Rezz, der nach den ersten morgendlichen Übungen beim Säbelschwingen die Muskeln in Armen und Schultern schmerzen, taut spürbar auf, während sie sich mit dem kleinen Feenwesen unterhält. Bald tut ihr zusätzlich noch das Zwerchfell weh, was gar nicht so angenehm ist, beim reiten.
Allerdings tut ihr das Lachen auch gut, die vergangenen Tage haben ihr schon mehr zugesetzt, als sie es sich anmerken lässt. Schnell merkt sie, dass Saphira mindestens so bücherbegeistert ist wie sie selbst, mit dem kleinen Unterschied, dass die Pixie zwischen Büchern aufgewachsen ist. Ihre Kindheit spielte sich zwischen den Bücherregalen der Bibliotheken, und den Stuhlreihen der Vorlesungsräume einer bedeutenden magischen Universität ab, wie Rezz bald erfährt, als Saphira von dieser und jener Begebenheit aus ihrer Kindheit und Jugend erzählt.
Da könnte Rezz ihrerseits beinahe neidisch werden, sie hat sich das Lesen größtenteils selbst beigebracht, nur mit der fragwürdigen Hilfe des sehr schrulligen Dorfschreibers, der Kinder eigentlich hasste. Wenn er nicht den Wein, den Rezz ihm zur Bestechung aus des Onkels Wirtskeller mitbrachte, so geliebt hätte, hätte sie es wohl nie geschafft, in einem Bauerndorf ohne jede Schule lesen und schreiben zu lernen. Die paar anderen des Lesens und Schreibens fähigen Bewohner des Dorfes hatten entweder keine Zeit, oder kein Interesse dem Wirtshausmädchen so etwas für sie Unnötiges beizubringen. Ihr erstes schäbiges Buch, einen alten Roman, hatte sie bei dem Schreiber gegen eine ganze Kiste Wein eingetauscht. Nachdem das aber aufgeflogen war, und sie von ihrem Onkel eine tüchtige Trach Prügel für den ständigen Weinklau bezogen hatte, legte sie jedes halbe Kupferstück, das sie ergattern konnte beiseite, um sich alle paar Monate - statt Kleider, Spielsachen oder Süßigkeiten - ein neues Buch beim Dorfhändler zu kaufen. Der nahm ihr freundlicherweise auch jeweils das vorangegangene Buch, das sie ihm beim Kauf eines Neuen wieder zurückbrachte, noch zum halben Preis ab. Und das, obwohl die Bücher meist ziemlich zerfleddert aussahen, nachdem sie sie überall, ob im Bett bei Kerzenschein, in einem Versteck über dem Stall, oder im Freien unter ihrem Lieblingsbaum, unzählige Male durchgelesen hatte. Ja, der Dorfhändler war ihr ein freund gewesen, hatte von seinen EInkaufsreisen in die recht weit entfernte nächste größere Stadt immer auch ein interessantes Buch mitgebracht, und hob es ihr jeweils auf, bis sie genug Geld beisammen hatte.
Aber für Neid bleibt dann doch kein Platz, zu lustig sind die Anekdoten, wie klein-Saphira diesem und jenem unfreundlichen Professor diesen und jenen Streich gespielt hat, zu interessant die Ausblicke in das Wissen, dass die unbeschwerte aber hochintelligente Pixie in ihrer Kindheit quasi nebenbei in sich aufgesaugt hat, während sie stundenlang Bücher wälzte, die sie oft nicht einmal selbst umblättern, geschweige denn anheben konnte. Deshalb war die Hand des Magiers auch der erste Zauber, den sie schon als kleines Kind lernte um in der Welt der Großen zurechtzukommen.
Bei all den Geschichten lebt Rezz spürbar auf, findet wieder ein großes Stückchen von ihrem fröhlichen Selbst zurück, jenes Selbst, das unbeschwert und splitternackt in unbekannte Flüsse sprang, welche nur ein paar Meter weiter flussauwärts auf magische Weise aus dem Nichts erschienen.
Der Entschluss die verlorenen Gefährten zu rächen, und außerdem an Sarins Seite den Drachenberg zu finden und zu bezwingen, ist zwar nicht vergessen, hat aber einiges von seiner düsteren Grimmigkeit verloren