Da weder Allegra noch die andere Gruppe sich so aufdringlich zeigten, sich in die jeweils anderen Angelegenheiten einzumischen, verging der Rest der Anprobe ohne Zwischenfälle. Die Garderobe für Katharina, Louis und Friedrich saß bereits bei der ersten Anprobe beinahe perfekt und es waren nur minimale Anpassungen seitens des Meisters fällig. Auch Valdas konnte schnell bedient werden, denn tatsächlich befand sich ein Anzug im Fundus Camp-Champs, der dem Samarter nicht nur passte, sondern auch hervorragend stand und für den anstehenden Empfang keineswegs unstandesgemäß sein würde.
Nachdem die vier das Geschäft verlassen hatten, widmete sich Camp-Champ den Rest des Abends über dem Kleid für Allegra, die es tatsächlich vorgezogen hatte, das Ergebnis abzuwarten (da sie ohnehin nichts anderes zu tun hatte). Der Vorteil davon war, dass sie immer wieder zur Stelle war, um dem Meister als Modell zu dienen, während er die Stoffe perfekt an ihre Figur anpasste. Das Ergebnis, das sich nach mehreren Stunden kreativer Explosivität einstellte, war, wie selbst Allegra selbst zugeben musste, famos. Selbst sie, die der Auftakelei zu gesellschaftlichen Ereignissen gewöhnlich nicht viel abgewinnen konnte, war beinahe sprachlos, als sie ihr Spiegelbild betrachtete.
Nun, Signora de la Castell würde zufrieden sein, daran hatte sie keine Zweifel.
Nach einem Schwall an Komplimenten seitens des Meisters und mindestens genau so vieler Aufforderungen,
Madame de Castell zu grüßen (und daran zu erinnern, welch großartigen Dienst er ihr wieder einmal geleistet hatte), trat Allegra schließlich aus dem Geschäft und machte sich auf den Weg zu ihrem neuen Zuhause (selbstverständlich begleitet vom Meister selbst, der sie nun, da die Dämmerung bereits angebrochen war, natürlich nicht alleine gehen ließ).
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Auf Seiten der Vierergruppe stand nach ihrer Rückkehr ins Gasthaus noch ein weiterer nächtlicher Termin an, denn wenn sie die Signale nicht missverstanden hatten, wollte sich in dieser Nacht womöglich Valerija mit ihnen treffen, die Assistentin Fahrenbachs. Es war zwar alles andere als klar, ob hier tatsächlich etwas mit unlauteren Dingen vorging, doch Louis ließ sich nicht davon abbringen, einer Dame, die womöglich in Not sein könnte, zu helfen.
Des Nachts bezogen sie also in der Nähe von Fahrenbachs Anwesen Stellung und hielten Ausschau nach irgendwelchen Anzeichen, die auf Valerija hindeuten konnten. Lange warteten sie dort, eine Stunde, zwei, und mehr und mehr stellte sich die Überzeugung ein, dass sie (und besonders Louis) zu viel in Valerijas Worte hineininterpretiert hatten.
Doch plötzlich, als sie beinahe schon aufgeben wollten und nur dank Louis' Zurede noch weiter ausharrten, landete plötzlich etwas nur wenige Meter von ihnen entfernt in den Büschen. Es war Katharina, die Louis noch zuvorkam und den Gegenstand aufhob, der sich als Stein entpuppte - jedoch umwickelt mit einer Nachricht!
Ich kann heute nicht sprechen. Trefft mich morgen des Nachts um drei Uhr auf dem alten Nachtblutfriedhof.
- Valerija
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Nicht viel passierte am nächsten Tag, als beide Parteien sich nervös auf den Empfang vorbereiteten, von dem sie nicht wirklich wussten, was sie dort erwarten würde. Friedrich, Louis, Valdas und Katharina hatten einiges an Schlaf nachzuholen und trafen erst spät zum Frühstück im Schankraum zusammen, doch es waren immer noch etliche Stunden, bis sie aufbrechen mussten. Allegra hingegen versuchte sich noch einmal zu vergegenwärtigen, wie die eisenländischen Sitten bei einem solchem Empfang aussahen. Von ihrer Herrin sah sie den gesamten Tag nichts.
So wurde es Abend und die Stunde des Empfangs schlug. Pünktlich (also deutlich vor dem Termin) erschienen die vier Gäste und wurden bereits von der beleibten Figur Achim zu Castells erwartet, der ebenfalls einen nervösen Eindruck machte. Achim war allein erschienen, was in Anbetracht dessen, was sie von seiner Mutter bisher gehört hatten, vermutlich die richtige Entscheidung war. Dennoch waren sie gespannt darauf, wie sie von ihr empfangen werden würden.
Der erste Schock erwartete sie, als sie den Salon betraten, in dem der Empfang offensichtlich stattfinden würde - denn es versprach, eine sehr private Veranstaltung zu werden. Zwar wurden von Dienern Häppchen und Getränke gereicht, doch der einzige andere Gast außer ihnen schien eine junge Frau zu sein - die Louis mehrfach mustern musste, bevor er erkannte, dass er sie am vorherigen Tag bei Mr. Camp-Champ bereits schon einmal gesehen hatte (kaum wiederzuerkennen in dem Meisterwerk, dass dieser ihr auf den Leib geschneidert hatte).
"Achim!" ertönte die schneidende Stimme der Hausherrin. Ohne eine Spur von Lächeln, weder im Gesicht noch in der Stimme, fuhr Gitta zu Castell fort:
"Ich sehe, du bist ohne deinen speziellen Freund gekommen, wie schön. Ich vermute, das heißt, du willst etwas von mir haben. Und ich nehme es, es hat etwas mit diesen Leuten zu tun, die du mich hast einladen lassen. Du hast es zumindest geschafft, dass ich neugierig bin. Also, was willst du und was wollen diese Leute von mir?"Überrascht, nein vor den Kopf gestoßen taumelte Louis einen Schritt zurück. Er hatte viel, oder eher wenig, vom eisenländischen Adel erwartet. Aber ein solches Fehlen jeglicher Diplomatie? Es würde ein schwieriger Abend werden, soviel stand für ihn fest.
Währenddessen bemühte sich ihr Fürsprecher, es zumindest nicht schlimmer zu machen:
"Mutter, mir ist bewusst, dass du mich und vor allem meinen Lebenswandel kaum ertragen kannst. Doch ich bitte dich, hör diesen Leuten zu. Hier geht es um etwas Größeres als um mich und Walter. Mach sie nicht für etwas verantwortlich, was mir zuzuschreiben ist."Leicht zuckte er zusammen, als er merkte, dass die Nennung des Namens
Walter ihm wohl keine Pluspunkte bringen würde. Doch dann sprach er seine vier Gäste an:
"Ich bitte euch, sprecht selbst für euch und eure Sache."