Stumm verfolgte Alvanon die Unterhaltung der übrigen Anwesenden Könige, während er mit dem Seidenseil von Nicos den Alben nach bestem Wissen fesselte und hoffentlich wehrlos machte
[1]. Es war eine Unterhaltung voller Überraschungen für den Elb, der in seinen Meinungen eigentlich schon relativ festgefahren war, so wie eine große Eiche sich ihren Standort suchte und diesen nicht eher aufgab, bis sie dazu gezwungen wurde, zu weichen.
Die erste Überraschung stammte von ihrem Anführer. Alvanon hatte nicht mehr erwartet, von ihm viel zu hören, was seinen Respekt erwachen ließ, aber die Worte dieses Menschen ließen ihn doch anerkennend nicken. Denn er hatte Recht. Wenn sie nicht alle zusammenhielte, würde das mit ihnen passieren, was einst mit den Elben und Alben geschehen ist – sie würden sich trennen, und manchen von ihnen würde es vielleicht besser gehen, aber er selbst wusste, dass es ihm nicht besonders gut ergehen würde, sollte er dazu kommen. Er brauchte die anderen, so schmerzhaft es für ihn war, dies einzugestehen, aber er wusste auch, dass sie ihn ebenso brauchten. Seine silberne Zunge vermochte es, jedem seine Meinung schmackhaft zu machen, jedem den Anstoß zu geben, den er brauchte, um das zu tun, was Alvanon wollte. Er konnte der Gruppe damit helfen, das wusste er, vor allem bei diesem Unterfangen, welches sie in gefährliche Gebiete führen sollte.
Auch Mephalas Verhalten überraschte den Elb. Sie schien sich ihres Fehlers bewusst zu sein, und Alvanon wollte sie nicht noch mit der Nase darauf stoßen, was geschehen ist. Sie wusste es selbst, und vielleicht würde er selbst irgendwann einen Fehler machen. Er hasste es, Fehler zu machen, und noch viel mehr, wenn andere dies bemerkten und ihn mit diesen Fehlern konfrontierten. Dennoch nickte er auch hier anerkennend, denn seinen eigenen Fehler offen einzugestehen war etwas, was bei ihm großen Respekt hervorbrachte. Unter den Elben gab es so etwas sehr selten, da sich jeder selbst als vollendet darstellen wollte. Umso überraschter war er, dies zu erleben, da er es nicht gewohnt war. In dieser Hinsicht war der königliche Hof der Menschen ähnlich wie die Elben. Man stellte sich selbst stets als überlegen dar, um anderen keine Angriffsfläche bieten zu können. Eigene Fehler gab es nicht, und es würde sie wohl auch niemals geben, wenn es keine geschwätzigen Weiber gegeben hätte – ohne die es wohl auch offiziell keine Affären gab.
Maurons Worte hingegen überraschen den Elb nicht. Es waren die Worte eines Künstlers, als den er Mauron ansah. Es war nicht die Art Künstler, wie man sie idealisiert kannte – Meister der Schwertkunst, großartige Magister ihres Fachs oder unerreichte Anwender der Einen Kunst, der Magie, nein, Mauron war in Alvanons Augen die Art die Künstler, die durch die Welt zog und versuchte, etwas zu erleben und Anerkennung zu erlangen, ohne sich dabei selbst in Gefahr geben zu müssen. Der Elb hatte bei seinem Volk bereits viel kennengelernt, ebenso auch bei dem Volk der Menschen, und so wunderte er sich, dass der Musiker mit diesem seltsamen Chord, von dem er Sprach, nicht das Leben der anderen schützen wollte, die auch ihn zu schützen bereit waren. Immerhin war Mauron in der gleichen Lage wie er selbst – ohne die anderen würde er keine drei Tage in dieser Welt überleben, denn auch wenn Vecor ihr Unleben durch das Ritual zu dulden schien, war er wohl keinesfalls begeistert davon, wenn ihre Queste scheiterte, und er würde es zerquetschen, sobald er konnte.
Letztlich war der Elb froh, dass der Gruppentrieb dennoch vorrangig vorhanden schien, und als er den letzten Knoten machte, erhob er sich und räusperte sich.
“Clavius, ich bin erfreut, euch in dieser Verfassung zu sehen. Ich hatte einen Moment gezweifelt, ob ihr der Situation gewachsen wäret, aber offensichtlich seid ihr dies mehr als man erwarten könnte. Ich habe die Worte aller Anwesenden vernommen und war zum größten Teil überrascht und erfreut, dies zu hören. Ich bin sehr stark dafür, dass wir alle uns den Zielen verschreiben und unterwerfen, die wir uns selbst setzen. Wir wurden gemeinsam wieder in das… nun ja… Leben… zurückgeholt und sollten gemeinsam das erledigen, was unsere Namen wiederherstellt. Ich gebe offen zu, dass ich euch alle brauche, um zu überleben.“Man merkte ihm an, wie schwer ihm die Worte fielen, aber auch, dass er sie ernst meinte.
“Aber ich weiß auch, dass ich der Gruppe von Nutzen sein kann. Jeder von uns dürfte seine Qualitäten haben, die er einzubringen weiß, jeder kann uns irgendwo weiterbringen, deswegen sollten wir jeden von uns davor beschützen, wieder zu dem Staub zu werden, aus dem wir auferstanden sind.
Ich kann nicht viel in einer offenen Auseinandersetzung beitragen, aber was immer möglich ist, werde ich tun. Ich mag wahrscheinlich nicht jeden von euch so sehr, wie er oder sie es verdient, aber ich beginne mich sicher zu fühlen, eben wegen solcher Gespräche wie diesem hier. Auf mich könnt ihr also zählen. Ich stimme euch zu, Clavius, wir sollten diese Dinge klären, und ich werde mich diesen Gegebenheiten unterordnen, auch wenn ich mich in der Diskussion natürlich für meine Meinung stark machen werden.“