Die Entscheidung des Rates fiel zum Glück und dem Syberis sei dank richtig aus. In den wenigen Stunden in welchen er sich im Dorf langweilte und bangen musste, zogen an seinen Nerven, doch als sie endlich vorbei waren und der Aufbruch fest stand war Jared froh endlich weiter von der Armee weg zu kommen und noch froher, dass keiner der Bewohner sein Leben sinnlos wegwerfen musste, doch über all diesen positiven Dingen stand wie immer der dunklen Schatten der Verzweiflung. Die wenigen Stunden hatten ihm nur wieder deutlich gezeigt, wie schlecht es eigentlich um seine Beziehung mit Lilja stand. Noch vor wenigen Tagen wären diese Stunde wie im Flug vergangen, doch jetzt erscheinen sie ihm so zäh wie Harz und so schwer wie Blei zu sein und auf seiner Seele zu lasten. Doch eine leichte Hoffnung keimt trotz aller Umstände in seinem Herzen, dass die Reise ihm eine weitere Chance geben würde, eine weitere Möglichkeit wieder einen rechten Weg zu finden und ihre Liebe zu alter Blüte zu treiben, doch noch ahnte er nicht wie falsch er damit liegen würde und das die Reise ihn nur noch tiefer in die Dunkelheit reißen würde.
Doch die Reise selbst belastet den jungen Mann nur noch mehr und treibt seine Laune eher in den Keller als irgendwo anderes hin. Riesige Menschenausläufe ist er zwar gewöhnt, doch irgendwie wirkt diese Karawane sehr viel anders auf ihn als die Menschenaufläufe in Sharn.
Zwar gibt es auch dort viele traurigen Gestalten zu sehen, oftmals Bettler und einige Existenzen am Minimum, doch hier wirkt diese gesamte Verzweiflung, die Sorgen und Nöte auf eine andere Weise. Es waren nicht die Probleme irgendwelche Städter, welche seit Jahre so leben und sich für eine warme Mahlzeit gegenseitig die Kehle aufschneiden. Leute, welche man so schnell vergisst wie man sie gesehen hat. Leute, welchen man nicht helfen kann, da sie unterdrückt werden von einer riesigen Bestie, welche sich Sharn nennt.
Nein diese Karawane verströmt die Sorgen, Nöte und Ängste von Menschen, welche ein normales Leben hatten. Einen Besitz, eine Familie, ein Leben. Die vielen verzweifelten Gesichter, die Anspannung und die ungewohnten Ausdrücke auf den Gesichtern der Leute, bedrückten ihn zu tiefst. Er fühlt sich fast so als würde er in diesem Sog aus Trauer versinken, doch er hält sich an dem Glauben fest, dass er wenigstens etwas verändern kann. Etwas für diese Leute tun kann und wird.
Doch mit jedem Überfall, mit jedem Attentat sinkt seine Hoffnung etwas. Mit jedem von Pein gezeichnet Gesicht, welches eine geliebte Person verloren hat, wird er an das erinnert, was er am meisten fürchtet. Den Verlust seiner Liebe, doch im Moment schmerzt ihn mehr die Erkenntnis, dass er sie schon verloren hat. Auf eine andere viel schlimmere Weise. Eine, welche ihn von ihr trennt, doch sie nicht aus seinem Leben reißt.
Denn Anfangs hegt er noch die leise Hoffnung, dass ihre Beziehung wieder auf dem Weg der Besserung ist, doch wie es scheint hatte er sich geirrt.
Schon am ersten Tag der Reise überlegt er angespannt und voller Verzweiflung, was er tun könnte, um wieder eine Wiedergutmachung zu erreichen, seine Liebe zu erneuern und seine Dummheit ungeschehen zu machen. Er zermartert sich in den langen, endlosen Stunden der Reise darüber den Kopf, doch es fällt ihm nichts ein, außer die Erkenntnis, dass wahrscheinlich nichts seine Dummheit ungeschehen machen kann. Denn weitere Entschuldigungen, so gestand er sich ein, würden kaum helfen, noch wüsste er eine wirklich Geste, welche jeden Zweifel zerstören würde. Lilja verlangt einen unerschütterlichen Beweis seiner Liebe, doch was das Mädchen damit genau meint bleibt ihm leider ein Rätsel. Durch diese Ratlosigkeit, kommt auch seine3 mangelnden Initiative und seinen starken Zweifeln zustande..
Doch dann entschied sich Jared für das Einzige, was ihm wichtig und richtig erschien oder zumindest, dass einzige was er machen kann. Liljas Nähe aufzusuchen und in ihrer Nähe zu verweilen. Doch kaum ist er nach langem Zögern bei ihr, kommt er sich selbst blöd vor und verflucht sich für sein Mangel an Worten, für seine ungeheure Dummheit und sein absolutes fischen im Dunkeln bei der Suche nach einer Lösung. Am liebsten würde er sie einfach umarmen, Küssen und sie lieben, doch er hat Angst vor der Reaktion seine Liebe und ihre Signale scheinen ihm in seinem Zögern zu bestätigen. Die Beklemmung in ihrer Stimme, stürzten ihn in allerdings am meisten in Verzweiflung, denn die Angst des Verlustes bekam nur noch mehr Nahrung und vergiftet seinen Verstand, denn wenn sie nicht einmal mehr unbeschwert mit ihm reden kann, scheint es wirklich sehr arg zu stehen.
All diese Umstände zeigten Jared letztendlich nur, dass er etwas sehr schönes durch seine eigene Dummheit zerstört hat und den Weg zurück erheblich erschwert, wenn nicht sogar zerstört hat. Was ihm zu seinem Unglück auch noch ständige vorgehalten wird und ihm unzählige schlechten Stunde in Dol Quor verschafft.
Oft stolpert er von einem Alptraum in den Nächsten, von einem Schrecken in den Anderen bis die gnädige Sonne ihn daraus entlässt. Seine Ängste vor der Trennung und dem Verlust vermischten sich dabei, in den langen Nächten neben Lilja, mit dem langsam wiederkehrenden Traum von Conina und Storm als Mörder von Lilja, welche als Untote wiederkehrt. Sie nehmen in seinen Kopf neue bizarre Formen an, doch in jedem seiner Träume ist er allein oder verliert Lilja, manchmal verschwindet sie einfach, manchmal wird sie getötet, manchmal sogar durch seine eigene Hand, doch in jedem Traum wird die Umgebung immer grausamer je weiter die Nacht voran schreitet und unzählige blutige Bilder vermischen sich mit der Verzweiflung der Mitglieder der Karawane, um ihm jedes bisschen Erholung zu rauben.
Doch etwas weiteres raubt ihm ebenfalls seinen Schlaf und lässt ihn langsam immer säuerlicher werden. Denn in den letzten beiden Tagen scheint sein anormales Drachenmal wie eine schlummernden Beste aus seinem Schlaf erwacht zu sein.
Immer wieder fängt es unkontrolliert an zu pulsieren und sich förmlich in seine Haut zu brennen, doch am schlimmsten ist es, wenn er dabei über Lilja nachdenkt, denn dann so scheint es Jared, vergiftet das Mal seine Gedanken mit der Verlockung seine Macht einzusetzen, um seine Probleme zu lösen, doch zweifelt er stark daran und unterdrückt diese Gedanken mit aller Kraft.
All diese Verzweiflung in der Luft, die Ratlosigkeit in seinem Herzen und das Gift des Drachenmales in seinem Kopf führten zu einer Verschlechterung seiner Laune, zu einer gesteigerten Gereiztheit und einer Tendenz sich im Moment abzukapseln. Der unerholsame Schlaf zeichnet sich am letzten Tag vor dem Erreichen der Stadt Talar besonders deutlich in seinem Gesicht ab, doch auch sonst wirkt er sehr Gereizt und unfreundlich, wenn ihn irgendjemand außer Lilja anredet, sei es eine Person aus der Gruppe oder aus der Karawane.
Zwar würde er nichts lieber tun als seinen Frust ab zu bauen und über etwas zu reden, doch es fehlt es ihm an Gesprächspartner oder zumindest redet er sich das ein. Denn Storm war einfach für so etwas nicht gut, Conina hat ihre eigenen Probleme und würde sicherlich auch nicht sonderlich gut auf ihn zu sprechen sein und nun die Wandlerinnen verstand er kaum und irgendwie fehlt ihm auch etwas die Vertrautheit im Umgang mit ihnen. Lilja fiel leider völlig raus.
Vielleicht wäre Rheon eine passende Person gewesen, aber vielleicht redet er sich das auch nur ein, jetzt wo er weg ist. Eigentlich hegte er keine große Sympathie für den Mann aufgrund seiner Herkunft, aber er hat ihn respektieren gelernt als verlässlicher Verbündeter, ruhender Pol und geduldiger Lehrer. Zwar verlosch damit auch die Gefahr einer übermäßigen schädlichen Reaktion falls sein Drachenmal entdeckt wird, doch wirklich erfreuen kann sich Jared im Moment nicht daran.
Da sein Umgang, seine Worte und die Zärtlichkeiten mit Lilja tendenziell in den letzten beiden Tagen gegen null gegangen sind, beschäftigt er sein überlasteten Kopf mit dem reinigen seines Schwertes, um ihn frei zu bekommen. Er wiederholt dies oft in den wenigen Tagen und hängt auch einige trockenen Übung mit Schwert an.
Doch letztendlich flieht er damit nur vor dem Problemen, welchen er sich nicht mehr stellen will oder einfach nicht die Kraft hat, doch jetzt, so kurz vor dem Ziel scheint seine Laune nicht besser zu werden, wenn auch der Gedanke an ein weiches Bett und ein Bad ihm etwas antrieb gibt. Doch bald würde er auch wieder bereit sein müssen, sein Leben für ein fremdes Land in die Wagschale zu werfen.