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Das liederliche Spiel

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Menthir:
01.01.1042 - Tag des Skorpions - Früher Morgen

Der Volksmund sagte, dass der Tag des Skorpions seinen Namen erhalten hätte, weil der erste Tag der Woche stets mit einem Gefühl der Schwäche begann. Mit dem Gefühl, als hätte ein Skorpion einem in den Rücken gestochen und man würde sich deswegen schwach, dreckig und lustlos fühlen. Die wirkliche Bedeutung des Tags des Skorpions kannten nur noch die Wissbegierigsten oder so mancher Bauer in der Peripherie des Reiches, eben jene Männer, welche nach dem alten Wissen leben durften oder mussten und nicht dem Verlauf der Sterne für das alltägliche Leben nutzten. Doch wie auch immer die wahre Bedeutung dieses Tages gewesen sein mochte, der Stich in den Rücken beschrieb die Gefühlslage eines jeden Gefangenen mit höchster Wahrscheinlichkeit akkurat. Es lag mitnichten nur an dem harten Holz oder dem harten Boden, auf welchen Mann und Frau schliefen, sondern auch an den Umständen. Die erste Nacht der Gefangenschaft war rum, sie war hart und sie war wenig erkenntnisreich gewesen, sie war in allen Belangen unbequem gewesen.

Roter Marmor umfasste einen, auch wenn es noch dunkel war, war sein Abbild noch gut in der Erinnerung greifbar. Ein leicht bleiches Rot mit Einschlüssen, welche leicht vertrocknet wirkten. Vielleicht war es nur eine Einbildung, aber sah der Marmor nicht aus wie langsam gerinnendes Blut an einem warmen Sommertag? Die nächste Lichtquelle, oder ein erfahrener Schlachter, hätte vielleicht darüber Aufschluss geben können, doch Licht gab es nicht, kein Fenster, welches zumindest spärlich die mehr oder wenig kalte Wintersonne in den Raum ließ. Es war stickig, es roch nach Gewölbe und Feuchtigkeit und somit auch ein wenig nach Schimmel. Die Geräusche mehrerer Personen, welche schwer oder pfeifend atmeten, drangen mühevoll durch den Raum. Man war nicht alleine in diesem Gefängnis.

Gefängnis, es war eine merkwürdige Form Gefängnis. Keine Gitterstäbe, kein Lehmhaus am Rande eines Dorfes mit gelangweilten Wächtern und Beamten, welche in Ermangelung irgendwelcher Karriereambitionen an diesen Orten gelandet waren. Der rote Marmor war zu luxuriös. Seine Berührung war kalt und glatt, nur ganz eben ließen sich Unebenheiten in diesem wertvollen Gestein ertasten. Aber dass der Marmor den Boden, die Wände und gar die Decke schmückte, das ließ es doch wie ein gewisses Gefängnis wirken, und dass es wie altes Blut aussah, machte die Situation nicht angenehmer.
"Innerhalb dieses Gefängnis ist man frei.", hatte der blauäugige Wärter gesagt, welcher einen jeden von euch in das Gefängnis bugsierte. Stolzer Gang, fast sechs Fuß groß und von gestriegelter Gestalt war der Mann gewesen, eine Person, welche ihre Arbeit mochte und von ihr überzeugt war. Eine olivfarbene Leinenuniform trug er nur, nicht einmal eine Waffe. Er fürchtete sich nicht, wirkte gar ein wenig gescheit mit seinen klaren Augen und der zerfurchten Stirn, und doch nutzte er eine scheinbar witzlose Bemerkung. Wie konnte man innerhalb eines Gefängnisses frei sein? Zumindest waren die Türen zu euren kleinen, kargen Zimmern nur von euch zu verschließen. Ein Riegel trennte einen jeden vom Rest des Gefängnisses, welches doch eher eine alte Räumlichkeit für Gäste zu sein schien. Es roch feucht und Spinnweben hingen überall herum, dieser Ort war zwischendrin bestimmt auch ein Lagerraum gewesen, vielleicht deswegen der Geruch von Schimmel? Oder mochten hier einst Tote gelegen haben und der leichte Geruch von Fäulnis ist das, welches übrig blieb von dieser Tat?
Einsame Gedanken in steinernen Mauern mochten einiges beschwören; Wahres wie Unwahres gleichermaßen.

Der Name des Wärters, welcher einen jeden von euch zu unterschiedlichen Zeiten einquartierte, blieb ein Geheimnis. "Je weniger ihr habt, desto freier werdet ihr euch fühlen.", mit solcherleich Prophezeiungen, welche für einen einfachen Gefängniswärter wohl kaum mehr als Binsenweisheiten sein dürften, glänzte er bei der Abnahme eurer Besitztümer, bis nicht mehr viel blieb bis auf Schreibzeug, Bücher, ein wenig Kleidung. Werkzeuge waren tabu, wie es auch die Flucht war.
"Jeder Fluchtversuch zwingt mich dazu, euer Leben enden zu lassen. Seid euch gewiss, dass ihr die Klinge führt dabei, solltet ihr es wagen." Die Stimme des Wärters, welcher bartlos und im mittleren Alter zu sein schien, verriet keine Schadenfreude, allerdings auch keine Emotion. Ein einfacher Hausdiener war er nicht, sein Auftreten war zu brüsk, zu direkt, zu stolz, seine Worte standen in einem gewissen Kontrast dazu. Eine merkwürdige Kombination.
"Eure Räume werden jetzt noch leer sein, wie die Steppe in einer Dürre. So werdet ihr euch fühlen. Aber es gibt Wege.", deutete er an und zeigte immer dann, wenn er diese Worte sagte, auf eine Matratze, welche vor der Gefängnistür direkt an der Wand lehnte.
"Ihr werdet sie erkennen. Nur die Weisen teilen diesen Ort." Seine letzten Worte zu einem jeden von euch. Die Tür schloss sich, die Nacht senkte sich nieder und schwer lastete das Verbrochene oder nicht Verbrochene auf den Schultern, ehe der Schlaf gewann.

...

Schritte klangen taktvoll über den Marmor, welcher auch den Zugang zum Gefängnis pflasterte und so ein Erkennen von Besuch erleichterte, aber auch eine lautlose Flucht unmöglicher scheinen ließ. Ein Schlüssel wurde gerüttelt und gedreht, das Schloss klemmte ein wenig, eine der einzig beiden verschlossenen Türen des Gefängnisses öffnete sich. Schritte traten über die Schwelle, sechs Füße in Stiefel, Metallglieder rasselten, der Schritt war militärisch, sorgfältig.
Doch eine sehr sanfte Stimme, welche weder tief, noch wirklich hoch war, erhob sich in der Nähe der Tür, während das Geräusch eines sich legenden Vorhanges die Stimme kurz begleitete.
"Seid mir Willkommen, meine Gäste." Die Stimme war angenehm, doch wenig definierbar. Sie klang zumindest warm. "Macht euch keine Mühe und bleibt liegen. Es ward euch versprochen, dass das Frühstück zur achten Stunde käme, soweit sind wir noch nicht. Doch lauschet mir, während ihr eure Augen geschlossen haltet." Sie hatte etwas hypnotisches, einflüsterndes, man mochte ihr gern und lange folgen.
"Stellt euch vor, der Himmel ist blau, wenige dunkelblaue Wolken sind am Horizont zu sehen, von der prächtigen Sonne beschienen. Regenbögen werden über das weite und bald wieder blühende Land getragen." Leise erklang das Spiel einer Guzheng[1]. Der Mann mit der sanften Stimme machte eine Pause und ließ ein paar der Klänge für sich sprechen, versuchte die beschriebenen Bilder zu beschwören.
"Kleine und große Tiere tollen gleichermaßen durch das erste grüne Gras, Frösche hüpfen durch die kleinen Teiche, welche sich in den Senken bilden und kosten das Leben."
Weitere Minuten ausgiebigen Spiels folgten, welches eine fließende Harmonie war. Etwas selten Schönes, voller Anmut und Würde, es ließ einen träumen.
Plötzlich ein Misston. "Und dann hören alle, der Kaiser ist tot." Und das Lied war vorüber. Die Luft vibrierte noch leicht, und wenn man noch versuchte sich an die angenehme Stimme oder die Melodie zu erinnern, schien sie wie ausgelöscht. Einem Peitschenknall gleich, ertönte eine ruppige, wüste und brummende Stimme.
"Ihr! Ihr habt ihn umgebracht, ihr Barbaren!"
Die Worte schienen wie surrende Pfeile in einer Schlacht, Stille folgte nach dem Einschlag.

"Li, alter Freund, nicht so stürmisch. Beginnt keinen Krieg, ehe die Zeit dazu gekommen ist." Ein Schnipsen hatte kurz zuvor die Stille zerschnitten, die sanfte Stimme erklang wieder und sie sprach langsam und deutlich leiser weiter, sodass man sich anstrengen musste, zuzuhören. "Zumindest einer von ihnen ist der Mörder. Das muss nicht bedeuten, dass sie alle es sind." Die Stimme, eben noch ruhig und rein, lachte jetzt gehässig und fügte dann wieder in alter balsamartiger Sanftheit an. "Es würde uns Mühe ersparen, Li, das mag ich wohl einsehen, dennoch lasst uns doch erstmal vorstellen."
"Ich werde sie alle richten lassen, wenn mir der Mörder nicht präsentiert wird! Am Tag des Drachen[2]!" Die Stimme war es gewohnt, militärisch und straff zu sein, jetzt bebte sie vor Wut und Trauer zugleich.
"Sssch!", die sanfte Stimme sprach mit den Bären wie mit einem Kind, "Seid nicht so grob, Li."
Eine dritte Person, die anwesend war, sog hörbar die Luft ein für einen Moment, ehe die sanfte Stimme sich wieder anhob.
"Ich bin Shǎzi, Herr dieses Hauses und in meiner Begleitung sind die ehrenwerten Chuang Li, Chuang An und Zázhǒng."
Die sanfte Stimme machte eine kunstvolle Pause, welche keine der anderen drei Personen so recht ergreifen mochte, so sprach der Hofweise weiter.
"Ich bin ein Meister der Lehren und der Leeren, wenn ihr mit diesen Worten zu spielen versteht. Und da meine Begleiter brüsk, schüchtern oder weise genug sind, nicht zu viele Worte zu verlieren, denn das tun nur Narren, werde ich euch erklären, wieso ihr hier seid."

Schritte gingen im Raum umher, eine Person schien die Räumlichkeiten intensiv zu mustern und sog immer wieder die Luft scharf ein, diese Person wurde von lauten Schritten begleitet. Es schien, als würde der Hofweise seinen Schritt verbergen können. Zwei andere Personen murmelten nun, kaum zu verstehen[3]. Der Hofweise schwieg den Moment, bis die beiden Stimmen verebbt waren, als würde er selbst lauschen. Jemand sog abermals scharf die Luft ein, die sanfte Stimme Shǎzis sprach weiter, er erhöhte die Tonlage seiner Stimme und sprach im reimenden Singsang.

"Der Tod holte den alten und geliebten Kaiser,
der Mörder war leider nur halb ein Weiser,
war er zwar in der Lage, mit Taten zu lügen,
so konnte er nicht alles und jeden betrügen,

Zwar konnte dieser Schuft sich verdrücken,
sich zwischen viele hängende Hälse bücken,
doch entkam er dem Himmel nicht ganz und gar,
wird sich nun hoffentlich der Gefahr gewahr,
dass er nun sitzt mit jenen, die nur Kleines taten,
und alsbald nun auf ihre Freiheit warten.

So ist es aller Aufgabe gemein,
zu finden das list'ge Schwein.
Doch die Zeit will einem die längsten Beine machen,
der General euren Kopf am Tag des Drachen,
darum flehe ich euch bitterlich,
findet den Mörder nicht nur für mich,
sondern rettet auch euch, die unschuldig sind,
und führt zur Schlachtbank das kranke Rind."

Zwei leise Töne, der höchste und der tiefste Ton der Guzheng, folgten diesem Gedicht, welches der Hofweise aus dem Ärmel geschüttelt zu haben schien. Noch ein wenig wollte er es nachklingen lassen.
"Am Morgen des zehnten Tages köpfe ich jeden, wenn sie den Mörder nicht unter sich gefunden haben. Entweder sie finden ihn, oder sie sterben alle!", brüllte Chuang Li, der älteste Sohn des Kaisers und trampelte nach draußen, wohl damit Shǎzi keine Widerworte geben konnte.
Jemand sog pfeifend die Luft ein und dann war Shǎzis Stimme viel näher, als würde er vor den Türen direkt stehen, während die anderen vier Stiefel den Raum verließen.
"Ich weiß, ihr seid fähig. Ich weiß, ihr wisst wenig. Doch verzaget nicht in Anbetracht dessen. Vertraut eurem Wissen, so gering es sein mag, vertraut eurer Kunst, so unperfekt sie sein muss, und vertraut der Zeit, die Licht in das Dunkel bringen kann, wenn ihr sie weise nutzt." Die Stimme hörte auf zu sprechen und nur noch das Einrasten des Schlosses zeugte davon, dass ihr wieder allein in eurem Gefängnis ward. Alleine mit dem Mörder des Kaisers. Waren eure Untaten nichts mehr wert? Wie standen eure Untaten damit in Zusammenhang? Wer von euch war es?
Die Lust zu Schlafen war endgültig dahin, der Tag begann mit einem Skorpion, der einem in den Rücken gestochen hatte. Wie war der Kaiser gestorben, wo war der Kaiser gestorben? Viele Fragen mochte es nun geben und doch war es klar, so wie der General diese Situation forcierte, gab es nur eine Erkenntnis in diesem Moment. Ein liederliches Spiel hatte begonnen... 1. Eine chinesische Zither 2. Das ist der zehnte und letzte Tag der Woche 3. Lauschenwurf

Lu Chieng:
Mühsam öffnete Lu Chieng die Augen. In seinem Rücken stach der Schmerz, der ihn geweckt hatte. Langsam öffnete er die Augen und starrte verwirrt an die rote Decke und die Wände. An die Decke starrend versuchte Lu Chieng seine Gedanken zu ordnen. Wo war er und warum? Mit wachsender Kontrolle über seinen Körper kamen auch die Erinnerungen wieder.

"Richtig, das Neujahrsfest" ... ... ... "Dieser Spinner aus Na Gûn."

Langsam hob er seinen Kopf und schaute sich; überall dieser rote Marmor. Ein kleiner Raum. Irgendwo war auch noch ein Vorraum gewesen.

Mühsam richtet Lu Chieng sich auf und lehnt sich sitzend gegen eine Wand. Nach einigen Minuten oder Stunden, so genau konnte er es nicht bestimmen erklang eine Stimme. Wie von selbst schließt er, wie gewünscht, die Augen. Langsam driftet sein Geist in das beschriebene Land immer weiter vertieft sich sein Geist, sogar sein schmerzender Rücken verschwindet.

Wie ein Paukenschlag verschwindet der blaue Himmel, das Gras, die Teiche. Lu Chieng war sich nicht sicher ob er sich nicht doch noch im Prozess des Aufwachens befindet: "Tot? Der Kaiser? Umgebracht? Wir?" - Anscheinend gab es also noch mehr Leute hier unten.

Verstört ging Lu Chieng den gestrigen Tag nochmal im Kopf durch. Nein, er war sich ziemlich sicher, dass er den Kaiser nicht umgebracht hatte, er hatte ihn noch nicht einmal gesehen. Langsam schloß er erneut die Augen, in dem sicheren Glauben, sobald er sie erneut öffnete wäre er dann richtig wach und würde in seinem angemieteten Zimmer aufwachen. Das konnte doch alles nicht stimmen.

Behutsam schlug er die Augen erneut auf; aber sowohl der rote Marmor, alsauch die Stimmen waren wieder da. Langsam hob Lu Chieng seine Hände und massierte sich die Schläfen, nun schmerzte nicht nur sein Rücken, sondern auch sein Kopf war mit einem pulsierendem Schmerz durchzogen. Die gebrüllte Drohung auf seine Hinrichtung trug nicht dazubei, die Schmerzen abklingen zu lassen.

Langsam schob Lu Chieng sich mit dem Rücken an der Wand hoch, ein leichter Schwindel erfasste ihn und ließ ihn tief einatmen. Auch wenn ihm das Reimmuster nicht zusagte musste Lu Chieng sagen, dass es für eine anscheinende Improvisation nicht schlecht war und die Intonation sehr gut. - "Merkwürdig, ein Gedicht über deinen Tod und du machst dir Gedanken über das Versmaß." - er schüttelte den Kopf, auch wenn er sofort merkte, dass das nicht seine beste Idee gewesen war, sofort traf in der stechende Schmerz in seinem Kopf.

"zehn Tage und die Zeit spielt für uns?" - Auch wenn er in letzter Zeit nie stark geträumt hatte verlor er die Hoffnung nicht ganz noch aufzuwachen, das Geschehen war einfach zu merkwürdig um wahr zu sein, es konnte einfach nicht sein. Nachdem er den Schlüssel im Schloß sich hatte drehen hören, sank Lu Chieng erschöpft wieder an der Wand herunter, er legte seinen Kopf vorsichtig auf die Kniee und schloß die Augen. Langsam wartete er darauf das der Schmerz verebbte...

Xū Dǎnshí:
Xū Dǎnshí wachte von den Stimmen auf und konzentrierte sich darauf, dem Gespräch zu lauschen. Er hatte viel meditiert und hatte scharfe Sinne, wenn er sich darauf konzentrierte.

An Schlaf war nicht zu denken und so zog er sich an, trat aus seiner Zelle und setzte sich im Lotussitz auf den Teppich in der Mitte des Raums, bereit die anderen Insaßen kennenzulernen. Seine alten Knochen schmerzten vom harten Bett, doch darüber hinaus kümmerte es Danshi nicht, dass er unter so widrigen Umständen eingekerkert zu sein. Es war seine freie Wahl gewesen, sich von der göttlichen Ordnung abzuwenden, er hatte das irdene Glück erfahren, dass er in den Menschen gestiftet hatte, und spürte einfach, dass dies der richtige Weg war, den er zur Not mit seinem Leben verteidigte. Dies war eine Sache, die größer war als er selbst.

Für einen kurzen Moment wog er ab, ob es überhaupt der Wahrheit entsprach, dass der Kaiser tot war. Doch dazu würden die Worte, die sein feines Gehör erhascht hatten und die nicht den Ohren der Gefangenen galten, nicht passen: "... wenn jemand erfährt, dass der Kaiser tot geblieben ist.", langsam wiederholte er ein paar Mal das Satzstück, dass seine Aufmerksamkeit geweckt hatte. Dies bedeutet, dass der Kaiser schon einmal tot war und man versucht hatte, den Tod wieder rückgängig zu machen. Das ergab keinen Sinn. Vielleicht war es aber auch metaphorisch gemeint gewesen, dass sich der Kaiser lange aus den Geschäften des Reichs zurückgezogen hatte und, ob seines Todes, auch nie wieder in die Regierungsgeschäfte zurückkehren wird.
Und dann war da noch etwas, das ihn störte. Der Kaiser hatte mit seinen etwa 82 Kirschblüten schon ein mythisches Alter erreicht und nachdem er sich zurückgezogen hatte, war abzusehen, dass er bald sterben würde. "Es musste einen politischen Grund gegeben haben, das Wagnis einzugehen, ihn zur Dämmerung seines Lebens zu ermorden - außer natürlich der Mord geschah im Zorn, der die Tugend schwächt", murmelt er gedankenverloren. War der Kaiser mit etwas beschäftigt gewesen, dass jemandem missfallen hatte? Schnell überlegt Dansi, ob ihm etwas einfällt[1].
Es war nur verständlich, dass seine Söhne seinen Tod geheim hielten, schließlich erlebte das Reich schwere Zeiten. Einige der Provinzen wagten gar, sich offen vom Kaiser loszusagen und auch am Hof gab es genügend Intrigen gegen den Kaiser. Zu leicht könnte jemand die Gunst der Stunde nutzen, um die Dynastie zu beenden, so lange die Thronfolge ungeklärt war. War nicht immer der älteste Sohn der Nachfolger des verstorbenen Kaisers?, fragt sich Danshi[2].
Und warum war es so wichtig, den wahren Mörder zu finden, außer um die Rachsucht  seiner Söhne zu befriedigen? Für alle anderen Dinge hätte man auch einen Sündenbock benennen können - am besten natürlich einen, der sich politisch gut nutzen ließe, z.B. ein Beamter von Qinlong.

Fragen über Fragen, die weitere Fragen nach sich zogen. Danshi seufzt. Er wußte einfach zu wenig, um sich auf alles einen Reim machen zu können. "Ich bin aber aus anderem Grund hier. Es geht hier um meine Sache - und ich werde mich nicht für dieses groteske Spiel nutzbar machen lassen!, flüstert er entschieden[3]. 1. Knowledge (local) 29 2. Wissen (Nobility & Royality): 9 (natürliche 1) 3. Ihr könnt ja lauschen, ob Ihr meinen Ausspruch hören könnt.

Mako Jinsei:
Seit Jahren hatte Mako Jinsei nicht mehr so schlecht geschlafen wie diese Nacht. Aber er hatte es sich selbst zuzuschreiben, dass er nun hier war. Er war einfach zu unvorsichtig gewesen. Hatte es sich wenigstens gelohnt?, fragte er sich, während er sich den Schlaf aus den Augen rieb. Es hätte sich gelohnt, wären wir zum Ende gekommen., antwortete er sich selbst und seufzte leise.
Dann erklang eine Stimme, die wirres Zeug erzählte und danach eine Guzheng.
Immerhin etwas Kultur. Auch wenn ich schon besseres Zitherspiel gehört habe: Meines., dachte er selbstgefällig und versuchte durch den beruhigenden Klang vielleicht noch einmal Schlaf finden zu können. Aber dann wurde die Melodie von einer Dissonanz zerissen. Mako verzog schmerzhaft das Gesicht. Das hätte der Foltermeister sich sparen können.
Erstaunt weitete er die Augen als er kurz darauf die Neuigkeit erfuhr. Tot? Der Kaiser? Wir ihn umgebracht? Warum? Wieso?
Vielleicht folgt Erklärung, dachte er bei sich und lauschte weiter. Aber keine wirkliche Klärung folgte. Nur weitere Verwirrung. Wieso sollten die Verdächtigen selbst den Täter ermitteln? Zumindest er selbst wusste nichts darüber, wie könnte er sich dann anmaßen einen völlig Fremden zu beschuldigen?

Er legte die Hände vor sein Gesicht und ging in sich.
Hatte er den Kaiser umgebracht? Nein, zumindest nicht bewusst.
Wie wahrscheinlich war es, dass er ihn unbewusst getötet hatte? Sehr unwahrscheinlich. Er hatte in den letzten Tagen nicht zu viel getrunken und meinte auch sonst sich an jede Minute erinnern zu können. Wie verlässlich war das? Schon jetzt konnte er allein mit seiner Singstimme Leute manipulieren, wenn auch nur leicht. Kaisermord hätten diese nicht zu Stande gebracht. Aber wenn jemand wie er seine Fähigkeiten trainierte, oder schlimmer: wenn einer dieser "Magier" die verbotene Kunst betreiben ihn manipuliert hätten. Aber warum ausgerechnet ihn?

Er setzte sich auf und stieg aus dem Bett. Ich mache mir zu viele Sorgen, ich sollte erstmal sehen, was noch für potentielle Mörder hier eingesperrt sind. Er schob den Riegel zurück und ging in den Gemeinschaftsraum. Dort saß ein älterer Mann und dachte nach. Irgendwie kam er Mako bekannt vor, er wusste nur noch nicht genau woher.

"Ich wünsche einen guten Morgen.", begrüßte Mako ihn höflich und ging ohne zu zögern in den Waschraum. Er überprüfte sein Spiegelbild im (noch) klaren Wasser des Zubers und spritzte sich dann zwei handvoll Wasser ins Gesicht. Mit den Fingern ordnete er notdürftig seine Haare und ging wieder raus.
Er setzte sich neben dem Alten auf den Teppich und sah ihn an.
"Seid Ihr der Mörder, alter Mann?", fragte er freundlich und ohne anklagend zu klingen.

Xū Dǎnshí:
Danshi war amüsiert über die Frage des kecken Jünglings. "Ich bin aus einem anderen Grund hier,", und gibt mit einem schiefen Lächeln zurück, "doch würdet Ihr es mir glauben?". Er ließ die Frage im Raum stehen, bis die Stille schon unangenehm wurde. Dann entgegnete er "Vielleicht seid ihr es aber auch gewesen? Lasst mich Euch ansehen. Ja ihr seid ein schöner junger Mann, ihr könnt nicht älter als 24 sein. Doch schmal seid ihr, ihr wart bestimmt kein Bauer. Wart Ihr vielleicht ein Beamter? Hm..., ich glaube eher, dass ihr ein Höfling gewesen seid.". Wieder eine Pause, "Lasst mich sagen, dass ich nicht daran interessiert bin, ob Ihr der Mörder seid. Ich habe weder die Kraft noch den Willen, es herauszufinden. Vielmehr interessiert mich, welche ungewissen Zukunft dem Reich bevorsteht, jetzt da der Kaiser gestorben ist. Doch so weit sind wir noch nicht; mein Name lautet Xū Dǎnshí und ich war Militär und zuletzt Provinzhalter in Cui Bao. Wie lautet Euer Name, junger Mann?", seine Stimme zeigt, dass er amüsiert ist, aber ansonsten klingt er ruhig und gesetzt. Er sitzt fast reglos da.

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