Im Übrigen ist "sich arbeitslos melden" mal gar nicht so einfach. Da musst du nämlich auch eine Menge Geduld und Kommunikationsfähigkeit beweisen. Zuerst musst du nämlich an der Anmeldung den richtigen Schalter finden. Wenn du Glück hast, lernst du dabei gleich zwei neue Menschen kennen. Danach darfst du im Wartebereich Platz nehmen, um zwanzig Minuten später aufgerufen zu werden und zu einer netten Angestellten unter Stress zu kommen, die zwei Minuten in ihren Computer starrt, um dir dann zu sagen, dass du doch bitte nochmal im Wartebereich Platz nehmen sollst, natürlich nur kurz, weil eine andere Kollegin den Rest von dir bearbeiten muss. Eine halbe Stunde später lernst du dann wahrscheinlich den vierten neuen Menschen kennen, der dich dann auch gleich an deine Arbeitsvermittlerin verweist. Mittlerweile bist du etwa eineinhalb Stunden in diesem Irrenhaus gefangen und darfst ein Stockwerk höher in einem weiteren Wartebereich Platz nehmen, wo du dich dann mit deiner Arbeitsvermittlerin unterhalten darfst, die dich dann erstmal fragt, was du machen willst, was für dich vermutlich dann doch schwierig zu beantworten sein dürfte (Aber im Prinzip kannst du noch froh sein, dass du kein abgeschlossenes Studium in einem total unbegehrten Studienfach hast, weil sie dich dann zumindest nicht so furchtbar mitleidig ansieht und du in ihren Augen nicht lesen musst, dass die dich eh niemals vermitteln kann und wird). Die Arbeitsvermittlerin vereinbart dann mit dir, wenn du unter 25 bist, dass du zwei Bewerbungen alle vier Wochen bei ihr vorzulegen hast, wenn du Pech hast, sogar noch mehr, sonst gibt's Geldärger. Praktika sehen die dann übrigens gar nicht mehr gern, weil du deine Arbeitskraft unentgeltlich zur Verfügung stellst und das ist weitaus schlimmer für die, als wenn du einfach nur zuhause hockst und die Zeit tot schlägst.
Vergiss nicht den Papierkrieg, den du dann auszustehen hast. Selbst wenn du kein Hartz IV haben möchtest, du musst es nehmen, damit die deine Krankenversicherung und dergleichen bezahlen. Dazu musst du allerdings wieder einen netten kleinen Antrag ausfüllen. Erstmal natürlich den Antrag auf Arbeitslosengeld. Du kannst denen da oben auch fünfmal sagen, dass du kein Anrecht auf Arbeitslosengeld hast, weil du ja studiert und nicht gearbeitet hast, aber das ist denen egal. Die wollen trotzdem den Antrag, und zwar nur, um ihn abzulehnen. Danach kannst du dann Hartz IV beantragen. Hinzu kommen dann noch allerlei Scherereien mit der Krankenkasse und den Versicherungen. Glaub mir, das willst du alles wirklich nicht. Arbeitslos zu sein ist ein richtig mieses Gefühl. Ich war diese Woche so glücklich und beinahe schon stolz, als ich in das dritte Obergeschoss zu den Existenzgründerberatern durfte und nicht mehr bei denen rum hänge, die ganz unten angekommen sind. Als ich das Arbeitsamt verlassen habe, stand da eine gewaltige Schlange, in der leider auch drei Kinder mit ihren Müttern standen. Und die standen alle in der SGBII-Schlange. Wenn du es irgend kannst, versuche, dieses Amt möglichst NIE zu betreten, außer um dich zu melden, dass du einen Job gefunden hast.
Was die Sprüche bei den Job- oder Praktikumsausschreibungen angeht: Hey, das sind auch nur Menschen, die da Stellengesuche schreiben. Die haben Vorstellungen, die kein Mensch wirklich erfüllen kann, meistens erfüllen sie sie nicht einmal selbst. Das ist alles nur dummes Gerede, dass sich ganz bald in heiße Luft auflöst, wenn du erstmal dort zum Bewerbungsgespräch sitzt und merkst, dass der Chef so inkompetent ist wie du auch. Und die erwarten auch von dir nichts Unmögliches, denn du bist "nur" ein Praktikant oder Berufseinsteiger. Die muten dir in der Regel weniger zu, als du dir selbst, und behandeln dich eh erstmal wie ein Küken. Du brauchst also überhaupt keine Befürchtungen haben. Die Stelle klingt von den Aufgaben her interessant für dich? Bewirb dich einfach. Lies einfach den ganzen sozialen Anforderungsquatsch gar nicht (die technischen Anforderungen solltest du allerdings wenigstens kurz streifen, auch wenn man da nie weiß, was mit "Kenntnissen" - wenn ich meinen Namen und mein Alter in Englisch hinkriege, sind das auch schon Kenntnisse - gemeint ist). Es kann dir zum Beispiel auch passieren, dass du alle Anforderungen erfüllst, aber bei den Chefs total unsympathisch rüber kommst oder ihr nicht auf einer Wellenlänge seid. Dann kannst du noch so teamfähig und kommunikativ sein, dann stellt dich der Chef trotzdem nicht ein.
Langer Rede, kurzer Sinn: Du kannst gar nicht verlieren, wenn du dich bewirbst, weil du nichts zu verlieren hast. Was geht denn in den Arsch, wenn man dich ablehnt? Dein Stolz? Den kannst du eh ablegen, wenn du dich arbeitslos meldest, inklusive deiner Würde und deiner Privatsphäre. In den Augen der Gesellschaft bist du als Student oder Arbeitsloser im Moment sowieso ein Schmarotzer, also, was kann schon noch schief gehen?
Frustrationsergänzung (Anzeigen)Tut mir Leid für diesen nächtlichen Erguss, aber du kannst dir gar nicht vorstellen, was passiert, wenn du dich arbeitslos meldest. Du bist dann gar nichts mehr, ein Niemand, ein Nichts, ein Abschaum in den Augen der anderen. Weißt du, wie oft ich mir anhören muss: Sind Sie jetzt fertig? Ja. Haben Sie einen Job? Nein. Ah, okay, und wozu haben Sie dann studiert? Im März habe ich eine Stelle in einem Bahnhofskiosk bekommen. Das Arbeitsklima da ist eine Katastrophe gewesen, so dass ich nach zwei Wochen, nach 80 Stunden Arbeit von teilweise 4 Uhr morgens an (20 Stunden die Woche waren für die Stelle ausgeschrieben), aufgehört habe. Ich habe bis heute kein Geld für die 80 Stunden gesehen und musste mir selbst von meiner Freundin noch Vorwürfe machen lassen, obwohl alle wussten, wie scheiße es mir dort ging. Arbeitslos zu sein bedeutet in den Augen anderer immer, dass du faul bist und nur nicht arbeiten willst, weil wenn jemand Arbeit will, dann kriegt er sie auch. Die Frage ist immer nur, zu welchem Preis und ob man bereit ist, diesen Preis zu zahlen. Da kannst du dich noch so sehr bemühen, dein Praktikum 1A absolvieren, dir den Hintern für deine andere Praktikumsstelle und deine zukünftige freiberufliche Existenz aufzureißen, solange du kein Geld verdienst und als arbeitslos gemeldet bist, bist du der Idiot. Also überleg dir das mit der Arbeitslos-Meldung lieber. Solange du nicht dazu gezwungen bist, tu es nicht. Kommt nämlich auch bei Arbeitgebern immer besser, wenn du nicht sagen musst: Oh, ich bin zurzeit Hartz IV-Empfänger.