Karol führte die beiden durch den Flur zu einer weiteren Treppe, hinauf in das obere Stockwerk. Hier war der Boden ebenfalls mit rotem Teppich ausgelegt, die Einrichtung aber insgesamt etwas wärmer und gemütlicher gehalten als in den unteren Stockwerken. Statt in einen weiteren Flur führte die Treppe in eine Art Empfangsraum - der Warteraum für private Gäste. "Man sollte Gäste im eigenen Haus stets einen Moment warten lassen", hatte sein Vater ihm gepredigt, "das lehrt Respekt und Achtung vor dem Eigentum und der Privatsphäre."
Vom Empfangsraum führten drei Türen in verschiedene Richtungen - die Räumlichkeiten von Milans Eltern, Milans eigene Räume und die Gästezimmer, die für immerhin vier bis fünf Gäste reichten.
Karol führte die beiden nach links zu den Räumen von Milans Eltern. Ein kurzer Flur, ausgestattet mit offensichtlich wertvollen Bildern - alleine die goldenen Rahmen kosteten vermutlich ein kleines Vermögen -, führte zu weiteren Räumen, darunter der private Wohnraum, in dem Milans Mutter ihre "Gäste" empfangen würde.
Karol blieb vor der Tür stehen, und klopfte sanft an - ungewöhnlich sanft, wie Milan bemerkte. "Herein", hörte Milan die Stimme seiner Mutter. Der Haushofmeister öffnete leicht die Tür. "Euer Sohn in Begleitung der Geweihten Eretria", erklärte er.
Dann trat er einen Schritt zurück und gab den Weg in den Raum frei.
Milans Mutter saß auf ihrem Lieblingssofa, einem mit blumenbesticktem Stoff bezogenen Zweiersofa, das vor einem antiken Tee-Tisch stand. Wie Milan es gewohnt war, stand tatsächlich eine Kanne mit Tee auf dem Tisch. Ein großes Sofa stand links davon, ein passender Sessel rechts. Die Sonne erhellte den Raum durch die große Fensterfront hinter all dem, und kunstvolle Landschaftsbilder gaben dem Raum den letzten Schliff.
Alles war, wie Milan es erwartet hätte. Nur dass seine Mutter in einem seidenen Morgenmantel dort saß, bleich und mit tiefen Augenringen, war etwas, das er noch nie gesehen hatte. Seine Mutter hätte Gäste niemals im Morgenmantel empfangen, nicht einmal, wenn ihr eigener Sohn dieser Gast war.
"Milan, mein Schatz", sagte sie, und streckte ihre Hand zu ihrem Sohn aus. Etwas, das den jungen Mann weiter beunruhigte, denn seine Mutter legte so viel Wert auf Etikette, dass sie es sich niemals hätte nehmen lassen, für ihr Gäste aufzustehen. "Du bist wieder da. Komm zu mir und lass dich umarmen. Und stell mir die junge Dame in deiner Begleitung vor."
Sie lächelte Eretria an, überließ aber Milan die Vorstellung der beiden Frauen.