Der Anführer der Reiter ließ sich immer noch nicht durch Artaels donnernde Stimme beeindrucken, ganz im Gegensatz zu den umstehenden Dorfbewohnern, die bei jedem einzelnen Wort zusammenzuckten.
"Uns zum Bischof von Genova begleiten?" Der Mann lachte laut auf, dann verfinsterte sich jedoch der sichtbare Teil seines Gesichts. "Träum weiter, Engelchen. Meinst du wirklich, der Bischof gibt sich mit unsereins ab? Nein, der hockt schön in seinem Palast. Die Kinder liefern wir im nächsten Kloster ab, wo wir auch unseren Lohn empfangen. Dem Bischof ist es verdammt nochmal egal. Er vergibt nur die Muniæ, die Drecksarbeit erledigen und zu den ganzen Dörfern zu reisen, um den Zehnt einzutreiben, das dürfen wir machen."
Mit einem Ruck zog er seine Kapuze herunter. Darunter verborgen war ein entstelltes Gesicht: Eine dicke Wulst aus Narbengewebe zog sich über die bis eben noch nicht sichtbare Hälfte von der Stirn bis zum Kinn.
"Siehst du diese Narbe, Engelchen? Die hat mir eine verdammte Mutter mit einem Küchenmesser beigebracht, als ich ihr Kind für die Kirche ausgewählt hatte. Ich habe sie dafür halbtot geprügelt und das Kind trotzdem mitgenommen. Die Kirche bekommt immer, was ihr zusteht, und auch ein Engel wird das nicht verhindern."
Währenddessen war Navariel an die Mater des Dorfes herangetreten und hatte sie befragt. Die Antwort kam prompt:
"Die Beutereiter kommen einmal im Jahr in unser Dorf und nehmen ein paar Kinder mit. Das ist der Zehnt, den jedes Dorf an die Kirche abgeben muss. Die Kinder werden in ein Kloster gebracht und dann zu Monachen und Beginen ausgebildet, eine rosige Zukunft, wenn man sich ansieht, wie arm die meisten Dörfer doch sind, nichtsdestotrotz ist es immer sehr traurig, wenn eine Familie auseinandergerissen wird. Aber es ist nunmal der Wille Gottes, verkündet durch den Pontifex Maximus Petrus Secundus."
Die beiden letzten Sätze wirkten etwas resigniert.