Wir sind nicht allein...Dieser Gedanke hatte sich inzwischen fest in das Gedächtnis aller Gestrandeten auf der Schmugglerinsel eingebrannt - egal, ob man an den dunkeln Schatten des Riesenvogels dachte, der des Nachts Jagd machte und Ausschau hielt - oder, ob man an den gefundenen Pfad dachte, gespickt mit einer fies erdachten Falle! Irgendetwas war hier faul auf dieser Insel, doch noch hatten die Gefährten diesen Quell noch nicht gefunden - glücklicherweise hatten sie aber auch die Spur von Kapitän Kovack und der Gelehrten Ieana noch nicht völlig verloren! Vielleicht sollte dies alles aber auch gar nicht ihr Schicksal werden, sicher, es war ihr Schicksal, aber vielleicht sollte es ein gutes werden! Vielleicht also könnte all dies ihre Rettung werden, die Möglichkeit zur Flucht von der Schmugglerinsel - die Erlösung...
Am Abend jedenfalls saßen alle gemütlich beeinander und nach und nach fand jeder seine Zeit, um sich zur Ruhe zu legen und endlich Schlaf und Erholung zu finden. Die Nachtwachen traten aufmerksam und unermüdlich ihren Dienst an - heute auch ein besonders wachsames Auge gen Himmel gerichtet: Man konnte ja schließlich nie wissen! Das Wetter verschlechterte sich zwar nicht sonderlich, aber bis der Regen endlich aufhörte und auch der Wind sich gelegt hatte, dauerte es noch gut ein paar Stunden, die Randbereiche ihres Lagers waren tatsächlich, wie von Halas berichtet, leicht geflutet worden. Irgendwann holte sich das Meer und der Wind eben doch zurück, was einst ihm gehörte - doch so weit war es zum Glück noch nicht. Es war endlich ruhig geworden, das Prasseln des Regens und das Heulen des Windes waren verzogen, der Dschungel selbst mit all seinen Lauten und Geräuschen blieb stumm. Die ganze Welt um sie herum schien zu schlafen und langsam kräuselten sich die dahinschimmernden Wellen des Meeres im Licht des widerspiegelnden Mondes. Es war abermals Nacht geworden auf der Schmugglerinsel...
Das morgendliche Erwachen war ein glückliches und allseits erholtes - jeder hatte halbwegs genug Schlaf gefunden und keine bösen Träume oder gar Überfälle wilder Tiere hatten die Nachtruhe im Lager gestört, selbst die Nachtwachen hatten nichts Auffälliges bemerkt. So langsam trudelten die frisch erwachten und ausgeschlafenen Gesichter am Lagerfeuer ein - als letztes gewacht saß, leicht in sich gesunken, Aerys Mavato. Fröhlich gesinnt stand sie auf und blickte dem Aufwachen ihrer Gefährten höchst motiviert entgegen. Sie grüßte alle halbwegs höflich und erkundigte sich kurz nach der Nachtruhe - auch in ihrer letzten Schicht war alles ruhig geblieben. Die junge, athletisch gebaute Frau mit dem schwarzen Dreispitz war tatsächlich zu so etwas wie einer Anführerin geworden hier unten im Lager: Doch, ob das auch so bleiben würde, wusste keiner...
Gemeinsam frühstückten sie und besprachen die Pläne für den anbrechenden Tag - Tolkwy und Jask luden den Erforschertrupp erst einmal zum morgendlichen Gesänge-Üben oben am Strand ein: Das sollte also die Belohnung für sie alle sein, dafür, dass sie die
Pökeldämon gefunden hatten und die Dokumente für Jasks Unschuldsbeweis gefunden und mitgebracht hatten. Sie stiegen sogleich hinauf. Aerys und Halas unterdessen übernahmen Unten das Kommando und gemeinsam wurde die Feuerstelle wieder auf Vordermann gebracht sowie das Lager trocken gelegt, noch ein paar Reperaturen vorgenommen, bis das Lager schließlich wieder wie neu aussah...
Am oberen Strand währenddessen stimmte Jask seine Fokusgesänge an und die Gefährten lernten mit ihm gemeinsam die Lieder seines Stammes zu singen - alte Gesänge, in teilweise fremd anmutenden Dialekten und Sprachvarianten - aber die Laute konnten sie allemal nachahmen, und wahrhaftig! Jask Derindi hatte nicht zu viel versprochen, in ihren Köpfen begann es leicht zu summen und bald schon waren sie hochkonzentriert und erfüllt vom Geiste der Lieder.
[1] Anschließend brachen sie mit Jask gemeinsam zu einer kleinen Erforschungstour auf, während Valash mit bei den Anderen unten im Lager zurückblieb - er wollte lieber dort etwas mit helfen. Nevos allerdings folgte der Gruppe, wie die Tage zuvor auch schon - sein Schicksal hing an Dan, und ihn wollte er auf keinen Fall aus den Augen lassen - die Prophezeiung musste ja anscheinend doch mehr Wahrheit in sich haben, als er erwartet hatte...
Den restlichen Tag verbrachte die Lagerbesetzung damit Holz zu sammeln für die Nacht und weitere Bauten auf Vordermann zu bringen - das Lager wurde sogar noch ein klein wenig ergänzt. Und sie bereiteten gleichenfalls einen schnellen Abbau vor, falls der Rest also eine bessere Stelle finden würde, so konnte es zügig losgehen - sie würden jedenfalls genug zu tun haben heute!
Die kleine Gruppe oben am Strand, jetzt bestehend aus: Tolkwy, Dan, Simue, Kwazeel, Nevos und Jask; sie brachen auf gen Norden, erforschten den westlichen Teil von ihnen - abermals an der Küste entlang. Die Vegetation kam ihnen bekannt vor, alles schien ähnlich, wie an der südöstlichen Küstenlinie. Sie schauten aufs freie Meer hinaus, doch hier oben waren weniger Wracks gestrandet, nur Mittags konnten sie eines in einigen scharfkantigen Klippen draußen in der See ausmachen. Doch dieses Schiffswrack würden sie leider nicht erreichen können. Kurz nach ihrer Mittagspause stießen sie kurz nacheinander auf zwei Nester mit Dimorphoden - sie besiegten die Elterntiere und konnten die Brut zerstören - eigentlich ein Glück, dass sie von diesen Bestien noch nicht angegriffen worden waren im Hauptlager. Dann marschierten sie weiter und erreichten schließlich, am späten Nachmittag - sie mussten etwas langsamer machen und mehr im Dschungel gehen, wegen der Hitze der Sonne, den äußersten westlichen Punkt dieses Inselabschnitts. Und ihnen eröffnete sich ein interressanter Ausblick über das Meer und die Ausmaße der Schmugglerinsel...
Vor ihnen lagen drei weitere kleine Inseln im Wasser, nur spärlich mit Palmen und Felsen bedeckt, die wohl früher ans Festland angeschlossen hatten, jetzt allerdings waren sie zu Brachland dahingerafft worden, vermutlich brüteten nur einige Urwaldvögel auf den abgelegenen Inselchen. Im Norden erstreckte sich weiterhin der unendlich weite Ozean und kein Land war auch nur ansatzweise in Sicht, aber im Süden, da war es genau umgedreht: Viele Meilen mussten sie zwar über das Meer schauen, aber nicht ganz am Horizont konnte sie wieder Festland erkennen, und im Osten erstreckte sich sogar der Inselarm hinunter, vermutlich war dort also der Kern der Insel gelegen, der größere Teil - vorgestern noch waren sie also dort drüben gewesen und hatten das Gebiet dort unten erforscht, viel würde also noch vor ihnen liegen, die Vegetation dort drüben sah wieder wie ein wahrhaftig tiefgrüner und undurchdringlicher Dschungel aus. Doch was am Meisten irritierte war der Ausblick gen Westen. Zwei größere Inselabschnitte erstreckten sich von der Nordspitze des Inselkerns gen Süden hinauf - der eine, grün wie alles Andere rings herum, doch der andere, sie vermochten es nicht richtig zu deuten: Wie eine stumme und graue Narbe am Horizont wirkte dieser Teil der Insel, kahle Bäume schienen darauf zu wachsen, kühl und irgendwie seltsam starren diese Gewächse gen Himmel...