Nach einer Weile kam die Gruppe bei der Wachstation an. Es handelte sich um ein relativ kleines Gebäude, das nicht viel Platz für Gefangene bieten konnte. Tryann öffnete die Tür und sprach kurz mit dem Wachhabenden, der über den plötzlichen Besuch seines Vorgesetzten äußerst erstaunt war.
Aus dem kurzen Gespräch konnten Tryanns Begleiter einige Wortfetzen aufschnappen - Graustein, Schlägerei, wild um sich schlagend, hat sich selbst als Mörder bezeichnet, völlig betrunken, geheult wie ein Wolf, halbe Einrichtung zerstört, und so fort.
Schließlich führte der Wachhabende den Hauptmann zum Zellentrakt. Gerade einmal zehn Zellen gab es hier, fünf an jeder Seite. In den vorderen beiden Zellen saßen je zwei Männer ein, in der zweiten Zelle links saß eine Frau mittleren Alters ein, deren kantiges Gesicht eher zu einem Mann gepasst hätte. Die übrigen Zellen waren leer, bis auf die letzte Zelle rechts. Dort lag eine einzelne Person laut schnarchend auf der Pritsche.
"Wir haben fünf Männer gebraucht, um ihn in die Zelle zu bringen. Er hat dermaßen gewütet, dass sogar die harten Kerle, die ins Graustein gehen, es mit der Angst zu tun bekommen haben. Sowas hab ich in zwanzig Jahren Dienst noch nicht erlebt, Hauptmann", erklärte der Soldat. "Der Besitzer des Graustein hat sogar auf eine Anzeige verzichtet, er wollte den Elfen einfach nur loswerden."
Nachdem der Geist verschwunden war, dauerte es noch einige Zeit, bis Beldin endlich wieder einschlafen konnte. Doch auch im Traum ließen ihn die Geister nicht los, wenn es auch eher die Geister seiner eigenen Vergangenheit zu sein schienen.
Er spürte das Gras unter sich, roch den Duft der Blumen um sich herum und hörte das Zwitschern der Vögel im nahen Wald. Trotz der Idylle, die ihn umgab, fühlte er sich fürchterlich. Sein ganzer Körper schmerzte, und er fühlte sich so unendlich schwach, als habe irgendetwas ihn seiner ganzen Kraft beraubt.
"Bei den Göttern", hörte er eine Stimme, die ihm bekannt vorkam. "Was ist denn mit dir passiert?"
Beldin spürte ein leichtes Klatschen auf seine Wangen, doch er war zu benommen, um darauf zu reagieren. Jemand griff ihn an den Händen, zog ihn ein kurzes Stück. "Und schwer bist du auch noch. Wie soll ein kleiner Mann wie ich einen großen Elfen wie dich mitnehmen? Aber liegen lassen kann ich dich auch nicht. Ein Wunder, dass noch kein Wolf oder Bär aus dem Lilliolen dich gefressen hat."
Eine andere Stimme erklang, etwas weiter entfernt. "Was hast du da, Varel?"
"He, Gerom, komm her und hilf mir! Ein bewusstloser Elf!"
Nach kurzem Zögern antwortete Gerom. "Hast du wieder getrunken, Varel?"
Einige Momente später spürte Beldin, wie er angehoben und einige Meter über das Gras geschleift wurde. Schließlich hievte man ihn auf eine harte Unterlage - einen Karren vielleicht, wenn man bedachte, wie sich alles bewegte.
Dann, plötzlich, hörte er eine andere Stimme.
Oh, wie sehr musst du mich hassen. So viel Schmerz, einst wie heute. Es scheint, als könne ich dir nichts anderes geben, ob ich es nun gut oder böse mit dir meine. Ich kann nur beten, dass du mir eines Tages vergeben wirst. Jarek, bitte, vergib mir.
"Beldin? Beldin!"
Er kannte die Stimme. Wie viele Stimmen sich wohl noch in seinen Traum mischen würden?
Dann, ganz allmählich, wurde ihm bewusst, dass die neue Stimme nicht aus seinem Traum kam. Jemand hatte ihn gerufen.
Vorsichtig stand er von seiner Pritsche auf. Die Kopfschmerzen waren immer noch da, wenn auch nicht ganz so stark wie noch in der Nacht.
Gemeinsam mit dem Hauptmann standen Milan, Eretria, Waldemar, Calfay und Mika vor Beldins Zelle. Der Elf richtete sich langsam auf, nachdem Tryann ihn gerufen hatte. Sein Erscheinungsbild war schrecklich, im Vergleich zu ihm glänzte Mika regelrecht.
Seine Haare waren wild durcheinander, ebenso wie seine Kleidung. Verschiedenste Flecken waren auf dem Stoff und in seinem Gesicht zu sehen. Sein linkes Auge war zugeschwollen, die Haut darum dunkelblau verfärbt. Ähnliche dunkle Flecken hatte er an mehreren Stellen im Gesicht, ebenso wie einige verkrustete Schrammen. Ein Streifen getrockneten Blutes klebte unter seiner Nase, und er roch fürchterlich.
Mit großen Augen blickte Tryann ihn an. "In Aikriz' Namen, was habt Ihr gemacht, Beldin?" fragte er, während er das Schloss zu der Zelle öffnete.