Es ist vollbracht - der neue Kurs steht fest. Varna verstaut das Pergament in einer Robentasche und verlässt die Brücke, denn es gibt nun wieder einiges zu tun. Zunächst will die Heretek die Abmachung mit der Stationsleitung einhalten und dieser die Baupläne für Reanimationskammern überreichen. Es bereitet ihr kein Unbehagen, Wissen zu teilen und Fortschritt zu mehren, ganz im Gegenteil, sie betrachtet es als 'Aussäen der Saat', welche eines Tages vielleicht zum Untergang der imperialen Schreckensherrschaft beitragen mag.
Noch immer gut gelaunt begibt sich die Fabrikweltlerin in ihr Labor auf dem Krankendeck. Wie gewohnt wird sie vom schweren Duft nach Balsamierflüssigkeit begrüßt - da ist aber noch etwas: der Geruch frisch gerinnenden Blutes. "Eugenius?," sieht sich die Maschinenseherin suchend nach ihrem Verlobten um. Irgendwo muss er doch die ganze Zeit gesteckt haben. Doch von dem erwachten Servitor fehlt jede Spur.
Ein ungutes Gefühl beschleicht Varna. Ihre Augen und die Linse an der Spitze ihres schlängelnden Mechadendriten glühen auf, während sie an Operationstischen, Kühlanlagen und anderen Gerätschaften entlangschreitet. Ihr Refugium kommt ihr seltsam still vor - auch wenn sie meist die einzige Quelle von Geräuschen auf dem Krankendeck ist, von leise surrender elektrischer Apparatur abgesehen.
Plötzlich bleibt die Techpriesterin stehen und starrt die Wand vor ihr an. Den ausgeblutete Kadaver, der wie hingeschmettert davor liegt, beachtet sie nicht. Der entsetzte Blick der Ketzerin gilt dem blutigen Schriftzug an der Wand: "Danke - nun vergiss mich"
Wäre Varnas Körper nicht von unzähligen Implantaten durchsetzt, die diverse physiologische Funktionen unterstützen, wäre sie glatt gestürzt. Trotzdem flackern weiße Punkte vor ihren Augen auf und ihr wird übel. Die Heretek kann kaum glauben, was sie da sieht. Es erscheint ihr unmöglich - eine Einbildung, ein grausamer Scherz, ein... Nein, sie kann die Realität nicht verleugnen, so sehr sie es auch versucht. Die Buchstaben aus langsam eintrocknendem Blut sind echt. Die Abschiedsworte sind echt.
"Das ist nicht dein Ernst!," brüllt die Abtrünnige gequält. Sie zittert am ganzen Leib, ihr Herz rast wie in Panik, und binnen einer Sekunde ist ihre Luminen-Spule vollständig mit Bioelektrizität aufgeladen. Blaue Blitze zucken über die bionischen Hand und Unterarm der Maschinenseherin, sie kann gerade so eine heftige Entladung zurückhalten. "Das tust du mir nicht wirklich an!"
Mit einem ohrenbetäubenden Krachen lenkt Varna die elektrische Ladung in eine nahestehende Kühlkammer. Die wuchtige, schrankartige Vorrichtung revanchiert sich mit einem ebenso kräftigen Donnern, als die Leitungen im Inneren überladen und etliche Bestandteile hochgehen. Rauchschwaden und Gestank nach versengtem Fleisch steigen aus der Maschine empor - die gelagerten Leichen sind wohl völlig gar.
Mit geballten Fäusten stürmt die Heretek aus dem Labor hinaus. Das Gefühlschaos in ihrem Geist manifestiert sich wieder in Form knisternder Blitze um ihre bionische Hand, die hin und wieder einen Verteilerkasten treffen und den Gang in der unmittelbaren Umgebung in Finsternis tauchen. Die Fabrikweltlerin scheut keine Mühe. Sie durchkämmt das Schiff, platzt sogar bei Tal'Ygramus, Oracia und XK Rho Pi-8 rein, ohne anzuklopfen. Aber es ist vergebens - Eugenius ist tatsächlich nirgends aufzufinden.
"Nach allem, was ich für dich getan habe! Nach den Jahren! Ich habe alles für dich gegeben, und du... Warum?!"
Wie ein wehklagender Geist streift Varna suchend durch die Korridore und Hallen der Wiege des Lebens, nimmt sogar den Auspex zur Hand, auch wenn sie die Anzeige vor aufsteigenden Tränen nur verschwommen sieht. Die Implantate der Frau protestieren gegen den unlogischen Wust an Emotionen und Chemikalien, die jene freisetzen, aber im Endeffekt machen sie es nur noch schlimmer. Beinahe schlitzt sie einen von Scarnas Wilden, den sie in einem abgelegenen Gang trifft, mit den Skalpellen ihrer Prothese auf. Den armen Primitivling rettet nur die Tatsache, dass er als einziger den 'Metallmann' vor kurzem noch gesehen hat.
"Gegangen in die Höhle der Sterne, wo Eisenadler stehen," verrät der eingeschüchterte Späher der Techpriesterin.
Damit stirbt der Funke Hoffnung, dass Eugenius doch noch irgendwo auf dem Zerstörer sein könnte. Wortlos lässt die Abtrünnige den Wilden von dannen ziehen und stapft in den nächsten Shuttlehangar. Ein Servitor auf der Station ist wie eine Nadel im Heuhaufen. Aber was bleibt ihr übrig? Vor Tränen kann die Heretek kaum die Steuerelemente im Cockpit des nächsten Arvus-Transporters auseinanderhalten, lediglich die Tatsache, dass sie einen künstlichen Sensor besitzt, macht es ihr möglich, die Maschine zu starten. Der kurze Flug durch die Leere zieht sich wie eine Ewigkeit.