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Autor Thema: Geisterstadt  (Gelesen 95068 mal)

Beschreibung: Episode 1.2

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Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #690 am: 08.09.2015, 11:42:12 »
Rotznase dachte einen Moment nach. "Ich glaube, den Göttern gefällt es, wenn wir vor ihnen buckeln. Ihnen geht es nicht um uns,  sondern darum, was sie von uns haben." Sie zuckte mit den Schultern. "Und ich glaube, sie sind so mächtig, dass wir eigentlich nichts gegen sie tun können, wenn sie ein Schicksal für uns bestimmt haben."

Beim letzten Satz blickte sie zu Boden, und ihre Stimme war irgendwo zwischen traurig und wütend.
"Ein Blick in die Welt beweist, dass Horror nichts anderes ist als Realismus." - Alfred Hitchcock

Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #691 am: 08.09.2015, 11:50:23 »
So schnell er konnte, lief Omrah vorbei an den Untoten, sprang in die kleinen Zwischenräume zwischen den schrecklich zugerichteten lebenden Leichen, wurde zwei Mal fast erwischt  - und blieb wenige Meter vor dem Eingangstor ins Gebäude stehen.

Gelirion. Er stand vor dem Tor, vornüber gebeugt, ohne Schwert und Schild, und gab raunende Laute von sich. Er war vollkommen blutverschmiert, ebenso wie Schnüffler, der neben ihm auf dem Boden lag - ihm fehlte das linke Bein. Hungrig sahen sie ihn an.

Ein zischendes Geräusch ließ Omrah zur Seite blicken. Ein Mädchen, wenige Meter entfernt, streckte die Hände nach ihm aus.

Es war Ryffa.
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Esulilde Ziberadi

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Geisterstadt
« Antwort #692 am: 08.09.2015, 12:10:48 »
Esulilde lächelte Iana sanft an. "Ich freue mich, wenn ich Euch helfen kann. Und macht Euch nicht zu viele Vorwürfe, wenn Ihr Euch noch unsicher fühlt. Wenn Ihr regelmäßig meditiert und betet, wird Eure Verbindung zu Aguas stärker werden. Die Zeit wird kommen, in der Ihr eins mit der Dunkelheit werdet und die Angst Euch durchflutet, ohne Euch jedoch schwach zu machen. Ich werde Euch und Timeroth helfen, soweit es in meiner Macht steht"

Omrah

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Geisterstadt
« Antwort #693 am: 09.09.2015, 04:35:13 »
Ein gehetzter Blick folgte auf den nächsten, als Omrah versuchte sich in Sicherheit zu bringen. Doch so sehr er sich auch anstrengte, die Untoten waren auf einmal überall. Wahrscheinlich war es seinem Geschick und seiner kleinen Gestalt zu verdanken, dass er bisher noch nicht getroffen wurde - auch wenn es einige male fast soweit gewesen war. Der Junge konnte nur beten. An Hektor, Elendra und alle anderen Götter, die ihm in dieser Situation vielleicht helfen konnten. Im Moment war es Omrah wirklich egal - er wollte nur überleben.
Dann sah er sie. Gelirion und Schnüffler. Sie hatten auf ihn gewartet. Gierig starrten sie ihn an, als sei er nur ein Stück Fleisch, dass beim Metzger an der Ladentheke ausgestellt wurde. Nichts war von den beiden Männern geblieben, die er so bewundert hatte. Kein Erkennen war in ihren Augen zu sehen. Nur Hunger, der alles andere vertrieben hatte und keinen Platz mehr für die Personen ließ, bei denen sich Omrah wohl und sicher gefühlt hatte.
Doch was den Jungen am hefigsten traf, war das Mädchen einige Meter entfernt. "Ry... Ryffa? Geht es dir gut?" fragte er vorsichtig. Er ging einen Schritt auf sie zu. Dann einen weiteren. Es konnte einfach nicht sein, dass sie auch eine Untote war. Es durfte nicht so sein. Vielleicht konnte er sie noch retten. Mit zitternden Händen zog Omrah seinen Dolch. Fast rutschte ihm die Waffe aus den Händen aber im letzten Moment konnte er sie noch festhalten. Langsam ging er auf seine Freundin zu.

Gelirion

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Geisterstadt
« Antwort #694 am: 10.09.2015, 11:35:54 »
Gelirion schloss bei einem freudigen nicken seine Augen. Die Weisheiten Cerivas kommen eindeutig mit dem Alter. Hoffentlich beschien ihm seine Göttin mitähnlicher Weisheit, auf dass er ihre Aufgabe weiter verfolgen konnte. „So und nur so sei es.“ Wieder mit offenen Augen ging der schmächtige Paladin noch näher auf Semerok zu. Er legte seine Hand auf die Schulter des Bauernsohnes und blickte diesen mit seinen lindgrünen Augen fest in dessen Augen. „Ich werde dir meinen Weg solange du es willst zeigen. Der Rest liegt in deinen Händen.“

Nach diesen Worten löste sich Gelirion von Semerok. Er wollte gleich damit anfangen dem Suchenden etwas beizubringen. „Jeder von uns hat eigene Fähigkeiten. Eigene Stärken und Schwächen. Sie mich an.“ Er breitete die Arme aus und präsentierte sich Semerok. „Ich bin nichtsonderlich mit starken Muskeln gesegnet, oft schlug ich mir mit dem Hammer beim Schieden auf die eigene Hand und mein Kopf kann keine uralten Rätzel lösen.“ Wenn man gerade diese Worte hörte und Gelirion anblickte, in seinen feiner gewebten Unterkleidern, mit den normal dicken Gliedern und den narbenlosen Gesicht, sah er aus wie ein Prinzchen das gerne ein Krieger sein mochte. Jeder kennt wohl diese Adligen, die dann gegen Bedienstete oder viel zu schwache Gegner antraten um die größten Krieger und Helden zu sein. „Und doch…“ rasch bewegte er seinen rechten Arm in einem Halbkreis nach vorne. Fast so als würde er eine Klinge in der Hand halten. Hierbei machte er einen ganzen Schritt auf Semerok zu und sein blick war tot ernst. „… kann ich eine Klinge führen wie jeder ausgebildete Soldat …“ Im nächsten Schritt ließ er seinen Oberkörper nach unten Sinken, ging sogar leicht zurück und spannte sein hinteres Bein an. Im nächsten Augenblick machte er einen großen Satz auf Semerok zu. Er hatte nun wieder die ganze Distanz, die er zwischen ihnen gelassen hatte, eingeholt und war damit zu dicht für einen Schwertstreich. Doch er hatte noch seine zweite Hand, die welche er beim Schwertstreich zurückgezogen hatte. Diese ließ er nun zuschlagen. Stoppte aber natürlich vor Semeroks Brust ab. „… und kenne genug Tricks und Techniken wie ein spitzohriger Fuchs. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht, als er seine Körperspannung auflöste. „Die erste Lektion ist, habe Selbstvertrauen. Egal ob jemand sagt du bist zu schwach, zu dumm, zu ungeschickt für etwas. Versuche es mindestens ein einziges Mal.“ Gelirion hob belehrend seinen rechten Zeigefinger. „Zeige, dass du es kannst oder erkenne das Problem. Denn einen Felsen für den du zu schwach bist, um ihn zu bewegen. Den kannst du vielleicht mit Schläue, genug Geschick oder auch der Hilfe von anderen Bewegen. Am Ende zählt nämlich nicht, dass du gezeigt hast wie stark, geschickt oder klug du bist, sondern dass du gezeigt hast ein Problem lösen zu können. Das gilt im Kampf genauso wie in Wortgefechten oder sonst wo. “ Gelirion berührte sanft mit der Faust Semeroks Brust. „Das ganze erfordert Erfahrung und viel Übung. Wie alles andere auch. Wollen wir mit der Kampfkraft anfangen? Ja?“ wieder zog sich Gelirion etwas zurück, doch nicht so weit wie gerade eben. Die beiden trennte gerade mal ein Schritt. „Raufen, eine Schlägerei kann jeder, doch darin die Oberhand zu behalten? Komm versuch mich zu Boden zu bringen. Ich tu das Gleich.“ In einer Kampfübung hatte Gelirion jetzt vor Semerok ein Paar Grundlagen des Kampfes beizubringen, beispielsweise die, dass man einem Krieger ansah in welche Richtung er schlug.
« Letzte Änderung: 10.09.2015, 11:36:35 von Gelirion »

Schnüffler

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Geisterstadt
« Antwort #695 am: 10.09.2015, 13:44:24 »
"Ich hoffe, dass Du nicht recht behälst.", sagte Schnüffler trübsinnig. "Ich werde mir jetzt den Schmutz abwaschen. Dabei musst Du mir nicht zusehen. Vielleicht gehst Du und suchst den kleinen Omrah? Vielleicht will er ja Dein Freund werden?", schlug Schnüffler vor. "Na geh schon. Wir sehen uns dann zum Abendessen wieder, okay?"
"Die Grausamkeit der meisten Menschen ist Phantasielosigkeit, und ihre Brutalität Ignoranz."
Kurt Tucholsky

Senses: Perception +6 (+8 um Wertgegenstände zu finden), Darkvision 60 ft., Scent, Coincunning (sucht immer aktiv nach Wertgegenständen im Umkreis von 10 ft.)

Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #696 am: 14.09.2015, 00:44:53 »
Arjen zögerte eine ganze Weile. Schließlich aber sprach er - zögerlich. "Diana. Und Lukas." Er atmete tief ein und wieder aus. "Sie wurden ermordet. Ich... ich kam zu spät."

Er sah zu Boden. "Ich... ich kann nicht."

Damit wandte er sich ab und ging, nicht darauf achtend, wie er Will zurückließ.
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Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #697 am: 14.09.2015, 00:47:22 »
Ryffa sah Omrah mit gierigem Blick an, und ging mit ausgestreckten Armen auf ihn zu. Sie öffnete hungrig den Mund, und stieß ein kratziges Röcheln aus.

Während Omrah vor ihr zurückstolperte, hörte er aus dem Inneren des Gebäudes das laute Lachen einer Frau - eine ihm unbekannte Stimme, soweit er es sagen konnte. Als er instinktiv kurz in Richtung des Fensters im ersten Stock blickte, bemerkte er, wie auch Schnüffler und Gelirion - oder was von ihnen übrig war - in seine Richtung losschlurften.
« Letzte Änderung: 14.09.2015, 06:08:36 von Sternenblut »
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Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #698 am: 14.09.2015, 06:13:07 »
Semerok hörte Gelirion genau zu, beobachtete ihn. Als der Paladin ihn zu Kampfübungen einlud, nickte der junge Mann. "Es wäre gut, wenn ich besser kämpfen könnte. Aber am besten wäre, wenn du mir erstmal beibringst, wie ich mich gegen die Untoten verteidige und sie abwehre. Das dürfte im Moment deutlich wahrscheinlicher sein, als dass ich in eine gewöhnliche Rauferei gerate."
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William Marlowe

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Geisterstadt
« Antwort #699 am: 15.09.2015, 17:23:51 »
Ja, dachte Will, das hast du mir doch schon alles erzählt und noch viel mehr, weißt du's nicht mehr? Dass du dich jeden Tag selbst dafür verfluchst, den Mörder deiner Familie nicht vor der Tat zur Strecke gebracht zu haben, und dafür, an jenem Tag nicht zu hause gewesen zu sein, herrje, sogar dafür, deine Frau nicht im Schwertkampf unterrichtet zu haben! Von einem lüsternen Bastard sprachst du! Dazu noch von den ungezählten Feinden, die du während deiner Zeit beim Heer erschlagen hast, und von einem nebligen Novembermorgen war die Rede...

Doch das alles schien Arjen vergessen zu haben. Nun, es passierte Will auch öfters mal, dass er vergaß, wem er was erzählt oder ob er es überhaupt jemandem erzählt und nicht statt dessen bloß in Gedanken mit sich selbst diskutiert oder auf dem Pergament seinen Figuren in den Mund gelegt hatte, und so wurde ihm gelegentlich vorgeworfen, Dinge bereits zum zweiten oder gar dritten Mal zu erzählen. Arjen hatte er da allerdings für etwas, nun, klarer im Kopf gehalten als sich selbst, doch andererseits kämpften sie ja alle momentan damit, eine unbegreifliche Situation zu begreifen, da war ein solcher Aussetzer wohl verständlich.

Was Will dagegen nicht verstand war der plötzliche Haltungswechsel des Kameraden. Eben noch gab er sich voller Tatendrang—ganz Don Pedro!—jetzt lief er plötzlich traumwandelnd durch die Gegend, war im Kopf meilenweit entfernt, als hätte er mit allem Irdischen abgeschlossen. Als sei das hier—Bens Pamphlet zu überreichen—eine letzte Aufgabe, die er noch zu erledigen hatte, bevor er Frau und Sohn nachfolgte...

Neben ihm hereilend, warf Will immer wieder einen Blick zu dem Mann, den er seit nicht einmal zwanzig Stunden kannte—aber was waren das für lange Stunden gewesen!—und begriff die Welt nicht mehr. Hatte dieser nicht mehrmals versichert, Will tatkräftig zur Seite stehen zu wollen auf der Suche nach Lissie und den Kindern? Hatten sie nicht gerade erst hoffnungsfrohe Neuigkeiten erhalten? Wäre sein erfahrener Schwertarm nicht eine willkommene, eine dringend notwendige Hilfe für die Überlebenden in Reststadt? Und jetzt schau ihn dir an! Gerade noch lange genug zusammengerissen hatte er sich, bis man unter vier Augen war, um sich nun ganz seiner Verzweiflung, seinem privaten Leid und den Schuldgefühlen hinzugeben. Aufgeben wollte er! Hatte er! Don Pedro!

Also doch kein Gedächtnisaussetzer. 'Ich kann nicht' hieß nicht, dass er über Frau und Sohn nicht sprechen, sondern dass er ohne sie nicht leben konnte. 'Ich kann nicht', das hieß: 'Tut mir leid, Will, ich kann dir doch nicht dabei helfen, die deinen zu suchen.' Den Mörder seiner Familie hatte er gerichtet—weiter waren seine Pläne niemals gegangen, weiter war ihm alles bloß Qual.

Ist es das, was er mit mir besprechen wollte, und hat die Sache mit dem Zettel da bloß vorgeschoben? Will er mich etwa um Beihilfe bitten? Damit er auch ganz sicher nicht aufsteht, wenn er... was, springt? Oder doch lieber sich mannhaft in sein Schwert stürzt?

Will, statt nach tröstlichen Worten zu suchen, wurde plötzlich wütend.

Dass Arjen sich die Schuld am Tod seiner Familie gab, weil er als ihr Beschützer versagt hatte, mochte ja noch angehen, aber sich deshalb schuldig dafür fühlen, dass man noch lebte? Aufgeben? Den Tod herbeisehnen? So klang das gerade und so hatte es vorhin geklungen, als er, über Jeanas Leiche stehend, voller Zorn die Götter anschrie: "Ist es das, was ihr von mir wollt? Wie viel denn noch?"

Letzte Worte. Danach klang es. Der fünfte Akt war geschafft, der letzte Vers den Göttern trotzig entgegengebrüllt: wo blieb der Vorhang!

Genau wie der Halbork. Auch der schien nur noch auf den Vorhang zu warten und den Applaus, der sie alle entließ. Die Vorstellung war vorbei, deshalb sprach er schon von allem in der Vergangenheitsform, auch den Lebenden. 'Du warst Poet?' hatte er Will gefragt—als sei Will schon tot. Und die irre Aktion mit der Leiche[1]... ja, da wollte einer noch schnell etwas gutmachen, bevor das jenseitige Gericht über ihm zusammentrat.

Sollte es doch! Will fühlte sich nicht schuldig. Nicht dafür, dass er lebte, und auch sonst für kaum etwas. Er war ein Mensch, so wie Menschen nun einmal waren. Was sollte dieses ganze Gerede von Schuld? Klar mochte man sich fragen, wieso ausgerechnet drei Kerle wie Arjen, Schnüffler und er selbst überlebt hatten, wenn doch so viele fromme, tugendhafte, jedenfalls unschuldigere Leute einen schrecklichen Tod gefunden hatten, Kinder gar! Und seine Lissie wohl auch. Aber wenn selbst die Götter die Schuld dafür von sich wiesen, warum sollte dann ein Sterblicher sie auf sich nehmen? Wie absurd bei einer Katastrophe diesen Ausmaßes überhaupt eine menschliche Schuld auch nur in Betracht zu ziehen! Im Ernst, so etwas hier, das kann ihnen doch nur eine Gottheit eingebrockt haben!

Wenn aber tatsächlich eine rachsüchtige vergessene alte Gottheit dahinter steckte, dann konnten die anderen Götter nicht richtig aufgepasst haben. Hatten wohl die Gefahr unterschätzt, waren vielleicht gar das Ziel der Rache gewesen und gar nicht die Sterblichen, so wie befehdete Adelshäuer einander lieber Vasallen und Diener umbrachten, als direkt gegeneinander vorzugehen. Und diese armen gequälten Geschöpfe fragten sich dabei auch noch, ob sie an ihrem Unglück selbst schuld seien, ob sie ihr Schicksal verdient hätten, weil sie als Diener nicht brav, treu und fleißig genug gewesen waren! Damit sollte man sich das hier verdienen können!

"Ha, versucht es bloß!" rief er herausfordernd zum Himmel hoch. "Versucht es bloß, uns die Schuld an dem ganzen Scheiß hier in die Schuhe zu schieben, wenn jeder Blinde sieht, dass ihr es wart, die Mist gebaut haben!"

Dann packte er Arjen an der Schulter und riss ihn herum, damit dieser endlich stehen bliebe.

"Und du! Du stehst da und rufst aus: ich kann nicht! Du stellst dich hin und verfluchst das Schicksal, das dich am Leben ließ, während Lukas und Diana sterben mussten. Ist es das, was du mit mir sagen wolltest: dass du es nicht erträgst ohne sie, nicht einen Tag länger? Was willst du von mir, dass ich dabei helf'? Den Teufel werd' ich! Was guckst du so überrascht, hast du Verständnis erwartet? Was, nachdem du zuvor den Mund derart voll genommen und alles mögliche versprochen hast? Diana und Lukas werden auch noch länger auf dich warten, du wirst hier gebraucht! Wenn wir überhaupt eine Chance haben wollen, brauchen wir jeden, der ein Schwert heben kann, und dich zehnmal mehr, mit deiner Erfahrung. Da sag du mir noch einmal: ich kann nicht!"
 1. @ Schnüffler - Sorry, wenn ich das noch einmal so ausdrücke, ich will hier nur die Gedanken auf Schuld, Sühne und Jenseitsgericht bringen.
« Letzte Änderung: 16.09.2015, 13:57:39 von William Marlowe »
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Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #700 am: 15.09.2015, 21:21:58 »
Arjen sah Will mit einem Ausdruck der Verzweiflung an. "Will, ich... ich hatte sie nicht verdient." Er schüttelte den Kopf, wollte sich abwenden, blieb dann aber doch stehen.

"Du wurdest für deine Taten in die Steingruben geworfen, dabei warst du nur unvernünftig. Was ich getan habe... ich habe sie nicht verdient, und deshalb wurden sie mir wieder weg genommen." Er sah zu Will, Tränen in den Augen.

"Ich habe es nicht gewusst. Es waren nur einfache Bauern, ganz normale Leute, die einfach nur ihr Leben leben wollten. Aber es war ein Befehl..."
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William Marlowe

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Geisterstadt
« Antwort #701 am: 16.09.2015, 00:04:09 »
"Ach herrje, Arjen", sagte Will ebenfalls verzweifelt, "wer hat schon verdient, was ihm widerfährt?" Die Sache war ja noch verfahrener, als er hätte ahnen können. Nicht nur feindliche Soldaten, auch ganz Unschuldige, Wehrlose, hatte der Kamerad erschlagen und keine bessere Entschuldigung dafür, keinen Trost für das eigene Gewissen—für Will bräuchte er keine!—als dass es auf Befehl geschah.

Einen Augenblick lang fühlte Will sich versucht, Arjen die einfache, naheliegende, aber gänzlich unehrliche Antwort zu geben, die, mit der sich vielleicht am leichtesten erreichen ließ, was Will erreichen wollte: dass Arjen wieder Mut und Kampfeswillen fasste, um Reststadt zu verteidigen—als Sühne eben, um die Schuld zu büßen. Doch leider glaubte er selbst nun mal nicht an diesen ganzen Quatsch.

"Ach Arjen!" wiederholte er. "Du sagtest vorhin, du seist nicht der richtige, mir die Beichte abzunehmen, aber ich taug' als Beichtvater noch viel weniger! Nicht umsonst heißt der Erzbösewicht in jedem zweiten Stück von Elf mal F William. Ich bin halt schon ein ganz ein gottloser Gesell, ich glaub das alles nicht! Diesen ganzen Sermon vonwegen Schuld, Buße, Rechenschaft, und Schicksal und himmlisches Gericht! Das heißt, ich bezweifle nicht, dass die Götter ihre Pläne und Absichten haben und auch hin und wieder, wenn ihnen danach lustig ist, einmal direkt eingreifen—ha, wie könnte ich daran zweifeln, am eigenen Leib habe ich es erlebt, dass ein Gott mir beistand!—aber dass deine liebe Frau und dein gänzlich unschuldiger Sohn hätten sterben müssen, nur um dich zu strafen! Das glaub' ich nicht. Das klingt mir zu sehr nach dem, was unsere irdische Gerichtsbarkeit unter "Recht" oder gar "Gerechtigkeit" versteht—das kann nicht die Gerechtigkeit der Götter sein. So klein und durchschaubar kann ihr Denken nicht sein. Ich glaube überhaupt nicht, dass man als Sterblicher auch nur den geringsten aller Pläne der Götter durchschauen kann. Und dennoch, wieviel Zeit vergeuden wir damit, es zu versuchen! Wohl weil der Gedanke, es könne alles nur ein Zufall sein, was uns zustößt, einfach zu schrecklich ist. Da nehmen wir die Schuld lieber auf uns, sehen dies oder jenes gern als unsere gerechte Strafe an, denn dadurch glauben wir, ein gewisses Maß an Kontrolle über unser Schicksal zu erlangen: man muss nur fromm sein, dann lohnen die Götter es einem! Man muss nur für seine Untaten büßen, dann wird einem vergeben, dann wird man erlöst. Dabei sind es nicht die Götter, die dir vergeben müssen, Arjen, sondern du dir selbst. Für das, was an jenem nebligen Novembermorgen passierte und dafür, dass du zur falschen Zeit nicht zuhause warst. Das kann dir keiner abnehmen, Arjen. Das kannst nur du."

So, das ist jetzt zwar alles aufrichtig gewesen, aber so tröstlich wie ein Schlag ins Gesicht. Gut gemacht, Will!

Und als ob das alles noch nicht langte, kam ihm ein weiterer, gar herrlich blasphemischer Gedanke. Also er fand ihn ja tröstlich...

"Ich hatte mir ja auch schon gedacht: ohne die drei Jahre im Straflager, die mich abgehärtet haben, hätte ich das hier gar nicht bis jetzt überlebt, es hatte also doch irgendwie sein Gutes, war am Ende gar Vorhersehung! Aber weißt du, ich glaube nicht, dass die Götter das hier vorhergesehen haben. Ich glaube, es traf sie ganz und gar unvorbereitet. Insofern dürfte es völlig egal sein, was vorher ihre Pläne, Meinungen und Urteilssprüche uns betreffend waren: das Deck wurde komplett neu gemischt. Jetzt zählt nur, wer helfen kann, den Karren wieder aus dem Dreck zu ziehen. Und die guten Götter können jeden Mann mit wackerem Schwertarm, der sich für die Wehrlosen einsetzt, auf ihrer Seite gebrauchen und werden sich einen Drist darum scheren, was dieser vorher war oder getan hat."

Er legte Arjen einen Arm auf die Schulter und drehte ihn mit sich herum, dass sie gemeinsam durch das nahe Fenster über die Stadt blicken konnten.

"Es wird sich wieder erheben", sagte er leise. "Aus dem Schutt und der Asche wird Aradan sich, werden wir uns wieder erheben wie der sagenhafte Vogel, von dem die Barden Eschmerats in ihren Balladen erzählen: einem Phönix gleich! Da kann diese rachsüchtige alte Gottheit, die das hier über uns gebracht hat, sich noch so in den Hintern beißen: gegen den vereinten Überlebenswillen der Sterblichen richtet auch sie nichts aus.

Aber das kann ich doch nicht alleine, Arjen, das musst du doch einsehen. Ohne deine Hilfe geht das nicht. Du und ich, Seite an Seite! Klingt zu pathetisch? Warte, bis du's in Versform hörst! Es gibt Dinge, die sind einfach größer als man selbst. Größer als das eigene Leid. Du und ich, Arjen. Gemeinsam. Wir werden kämpfen bis zum Schluss, ob wir den Sieg noch erleben dürfen oder auf dem Weg dorthin fallen. Was sagst du?"

« Letzte Änderung: 16.09.2015, 12:15:06 von William Marlowe »
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Gelirion

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Geisterstadt
« Antwort #702 am: 17.09.2015, 10:45:33 »
Gelirion blickte Semerok lächelnd an. Dann richtete er sich auf. „Oh, auf dem ersten Blick hast du recht. Sowas hat wenig mit Untoten zutun. Doch ist es gut in einem Kampf, egal welchen den Überblick zu behalten. Ein Kampf, auch gegen Untote, ist nicht nur dumpf auf etwas einschlagen.“ Mit einer Hand deutete Gelirion auf sein nahe am Grab liegendes Schwert. „Was nützt es unmengen von Untoten zu töten und am Ende von ihnen eingekesselt zu sein. Sie haben uns gegenüber deutliche Vorteile.“ Seine Stimme wurde ernster beim Sprechen. „Angst und Schmerz sind ihnen unbekannt. Egal wie sehr wir sie verletzen, wie schrecklich ihre Wunden sind, am Ende nutzen sie alles was sie haben um uns zwischen ihre Zähne zu bekommen. Untote sind mit die schrecklichsten Gegner die es gibt.“ Sein blcik wanderte zu Boden. Was plapperte er da nur. Semerok wusste das doch selber. „Was können wir aber gegen sie tun. Erstens wohl, nicht an uns herankommen zu lassen. Ihr Griff ist stärker als der unsere. Zweitens ihre Schädel zertrümmern, denn erst dann sind sie endgültig tot. Zertrümmern ist auch das Stichwort. Ich würde sagen, am besten wären hier stumpfe Waffen. Hämmer, Streitkolben oder auch Knüppel. Diese Waffen verursachen keine offensichtlich großen Wunden wie Schwerter oder Äxte. Aber das stimmt nicht. Sie zertrümmern Knochen und schlagen des Fleisch zu Brei. Genau das brauchen wir hier. Ein Hammerschlag auf den Schädel ist einfacher zu setzen als ein Schwertstreich. Auch kann man ihnen vorher schon ihre Knochen zertrümmern, so dass sie sich nicht mehr bewegen können. Aber auch hier kommt es auf eines darauf an. Auf den rechten Moment. Wann kann ich unter dem Arm durchtauchen, um die Kniescheibe zu zertrümmern? Wann wird mein Schlag zum Kopf durchkommen? Ein Kampf, auch gegen Untote, ist wie ein Tanz. Es kommt nicht nur auf Kraft oder Geschick an, sondern auch darauf wer den Tanz führt. Wer seinen Gegner zu Schlägen animiert, so Lücken schafft und am Ende, als vermeintlich schwächerer, einen tötlichen Schlag, Stich oder Streich setzt.“ Mit der rechten Hand zeigte Gelirion auf seine Schulter „Generell, in jedem Kampf, wären die Gelenke Schwachpunkte um jemanden Bewegungsunfähig zu machen. Um jemanden direkt zu töten, wie Untote, muss jedoch der Kopf zerstört werden.“ Gelirion hielt Semerok offen die rechte Hand hin. „Ja, ringen hilft nicht viel gegen Untote, es lehrt aber den Kampf. Das Erkennen der rechten Momente und das einschätzen des Gegners. Als Krieger ist der Kampf die Methode um dein gegenüber kennen zu lernen. Ich wollte jetzt nicht mit einem Waffengang anfangen, wir beide kennen unsere Kampfweisen noch nicht, aber wenn du willst, dass können wir auch machen. Wir können diese gezielten Schläge üben. Dafür können wir mit deiner momentanen Waffe anfangen. Wenn du dies willst, brauchen wir sie aber.“
« Letzte Änderung: 17.09.2015, 10:46:02 von Gelirion »

Omrah

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« Antwort #703 am: 19.09.2015, 00:48:40 »
Der Dolch in Omrahs Händen zitterte und drohte seinem Griff wieder zu entgleiten. Wie gebannt sah er auf das, was von Ryffa übrig geblieben war. Selbst das Lachen der Frau im Sanatorium und seine beiden ehemaligen Freunde, die auf ihn zugeschlurft kamen, vermochten es nicht, ihn aus dieser Starre zu lösen. Der Junge wich vor seiner ehemaligen Freundin zurück aber war kurz davor, wieder einen Schritt auf sie zuzugehen.

Er hatte ihr doch ein Versprechen gegeben.

Omrah konnte und wollte die Worte, die er zu ihr gesagt hatte nicht rückgängig machen. Er hatte es vollkommen ernst gemeint. Wenn er schon nicht hatte verhindern können, dass Ryffa zu einer Untoten wurde, dann war er es ihr doch zumindest schuldig sie zu erlösen. Er musste ihre Seele befreien, sie von diesem hungrigen Körper lösen.
Er hob den Dolch und wartete darauf, dass Ryffa näher kam. Erst ein Schritt. Dann noch einer. Schließlich senkte er die Waffe wieder. Er konnte es einfach nicht tun. Sie war zwar nicht mehr das Mädchen, dass er kennen und lieben gelernt hatte aber trotzdem konnte Omrah sie nicht umbringen. Er wusste, dass er es ihr schuldig war aber irgendwie erinnerte sie dieses schlurfende Etwas immer noch an Ryffa.
Es waren doch gerade einmal wenige Minuten vergangen, als er sie in den Armen gehalten hatte. Wie ungerecht konnte diese Welt nur sein, dass man sie ihm entriss, kurz nachdem er zu ihr zurückgekehrt war? Wer war dafür verantwortlich?

Die lachende Frau. Was auch immer passiert war und noch passieren würde, Omrah war sich sicher, dass er bei ihr Antworten bekam. Und Rache. Zum ersten Mal verspürte der Junge tiefen, brennenden Hass auf das Wesen, dass für das alles hier verantwortlich war. Er hatte nur einen Dolch und einen magischen Ring aber er würde alles dafür geben, diese Frau zu erreichen. Irgendwie hatte er das Gefühl, dass sie vielleicht diesen Brief geschrieben hatte und das sie die Person war, die der stumme Halbelf auf dem Turm erblickt hatte.
Ein letztes Mal sah Omrah die Untote vor sich an, drehte sich um und lief auf den Eingang des Sanatoriums zu. Bevor er Gelirion und Schnüffler - oder das was von ihnen geblieben war - erreichte, aktivierte er seinen magischen Ring. Sein Ziel war der Ort, an dem er den Ursprung des Lachens vermutete.

Sternenblut

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Geisterstadt
« Antwort #704 am: 19.09.2015, 09:25:43 »
Arjen musste sich sichtlich zusammenreißen, um seine Emotionen in den Griff zu bekommen. Sein Hand zitterte noch, doch schließlich streckte er Will selbige hin. "Ich will ehrlich sein, mein Freund - es ist nicht, wonach ich mich sehne. Aber es ist, was Diana gewollt hätte." Er atmete tief ein, und wieder aus. "Bis zum Schluss, Will."
« Letzte Änderung: 19.09.2015, 09:26:04 von Sternenblut »
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