Es war ein merkwürdiges Gefühl sich nach so langer Zeit wieder durch die Gassen Suburas zu bewegen. So lange schon war er nicht mehr in diesem Teil Roms gewesen und wenn doch, dann nur zwecks Durchreise und nicht weil er hier noch Geschäfte zu erledigen hatte. Dabei hatte er den Ort seines Neubeginnes in Rom nicht absichtlich gemieden - im Gegenteil, er hätte sich liebend gern einige Augenblicke genommen, sich noch einmal hier umzusehen, hier wo alles seinen Anfang genommen hatte.
Auf eine gewisse Art und Weise war es damals eine glückliche Zeit, zwar nicht leicht aber doch einfacher. Sulla
[1] hatte ihn genötigt seine Frau Cornelia
[2] zu verlassen, da sie die Tochter seines politischen Gegners Cinna
[3] war. Selbstverständlich hatte er, Caesar, abgelehnt, deshalb aber auch in den östlichen Provinzen vorerst im Exil leben müssen. Trotz des Ruhmes den er während seines Exils im Osten erlangen konnte, war er bei seiner Rückkehr nach Sullas Tod nur ein weiterer junger Aristokrat der sich als Ankläger einen Namen zu machen versuchte. Weit entfernt von jeglichem
imperium[4], ja nicht einmal Mitglied des Senats, dafür jedoch nicht ohne Ehrgeiz.
Wenig zielstrebig, seine Aufenthalt auskostend, bewegte er sich durch die noch immer vertrauten Straßen Suburas, seine Liktoren
[5] im Schlepptau. Die Bewohner machten einen Bogen um sie herum, oder sprangen schleunig beiseite, wenn sie ihn erst spät erkannten, immerhin trug er eine eher gewöhnliche Kleidung in nur wenig bunten Farben.
Die Republik war durch Sulla also wieder hergestellt, so sagten sie zumindest alle, doch tatsächlich war nur die alte Freude am Stillstand war wieder da und durch die endlosen Proskriptionslisten
[6], war die Republik ihrer größten und wichtigsten Männer beraubt worden. Zu allem Überfluss hatte es nicht einmal den Versuch gegeben diese Verbrecher, die sich an dem Besitz der Proskribierten gütlich getan hatten und die Lister immer weiter gefüllt hatten, einer Strafe zuzuführen. Gaius hatte sich in diese Situation nicht einfügen wollen, sie nicht hinnehmen wollen. Zwar war seine Familie zu dieser Zeit vergleichsweise arm, aber dennoch gehörten sie den
Iulii an, einer der ältesten und angesehensten Familien im römischen Adel, die ihre Herkunft auf Venus
[7] selbst zurückführte. Genauso wenig wie er sich vor Sulla hatte beugen wollen, so sah er auch nicht ein, diese Männer einfach gewähren zu lassen und klagte damals also hauptsächlich Sullaner an.
[8]Er ging an dem noch immer erschreckend vertrauten Bordell vorbei und bog in die kurze Gasse ein, an deren Ende sich sein altes Zuhause befand. Dort war er ein Außenseiter gewesen, aber er hatte auch die Vorteile dieses Daseins kennen und nutzen gelernt. Jeder hier war ein Außenseiter, der Unterschied war nur, das Gaius seinen Weg gefunden hatte dieses Schicksal anzunehmen und sich über die Widrigkeiten hinwegzusetzen. Und trotzdem...
Ich kann nicht behaupten, heute etwas anderes zu sein als ein Außenseiter.Als er auf halben Wege Quintus erkannte überkam ihn unwillkürlich Freude und sein Miene, etwas finster geworden, durch die vielen Erinnerungen, hellte merklich auf. Er hatte sich schon gedacht, dass es ein alter Weggefährte sein musste, der ihn hier treffen wollte. Jemand aus der alten Zeit, vielleicht sogar noch vor seinem ersten Consulat
[9]. Aber an Quintus hätte er dabei vermutlich zuletzt gedacht - oder zumindest als vorletztes, seinen Bruder Marcus hier zu treffen wäre Caesar noch unwahrscheinlicher erschienen. Doch was konnte Quintus von ihm wollen? Er hielt seit dem Bürgerkrieg stets zu seinem Bruder, der inzwischen einer der einflussreichsten unter den Optimaten
[10] war. In der öffentlichen Wahrnehmung stand Quintus oftmals im Schatten seines Bruders - nach Gaius' Meinung, der Quintus nicht nur als Politiker kannte, jedoch nicht immer zurecht.
Doch auch wenn er sich nicht denken konnte, was Quintus im Sinne hatte, so war doch klar, dass von ihm keine Gefahr ausging. Also machte Caesar mit einer knappen Geste dem Anführer seiner Liktoren klar, dass sie hier - etwas weiter vor dem Haus - auf ihn warten sollten, während er mit ausgebreiteten Armen auf seinen alten Freund zuschritt.
"Quintus Tullius." beinahe hätte er vor ehrlicher Freude über das unverhoffte Wiedersehen gerufen, zwang sich jedoch zu einem immer noch fröhlichen, allerdings halblauten Sprechen - hätte Quintus Öffentlichkeit gewollt, hätten sie sich schließlich auf dem Forum getroffen.
"Wenn das keine Überraschung ist. Dich zu sehen erfreut mich nicht minder, mein Freund."Quintus' Eröffnung schien Caesar nicht weiter zu beunruhigen, in den letzten Monaten und Jahren hatte fast jedes dritte Gespräch so oder auf eine ähnliche Art begonnen und somit hatte er eine gewisse Routine entwickelt, wenn es um den Empfang schlechter Nachrichten ging. Doch dass Quintus dann wiederum von den alten Zeiten zu reden begann, verwunderte Gaius dann doch ein wenig. Zwar freute er sich und lachte zusammen mit dem Bruder des berühmten Redners, aber ruhte sein Blick nun stets auf seinem Gegenüber und bewahrte trotz allen Spaßes eine konzentrierte Ernsthaftigkeit.
"Ich denke es geht mir gut, Quintus und ich hoffe, dass das auch auf dich zutrifft. Es gibt dieser Tage so viel für mich zu tun, dass mir unsere Zeit in Gallien inzwischen wie Müßiggang vorkommt, aber ich mag mich nicht beschweren. Und außerdem werde ich schon in wenigen Tagen wieder in meinem Element sein. Aber du wolltest ja über die Parther und den Krieg sprechen..."Caesar machte eine Pause und sah Quintus lächelnd an. Er konnte sich nicht vorstellen, das Quintus ernsthaft mit ihm über einen Krieg sprechen wollte, der beschlossen und - soweit möglich - geplant war. Wenige Tage vor dem Auszug der Truppen und dann auch noch hier in Subura, auf der Schwelle seinen Hauses. Sein Freund konnte nicht darauf hoffen, Gaius' Pläne noch zu beeinflussen geschweige denn ihn von ihnen abzuhalten. Gewiss ging es ihm um etwas Anderes, doch Gaius war ahnungslos. Also ließ er sich nichts anmerken und ging auf Quintus' Wunsch ein und spielte mit.
"Nun gut, nun gut. Ich sehe schon, dass du dich mit Bedenken schlägst, alter Freund. Die ganze Stadt spricht von den Parthern, obwohl die Daker[11] das viel dringendere Problem sind, nicht wahr?
Du hast recht, Quintus. Sie treiben ihr Unwesen in Thrakien[12] und bedrohen darüber hinaus Macedonia[13]. Sie sind vereint unter ihrem König Burebista[14] und wenn wir ihm nicht zuvorkommen, dann wird er uns angreifen. Im schlimmsten Falle genau dann, wenn es mit den Parthern ernst wird. Deshalb wird der erste Schritt sein, die Daker in ihre Schranken zu weisen, so dass sie es nicht mehr wagen werden unsere Grenzen zu missachten und wir uns nicht plötzlich an zwei Fronten unserer Gegner erwehren müssen. Dann ist der Weg zu den Parthern frei. Wir können Rache nehmen für Crassus'[15] Schmach bei Carrhae[16] und unsere Grenzen dauerhaft sichern."