Durchdringend sieht sieht Severus Stefan an, als würde er erwägen, was mit ihm zu tun sei. Nach einer kurzen Pause legt der Ventrue den Kopf leicht schief.
"Die Frage ist, wie lange sich so viele unserer Art verbergen lassen, wenn immer mehr kommen, findet ihr nicht? Doch ich denke auch Simon wird ein, zumindest anfängliches, Interesse haben, dass ihr in der Stadt bleibt. Unter diesen Umständen sei es euch gestattet, aber ich warne euch, Stefan: Haltet euch an die Regeln, oder es wird einen Scheiterhaufen auf Burg Vysehrad geben. Nur für euch."
Es ist nicht schwer zu erkennen, wie toternst Severus seine letzte Aussage meint. Und gerade in Anbetracht des Mordes ist sie auch nur zu gut verständlich.
"Setzt euch, die anderen müssten jeden Moment eintreffen."
Und tatsächlich, kurze Zeit später öffnet sich die große Doppeltür. Larciel, William und Octavian betreten den Saal, nachdem ihnen Hrav Eintritt gewährt hat. Nach einigen flüchtigen Blicken zu Severus, setzen sie sich auf drei der vielen Stühle, die im Saal stehen.
In den nächsten zehn Minuten treffen auch alle anderen Kainiten Prags ein.
Bernhard, der ein zerfetztes und ekelriechendes Hemd trägt, das Teile seines mit Narben und Wucherungen übersäten Oberkörpers offenbart. Seine ganze Mimik und Gestik zeigt unvermittelbar, wie schnell der Nosferatu sich wieder in sein Loch verkriechen will.
Vater Johannes, der mit einem hektischen "Jaja, hmhm, jaja!" den Saal betritt und zügig auf einen der Stühle zumarschiert. Dabei kratzt er sich unaufhörlich am Hinterkopf, als würde er versuchen, einen hartnäckigen Mückenstich wegzuschürfen.
Als letztes treffen Maria und Beatrice ein. Herrisch und finster blickend marschiert die Toreador in den Saal und lässt sich nicht von Hrav aufhalten, während sie ihr Küken beinahe hinter sich her zerrt. Ein kurzer, funkelnder Blick in Richtung des Klüngels, ehe sie sich energisch hinsetzt. Beatrice dagegen scheint total eingeschüchtert. Ihr Blick ist gesenkt, als sie ihrer Erzeugerin folgt. Ein mulmiges Gefühl steigt in William auf und er fragt sich nicht zum ersten Mal, ob es eine so gute Idee war, den Auftrag Severus' anzunehmen und den Mordfall zu untersuchen.
Als alle sitzen ist es still im Saal. Nur die Kerzen des Kronleuchters und die Fackeln an den Wänden erhellen den Raum, als sich Gaius Cossinius Severus erhebt, die Hände in einer Geste haltend, die unmissverstädnlich bedeutet, ruhig zu sein. Das Gesicht des Ventrue spiegelt die Ernsthaftigkeit wider, die von diesem Mordfall ausgeht. Nichtmal sein sonst so häufig benutztes, raubtierhaftes Lächeln findet einen Platz. Seinen Blick über alle Kainiten schweifend, beginnt er mit machtvoller, bedrohlicher Stimme zu sprechen und die Neuankömmlinge bekommen einen Hauch dessen zu sehen, was diesen Vampir zum Herrscher Prags hat aufsteigen lassen.
"Hatte ich nicht befohlen, den Häschern der Inquisition keine Hinweise auf unsere Existenz zu hinterlassen? Hatte ich nicht deutlich gemacht, wie schwierig es sein würde, leichtsinnige und unüberlegte Situationen wieder gerade zu biegen, gerade in dieser Zeit?!"
Seine tiefgrünen Augen funkeln alle Anwesenden an und die Macht, die dieser Vampir ausstrahlt, ist greifbarer denn je zu vor.
"Es ist mir egal, welche Gründe oder Motive dich, MARIA..."
Ein kurzes Aufschrecken von Beatrice begleitet die donnernden Worte des Ventrue.
"... dazu verleitet haben, den Seiler auszusaugen, bis auf den letzten, gottverdammten Tropfen. Kontrolle! Beherrschung! Disziplin! All das hast du vermissen lassen, in einem Akt, der die Inquisition beinahe auf unsere Fährte gebracht hätte! Die Zeiten sind gefährlich, und dass gerade du zu so einer Tat fähig bist, enttäuscht mich."
Ohne mit der Wimper zu zucken lässt Maria die Rüge über sich ergehen, auch wenn ihr Zorn und Wut ins Gesicht geschrieben stehen.
Die Augen für einen Moment schließend, lässt Severus seine Rede kurz wirken, ehe er sein Blick auf William, Octavian und Larciel wirft.
"Auf der anderen Seite haben wir es diesen dreien hier zu verdanken, dass der Mord aufgeklärt werden konnten und keine Unschuldigen in Verdacht gerieten. Sie werden als Belohnung die Silbermine als Domäne zugesprochen bekommen und, sofern sie dies wünschen, Prag als ihre Heimatstadt ansehen dürfen. Octavian, William und Larciel, ich danke euch für eure Arbeit, aber vergesst nie, dass euer Tun und Handeln in der Stadt genauestens beobachtet wird."
Wieder alle Kainiten im Saal anschauend, ist seine Stimme merklich leiser geworden.
"Ich hoffe, dass dieser Vorfall für euch alle eine Lehre ist. Ich wünsche eine angenehme Nacht."
Es dauert keine zwei Sekunden, da springt Maria regelrecht aus ihrem Stuhl und mit einem letzten unheilvollen Blick Richtung Klüngel, verlässt sie den Saal. Kurze Zeit später tun ihr das Bernhard und Johannes gleich, letzter mit einem in sich hineingeflüsterten "So gehts, jaja, nicht leicht, jaja!" auf den Lippen.