Als Maru auf seine freche Frage antwortet, lacht Basilio zunächst entzückt auf. Wie gekonnt sie die Spitze umbiegt, dass diese auf ihn zurück zeigt, und wie gnadenlos sie damit zusticht. Ha, der saß! Mit welcher Akkuratheit gezielt und getroffen. Allerdings scheint sie es gar nicht so gemeint zu haben. Als Spitze. Wie ernst sie ihn anschaut! Es hat ein Rat sein sollen. Ein gut gemeinter. Herrje, diese wunderschöne Frau gibt ihm einen gutgemeinten Rat. Sein übertriebenes Gehabe? Es stört sie. Nun gut, das hat er bezweckt, nur wünscht er sich jetzt ihr Lächeln zurück. Das eigene entgleitet ihm, je länger er über die Antwort nachdenkt, bis sein Blick so ernst ist wie ihrer.
Ist das der Grund, warum ich mit Frauen so gar kein Glück habe? Abgesehen davon, dass ich mich immer in die falsche vergucke... aber mit den anderen komme ich ja noch nicht einmal ins Gespräch oder trau' mich auch nur auf zehn Schritt heran, weil mich vorher schon ein Blick oder ein Kichern die Flucht ergreifen lässt.'Sei einfach nur du', riet Amell ihm bei solchem Anlass gern, 'lass doch mal das ganze Gehabe sein. Dann werden sich die netten, ehrlichen Mädchen zu Scharen auf dich stürzen, so schnell kannst du gar nicht davonlaufen!' Und nun sagt Maru das gleiche und setzt noch einen drauf: nicht seine geringe Größe mache ihn zu einem kleinen Mann, sondern das Selbstvertrauen, das ihm fehle, weil er sich seine mangelnde Körpergröße so zu Herzen nimmt. Und das Selbstvertrauen, das fehlt ihm nicht nur im Umgang mit den Damen.
"Oh weh, Maru. Der Schuh passt!" murmelt er. "Der Schuh passt ja, aber eine Ohrfeige wär' mir lieber gewesen."
Und jetzt, Basilio, konzentrierst du dich wieder auf deinen Auftrag, ja? schimpft er sich selbst. Herrje, von allen Komplikationen, mit denen er hätte rechnen können, Frauenprobleme! Da wäre er im Leben nicht draufgekommen. Auch die abschließenden Ermahnungen Kolyaks, als dieser ihn auf den Weg schickte, erwähnten dies mit keinem Ton.
Nachdem Maru ihm solchermaßen den Wind aus den Segeln genommen hat, lässt er sich stumm und willig von ihr zum Lagerfeuer ziehen, wo er sich neben sie setzt—ungeachtet seines Vorsatzes, doch besser auf Abstand zu gehen. Ein Gegenargument ist rasch zur Hand: so mitten unter einem Haufen kriegsbereiter Kargi zu sitzen, das schult die Nerven, härtet ab, und wer weiß, wozu ihm diese kalte Nervenruhe bald schon nützen wird!
Gemeinsam lauschen sie Barkas' Bericht. Es folgt Magos Rüge. Ruhig gesprochen, besonnen, aber ha, Basilio weiß, wie er sich dabei fühlen tät, wär' sie an ihn gerichtet! Nachdem sich Sanjan geäußert hat und, zur allseitigen Überraschung, sogar der bis jetzt wortkarge Elf, ergreift Basilio das Wort. Er spricht jetzt ruhig, leise, so dass nur der Kreis um das Feuer ihn hören kann, und das auch nur, wenn sie fein still sind.
"Der Feind ist schlau. Verdammt schlau. Das fällt einem immer schwer zuzugeben, ist aber besser, als den für dumm zu halten, der auf die Finte hereinfiel. Die ganze Sache war zeitlich perfekt geplant und koordiniert, und ich wette, es war auch kein Zufall, dass Barkas die Patrouille anführte. Der jüngere Bruder, der etwas zu beweisen hat! Da kannte sich jemand aus, da hat euch jemand sehr genau beobachtet. Ein lang angelegter Plan, mit Geduld, Geschick und fast bewundernswerter Keckheit ausgeführt. Wenn man denn jemand ist, dem Keckheit imponiert", schränkt Basilio ein und räuspert sich.
Er ist sich bewusst, dass er nun so gar nicht mehr wie ein Händler klingt. Diese Persona hat leider die Grenze ihrer Nützlichkeit erreicht, sie war ja auch nur für einen kurzen Aufenthalt in Robuselido gedacht. Zwar ringt Basilio noch mit dem Entschluss, doch welche Wahl bleibt ihm? Normalerweise gilt der Grundsatz: niemals zurückrudern, niemals etwas zurücknehmen. Immer frech vorwärts preschen, ergänzen, ausschmücken, wo nötig 'Missverständnisse aufklären', aber auf gar keinen Fall jemals eine Lüge zugeben. Aber das wird ihm niemand abkaufen: dass ein Händler sich freiwillig meldet, eine gefährliche Bande—ob Räuber, Söldner oder fremdländisches Militär—auszuspionieren! Zumal Sanjan und auch die anderen ihm klar zu verstehen gegeben haben, dass sie ihm nicht trauen. Und doch, er muss wissen, was da los ist! Bis jetzt wäre es ihm ja doch eher etwas schwer gefallen, Hauptmann Kolyak den Abstecher zu den Kargi zu erklären. Leicht hätte dieser ihm vorwerfen können, sein Auftrag habe anders gelautet: im Fall eines Problemes sofort heimzukehren und Bericht zu erstatten, damit gegebenenfalls jemand Erfahreneres losgeschickt werden könne, aber jetzt war ganz klar: er muss es tun, nur er ist vor Ort und die Zeit läuft davon. Und so, wie die Lage sich darbot, würde er sich mit Rückendeckung von Kameraden doch ein wenig wohler fühlen. In dem Fall aber ist es besser, er verkündet es selbst, dass er kein Händler ist, anstatt auf die entsprechenden Verdächtigungen zu warten, die mit Sicherheit kommen würden. Das gibt wenigstens einen Punkt für Ehrlichkeit, ja?
Und so fährt Basilio, nach kurzem Zögern, fort:
"Ich bin mir unschlüssig, was als erstes getan werden muss: nach Dorwida, euren Mann dort rausholen mit dem Wissen, das wir jetzt besitzen, egal, dass es auf der Beweisfront mau ausschaut, oder zuerst die Bande ausspähen. In Dorwida gäbe es ja auch einen Ansatzpunkt. Was Hauptfrau[1] Ejdarn und Sidal Darren gesagt haben, kann ja beides nicht stimmen. Doch wer hat gelogen, wer wurde getäuscht?
Zur Erklärung an unsere Freunde von den Ukhtark: Hauptfrau Ejdarn—ebenjene, die Barkas soeben erwähnte—hat berichtet, so wurde mir abends bei meiner Ankunft im Wirtshaus erzählt, sie hätte die Kargi, welche den Hof der Darrens angegriffen hätten, verfolgt und sie dann, als man sie stellte, gewarnt und erst, nachdem diese sich nicht ergaben, angegriffen. Dann ist da noch Sindal Darrens Geschichte. Nun trau ich dem ohne weiteres zu, dass er sich für ein paar Münzen bereit erklärt hat, den Helden zu mimen, aber die Hauptfrau auch? Einer oder der andere, ja, aber beide? Nun gut, unmöglich ist es nicht, aber allgemein scheint mir doch wenig Verlass auf die Augen sämtlicher Augenzeugen. Als hätten sie allesamt irgendwelche seltsamen Pilze gegessen. Oder..."Er wendet sich an den Elf.
"Aisling sagte, Ihr kennt Euch mit Magie aus? Wenn die Bande aus Kalamar stammt oder von dort zumindest Unterstützung erfährt, nun, in Kalamar kennt man sich mit Magie wesentlich besser aus als bei uns. In den Geschichtsbüchern ist von Schlachten die Rede, bei denen ganze Truppenteile sich in Luft auflösten, sobald man sie anzugreifen versuchte. Könnte es sich hier um einen solchen Fall handeln, dass den Augen zumindet einiger der Zeugen etwas vorgegaukelt wird? Was bräuchte es dazu? Bevor Ihr meine Frage beantwortet, muss ich noch ein... Missverständnis aus dem Weg räumen."Er fasst ganz kurz, und möglichst unbemerkt von den anderen, nach Marus Hand und drückt sie, einerseits um sich Mut zu machen, andererseits als vorausschauende Bitte um Verzeihung, um ihre Fürsprache und Unterstützung zu erheischen. Dann erhebt er sich aus dem Schneidersitz in die Hocke, schluckt, und wendet sich vor allem an die Grünhäute, mit nur gelegentlichem Blick nach hinten zu Sanjan, Manik und Tarqetik.
"An dieser Stelle scheint mir ein Geständnis unumgänglich. Alles andere wäre eine Beleidigung eurer Intelligenz. Ein Händler, der sich freiwillig meldet, gut ausgerüstete und militärisch ausgebildete Banditen zu jagen? Hm, obwohl, es könnte einem Händler wohl mal einfallen, den Spieß umdrehen zu wollen, ha, wär' das ein Spaß! Doch die Wahrheit ist: ich bin selbst ein Söldner. Die Händlergilde von P'Bapar hat mich beauftragt herauszufinden, was mit ihren verschwundenen Karawanen geschehen ist.[2]
Bitte lasst mich noch erklären: als ich euren Mann Dihal im Wald fand, musste ich mich schnell entscheiden. Eigentlich hatte ich, ganz ohne Kontaktaufnahme, nur einen kurzen Blick auf Kezhdal werfen wollen, ob sich dort Spuren eines Raubzugs fänden, hatte aber schon so meine Zweifel. Die Geschichte, die man sich in Dorwida erzählte, schien mir gar allzu seltsam! Sicher sein konnte ich mir aber noch nicht, als ich Dihal fand, dass ihr nichts damit zu tun hattet. Da konnt ich ihm schlecht sagen: ich untersuche die Sache mit den verschwundenen Karawanen! Aber da liegen und verbluten lassen wollte ich ihn auch nicht. Das muss man mir immerhin zugute halten, dass ich meinen Plan komplett über den Haufen geworfen habe, um euren Mann zu retten für den Fall, dass ihr eben unschuldig wäret. Als dann immer klarer wurde, dass dem tatsächlich so war, wusste ich nicht, wie ich mich zu erkennen geben sollte. Und na ja, ein wenig Angst hatte ich schon um meine eigene Haut. Verzeiht bitte. Darüberhinaus ist mein Interesse an der Situation aber genau das, was ich Euch zu verstehen gegeben habe: wenn irgend möglich, den Frieden zwischen allen Beteiligten zu wahren. Und das wünsche ich mir im übrigen nicht nur im Interesse der Händler von P'Bapar." An dieser Stelle gilt ein scheuer Blick Maru, bevor Basilio sich direkt an Mago wendet und ihm dabei gerade in die Augen sieht:
"Wenn Ihr es mir also erlaubt, würde ich meine Bemühungen gern mit den Euren koordinieren, Euch also in dieser Sache mit meinen bescheidenen Fähigkeiten zur Seite stehen, gar Eurem Ratschluss folgen bezüglich dessen, was zuerst getan werden muss. Was sagt Ihr?"[3]