon damals, welch schlechten Charakter er hatte. Mit ihrem Durchsetzungsvermögen gelang es ihr, an den jüngeren Sohn, Lucius Licinius, vergeben zu werden. Mehrere ihrer Sklaven folgten ihr in die Ehe.
Es war eine glückliche Ehe, denn sie passten zueinander. Er verfolgte seine militärische Karriere, sie führte ihm den Haushalt. Mit all den gelernten und geerbten Fähigkeiten verstand sie diesen zum Gewinn aller zu steuern. Sie tat alles, was man von einer Ehefrau erwartete und noch einiges mehr. Durch den Einfluss ihrer Familie gelangte Lucius an einen Legatenposten als Führer einer Flotille. Man kann hier Aurelias Weisheit erkennen, denn der Reichtum seiner Familie begründete sich auf Seehandel. So motiviert und von ihr stets liebevoll gestützt mehrte er den Ruhm der Familie. Sie hielt ihn jederzeit informiert über die Vorgänge auf der politischen Bühne in Rom. Darüber hinaus tat sie, was in ihrer Macht lag, um die Familie zu schützen und voranzubringen.
Fortsetzung folgt

[…] Nur um ein weiteres Beispiel für die Dinge zu nennen, die sich seid Konstantins Erleuchtung gebessert haben, werde ich das lästerliche Leben der heidnischen Römerinnen am Beispiel einer besonders verruchten Person, Aurelia Licinia, aufzeigen. Wie alle Weiber, allen voran das Urweib Eva, war ihr Geist schwach gegen die Versuchungen des Fleisches und den Einfluss Satans. Sie verbreitete seine Korruption und brachte unzählige um ihr Seelenheil.
Bereits ihre Heukunft ist umstritten. Hätte sie wirklich als Mitglied der Familie Aurelius Cotta zählen dürfen? Wer konnte durch den Schleier der Lügen und Intrigen, die ihre Mutter gesponnen hatte, mit Sicherheit sagen, wer oder was der Vater war?
Als Kind hat sie schon bewiesen, wie sehr sie die Künste ihrer Art beherrschte. Keiner im Haushalt ihres Vaters konnte sich ihren Manipulationen entziehen, ob aufgrund ihrer beginnenden Zauberkräfte oder aus Furcht vor den Konsequenzen eine Widerspruchs. Soweit und wie es später kam wäre es sicherlich nicht gekommen, wenn ihr Vater die Kraft gehabt hätte, ihr Bildung zu versagen und Zucht und Ordnung durchzusetzen. Aber wie die meisten Männer dieser Zeit war er von heidnischen Traditionen und Zaubern seines Weibes geschwächt. Das werdende Weib hatte es bald geschafft, den eigentlichen Erben, ihren älteren Bruder, von seinem rechtmäßigen Platz zu verdrängen und bevorzugt zu werden. Die umfangreiche Aus- und Bildung, die das junge Weib bekam, überforderten verständlicherweise ihren Geist und verdarben ihn weiter. Es gab ihr noch mehr Mittel an die Hand, ihrer Verdorbenheit zu frönen und andere dazu anzustiften. Nicht wenig dürfte sie von ihrer Mutter abgeschaut haben.
Ihre Amme, eine griechische Sklavin, war ihr willfähriges Werkzeug. Geschah etwas nicht nach dem Willen des jungen Weibes, missbrauchte sie ihren Stand, ihre Zauberkräfte und was ihr sonst zur Verfügung stand, um es zu erreichen. Es wird berichtet, dass sie Anfälle geistiger Umnachtung wie irrsinnige Schreikrämpfe und sinnloses Gebrabbel an den Tag legte, wenn sie sonst keinen Weg zu ihrem Ziel sah. So verhinderte sie zum Beispiel die rechtmäßige Bestrafung ihrer Amme, als diese einem Freund der Familie ungebührliche Entgegnungen gemacht hatte.
Als das Weib ausgewachsen war, verschlimmerten sich die Zustände deutlich. Sie feierte in Abwesenheit ihrer Eltern ausschweifende Orgien und verführte Jungen wie Mädchen ihres Alters zu schändlichen Taten. So verschaffte sie sich Macht über sie und schadete dem Seelenheil aller, die mit ihr in Berührung kamen. Wenn jemand sich ihr zu entziehen suchte, stachelte sie ihre Anhänger auf, diesen aufs Übelste zu verprügeln. Diesem Netz aus Verführung und Terror entkamen nur wenige.
Dann kam die Zeit ihrer Heirat und es geschah etwas ungeheuerliches, was selbst unter den Römern ohnegleichen ist: Sie weigerte sich und machte den jüngeren Bruder ihres Verlobten Felix Licinius zu ihrem Gatten. Wie sie es anstellte, das Recht ihres Vaters zu brechen, ist mit ihren Zauber- und Fluchkünsten sowie ihrem verführerischen Wesen leicht erklärt. Der Jüngere, Lucius, konnte dem nichts entgegensetzen und war ein einfacher zu steuerndes Opfer als der Ältere. Dies dürfte der Grund für ihr Handeln gewesen sein. Um ihr Netz an Hörigen nicht zu verlieren, nahm sie viele Sklaven mit in den neuen Haushalt.
Sie gebar vier Kinder, zwei Jungen und zwei Mädchen, von denen der zweite Sohn unter mysteriösen Umständen starb. Sie sorgte dafür, dass ihr Mann und später auch ihr Sohn militärische Posten bekamen, die sie weit von Rom forttrugen und gute Chancen hatten, tödlich zu enden. So konnten diese ihre angestammten Rechte nicht wahrnehmen und sie unkontrolliert ihren Gelüsten nachgehen. Es wäre zu schamvoll und langatmig, alles aufzuzählen. So sollen einzelne Details genügen sowie das Wissen, dass das Weib das, was sie vor der Ehe tat, noch weit übertraf.
Schon die geringe Anzahl der Kinder und die zeitlichen Abstände ihrer Geburten gemeinsam mit der seltenen Anwesenheit ihres Mannes legen Schreckliches nahe:
War der zweite Sohn der einzige, der so früh verstarb? Wer waren die Väter der Kinder? War es wirklich ein Fluch höherer Mächte, dass den Männern ihre Kraft versagte?
Die Orgien wurden größer und umspannten den gesamten herrschenden Stand. Stand jemand ihr und den ihr Hörigen im Weg, wurden nun Mörder statt Schlägern ausgesendet, die ihre diabolischen Praktiken an ihren Opfern ausführten, auch um andere in Angst und Schrecken zu versetzen. Das Weib selbst vollzog heidnische Rituale, wann immer es möglich war, veränderte sie sie, um ihrem teuflischen Herren zu gefallen.
Sie weitete ihren schrecklichen Einfluss über das damalige politische Geschehen aus, was die schrecklichsten Folgen hatte.  Jeder weiß von den mörderischen Intrigen und blutigen Bürgerkriege dieser Epoche. Kein Wunder bei den Möglichkeiten, die dem Satan durch die Freiheiten der Weiber gegeben worden war.
Im Haus ihres Mannes schuf das Weib ein schreckliches Reich, in dem sie vollkommene Kontrolle ausübte. Nach dem Tod ihrer Mutter war ihr Vater Aurelia selbst ausgesetzt. Sie führte ihm ein junges, unwissendes und mit Sicherheit von ihr gelenktes Ding zu. Nicht anders hielt sie es mit ihrem eigenen Sohn. Sie suchte ihm ein in ihren Augen geeignetes Weib aus und erzwang das Versprechen, nur um ihre verderblichen Einflüsse auszuweiten und an das Geld zu kommen.
Ihren Bruder, der nach ihrem Vater dem Ganzen vielleicht noch Einhalt hätte gebieten können, verfluchte sie zum schwachsinnigen Krüppel. Der Bruder ihres Mannes Felix Licinius kleidete einen hohen Posten und hatte eine glückliche und gesegnete Ehe, doch war er gebunden damit, die Taten des schrecklichen Weibes auszugleichen und Schaden an der Familie gering zu halten. Sie verstand es, ihn zu täuschen und die Schuld abzulenken. Das ging soweit, dass bekannt wurde, er wäre unverhältnismäßig oft im Haus seiner Schwägerin gewesen, vornehmlich in der Abwesenheit seines jüngeren Bruders.
Einer der wenigen, die sie durchschauten, war der Mann, der die Schwester der Licinischen Brüder geheiratet hatte. Er führte mit ihr eine vorbildliche Ehe, doch blieb sie kinderlos, wobei man sich sicherlich denken kann, wer da seine Fluchfinger im Spiel hatte. Er ließ nichts unversucht, die anderen ihrem verderblichen Einfluss zu entziehen und sie der gerechten Strafe zuzuführen, doch wand sie sich aus allem heraus dank ihrer satanischen Fähigkeiten. Stahl, Feuer und Gift hatten keine Wirkung bei ihr. Sie schlug in fürchterlicher Rache zurück mit Flüchen, Rufmord und schlimmerem. Sein Leben kam einem Martyrium gleich.
Ihre eigenen Töchter zog das Weib nach ihrem Bilde auf, da keiner sie davon abhalten konnte. So setzte sich die schreckliche Kette fort bis heute. Erst seit Konstantins großartigen Taten sind wir in der Lage, den satanischen Einflüsterungen Einhalt zu gebieten. Möge dies Beispiel als Warnung dienen, was es bedeutet, das Weib ohne gottgefällige Führung zu lassen.

Vor der Ehe mit Lucius Licinius hat es mehrere nächtliche Aufenthalte bei ihrem doppelt so alten Onkel xten Grades, einem gewissen Gaius Julius gegeben. Nach dem Eheschluss wiederholte sich dies nicht wieder, zumal sich beide nicht selten in verschiedenen politischen Lagern wiederfanden. Das Verhältnis ist daher zwar abgekühlt, aber nicht zu Hass geworden. Von den damaligen Geschehnissen wissen neben Aurelias Amme noch einzelne andere Sklaven. Einer aus dem julianischen Haushalt ist dem Kreis der Verschwörer beigetreten und sieht in dieser Geschichte eine Möglichkeit, jemanden mit Zugang zum Cäsar gegen diesen einzusetzen.

Intense Artist
Keepers of the Veil(Bluff)
Dealer
Slippery