Gaerdin schleicht unbemerkt von den anderen, die sich entweder voll ihrem Bier widmen oder Bruder Egil zuhören, vom Tisch zum Wirt. Der ist auch nicht schwer zu finden, immer dem verführerischen Duft aus der Küche nach. Dort drinnen sieht er, wie der Wirt und der Junge, der bei ihrem Eintritt noch auf einem der Tische geschnarcht hatte, mit vielen Pfannen und Töpfen hantieren.
"Alles klar, kleiner Mann. Eure Wünsche sollen erfüllt werden." Dabei zwinkert er wieder.
Als Gaerdin an den Tisch zurückkehrt bekommt er gerade mit, wie Exeder und Talvra ihre Fragen an den Priester stellen. Bruder Egil selbst ist erleichtert, dass die Gruppe zumindest Interesse an seinem Anliegen zeigt und nicht gleich freiheraus ablehnt. Bevor er antwortet, prostet er den anderen noch stumm zu und nimmt dann einen kleinen Schluck aus dem Krug.
"Um eure Fragen zu beantworten, erzähle ich euch besser die ganze Geschichte.
Ich kenne Lucius schon mein ganzes Leben lang. Wir wurden zusammen im Tempel aufgezogen, er wurde Bibliothekar und ich schlug den Weg des Glaubes ein und wurde Priester. Vor sechs Jahren jedoch geschah etwas seltsames. Er schien sich fast über Nacht verändert zu haben. Am einen Tag noch der gute Freund, am anderen Tag ein völlig fremder Mann. Er stellte bizarre Fragen, schien sich an nichts zu erinnern, noch nichtmal unsere jahrelange Freundschaft, und am Schlimmsten: Er behandelte den Tempel wie eine persönliche Bibliothek. Nur Wochen später wurde er dabei erwischt, wie er ins Allerheiligste eindringen wollte - das höchste Vergehen - und wurde aus dem Tempel ausgestoßen. Nur wenig später verließ er Freihafen und war für vier ganze Jahre verschwunden."
Bruder Egil pausiert kurz und nimmt einen weiteren Schluck. Während er erzählt, ist sein Blick weiter nur auf den Krug vor ihm gerichtet. Ab und zu fährt er mit seiner Hand durch den Blonden Haarschopf oder streicht sich über den vollen Bart. Seine Stimme ist ruhig, die echte Betroffenheit des Priesters über die Geschehnisse ist förmlich zu spüren.
"Als Lucius schließlich wieder auftauchte, schien er wieder er selbst zu sein. Er kam zurück an die Pforten des Tempels und bettelte darum, wieder eingelassen zu werden, er sagte, er hätte nicht die leiseste Erinnerung an die vergangenen vier Jahre. Thuron, der Hohepriester Oghmas in Freihafen, schien zuerst hart wie Adamant, Lucius's Bitte abzulehnen, doch plötzlich - nach einem privaten Gespräch mit Lucius - änderte er seine Meinung und Lucius konnte seine alte Position im Tempel wieder aufnehmen."
Ein weiterer Schluck, eine weitere Pause.
"Als Lucius zurückkam, war es wieder wie in alten Zeiten, für acht oder neun Monate. Dann jedoch begann er, immer verstörter zu wirken, sein Gesicht fiel ein, er magerte immer mehr ab. Er meinte, er würde auch nicht mehr gut schlafen. Irgendetwas wühlte ihn auf, aber er wollte mir nicht sagen, was. Er stellte einen Haufen Fragen darüber, wie genau er in den Wochen vor seinem Ausschluss aus dem Tempel war. Sogar der Hohepriester bat ihn, die Sache ruhen zu lassen, aber Lucius konnte nicht loslassen.
Ich machte mir immer mehr Sorgen um meinen Freund. Er schien fast an der Schwelle des Wahnsinns zu stehen, ganz so, als ob ein kleiner Stoß ausreichen würde, ihn vollends in den Wahnsinn abgleiten zu lassen. Vor zwei Tagen schließlich tauchte er nicht im Tempel auf. Ich ging zu seinem Haus und fand es verlassen vor. Ich habe die halbe Stadt abgesucht, doch nirgendwo auch nur ein Zeichen von Lucius. Die Priester des Tempels bestreiten es zwar, aber ich weiß genau, dass Lucius etwas zugestoßen ist. Ich bitte euch nun, herauszufinden, was.
Ich hoffe, das beantwortet eure Fragen. Was die letzte, nach der Entlohnung angeht, junge Elfe, so kann ich euch nur wenig anbieten. 500 Galeonen, mehr kann ich euch nicht bieten. Allerdings kann ich euch noch Heilung verschaffen, wenn ihr dies benötigt, als Schriftrollen oder als Tränke, ganz wie ihr wünscht. Was sagt ihr?"
Nach einem weiteren, tiefen Schluck aus dem Krug blickt er die Gruppe erwartungsvoll an.