Nachdem Eretria dem Plan Tashas zugestimmt hatte, machte sich Lémars Schwester gemeinsam mit Rymual auf zu ihrem Haus. Lémar und die Priesterin warteten noch einige Minuten. Dann bezahlte Lémar den Wirt - den er offenbar recht gut kannte -, und führte Eretria zurück zu dem Haus, das direkt gegenüber dem Anwesen der Tirkessons lag.
Rymual und Tasha hatten die Zeit genutzt und einiges vorbereitet: Sie hatten das Wohnzimmer ausgeräumt, die Möbel in die Nachbarräume gebracht, und die Vorhänge zugezogen. Außer einem einzelnen, silbernen Kerzenständer in der Mitte war der Raum leer. Tasha lächelte Eretria schief an. "Wir wussten nicht genau, was du brauchst, deshalb dachte ich, viel Freiraum und möglichst wenig Störung sind wohl ein guter Anfang."
Eretria, die selbst noch nie einen solch mächtigen Zauber gewirkt hatte, wusste im Grunde nicht viel mehr darüber als die Freunde. So setzte sie sich vor dem Kerzenständer auf den Boden, und bemühte sich darum, ihren Geist durch Gebete zu leeren. Die Nervosität zu vertreiben, gelang ihr nicht ganz, aber sie wurde doch ruhig genug, um es zu versuchen.
Und so holte sie eine der Mondsucher-Kugeln hervor, die man ihr in Himmelstor geschenkt hatte. Es kam ihr wie eine kleine Ewigkeit vor, dabei war es gerade mal einige Tage her, dass sie die Stadt verlassen hatten. Und dass sie Milan getroffen hatte, den Mann, der jetzt ihr Verlobter war.
Getragen von diesem Gefühl tiefer Liebe, konzentrierte sie sich auf das heilige Artefakt, und bat die Geister, die der Sonne und den beiden Monden dienten, um Hilfe und Führung. Sie machte alles genau so, wie man es sie in ihrer Ausbildung gelehrt hatte - auch wenn es in ihrer Ausbildung nicht um solch mächtige Wunder gegangen war. So war es auch nicht überraschend, dass die Dinge anders verliefen, als sie vermutet hätte. Was aber passierte, war dann doch mehr als eine Überraschung für sie.
Ein einzelner Sonnenstrahl fiel durch die Vorhänge, und schien genau auf den Kerzenständer vor ihr. Etwas war seltsam, irritierend - dann fiel es ihr auf. Die Kerzenflamme bewegte sich nicht mehr. Sie sah sich um. Rymual, Tasha und Lémar standen an ihren Plätzen, kreisförmig um sie herum an der Wand. Aber auch sie bewegten sich nicht, atmeten nicht einmal mehr.
Der kleine Sonnenstrahl hingegen bewegte sich. Direkt über dem Boden war das Licht in Bewegung geraten, wie eine Welle, dann erkannte Eretria eine Silhouette, kaum größer als ihre eigene Hand.
"Die Geister der Sonne und der Monde sind mit dir, Geweihte Eretria. Wie lautet deine Frage?"