"Gute und wichtige Fragen." antwortete der Baron nachdenklich. "Und natürlich habe ich mir bereits einige Gedanken darüber gemacht. Politik ist ein langsames und strategisches Spiel, und eine unüberlegte Handlung kann vieles zerstören, selbst wenn man denkt, man sei unter Freunden. Wir werden also nicht einfach zu Niklas Träge gehen können, ihm von Wirsches Machenschaften berichten, und dann glauben, dass er uns helfen wird."
Er ritt nun etwas langsamer und blickte sich um, um sicherzugehen, dass niemand sie belauschte; doch der Wald lag hinter ihnen, und die Graslandschaft, durch die sie ritten, war weit und übersichtlich, so dass er weiterredete.
"So sehr ich mich selbst stärker einschalten würde, muss ich doch zu Beginn wohl Zurückhaltung wahren. Wirsche hat mit Sicherheit ihre Spione in Freiburg und wir sollten tunlichst vermeiden, meine Anwesenheit hinauszuposaunen. Selbst wenn Roswitha inzwischen womöglich nicht mehr annimmt, dass ich tot bin, ist es klüger, dass ich mich zunächst im Hintergrund halte.
In der Zwischenzeit müsst ihr versuchen, uns die wichtigen Persönlichkeiten geneigt zu stimmen. Weitaus die wichtigste von allen ist Wilma Probst. Sie ist das Oberhaupt von Träges Hof, seine rechte Hand, und die Person, die am meisten dafür tut, um die Ordnung in Freiburg aufrechtzuerhalten. Doch auch sie kann nicht ohne die Unterstützung der verschiedenen Machtgruppierungen regieren, die in der Stadt vertreten sind. Da sind zum einen die Kaufleute zu nennen, natürlich die wichtigen Adelshäuser, die Gelehrten der Universität, das Militär sowie die Verschiedenen Organisationen und Gesellschaften. Alle zusammen bilden die komplexe Gemengelage, die Freiburg ausmacht, wobei keine dieser Gruppen einen einheitlichen Block bildet.
Eure erste Aufgabe ist es, ein Gefühl dafür zu bekommen, wer die wichtigsten Akteure der verschiedenen Blöcke sind und sie auf unsere Seite zu bringen. Wenn wir genug Rückhalt bei diesen Gruppen haben, werden Wilma Probst und Niklas Träge uns unterstützen, da bin ich sicher. Doch das wird eine Weile dauern - wir müssen uns darauf einstellen, eine Weile in der Stadt zu bleiben. Doch lasst uns zunächst eine Unterkunft suchen und ein erstes Gespür für die Stadt entwickeln."
Es war allen noch etwas unklar, was genau sie in Freiburg erwarten würde. Sie würden wohl damit beginnen müssen, mit Menschen in der Stadt zu sprechen, um zu erfahren, mit wem sie eigentlich reden mussten, um etwas zu erreichen. Jeder machte sich auf seine eigene Art Gedanken über die Aufgabe, die vor ihnen lag, und so kam nach und nach Freiburgs Stadtmauer in Sichtweite, und sie erhielten, da sie sich von einer kleinen Anhöhe näherten, eine bessere Vorstellung der Stadt. Sie war tatsächlich kreisrund, und drei ungeheuer breite Straßen teilten die Stadt kerzengerade in sechs gleich große Bezirke, angeordnet wie Kuchenstücke. Im Zentrum von allem stand der riesige Wachturm, der nur durch syrnethische Magie vor dem Zusammenfall bewahrt wurde - ein komisches Gefühl, da niemand in Théah wirklich verstand, was es mit dieser Magie auf sich hatte.
Sechs große Straßen führten von außen durch große Eingangstore in die Stadt; auf einer von diesen befanden sich nun auch die Reisenden. Hier, in der Nähe Freiburgs, war auf dieser Straße jede Menge Verkehr, als zahlreiche Händler und andere Reisende die Stadt besuchten oder verließen.
Sie betraten Freiburg aus nordöstlicher Richtung, und Tristan klärte sie darüber auf, dass sie nun zwischen dem Hochquartier zu ihrer Rechten und dem Greifenviertel zu ihrer Linken hindurch ritten. Das Hochquartier, und das war auf den ersten Blick ersichtlich, beheimatete die reichen und einflussreichen Bewohner der Stadt. Die Anwesen waren prachtvoll und zahlreiche private Wachen waren zu sehen, die das Quartier vor unerwünschten Besuchern schützen sollten.
Das Greifenviertel zu ihrer Linken barst dagegen fast vor Leben. Hier ballten sich die Händler auf verschiedenen Märkten, und Herbergen und Tavernen aller Art boten den Reisenden Unterkunft. Dies war auch ihre erste Anlaufstelle, und mehr oder weniger zufällig wählte die Gruppe eine Herberge mit dem Namen "Zum Adlerhorst" aus, die ihnen auf den ersten Blick sympathisch erschien. Sie machte einen gutklassigen und ordentlichen Eindruck und sie würden dort unter anderen gutsituierten Bürgern oder niederen Adligen nicht besonders auffallen, weder in die eine noch die andere Richtung.
Nachdem sie sichergestellt hatten, dass die Pferde gut versorgt waren, und sie ihre Zimmer in Augenschein genommen hatten, trafen sie sich in einem separaten Gastraum, um sich ein wenig zu stärken und die nächsten Schritte zu besprechen.