Auch Raika schätzte den jungen Mann ungefähr in ihrem Alter ein. Einen Priester auf Reisen zu sehen war vermutlich auch nicht ungewöhnlicher als eine Schmiedin, daher dachte sie sich nichts weiter dabei. „Gehört schon...“ Widersprach sie und gab ihm damit zu Verstehen, dass ihr nur nicht ganz klar war, was das bedeuten sollte. Ihre Lippen kräuselten sich zu einem schmalen, etwas spöttischen Lächeln. Gewiss war er umgeben von Büchern aufgewachsen und wurde von einem Meister angeleitet, der genau den gleichen Tonfall anschlug. Sie störte sich jedoch nicht sonderlich daran. Magie war ein Gebiet, von dem sie nicht mehr wusste als von höfischer Etikette. „Nun, anscheinend hat sie doch Euren Gefährten geschädigt, obwohl sie um die Folgen wusste. Besonders vertrauenerweckend ist das nicht. “ Hielt sie etwas unwillig dagegen und sah ihn zweifelnd an. Konnte es sein, dass der schrullige alte Priester tatsächlich sein Lehrmeister war? Wie konnte er dann so viel über sie wissen? Und sie zu so einer langen Reise überreden...sicher sein, dass sie einwilligen würde und nicht etwa kehrt machte?
Langsam nickte sie zu seiner Erklärung, doch vollständig überzeugt war die Dunkelhaarige noch nicht. Seine Pause deutete sie als Zeichen dafür, dass er sie nun eingehender über die derzeitige Situation aufzuklären gedachte. Wohlwollend nahm sie das zur Kenntnis. Ihr Gang entspannte sich etwas und wirkte natürlicher. Dennoch war ihre Miene ernst, als er von ihren Erlebnissen schilderte. Ein drohendes Unheil? Da wurde die junge Frau aufmerksam. Dass sie vor der Flucht der Obrigkeit waren nahm sie zwar skeptisch auf, doch sie beschloss dem einstweilen aufgeschlossen gegenüber zu treten. Womöglich steckte ja eine Ungerechtigkeit dahinter. Raika fragte sich, was ihre Verfolger wohl mit der Kleinen genau gemacht haben. Ein wenig ungläubig nahm sie auf, dass die Regierung von Weißfels angeblich dahinter steckte und sowohl hinter dem ominösen Stein in der Stirn des Mädchens her waren als auch die Absicht hatten, Soldaten heran zu züchten. Wozu sollte das denn gut sein? Es stand doch nicht etwa ein Krieg bevor...Mit einem leichten Kopfschütteln tat sie den Gedanken ab und sah wieder zu dem Priester. Diese Lailo hatte ihm anscheinend eine riskante Alternative zu den Möglichkeiten verraten, die sie für Jill ersann. Prüfend musterte sie ihren Gegenüber. Seine Worte schienen ehrlich und ohne Hintergedanken zu sein. „Ich muss?“ Fragte sie zunächst irritiert nach, ehe sie tief ausatmete. „Ich glaube, ich konnte Euch soweit folgen...“ Begann sie langsam und wusste noch nicht recht, was sie davon halten sollte.
War es nicht genau das, wonach sie gesucht hatte? Womöglich war es sogar eine zu große Herausforderung. Aber wenn seine Erzählung stimmte, dann musste etwas getan werden. „ Dieses Unheil besteht also aus nicht menschlichen Soldaten? Und die Regierung von Weißfels steckt dahinter. Ferner will sie an Jill herankommen, die einen lebendigen Stein in sich trägt? “ Wiederholte sie knapp, um sicherzugehen, dass sie soweit mitgekommen war. „Und jetzt brecht ihr nach Wolkenheim auf, um vor diesen Kreaturen zu warnen...glaubt ihr denn, dass sie euch dort Glauben schenken? Und was wollt ihr nun wegen Jill unternehmen? Ich wollte nicht glauben, dass es keinen Ausweg gibt...“ Was wäre ungerechter, als einem Kind eine derartige Wahl einzuräumen. „Was mich betrifft...ich scheue kein Risiko, wenn ich damit Andere vor Schaden bewahren kann. Für Ruhm und Anerkennung bin ich ausgezogen. Ich will mir einen Namen machen und diesen ehrlich verdienen. Von Magie verstehe ich jedoch nicht viel...ich könnte euch allenfalls einen zusätzlichen Schwertarm anbieten, sofern eure Gemeinschaft mein Beisein wünscht. “ Gab sie eine ehrliche Einschätzung von sich ab, denn es waren nicht nur edle Motive, die sie führten. Das musste ihrem Gegenüber klar sein, denn etwas vorspielen würde sie ihm sicher nicht.