Tryann öffnete langsam die schwere Tür, die dabei ein unangenehmes Quietschen von sich gab. Hinter der Tür lag ein etwa dreißig Schritt langer Gang. Er war gute drei Schritt breit, so dass es kein Problem darstellte, sich von den Zellen fernzuhalten, die zu beiden Seiten lagen.
Die einzelnen Zellen waren keinesfalls abgeschlossene Räume, sondern durch massive Gitterstäbe abgetrennte Bereiche. Milan, der seine Neugier nicht ganz zügeln konnte und einen Blick in den Raum warf, schätzte, dass sich hier etwa zwanzig Personen in den Zellen befanden, wobei sich teilweise zwei oder drei Personen eine Zelle teilten. Die meisten der Insassen machten keinen besonders gefährlichen Eindruck, sondern schliefen entweder, oder saßen gelangweilt auf einer Pritsche an der Wand.
Ein leicht stechender Geruch schlug den Ermittlern entgegen. Die Insassen des Kerkers mussten hier offenbar auch ihre Notdurft verrichten, und obwohl der Geruch nur untergründig war, ließ er sich doch nicht ganz verdrängen.
Tryann richtete seinen Blick starr auf die Tür auf der gegenüberliegenden Seite. Zwei Wachen standen an der Tür, durch die sie jetzt hereinkamen, eine weitere stand an der Tür, auf die sie zugingen. Der Hauptmann nickte seinen Männern kurz zu, und ging dann mit zügigen Schritten auf die Tür zum Krankenraum zu.
Etwa auf der Hälfte des Weges kamen sie links an einer Zelle vorbei, in der ein alter Mann sich an die Gitterstäbe drückte. Der dürre Alte, dessen Kleidung zerrissen und dreckig war, starrte zuerst Eretria an, dann Calfay, und streckte seine Hände nach den beiden Frauen aus. Dabei lief ihm ein dünner Speichelfaden am Mund entlang.
Kaum drei Schritt weiter, auf der rechten Seite, stand eine Frau von vielleicht vierzig Jahren. Ihre langen, dunklen Locken reichten ihr bis zu den Hüften, und unter anderen Umständen hätte man sie wohl als außergewöhnlich hübsch bezeichnet. Ihr Blick war auf Tryann gerichtet. "Hauptmann... Hauptmaaaaann... wollt Ihr nicht zu mir kommen? Mein Körper gehört ganz euch... eine ganze Nacht lang... und dann esse ich Eure Augen. Das wird ein Spaß!"
Hysterisch kichernd winkte sie Tryann zu, der die Frau unbeachtet hinter sich ließ.
Erst in der vorletzten Zelle bemerkte Milan einen jungen Mann, der ihm direkt in die Augen sah. Der Mann - er war höchstens so alt wie Milan - hatte struppiges braunes Haar, und trug einfache Straßenkleidung. Seine Augen zeigten keinerlei Haß, Wut oder Gier, und er machte auch sonst keinen gefährlichen Eindruck. Der junge Mann lächelte Milan an, und sein Lächeln zeigte gut gepflegte Zähne. Vermutlich kam er aus einer wohlhabenden Familie.
In dem Moment wurden sie abgelenkt, und sogar Tryann machte einen erschrockenen Satz zur Seite. Ein weiterer Gefangener hatte sich mit voller Kraft gegen die Gitterstäbe seiner Zelle geworfen. Man hatte ihn zusätzlich noch mit einer Kette an der Wand festgemacht, so dass der Mann ruckartig zurückgerissen wurde, und hart zu Boden fiel.
Der Mann war sehnig und durchtrainiert, und sprang nach seinem Sturz sofort wieder auf. "Ich werde hier rauskommen", rief er, "und dann zerlege ich euch alle in eure Einzelteile! Jeden einzelnen von euch!"
Er zeigte zuerst auf Tryann, dann auf Calfay und schließlich auf Milan. "Ich schneide euch auf, und dann werfe ich eure Einzelteile den Schweinen zum Fraß vor. Wenn es sein muss, suche ich euch! Jeden Einzelnen!"