TABOR und VALERIA
erkunden weiter den Hof. Eine Weile rechnet Valeria noch jederzeit damit, dass sich versteckte Angreifer auf sie werfen, doch nach und nach wird ihr klar, dass die Täter schon lange verschwunden sind. Den Spuren nach handelte es sich um ein gutes Dutzend Angreifer. Diese hatten eine Weile im Gasthof gewütet, sich dann an einer Stelle versammelt, dort auch die Pferde hingetrieben und dann ... sind sie verschwunden. Keinerlei Spuren führten weg von dem Platz, aber nach einer Weile entdeckt die Halbelfin hier und da Reste von Zauberkomponenten. Ein Portalzauber war hier gewirkt worden. Solche Zauber waren oft nicht sehr "zielsicher", wichen oft hunderte Meter vom Bestimmungsort ab und waren mehr für das Überwinden großer Strecken geeignet als für Punktlandungen. Das war wohl auch der Grund für die mehr traditionelle Anreise der Täter.
Unterdessen findet Tabor weitere Opfer, weiteren Grund der Trauer für Helene. Dort drüben, das war der junge Elf der sie zusammen mit Lizk auf dem Fest gerettet hatte. Tabor sah ihn noch vor sich, wie er - kein ernsthafter Gegener für die Dämonen aber jung und tapfer - sich allem entgegenstellte was seine junge Herrin bedrohte. Nun lag er dort, tot wie die anderen. Nein, nicht tot. Es dauerte ein paar Momente bis Tabor den Unterschied bemerkte. Waffen hatten ihn getötet und den Spuren nach nicht ohne Gegenwehr. Viel von dem Blut auf seinem Kettenhemd musste von den Angreifern stammen. Und er war nicht zerplatzt wie die anderen. Ruhig, fast zufrieden wirkte sein Gesichtsausdruck. Es hatte nicht gereicht an diesem Morgen, aber er hatte sein Bestes gegeben. Ein winziges Symbol war unter seinem linken Auge auf der Wange zu sehen. Tabor konnte sich nicht entsinnen es früher bemerkt zu haben, als er und Lizk die Wache vor dem Schajunetempel getroffen hatten. Ein Schild mit einer Fackel, eines der Symbole Rhyltans. Ob er Gefallen gefunden hatte an dem Mut des Elfen? Verhindert hatte das sein Leichnam geschändet wurde wie die der anderen?
Während Valeria den Ort des Portals untersuchte, schritt Tabor den Rest des Gasthofes ab. Irgend etwas ... irgend etwas war da gewesen. Irgend etwas hatte er gesehen was ihm aufgefallen war. Unterbewusst. Es hatte nicht gepasst in das Bild. Der Zwerg ließ seinen Blick umherschweifen. Der Elf vor dem Hühnerstall. Er eilte hinüber. Die Leiche war zugerichtet wie die der anderen. Das Gesicht kam ihm bekannt vor. Dann entsann er sich: das war Helenes älterer Bruder. Ein weiterer Schicksalsschlag. Aber wieso lag er hier? Hatte er in den Stall fliehen wollen? Eher nein, er lag mehr so davor als wolle er ihn verschließen. Dort, der blutige Handabdruck. Er musste die Tür zugedrückt haben. Sollte da drinnen ...
Schnell wuchtete Tabor den Leichnam beiseite. Für Pietät war später Zeit. Eilig riß er die kleine Tür auf. Es dauerte ein paar Sekunden, bis sich seine Augen an das Halbdunkel gewöhnt hatten. Langsam schalten sich die Umrisse heraus. Die Umrisse eines Körpers der auf dem Boden lag. Vorsichtig zog Tabor den Körper heraus. Eine weitere Leiche ? Nein, ein Rest Wärme war zu spüren. Tiefe Wunden überzogen den Körper der Frau, lebensgefährliche Wunden. Das Gesicht ... Helenes Mutter ...
HACATHRA
schlief einen unrihigen Schlaf. Bilder der vergangenen Ereignisse quälten sie. Lange dauerte es, bis ihr Geist sich ein wenig beruhigte und die Bilder des Vortages neuen Visionen wichen. Sanft erhob sie sich einem Falken gleich in die Luft, sauste über den Wald dahin, Rangoon entgegen. Die Morgensonne streichelte ihr Gefieder und auf dem glitzernden Wasser legte ein wundervolles Schiff vom Hafen ab. Kreisend begleitete Hacathra die Reisenden. Dort unten waren Valeria und Tabor zu sehen, Orm und Tamara. Und Helene. Was mochte sie dort tun? Sie spürte die Anwesenheit der Schattenalfin. Sie lebte. Und neben ihr pochte bedrohlich die Truhe. Bis hierher konnte Hacathra sie spüren. Etwas unnatürliches, gefährliches regte sich darin. Wirbelte hin und her, nagte an den Ketten die es halten sollte, prüfte immer wieder sein Gefängnis. Noch konnte es nicht hinaus, aber bald, bald würde es soweit sein. Hacathra wusste, dass es nur noch wenige Tage waren, dann würden die Ketten brechen. Das war der Grund. Nun wurde ihr die Eile klar. Selbst jemand wie Elena würde mehr Sorgfalt waren bevor sie die Truhe öffnete. Selbst in ihrem Größenwahn musste ihr die Gefahr klar sein. Aber sie hatte keine Zeit mehr. Die Truhe musste geöffnet werden bevor das Wesen darin die Bande sprengen konnte und unkontrolliert in die Welt gelang. Das machte sie und Elena fast zu Verbündeten. Aber nur fast.
Wohin das Schiff wohl wollte? Nach ein paar Stunden legte es kurz an. Männer gingen an Bord und übergaben Valeria Sachen. Wenig später fuhr es weiter den Fluß hinab, doch Valeria und Tabor flogen mit Tamara weg. Einen Moment schwankte Hacthra. Sollte sie beim Schiff bleiben oder den Dreien folgen.
Folge ihnen und siehe. leichte schwang Seluvias Stimme durch die Elfin, sanft wie die einer großen Schwester. Mehr eine Bitte als ein Befehl.
Nein, ich will Dir nicht befehlen. Welchen Wert hätten Deine Taten wenn Du Dich nicht dafür entscheidest? Doch ich will Dir die Dinge zeigen, damit Du wählen kannst ohne Unwissenheit.
Rasch folgte Hacathra der Wyver und so geschah es, dass sie von weit oben verfolgte wie Valeria und Tabor den Gasthof erreichten. Auch die Elfin sah die vielen Toten, spürte die Trauer um die Erschlagenen und die Freude eine Überlebende gefunden zu haben.
Ich konnte nur sie beschützen. Sie war vor langer Zeit meine Dienerin und auch wenn sie heute meinen Schwestern huldigt, so hat sie mich nie vergessen. Doch ihre Wunden zu heilen liegt nicht an mir.
Aber wisse: die Angreifer werden hier nicht halt machen. Sie wollen die ganze Familie auslöschen. Sie werden erneut versuchen Helene und ihre Mutter zu töten. Und Deine Freunde. Aber das eigentliche Ziel bist Du. Jemand gaukelt ihnen vor dass Du auf dem Schiff bist und sie wollen Rache. Rache für Deinen Mut und Dein Schwert.
Hacathra sah wieder den Ball vor sich, ihren Kampf gegen die Dämonenbeschwörerin. Ihr Schwert hatte der Schattenalfin den Waffenarm abgeschlagen. Zischend und heulend war ihre Feindin verschwunden, nicht ohne ihr Rache zu schwören.
Sie hat sich erholt und ist noch mächtiger geworden. In ihrer Wut wird sie nichts unversucht lassen um Dich zu töten.
Die Bilder verblassten. Langsam erwachte Hacathra.
Wähle. Was es auch sei ich werde Dir helfen. Hole Deinen Bruder und ich werde Dir den Weg nach Hause weisen. Reite zu Deinen Freunden und ich werde Dir im Kampf beistehen. Wähle ...